Gipfelinfo: Berlin - Kundgebung anlässlich der Verfahrenseröffnung
gegen Angehörige der Polizei in Genua
Gipfelinfo - Meldungen über globalisierte Solidarität
und die Proteste gegen unsolidarische Globalisierung
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Am 22. Juni fand in Berlin eine Kundgebung anlässlich der Verfahrenseröffnung
gegen Angehörige der Polizei in Genua statt.
Etwa 70 Menschen versammelten sich auf dem Hackeschen Markt, um sich mit jenen
zu solidarisieren die damals Opfer der Repression waren, aber auch um auf die
bevorstehenden Prozesse in Genua (gegen die Polizei) und Genf (gegen 3
AktivistInnen) aufmerksam zu machen. Seit März laufen in Genua schon Prozesse
gegen 25 italienische AktivistInnen wegen "Plünderung und Verwüstung", die
angedrohten Strafen sind extrem hoch.
Viele Leute, auch aus Deutschland, werden nach Genua fahren um als
NebenklägerInnen in den Prozessen gegen die Polizei aufzutreten.
In Redebeiträgen ging es auch um den Hungerstreik von 4 Personen die während des
G8 in Georgia, USA festgenommen wurden; um 2 Personen aus Holland denen eine
Auslieferung nach Göteborg droht; sowie um die 111 brutalen Festnahmen und
Misshandlungen in Guadalajara, Mexico, während des dortigen Gipfeltreffens der
EU, Lateinamerikas und der Karibikstaaten.
Die Kundgebung wurde gestört durch 2 Personen der sogenannten "Antizionistischen
Aktion", die dort Flugblätter verteilten. TeilnehmerInnen sorgten dafür dass sie
dies stoppen mussten, die Demoleitung distanzierte sich von ihnen. Ansonsten
verlief die Veranstaltung sehr angenehm. Die Polizei hielt sich im Hintergrund.
Hier nun einige der Redebeiträge von der Kundgebung, die den aktuellen Stand der
Verfahren in Genua und Genf wiedergeben.
- Zur Situation in Genua im Juni 2004
- REDEBEITRAG ZU DEN PROZESSEN IN GENUA:
- Manifest der Betroffenen aus der Diaz-Schule
- Aubonne Bridge Campaign
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Zur Situation in Genua im Juni 2004
In vier Wochen jährt sich die bisher blutigste Niederschlagung eines anti-g8
Protests seit dem Erstarken der sozialen Bewegungen im letzten Jahrzehnt.
Das war 2001 in Genua. Hunderttausende protestierten gegen die martialisch
abgeschirmte Zusammenkunft der G8-Herren, um ihnen und der Politik, die sie
betreiben, eine radikale Absage zu erteilen.
300.000 Protestierende und die Bevölkerung der martialisch belagerten Stadt
wurden Zeugen der blutigen Ereignisse, die weltweit Entsetzen auslösten und
laute Forderungen nach Gerechtigkeit, nach angemessenen Konsequenzen und nach
eingehender Aufklärung der Sicherheitspolitik, die maßgeblich die Tragödie von
Genua bestimmte, nach sich zogen.
Um Genua wurde es mit der Zeit dann doch sehr still. Dabei gab es Entwicklungen,
die zeigen, dass es noch lange nicht zu Ende ist und dass es keine Gerechtigkeit
geben wird.
Das zuständige Gericht hat den Polizisten, der während des G8 den 23-jährigen
Carlo Giuliani tötete, längst frei gesprochen.
Kein einziger der Polizisten, die nachweislich schwerste Straftaten begangen
haben, wurde je vom Dienst suspendiert.
Vielmehr wurden gerade die leitenden Beamten unter diesen Polizisten in noch
höhere Ämter befördert.
Sie arbeiten jetzt an der Spitze oder in den Spitzenetagen der italienischen
Antiterrorpolizei, der Kripo und des italienischen Geheimdienstes.
Einer von ihnen ist Leiter der internationalen Europa Task Force, die seit dem
Frühjahr europaweit linke und anarchistische Gruppen durchleuchtet.
Nach Einstellung des Verfahrens wegen der Tötung eines Demonstranten
konzentrierten sich die Ermittlungen gegen Polizeibeamte drei Jahre lang fast
nur auf den Überfall auf schlafende Menschen in einem Schulgebäude und auf die
Folterorgien und Freiheitsberaubungen in einer Kaserne, die zum Gefangenenlager
umfunktioniert worden war.
