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Genua: Beginn der Prozesse gegen die Prügel-Cops in der Diaz-Schule

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und die Proteste gegen unsolidarische Globalisierung
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- Genua 2004: noch ein Bericht vom Prozeß
- Genova der Tag
- Unterstuetzt ihr auch!

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Genua 2004: noch ein Bericht vom Prozeß

Gestern fand die erste vorläufige Eröffnung des Diaz/Bolzaneto Prozesses vor dem
Hauptgericht in Genua. Die erste Gruppe von 29 Polizisten die beim Diaz-üBerfall
beteiligt waren, werden als erste vor Gericht gestellt. Die 44 Polizisten und 3
ÄrztInnen von der Polizeikaserne Bolzaneto erhalten einen prozeß wenn der Fall
Diaz abgeschlossen ist.

Übersetzung eines Textes von indymedia uk

Erste Anhörung des Diaz Prozesses
nessuno, 27.06.2004 19:05

Der Tag begann mit einem leuchtendblauem Himmel über Genua, ähnlich wie jener
Samstag vor beinahe drei Jahren, als der Diaz- Überfall geschah während des G8
Gipfels im Juli 2001. Vor dem Gerichtsgebäude standen etwa 100 Polizeikräfte.
Sie liessen die "Opfer" und ihre AnwältInnen nur nach heftigen Durchsuchungen
und Personalkontrollen hinein.

Unten im Keller, nahmen etwa 60 AnwältInnen, 40 "Opfer" und etwa 15 der
angeklagten Polizisten ihre Sitze an dem Ort, der "Bunker" getauft wurde. Die
Atmosphäre war geladen und zum Schneiden, als die Diaz "Opfer" von den
angeklagten Polizisten umzingelt waren. Sie sahen sich mit viel Haß, Wut und
sehr intensiver Emotion an. Irgdnwie, als einer der "Opfer", habe ich
realisiert, daß die Kluft zwischen der Regierung und der italienischen Linken so
weit war wie eh und je mit keinem Kompromiß dazwischen. Aber ohnehin wurde kein
Kompromiß von irgendeiner Seite gesucht.
Auch wenn keine Beweismittel oder ZeugInnenaussagen präsentiert oder angehört
wurden, war diese erste Anhörung fundamental für beide Seiten. Auf unserer Seite
arbeiteten unsere AnwältInnen hart und erreichten dass der Prozeß fortgeführt
wird. Die Polizeianwälte, in Gucci "mafia" Anzügen gekleidet die bestimmt an die
1000 Euro gekostet haben, versuchten umsonst den Prozeß zu stoppen oder zu
vertagen weil ein Hauptzeuge durch einen Autounfall verhindert war.

Beim Hauptzeugen, der in einen Autounfall verwickelt worden war, handelt es sich
um den Polizisten der die Molotov-Cocktails am Freitag vordem Überfall gefunden
hatte. Die Aussage dieses Polizisten hat 19 Polizeibeamte der Verschwörung mit
falschen Beweismitteln überführt, in dem versucht wurde die Diaz-Opfer zu
beschuldigen und die StaatsanwältInnen zu belügen. Die persönliche Meinung
einiger von uns war wie es doch zufällig sehr passend und zeitlich geschickt sei
daß ein Zeuge in einem Koma landet nach einem "Autounfall" zwei Tage vor
Prozeßbeginn. Ein Freund sagte mir später daß es in Italien eine Tradition sei
daß Autounfälle "arrangiert" würden!

Der Richter weigerte sich, den Prozeß zu stoppen oder zu vertagen und trennte
statt dessen das Verfahren zur Zeugenaussage vom Fall ab um den Prozeß
weiterführen zu können. Ein Polizeianwalt widersprach mehrmals und schlug
zuletzt sogar auf den Tisch, sehr lauten Lärm machend und den Richter
"anschreiend". Der Richter weigerte sich zum zweiten Male, den Widerspruch
anzuhören und überging ihn.

Die nächste Taktik war den Richter zu informieren daß sie eine "gerichtliche
Überprüfung" eines der Anklagepunkte forderten, in der Hoffnung daß der Prozeß
aufgehalten wird während die Überprüfung angehört wird. (Sie versuchen, die
Taktik von Berlusconi zu wiederholen, der als Angeklagter gleich das Gesetz
änderte bevor er verurteilt werden konnte). Der Richter verweigerte sich der
Anwendung der "gerichtlichen Überprüfung" einer der Anklagepunkte und der Prozeß
konnte fortgesetzt werden. Der rest des Tages wurde damit verbracht, Dokumente
für "endgültige Prozeßvollmachten" auf beiden Seiten einzureichen und daraufhin
hat der Richter diese Dokumente auf Vollständigkeit durchzusehen und auf
Gerichtstauglichkeit.

Es war sehr schwer für die Diaz "Opfer" einer Übersetzung des Vorgehens zu
erhalten und ich befürchte dass dieses Problem weiterbestehen wird.

