Berlin: Weinrich-Prozess: 66. Verhandlungstag
Generalstaatsanwalt nimmt Oberstaatsanwalt in Schutz
66. Verhandlungstag im Weinrich-Prozeß
Zur Eröffnung des Verhandlungstages verlas der Vorsitzende zwei Schreiben, die "frisch hereingekommen" waren. Eines stammt von Generalstaatsanwalt Naumann, das andere vom französischen Ermittlungsrichter Bruguiere.
Naumann lehnte in seinem Schreiben die Ablösung von Oberstaatsanwalt Mehlis ab und kommentierte den dahingehenden Antrag der Verteidigung als "unsubstantierte Vorwürfe". Naumann sieht demnach "keinerlei Veranlassung" Oberstaatsanwalt Mehlis abzulösen. Er behalte sich stattdessen Schritte gegen die Verteidigung vor. Oberstaatsanwalt Mehlis hatte am vergangenen Verhandlungstag von einer "unglaublichen Arroganz" der Verteidigung gesprochen, weil diese behaupte, Jordanien sei ein Folterstaat. Verteidiger Häusler hatte daraufhin die Ablösung von Mehlis beim Generalstaatsanwalt beantragt.
Häusler charakterisierte Naumann in einer Stellungnahme zu dessen Schreiben als "Schreibtischtäter".
Richter Bruguiere hatte unterdessen auf eine Anfrage des Vorsitzenden Ehestädt geantwortet. Ehestädt hatte angefragt, ob es seinerzeit eine Antwort der Jordanier auf die französischen Rechtshilfeersuchen gegeben habe und wie es denn möglich gewesen sei, daß Bruguiere die angebliche Issawi-Aussage bereits am 12. April 2001 zur Übersetzung gegeben habe, obwohl er sie offiziell erst am 25. April erhalten hatte.
Bruguiere stellte nun fest, daß es "im Rechtshilfeverkehr zwischen Staaten der europäischen Union nicht üblich und nicht notwendig" sei, eine separate schriftliche Antwort auf ein Rechtshilfeersuchen zu geben und das diese auf telefonischem Wege erfolgt sei. Man habe dann in Amman eine Kopie der Aussage Issawis erhalten, diese kopiert und am 12. April eine Übersetzung anfertigen lassen. Das offizielle Schriftstück sei dann auf "diplomatischem Wege" zwei Wochen später übermittelt worden. Beide "Aussagen" seien textidentisch.
Verteidiger Elfferding hatte dazu eine Reihe von Anmerkungen. Zum einen stellte er die Frage, seit wann Jordanien zur EU gehört. Weiterhin wollte er wissen, ob es wenigstens einen Aktenvermerk über ein solches Telefonat zur Genehmigung der Reise nach Amman gegeben habe und drittens merkte er an, daß es nach dem, was Bruguiere hier geschrieben hat, bis heute keine Übersetzung der "offiziell" übersandten Version der "Aussage" Issawis gibt. Dies sei um so verwunderlicher, da der Zeuge Riou in seinen Vernehmungen hier ein ums andere mal betont habe, man solle sich an die offizielle Version halten und nicht an seinen Bericht. Im Übrigen fragte sich Elfferding, ob die Arabischkenntnisse Bruguieres so gut seien, daß er beurteilen könne, ob die beiden "Aussagen" textidentisch sind (denn von der "offiziellen" Version liegt keine Übersetzung vor).
Hatte die Verteidigung schon in den letzten Verhandlungstagen nachgewiesen, daß der französische Rechtshilfeverkehr mit Jordanien eben nicht den offiziellen diplomatische Weg gegangen war, kam nun noch hinzu, daß im hiesigen Verfahren die ganze Zeit mit der "inoffiziellen" Version der "Aussage" Issawis gearbeitet wurde.
Mit einem Antrag ging Elfferding im Folgenden noch einmal auf den Beschluß der Kammer ein, die Ladung des DST-Mannes Descoms (der ebenfalls Mitglied der französischen Delegation in Amman war und dessen Bericht teilweise im Widerspruch zu Aussagen von Riou stehen) abzulehnen. Die Kammer hatte ihre Ablehnung damit begründet, daß Descoms "kein positives Wissen" habe und die Dinge nur vom Hörensagen kenne. Dies treffe allerdings auch auf den Zeugen Riou bzw. Richter Bruguiere zu, so Elfferding. Es gehe bei der Ladung Descoms' weniger um die Klärung des inhaltlichen Widerspruches zwischen Riou und Descoms als vielmehr um die allgemeine Glaubwürdigkeit Rious. Die Kammer habe es im Übrigen versäumt, die Verlesung des Berichts Descoms' in Betracht zu ziehen und sollte ihren Beschluß deshalb "noch einmal überdenken".
Verteidiger Tzschoppe folgte mit einem Antrag, in dem er Auskunft darüber erwartet, wie ein Schreiben des jordanischen Geheimdienstchefs Kheir in die Hände der deutschen Botschaft in Amman gelangt sei. Das Schreiben trage zudem weder ein Datum noch eine Unterschrift und sei offensichtlich nicht auf diplomatischem Weg übermittelt worden, sondern direkt vom GID gekommen. Desweiteren beantragte er die Klärung von Übersetzungen im Vergleich zu früheren Schreiben Kheirs, da die Titelbezeichnungen Kheirs darin abweichend seien. Da somit die Provenienz der Schreiben nicht geklärt ist, sei es Aufgabe der Kammer, dies zu überprüfen.
Nächster Termin: 21.04., 9.30 Uhr, Turmstr. 91, Saal 500
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