Erst vor wenigen Wochen hat die italienische Staatsanwaltschaft
Ermittlungsverfahren eröffnet, um gegen weitere Gewalttaten, Amtsmissbräuche und
Verletzungen der Menschenrechte durch die Polizeien in Genua vorzugehen.
Sollte es je zu einer Anklage kommen, wird manches schon verjährt sein, wenn es
soweit ist und es wird grundsätzlich keine Konsequenzen für die massive
Polizeigewalt in den Straßen geben, sondern nur für die Vorfälle, zu denen es in
Dienstgebäuden, in zwei Schulen und in Krankenhäusern kam.
Während die anderen Ermittlungen erst eröffnet wurden, sind die Ermittlungen im
Fall Diaz und im Fall Bolzaneto vor einigen Wochen zum Abschluss gekommen.
Der nächste Schritt werden Verhandlungen im Klagezulassungsverfahren sein.
Im fall Bolzaneto, wo Geständnisse erpresst und Verhörprotokolle gefälscht
wurden, wo Hunderte Menschen über Tage hinweg seelisch und körperlich grausam
gequält wurden, steht ein Termin für diese Vorverhandlungen noch aus.
Betroffen sind 47 Angehörige der Polizeien und des medizinischen Personals der
Haftanstalten. Es wird immer wahrscheinlicher, dass sie in vielen Punkten, wenn
überhaupt, nur noch symbolisch bestraft werden könnten.
Gleiches gilt für die Beschuldigten im Fall Diaz. Hier beginnen die
Vorverhandlungen in dieser Woche, am Samstag, den 26. Juni.
Wegen den Überfällen in den Schulen Diaz und Pascoli werden nach drei Jahre
währenden Ermittlungen von knapp dreihundert Polizisten, die am Überfall auf die
Schulen beteiligt waren, ganze 29 beschuldigt.
Von 20 Angehörigen eines Kommandos, das sich am Sturm auf schlafende Menschen
beteiligte, sind bis heute nicht einmal die Namen bekannt.
Wir wissen, dass einige der 93 Opfer dieser nachweislich rechtswidrigen Razzia
die brachiale Gewalt der maskierten Polizeischläger, die sie im Schlaf
überfielen, nur knapp überlebten.
Wir wissen, dass die Razzia unter Vortäuschung von Straftaten durchgeführt
wurde, um nach dem Tod von Carlo Giuliani mit einer hohen Verhaftungsbilanz
aufzuwarten, mit der die schon im Vorfeld stark umstrittene Sicherheitspolitik
rechtfertigt werden sollte, die überhaupt die Schrecken von Genua möglich
gemacht hat und einen Toten forderte.
Wir wissen, dass die Polizei arglistig und in betrügerischer Absicht zwei
Molotows in das Gebäude deponierte, um die verhafteten Personen zu belasten und
dass sie im großen Stil Verhaftungsprotokolle fälschte.
Wir wissen, dass es für die einzelnen Gewalttaten von Polizisten keine
Konsequenzen geben wird, weil diese maskiert waren.
Wir wissen auch, dass vor kurzem in Italien ein Gesetz verabschiedet wurde, das
Gewalt gegen Personen in Form von Misshandlungen und Folter nur dann bestraft ,
wenn diese wiederholt stattfinden.
Ein Gesetz, durch das viele polizeiliche Gewalttäter, die in Kasernen tagelang
Gefangene peinigten, noch leichter davon kommen werden, als es bereits der Fall
ist, während die Staatsanwaltschaft in Verfahren gegen Protestteilnehmer zeigt,
dass sie beabsichtigt, die Gewalt gegen Sachen und den Widerstand gegen
Staatsbeamte, die zahlreichen Demonstranten unterstellt werden, drakonisch zu
bestrafen.
In einem seit dem 2. März statt findenden Prozess unterstellt die
Staatsanwaltschaft 25 Personen, dass sie 2001 in Genua systematisch die Stadt
verwüsteten und plünderten.
Der Vorwurf wiegt weit schwerer als die einfache Sachbeschädigung und wird mit 8
bis 15 Jahren Haft geahndet. In einem weiteren Verfahren sollen demnächst
weitere 50 Protestteilnehmer vor Gericht kommen.
Aus dem Kontext gerissene Bilder, die aus verschiedensten Filmdokumenten
stammen, sollen die Schuld der angeklagten Demonstranten beweisen und auch dazu
dienen, die gesamte Bewegung anzuklagen.