Unterdessen tauchten nicht sehr viele italienische Medien auf und viele Berichte
waren sehr pro-Polizei und pro-Berlusconi voreingenommen. Die britische Zeitung
The Guardian tauchte auch auf und versuchte dies mit einem guten Artikel
auszugleichen. Die BBC blieb weg und dachte sich daß ein BBC Tierwelt-Programm
wichtiger sei als der Diaz Prozeß. Der Redakteur beschloß auch daß noch eine
George Bush Erklärung oder Blair Gesundheitsprogramm wichtiger sei als die
britische Öffentlichkeit an die Geschehnisse während des G8 Gipfels in Genua
2001 zu erinnern.

Der Prozeß endete um 16 Uhr und nach einer kleinen Kundgebung mit Transparent
vor den Medien, beschlossen wir alle zur Diaz-Schule zurück zu kehren um die
dortigen Geschehnisse von vor drei Jahren zu bewältigen. Für mich selbst war es
die dritte Rückkehr zur Diaz- Schule und meine fünfte nach Genua. Mein Leben war
fast beendet worden an der Diaz- Schule und seither war es stets schweirig
zurück zu kehren. Für viele war es die erste Rückkehr an einen Ort von solchem
völligem Schmerz, Schock, Terror und Schrecken. Meine Alpträume sind die
Schreie. Für andere sind es dunkle Bilder von Polizisten die sie oder ihre engen
FreundInnen schlugen. Für eine kleine Gruppe war es besonders stressig, denn die
Art ihrer Verletzungen verursachte posttraumatische Belastungsstörungen schweren
Grades. Anschließend trafen wir uns alle zum Essen in einem berühmten und
bekannten Restaurant namens "Mario's" .

Nach dem Diaz-Überfall war sehr brutal daß wir uns alle einem Ausdauerkampf
unterziehen mußten um zu überleben, trotz unserer Verletzungen (und keine Hilfe
von den Behörden in den jeweiligen Ländern), während sich die AnwältInnen auf
den Fall vorbereiteten. Viele von uns wurden auf eine Leben unter der
Armutsgrenze herabgesetzt mit keiner Aussicht darauf, je wieder arbeiten zu
können. Die angeklagten Polizisten dagegen genossen ihre Beförderung, Löhne und
öffentliches Ansehen und haben bis jetzt überhaupt nicht gelitten.

Was die PolitikerInnen angeht, die für den Überfall sind, wurden keinem der
Prozeß gemacht oder gar durch die Staatsanwaltschaft befragt. Das heißt nicht
daß es die StaatsanwältInnen nicht(?) versucht hätten, und tatsächlich stehen
sie unter sehr hohem Druck die beteiligten PolitikerInnen nicht zu befragen. Ein
weiterer Umstand der uns allen Sorgen bereitete war die Anwesenheit von zwei
Parlamentariern, die als Anwälte für die Polizeiseite arbeiteten. Der eine heißt
La Rossa von der (faschistischen) Nationalen Allianz Partei und der andere
Biondi von Forza Italia. Wir werden auch unsere AnwältInnen bitten nach der
Möglichkeit zu recherchieren ob die Nationalw Allianz große "Spenden" an den
Rechtskostenfonds bezahlt haben, den die AnwältInnen scheinen finanziell sehr
gut ausgestattet zu sein.

Anmerkungen:

Prozeßdaten: es gibt nur Vermutungen, wann der Hauptprozeß beginnt, die Termine
ändern sich ständig, wahrscheinlich im November 2004. Bis dahin werden sich wohl
die Diaz-Überlebenden nicht in so großer Zahl wiedertreffen.
Autounfall: Nicht vergessen werden sollte daß Mario Placanica (der junge
Carabinieri der Carlo Giuliani aus dem Jeep heraus erschossen hat), ebenfalls
einen schweren Autounfall hatte, worauf er in einem Rollstuhl landete (ich weiss
nicht ob er es noch ist). Davor sagte er der Presse sowas Ähnliches wie "ich
wurde benutzt um die Fehler anderer zu verdecken...".

Im englischen Original folgt noch eine Anmerkung zu den angeklagten
Polizeikräften und den Beschuldigungen.

Text auf engl.:  http://www.indymedia.org.uk/en/2004/06/294021.html

Noch eine Anmerkung der Übers.: nessuno schreibt im Original Opfer, ich habe mir
die übersetzerische Freiheit genommen, das Wort in Anführungszeichen zu setzen
(wie ich nessuno kenne wird er damit einverstanden sein), denn es sind auch
heute kämpferische Menschen, also eher als Überlebende zu bezeichnende
AktivistInnen.

