Hamburg: "RECLAIM THE COURTROOM!"
hardcore
Am Donnerstag, den 13. Mai um 10:30 Uhr beginnt im Amtsgericht Altona eine neue Kriminalisierungs-Reihe im Rahmen der sozialen Kämpfe um die Bambule. Dabei wird eine der ersten von etwa 84 Personen des gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchs angeklagt.
Dieser Tatvorwurf ist das Ergebnis einer symbolischen Platzbesetzung in der Harkortstraße im September 2003. Einige hundert WagenbewohnerInnen und SympatisantInnen fanden sich damals auf einem Grundstück der Deutschen Bahn ein, um auf die anhaltend prekäre Situation von Wagenplätzen in Hamburg aufmerksam zu machen. Zugleich wollten sie ein Zeichen gegen die Einsparungs- und Ordnungspolitik des damaligen Senats setzen, der im Februar diesen Jahres zum größten Teil erneute Bestätigung empfing. Die Aktion endete mit der Festnahme der 84 Menschen, die bis weit in die Nacht festgehalten und von denen 27 sogar erkennungsdienstlich behandelt wurden.
Mittlerweile erhielten die meisten der Festgenommenen einen Strafbefehl mit dem Vorwurf des gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchs. Beim gleichen Tatvorwurf variieren sowohl die festgelegten Tagessätze zwischen 20 und 40 Tagen, als auch die daraus folgenden Geldstrafen zwischen 200 und 1000 Euro. Auf Widersprüche gegen diese Strafbefehle folgten bereits eine Woche später, d.h. unter Wahrung der kurzmöglichsten Frist, die ersten Prozessvorladungen.
Bei der Repression geht es aber nicht nur um die Menschen, die Bauwagen den Mietwohnungen vorziehen. Ziel ist es vielmehr, konservative Lebensentwürfe zu etablieren und anderen aufzudrängen. Eigenständige, kollektive, soziale und alternative Wohn-, Arbeits-, und/oder Lebensprojekte sollen zerstört oder unmöglich gemacht werden. Jene Momente, die sich nicht für den Wirtschaftsstandort Hamburg verwerten lassen, werden in öffentlichen Diskussionen diskreditiert, um die WählerInnenschaft auf Kurs zu halten und gegen die Formen des politischen Widerstandes zu mobilisieren.
Die Forderung nach Wagenpätzen ist dabei nicht isoliert zu betrachten. Die Widerstände gegen die Hamburger Einsparungspolitik, wie die Auflösung der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP), die Schließung von Fixerstuben und Beratungsstellen oder die Einführung der Kita-Card, stehen dabei in einer Linie gegen die staatlich verordnete Politik der Uniformität und gewinnsuchenden Effektivität.
Im bundesweiten Mainstream wird die Verwirklichung der eigenen Lebensentwürfe nur auf Basis von Kapitalmitteln und Konsum gestattet. Der Sozialstaat wird abgebaut und zum Teil privatisiert; die verstärkten Kontrollen und vermeintlichen Sicherheitssysteme sollen das reibungslose Funktionieren kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse garantieren. Im zunehmenden wirtschaftlichen Leistungsdruck schreitet die Individualisierung voran, beispielsweise im Zusammenhang mit der Ich-AG oder der Selbstkostenbeteiligung im Krankheitsbereich. Solidarität und gemeinschaftliche Kämpfe bleiben ganz im Sinne des Staatsapparates auf der Strecke. Wo sich Widerstand regt, werden finanzielle und polizeiliche Repressionsmittel eingesetzt.
Die drohenden Prozesse sind vor diesem Hintergrund einzuordnen. Nach wie vor gibt es Menschen, die sich widersetzen und sich nicht einschüchtern lassen wollen.
Demonstrieren wir unseren Unwillen und Widerstand gegenüber Justiz und Senat einerseits und unsere Solidarität miteinander andererseits: Kommt alle zur Kundgebung am 13. Mai um 9:30 Uhr vor dem Amtsgericht Altona (Max-Brauer-Allee 91).
Einige Prozessbetroffene
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BACKGROUND:
Der Wagenplatz Bambule war am 4. November 2002 trotz rechtlich unklarer Lage aus dem Karoviertel vertrieben worden. Nach der Räumung des Platzes führte Bambule Verhandlungen mit der Stadt, die durch den damaligen Staatsrat Wellinghausen (Partei Rechtstaatliche Offensive) vertreten wurde. Im Gespräch waren mehrere Gelände, die im Besitz der Deutschen Bahn standen. Darunter war auch jenes Grundstück in der Harkortstraße. Nach der unbewiesenen Behauptung, es sei schadstoffbelastet, sowie den Kompetenzrangeleien innerhalb des Hamburger Senats wurde es jedoch als Angebot zurückgezogen. Im April 2003 bot die Stadt dann einen Platz in der Kohlentwiete in Altona an. Dieses Angebot wurde von Bambule mit der politisch motivierten Einschränkung akzeptiert, dass der neue Platz keine Auffangstelle für alle in Zukunft geräumten Wagenplätze werden dürfe. Diese eingeschränkte Zusage wurde vom Senat als "nein" gewertet und damit zum Ende sämtlicher Verhandlungen erklärt. Das zeigt einmal mehr, dass der Senat nicht wirklich verhandlungswillig ist. Dass es bis heute trotz der Bereitschaft der ehemaligen WagenbewohnerInnen keine Fortführung der Gespräche gab und gibt, einem anderen Wagenplatz aber aktuell der Nutzungsvertrag auf 18 Monate verlängert wurde, zeigt die Strategie des neuen Senats: Mit Teilzugeständnissen und Hinhaltetaktik soll eine "ruhige Lösung" erzielt werden, um letztendlich bis 2006 alle Wagenplätze in Hamburg geräumt zu haben. So wurde der Henriette eine bedingte Fristverlängerung für ihr Platzleben um 18 Monate gewährt. Der Nutzungsvertrag für das Wendebecken in Barmbek läuft am 31. August aus; anschließend droht auch dort die Räumung.
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Für den Widerstand gegen die Prozessreihe brauchen wir natürlich dringend Geld, das wir allein mit Solipartys nicht auftreiben können. Unterstützende Geldbeträge bitte auf das folgende Spendenkonto überweisen:
Bambule e.V.
Postbank Hamburg, BLZ 200 100 20
Kto.Nr.: 79 252 208, Verwendungszweck: Harkortstrasse
"FÜR EIN SELBSTBESTIMMTES LEBEN - SCHÖN, ANDERS UND VIELFÄLTIG!"
"RECLAIM THE COURTROUM AT:"
Folgende Prozesstermine sind bisher angesetzt (Achtung: Termine sind aktualisiert!):
12.05., 13:00 h Amtsgericht Altona, Saal 201
13.05., 8:30 h Amtsgericht Altona, Saal 201
13.05., 9:00 h Amtsgericht Barmbek
13.05., 10:30 h Amtsgericht Altona
27.05., Amtsgericht Altona
14.06., Amtsgericht Altona
Ein erster Prozess fand bereits am 27.4. vor dem Jugendgericht statt. Wir rechnen fortwährend mit neuen Prozessterminen.
Aktuelle Infos erhaltet ihr auf der Internetseite: www.bambule-hamburg.org
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