Die dreieinhalbstündige Montage, die derzeit vor Gericht gegen die Angeklagten
verwendet wird, blendet die Ursache der Handlungen, die sie vorführt aber
vollständig aus. 6000 Mal wurde in zwei Tagen Tränengas geschossen, viele
Tausend Mal krachten in einer komplett belagerten Stadt Schlagstöcke und
Polizeistiefel auf friedliche Menschen, bis aus der Angst der Menschen Wut wurde.
Als die Situation eskalierte, waren die meisten Angeklagten auf einer
friedlichen Demonstration, die wie viele andere Initiativen in Genua brutal
angegriffen wurde. Die Angeklagten beteuern, dass sie sich bei den Unruhen in
Genua lediglich gegen die heftigen Polizeiexzesse gewehrt haben.
Diese Exzesse verkauft die Staatsanwaltschaft für irrelevant, womit die
Geschichte von Genua endgültig zu einer anderen umgeschrieben wird. Die
Kriminalisierung der Bewegungen wird zu einem Schuldspruch für die
Geschichtsbücher und die Staatsarchive aufbereitet, während die blutige
Sicherheitspolitik und die Taten der Exekutive aus dem Fadenkreuz gezogen werden.
Angesichts der Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft wird die Verteidigung
schwer kämpfen müssen, um die Wahrheit über die Ursachen der Unruhen zu
behaupten und die staatsanwaltliche These der systematischen Verwüstung der
Stadt zu widerlegen.
Die Bewegungen werden kämpfen müssen, um das Recht auf Widerstand zu behaupten,
das zusammen mit vielen anderen Rechten zunichte gemacht wurde und wird.
Genua und die Folgen gehen uns alle an.
Genua steht für die Notwendigkeit, die unverzügliche Einführung einer
Kennzeichnungspflicht für Polizisten einzufordern.
Genua zeigt, dass es wichtiger denn je ist, aktiv das Recht auf Protest und
Widerstand zu verteidigen und das Recht, Konflikte mit der Macht auszutragen,
ohne dass sie durch Polizeiterror systematisch niedergeschlagen und medial
verfremdet werden.
Auch unter uns leben Menschen, die Opfer gewesen sind und Menschen, denen
Verfahren drohen.
Wir erklären uns mit allen Opfern der Polizeigewalt in Genua und mit den
Demonstranten, die jetzt verfolgt werden, solidarisch und fordern alle auf, sie
mit persönlicher Anteilnahme, mit Öffentlichkeitsarbeit und mit Spenden zu
unterstützen.
Mit verschiedenen Initiativen engagieren sich neben den Anwälten italienische
Bürger und Aktivisten, damit die aktuellen Verfahren nicht völlig
unwidersprochen die Geschichte von Genua umschreiben und die Wahrheit, die wir
kennen, nicht auf den Kopf gestellt wird.
Zusammen mit denen, die sich vor Ort einsetzen, fordern wir heute und alle Tage
einmal mehr Wahrheit und Gerechtigkeit.
Nichts, dass sich getrost zu den Akten legen ließe!
Wahrheit und Gerechtigkeit für Genua!
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REDEBEITRAG ZU DEN PROZESSEN IN GENUA:
Seit dem 2. März findet in Genua das juristische Nachspiel des G8-Gipfels vom
Juli 2001 statt. In einem gemeinsamen Prozess sollen 26 Menschen, die sich
angeblich an den Ausschreitungen beteiligt haben, zu langjährigen Haftstrafen
verurteilt werden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Devastazione vor, was sich
mit Plünderung und Verwüstung übersetzen lässt. Dieser Paragraf ist zum letzten
Mal nach Ende der deutschen Besatzung 1945 gegen Plünderer eingesetzt worden und
ermöglicht ein Strafmaß von 8-15 Jahren. Gegen Demonstrationsteilnehmer und
Teilnehmerinnen wurde er allerdings noch nie angewandt.
Weitere 50-60 Leute, auch aus Deutschland, sollen noch mit denselben Vorwürfen
angeklagt werden. Insbesondere Vizepremier Franco Fini, Mitglied der
neofaschistischen Alleanza Nazionale, hat sich dafür eingesetzt mindestens so
viele Demonstranten und Demonstrantinnen anzuklagen, wie Polizisten. Mit der
Eröffnung eines zweiten Prozesses gegen weitere 50 Protestteilnehmer und
Teilnehmerinnen wäre ein Verhältnis von 1:1 erreicht.
Betroffen sind Leute, die angeblich auf Foto- und Videomaterial identifiziert
werden konnten, Einzelne der Theatergruppe Volkstheaterkarawane aus Österreich
und angeblich zwei Gruppen aus Deutschland. Eine dieser Gruppen könnten die 10
Männer und Frauen aus Berlin und anderen Städten sein, die mit zwei Wohnmobilen
zwei Tage nach der letzten Demonstration ca. 40km außerhalb von Genua
kontrolliert und verhaftet worden sind.
Bei der Festnahme wurden damals durch die Polizisten schwarze Kleidungsstücke,
Werkzeuge, Küchenutensilien, ein Fotoapparat und andere alltägliche Gegenstände
beschlagnahmt. Auf der Polizeiwache in St. Margarita versuchten die Beamten
durch körperliche Gewaltanwendung Geständnisse zu erzwingen. So wurde u.a. ein
Mann vor den Augen der Anderen mit einem Knüppel auf Kopf und Brustkorb
geschlagen. Auch die Forderung nach einem Anwalt wurde mit Schlägen und Tritten
auf die gefesselten Gefangenen beantwortet. Erst nach Entwicklung eines Films,
der Aufnahmen von Demonstrationen in Genua enthielt, hörten die Misshandlungen
auf und die Zehn wurden in zwei verschiedene Gefängnisse in Genua gebracht.
In dem Männergefängnis Marassi wurden die Gefangenen noch drei weitere Tage und
Nächte systematisch von den Schliessern gequält und misshandelt. Erst der Besuch
des deutschen Botschafters und einer Anwältin beendete die Übergriffe. In der
anschleißenden Haftprüfung wurde durch den Haftrichter Untersuchungshaft
verhängt. Der Richter sah schwerwiegende Indizien, dass die Gefangenen
Mitglieder in einer kriminellen Vereinigung namens Black Bloc sind. Neben den
schwarzen Kleidungsstücken und dem Werkzeug wurde insbesondere die Tatsache,
dass die Zehn außerhalb der gängigen Verkehrswege gecampt hatten, als Beleg für
die Gefährlichkeit der Gruppe gewertet.
Auch die zweite Haftprüfung nach 14 Tagen führte zur Verlängerung der
Untersuchungshaft. In dem Plädoyer der Staatsanwältin Anna Canepa wurde das
Konstrukt des Black Bloc konkretisiert und weitere unglaubliche Beweismittel
vorgetragen: So wurde aus einem Päckchen mit Feindrehfiltern ein schwerwiegendes
Indiz, dass die Angeklagten Molotowcocktails hergestellt hätten. Die
Willkürlichkeit der Repression zeigte sich aber insbesondere in den Ausführungen
über den Black Bloc: Laut Staatsanwaltschaft gibt es eine international
agierende kriminelle Vereinigung, deren Ziel es ist Plünderung und Verwüstung
anzurichten. Diese Vereinigung sei in kleine, unabhängig voneinander agierende
Gruppen unterteilt, die pazifistische Gruppen infiltrieren, um aus deren Schutz
heraus Aktionen machen zu können.
Das bedenkliche an dieser Definition ist, dass sie bei genauerer Betrachtung auf
beinahe jede Person zutrifft, die sich an den Protesten in Genua beteiligt hat.
Im Falle der Zehn wurden z.B. selbst Flugblätter von pazifistischen
Organisationen als Indiz für die Mitgliedschaft im Black Bloc gewertet.
Erst eine Einlassung bei der Staatsanwaltschaft, in der sich die Zehn zu ihrem
Aufenthalt in Genua und den beschlagnahmten Gegenständen äußern mussten, führte
nach 6 Wochen zu einer Aussetzung der Untersuchungshaft.
Die letzten Fünf anderen Gefangenen aus Berlin, Leipzig und Schwelm kamen
schließlich nach 10 Wochen unter ähnlichen Bedingungen frei.
In den nächsten Wochen wird die italienische Staatsanwaltschaft Briefe über den
Abschluss der Ermittlungen verschicken. Die Betroffenen haben dann noch 14 Tage
Zeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern oder entlastende Beweismittel anzubringen.
Dann werden alle Unterlagen einem Richter vorgelegt, der darüber entscheidet ob
es einen weiteren Prozess gibt. Wie bei den 26 Menschen aus verschiedenen
italienischen Städten und politischen Zusammenhängen, die gerade in einem
gemeinsamen Prozess zu 8-15 Jahren verurteilt werden sollen, wird in einem
zweiten Genua-Prozess gegen weitere 50-60 Leute die Anklage Devastazione lauten.
Um diesen Straftatbestand anwenden zu können, muß die Staatsanwaltschaft
nachweisen, dass es sich bei den Ausschreitungen um ein koordiniertes Vorgehen
gehandelt hat. Daher behauptet sie, dass Alle, die sich an betreffenden Orten
aufgehalten haben, gemeinschaftlich gehandelt hätten. Damit spielt es für eine
Verurteilung keine Rolle mehr, welche Straftat dem oder der Einzelnen
nachgewiesen werden kann. So kann z.B. eine einfache Sachbeschädigung mit 8-15
Jahren Gefängnis bestraft werden.
Unsere Solidarität gilt den 26 italienischen Angeklagten, die jetzt schon mit
diesen unglaublichen Vorwürfen konfrontiert sind. Sie brauchen unsere
Unterstützung. Eine internationale Beachtung dieses Prozesses ist dringend
notwendig um die Anwendung des Straftatbestandes Devastazione im Zusammenhang
mit Demonstrationen zu verhindern.
Wir fordern die Einstellung aller weiterer Verfahren gegen Protestteilnehmer und
Teilnehmerinnen.
Wir fordern eine Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen, die durch
italienische Sicherheitskräfte während des G8-Gipfels in Genua begangen wurden.
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Manifest der Betroffenen aus der Diaz-Schule
Das letzte mal waren wir hier in der Nacht vom 21.auf den 22. Juli 2001. In
dieser Nacht sind wir von der Polizei brutal verprügelt, zum Teil fast
totgeschlagen worden. Sie kennen die Bilder von uns, wie wir (z.T. schwer)
verletzt aus diesem Gebäude herausgetragen wurden. Sie wissen, dass wir
anschließend in der Kaserne Bolzaneto weiter misshandelt, bedroht und erniedrigt
wurden, dass wir nicht schlafen und nicht essen durften und nicht medizinisch
versorgt wurden.
Wir werden das nie vergessen. Doch genauso wenig werden wir vergessen, warum wir
damals hierher nach Genua gekommen sind.
So verschieden wir auch sind, so unterschiedlich unsere politischen Positionen
auch aussehen, so haben wir doch eines gemeinsam: nämlich dass wir hier in Genua
zusammen mit 300.000 anderen Menschen unseren Protest gegen die Politik der G8
auf die Strasse getragen haben.
Wir haben hier gekämpft gegen die alle Lebensbereiche durchdringende
kapitalistische Verwertungslogik, gegen eine Aufteilung der Welt in arm und
reich, in GewinnerInnen und VerliererInnen, gegen eine rassistische und stetig
repressiver werdende Migrationspolitik Wir haben hier gekämpft für eine Welt
ohne Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse.
Die Knüppel die wir zu spüren bekommen haben, sollten uns zum Schweigen bringen.
Aber: Heute sind wir wieder hier und lassen uns das Wort nicht nehmen. Wir leben
noch und der italienische Staat hat es nicht geschafft, mit ihrem abstrusen
Konstrukt einer "terroristischen Vereinigung" gegen uns durchzukommen und uns
für Jahre ins Gefängnis zu bringen. Deshalb können wir jetzt hier sein und sprechen.
Andere können das nicht. 26 italienische Genossen und Genossinnen stehen zur
Zeit vor Gericht und werden mit 8-15 Jahren Gefängnis bedroht - auf der
Grundlage einer ähnlich abstrusen Beweislage, wie sie gegen uns vorgebracht
wurde. Wir erinnern daran, dass auch wir beschuldigt waren, einer imaginären
"Terroristischen Vereinigung Black Block" anzugehören - schwarze Kleidungsstücke
schienen als Beweise für die "Mitgliedschaft" in diesem Konstrukt zu genügen.
Nachdem die Konstruiertheit dieser vermeintlichen "terroristischen Vereinigung"
offensichtlich war, wurde sie nach Jahren schließlich vom Gericht verworfen,
doch gegen die angeklagten 26 Genossen und Genossinnen wird nun von der
Staatsanwaltschaft trickreich ein Paragraph zu "Verwüstung und Plünderung" ins
Feld geführt, mittels dessen selbst bei dünner Beweislage ähnlich absurd lange
Gefängnisstrafen verhängt werden können.
Außerdem hat die Staatsanwaltschaft angekündigt, dass noch gegen weitere 50
Aktivistinnen und Aktivisten Anklage erhoben wird. Wir vermuten, dass sich unter
diesen 50 z.B. die zehn auf dem Heimweg gefangengenommenen Deutschen sowie die
Angehörigen der Volxtheaterkarawane befinden, denen Campingutensilien und ihre
Theaterrequisiten als Waffen ausgelegt werden und die aufgrund dieser
sogenannten "Beweise" schon 3 Wochen bis 9 Wochen inhaftiert waren.
Diese Strategie ist mehr als durchschaubar und sie darf nicht aufgehen.
Wiedereinmal werden Sündenböcke gesucht, um das mehr als brutales vorgehen der
Polizei vor fast drei Jahre und die Welle der Repression in der Zeit danach zu
rechtfertigen.
Den 26, den 50 und allen anderen, die von der Repression betroffen sind, gilt
unsere Solidarität und Unterstützung. Wir lassen uns nicht spalten in "gute" und
"böse" Demonstrierende.
Die Proteste beim G8-Gipfel waren vielfältig, auch widersprüchlich, sie waren
kraftvoll und entschlossen. Hunderttausende Menschen aus verschiedenen Ländern,
aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und politischen Spektren kamen
hier zusammen und haben gezeigt, dass der globale Kapitalismus angreifbar ist.
Auf die Einteilung in "kriminell" und "nicht-kriminell" werden wir uns nicht
einlassen. Wahllos wurden Tausende mit Gas attackiert und Hunderte während der
Demonstrationen und in den Kasernen misshandelt und erniedrigt - einige wenige
wurden nun vor Gericht gestellt. Es hätten auch andere sein können. Und es
hätten auch wir sein können - wären nicht die blutigen Bilder von uns um die
Welt gegangen, wäre nicht die Wahrheit über die gefälschten "Beweise", über als
Waffen titulierte Campingutensilien, über den der Phantasie eines Polizisten
entsprungenen Messerstich und über die von der Polizei eigenhändig in die Schule
getragenen Molotowcocktails ans Licht gekommen.
Und so können wir heute nach Genua zurückkehren und dem Auftakt des Prozesses
beiwohnen, der gegen einige eröffnet wurde, die für den Überfall auf uns
verantwortlich sind. Selbst bei der Brutalität der Ereignisse, wie wir sie hier
in der Diaz-Schule erlebt haben, ist es keine Selbstverständlichkeit, dass die
Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Dass es zu diesem Prozess
kommen konnte ist der medialen Aufmerksamkeit, vor allem aber der hartnäckigen
und unermüdlichen Arbeit unserer Anwältinnen und Anwälte gezollt. Angeklagt sind
nur wenige identifizierbare Polizisten und sogenanntes medizinisches Personal.
Teilhabende und verantwortliche PolitikerInnen, diejenigen, die Weisungen
gegeben und die Ausführenden gedeckt haben.
Auf den Strassen, in den Kasernen, in den Gefängnissen und in den Krankenhäusern
von Genua haben wir während und nach dem Gipfel offenes faschistisches Auftreten
von Polizisten und Polizistinnen und - daran gibt es nichts zu beschönigen -
Folter erlebt. Die Erklärung des Innenminister Scajola lautete "wir haben gute
Arbeit geleistet". Dieser Ausspruch traf auf Zustimmung im In- und Ausland und
hierbei handelte es sich nicht etwa um voreilige Äußerungen. Das zeigt auch der
Blick auf die aktuellen Geschehnisse:
Berlusconis Auftritt als Nebenkläger gegen die 26 angeklagten AktivistInnen von
Genua und auch die Tatsache, dass ParlamentarierInnen der Alleanza Nazionale die
angeklagten Polizisten verteidigen, machen eindeutig klar, dass an der Linie,
die von den knüppelnden Polizisten verfolgt wurde, von staatlicher Seite
unbeirrt festgehalten wird.
Wir sind inzwischen nicht mehr Beschuldigte, denn die Verfahren gegen uns sind
eingestellt. Wir sind inzwischen KlägerInnen und Kläger im Prozess gegen die
verantwortlichen Polizisten und gegen die sogenannte ÄrtztInnen, die uns Hilfe
verweigert haben. Und dennoch hat die Repression gegen uns kein Ende.
Zu den seelischen und körperlichen Verletzungen, die uns geblieben sind, kommt
hinzu, dass wir seit dieser Nacht in der Diaz-Schule in länderübergreifenden
StraftäterInnen-Dateien geführt werden. Aufgrund dieses Eintrags werden wir in
unserer Bewegungs- und Meinungsfreiheit eingeschränkt. So wurde einem von uns
beispielsweise ein russisches Touristenvisum verweigert. Andere von uns konnten
nicht an politischen Demonstrationen teilnehmen, weil sie bei Personenkontrollen
als vermeintliche potentielle StraftäterInnen vorbeugend in Gewahrsam genommen
wurden. Repression hat viele Gesichter. Sie betrifft überall auf der Welt
Menschen, die den globalisierten Kapitalismus nicht als das Ende der Geschichte
akzeptieren wollen. Misshandlungen und Psychoterror, Reiseverbote und
vorbeugende Gewahrsamnahmen, Gefängnisstrafen und in letzter Instanz Schüsse wie
auf Carlo Guiliani sind verschiedene Mittel, die Kämpfe für Gerechtigkeit und
Selbstbestimmung zu zerschlagen.
Seitdem beim EU-Gipfel in Göteborg scharf geschossen wurde wissen wir, dass
dabei der Tod von politischen Aktivistinnen und Aktivisten einkalkuliert und im
nachhinein gar staatlich legitimiert wird: Carlos Mörder wurde freigesprochen.
So ist ein Aktivist, dem bei einer Blockadeaktion beim G8-Gipfel in Evian sein
Sicherungsseil durchtrennt wurde, angeklagt, wohingegen der Polizist, der den
Lebensgefährlichen Absturz aus der Höhe von 20m verursachte, keine Konsequenzen
zu erwarten hat.
Viele Menschen haben uns unterstützt und dadurch ermöglicht, dass die
Geschehnisse in der Diaz-Schule öffentlich wurden und nun vor Gericht verhandelt
werden. Hierfür wollen wir uns bedanken; wir wollen die Unterstützung und
Aufmerksamkeit, die wir bekamen, teilen mit den 26 angeklagten AktivistInnen von
Genua, mit den angeklagten Kletterern von Genf und mit all den Aktivistinnen und
Aktivisten, die sie noch brauchen oder brauchen werden.
Wir sind heute hier nicht als Opfer (wie vor 3 Jahren) sondern als Ankläger. Und
wir sind hier in kämpferischer Solidarität mit denen, deren Widerstand
kriminalisiert wird.
Viele Knochen wurden in der Diaz-Schule gebrochen, aber nicht wir als politisch
denkende und handelnde Menschen.
Trotz aller Repression während des G8-Gipfels in Genua ist es nicht gelungen, in
unseren Köpfen die Bilder dieser bedeutenden und vielfältigen Demonstration für
eine solidarische Welt zu löschen. Das gibt uns die Kraft, heute wieder hierher
zurückzukommen, Kraft, die wir den Genossinnen und Genossen vor Gericht, in den
Gefängnissen und in den unzähligen lokalen sozialen Kämpfen überall auf der Welt
von ganzem Herzen wünschen.
Juni 2004
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Aubonne Bridge Campaign
Am 01. Juni 2003 bockierten 20 AktivistInnen eine Autobahnbrücke in Aubonne,
Schweiz, um Deligierten des G8- Gipfels den Weg nach Evian zu versperren.
Zwei KlettererInnen seilten sich als Gegengewicht zueinander am selben Seil quer
zur Strasse von der Brücke ab, während andere mit Bannnern den Verkehr stoppten.
Obwohl die Polizei über die Art der Aktion umgehend informiert wurde, schnitt
ein Polizist nach ca. einer halben Stunde das Seil durch, was dazu führte, dass
einer der Kletterer 20 Meter in die Tiefe stürzte und sich schwere Verletzungen
zuzog. Das Seilende der Person auf der anderen Seite konnte gerade noch von den
Leuten auf der Brücke gehalten werden. Die KlettererInnen sowie andere
AktivistInnen sind nun angeklagt wegen "gefährlichen Eingriffs in den
Strassenverkehr" und "Gefährdung des Lebens Dritter". Keiner der
verantwortlichen Polizisten wurde bisher angeklagt, statt dessen geniessen sie
volle Immunität.
Mittwoch, 23. Juni: International Solidarity Action Day
Wir rufen Leute und Gruppen in ganz Europa dazu auf, an diesem Tag (morgends)
die schweizer Botschaft zu besuchen und den/die BotschafterIn aufzufordern, den
UnterstützerInnenbrief ins Kanton Vaud zu schicken (Brief und weitere Details
können auf der Website gedownloaded werden). Bitte schreibt eine kurze Notiz an
die Kontakt- Email nach (!) der Aktion, so dass wir einen Überblick haben.
Andere symbolische Solidaritäts- Aktionen mit den Aubonne- AktivistInnen, Info-
Abende (Video- Präsentation) in Zentren, Fax Bombardements der verantwortlichen
Stellen (siehe Website), sowie die Mobilisierung von lokalen Pressekontakten,
Menschenrechtsgruppen, "einflussreichen Personen" etc. ist natürlich ebenso
höchst willkommen. Am selben Tag werden wir ausserdem zusammen mit unserem
Anwalt eine Pressekonferenz in Lausanne (CH) geben, um das öffentiche Interesse
an der folgenden Verhandlung zu erhöhen.
Samstag - Sonntag, 26. - 27. Juni: Antirepressionstreffen in Genf
Wir wollen an diesem Wochenende kurz vor der Gerichtsverhandlung Leute und
Gruppen zusammenbringen um Erfahrungen in der Antirepressionsarbeit in Europa
auszutauschen. Es geht darum, Ideen zu diskutieren, wie wir uns in Zukunft
besser auf Repression vorbereiten und darauf reagieren können. Schwerpunkt der
Debatte ist der Umgang mit Trauma bzw. den psychischen Folgen von Repression und
Gewalt. Der Aubonne"Fall" ist ausserdem verlinkt mit den Prozessen in Genoa die
am selben Tag beginnen, sowohl gegen die Polizisten die während dem G8 die
"Diaz- Schule" stürmten und zahlreiche AktivistInnen folterten, als auch gegen
zahlreiche DemonstrantInnen wegen gewalttätigem Protest etc. Die Aubonne Kamagne
steht im Zeichen der Solidarität mit den angeklagten DemonstrantInnen. Mehr
Infos dazu unter : www.veritagiustizia.it.
Wir laden eine Vielzahl von Leuten und Gruppen die bereits aktiv zum Thema
arbeiten bzw. daran interessiert sind sich einzubringen zu dem Treffen ein. Es
ist demnach NICHT beschränkt auf sogenannte "Antirepressionsgruppen". Da wir
beschränkte Kapazitäten haben (Räumlichkeiten, Pennplätze und Essen etc.) ist
eine Anmeldung dringend erforderlich ! Wenn du/ihr vorhabt zu kommen, informiert
uns bitte sobald als möglich via Email (siehe unten). Das Treffen findet statt
in einem Sozialzentrum in Genf, das L'usine heisst.
Montag, 28. Juni: Gerichtsverhandlung und internationale Präsenz in Nyon
Ein Tag nach dem Treffen rufen wir zur Teilnahme an einer symbolischen
"internationalen Präsenz" während der Verhandlung ausserhalb des
Gerichtsgebäudes in Nyon (Nähe Genf) auf. Der Prozess beginnt um 9 Uhr morgends
und wird voraussichtlich am Nachmittag zu Ende sein. Das Urteil wird vermutlich
erst 1-3 Tage danach bekannt gegeben. Wir sehen diese Verhandung als eine der
wenigen Möglichkeiten die uns bleibt, den "Fall" an die breite Öffentlichkeit zu
tragen und die Brutalität und Immunität der Polizei in diesem, wie in so vielen
anderen Fällen, anzugreifen.Das Haupziel ist demnach klar zum Ausdruck zu
bringen, dass dieser Prozess nicht legitim ist und dass er sich einmal mehr
gegen die Opfer statt gegen die Täter richtet. Wir hoffen, dass alle, die am 28.
zum Prozess kommen, aktiv an einer diversen, kreativen und entschlossenen
Athmosphere vor dem Gerichtsgebäude teilnehmen werden, durch z.B.
Strassentheater, Transparente, Musik, Austellungen, Diskussionen, sonstige
Darbietungen etc.
[ www.aubonnebridge.net]
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gipfelsoli infogruppe
Die AutorInnen der Beiträge, so sie nicht von uns verfasst sind, sind
mit eckigen Klammern versehen. Wir können leider keine Verantwortung
für die Richtigkeit der Beiträge übernehmen. Auch geben die Beiträge
nicht zwangsläufig unsere Meinung wieder.
Kontakt, Kritik, Beiträge: gipfelsoli@nadir.org
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