"Wir sind heute hier nicht als Opfer (wie vor 3 Jahren) sondern als
AnklägerInnen. Und wir sind hier in kämpferischer Solidarität mit denen, deren
Widerstand kriminalisiert wird. Viele Knochen wurden in der Diaz-Schule
gebrochen, aber nicht wir als politisch denkende und handelnde Menschen. Trotz
aller Repression während des G8-Gipfels in Genua ist es nicht gelungen, in
unseren Köpfen die Bilder dieser bedeutenden und vielfältigen Demonstration für
eine solidarische Welt zu löschen. Das gibt uns die Kraft, heute wieder hierher
zurückzukommen, Kraft, die wir den Genossinnen und Genossen vor Gericht, in den
Gefängnissen und in den unzähligen lokalen sozialen Kämpfen überall auf der Welt
von ganzem Herzen wünschen." (Manifest der Betroffenen aus der Diaz-Schule, Juni
2004).

[indymedia.de, von Übersetzung - 28.06.2004 01:40]


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Genova der Tag

Genova Ticker 2
Piazza Ferrari 26.06.04, 20.00 Uhr
Der Prozessauftakt:
Ein großer Gerichtssaal gefüllt mit Anwälten, ungefähr 40 Anwälte vertraten die
Carabinieri, außerdem Staatsanwaltschaft, Carabinieri, NebenklägerInnen,
ÜbersetzerInnen und einer Richterin.
Der Prozessauftakt war nicht öffentlich. Insgesamt waren ca. 250 Personen im
Gerichtssaal. Die Käfige am Rand des Saales waren diesmal nicht mit den
Angeklagten gefüllt. Der Prozessbeginn war langwierig. Erst wurden alle Namen
der Anwesenden aufgerufen und ob und wer anwesend war, danach noch mal
aufgerufen, in welcher Funktion sie da waren. Es wurden dann einige Carabinieri
des Saales verwiesen, weil diese nicht zur Prozessanhörung gehörten und wohl nur
in der Funktion der Vorgesetzten anwesend sein wollten. Die Anwälte der
Carabinieri suchten eine Begründung zur Vertagung der Anhörung, u.a. wurde auf
die nicht passende Kleidung der Zeugen und Nebenkläger hingewiesen. Die
Richterin hat dies allerdings abgewiesen. Die Vertagung wegen das kranken
Carabinieri wurde auch abgewiesen, sein Prozess wird abgespalten. Der Auftakt
wurde nach einer Mittagspause nur noch kurz, also nur noch bis vier
Uhr…weitergeführt.
Insgesamt ging es heute nur um Feststellung der Formalitäten, wobei Formfehler
am nächsten Anhörungstag verhandelt werden. So zäh wie heute der Auftakt war
wird auch die Länge des Prozesses erwartet. Anwälte sprechen von bis zu 15
Jahren, dann weiß keiner mehr um Genua.

Aktionen und Kundgebungen:
Das Komitee für Wahrheit und Gerechtigkeit hatte heute morgen eine kurze
Mahnwache vor dem Gerichtsgebäude gehalten, ist dann mit einer Blaskapelle und
Bella Ciao zum Piazza Ferrari gegangen und hat dort auf das Geschehen in der
Diaz-Schule und auf den Prozessauftakt aufmerksam gemacht.
Nach dem Prozess haben die Betroffenen der Scuola A. Diaz noch eine spontane
Kundgebung vor dem Palazzo di Gustitia abgehalten. Mit einer gemeinsamen
Busfahrt zur Scuola A. Diaz und einer weiteren Kundgebung vor den Toren der
Schule wurde der Tag beendet.

[indymedia.de, von Genova Libera - 26.06.2004 22:13]


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Unterstuetzt ihr auch!

Wart ihr mal in Genua?
Drei Jahre sind seit Juli 2001 vorbei. Wir haben aber nicht vergessen, was
damals passiert ist.
Die Prozesse sind noch im Gang, durch die aufzuklären ist, wie sich die Dinge
wirklich abspielten und wem die Verantwortung für die Taten zuzuschrieben ist.
Bis jetzt ist niemand als schuldig des Totschlags des Carlo Giuliani betrachtet
worden; niemand ist offiziell für di Verwüstung an der "Diaz"-Schule
verantwortlich, obwohl man nun bewiesen hat, dass die Polizei absichtlich
falsche Beweise angeführt hat und Aussagen abgegeben hat, die sich als unrichtig
erwiesen haben.
Jetzt tritt man in eine wichitge Phase des Prozesses ein.
Am 26.6 beginnen die Vorverhandlungen für 29 Polizisten und Offiziere die der an
der Mißbräuche und Mißhandlungen an der "Diaz"-Schule angeklagt sind. Die
Polizisten sind wegen Gewalt, Verleumdung, falschem Eid angeklagt worden. Der
Richter für die Voruntersuchungen wird entscheiden, ob es ein richtiges Prozess
geben wird. Nur in diesem Fall, wird man zu einem Urteil gelangen.
Die Opfer können durch eine Schadenersatzforderung eine aktive Rolle spielen.
Das können nicht nur diejenigen, die körperlich in der Diaz-Schule anwesend
waren, sondern auch die Verwandte der Opfer, die als Zivilkläger auftreten
können. Das "Genova Legal Forum" koordiniert die Klage und hat auch diejenigen,
die Beistand brauchen, Rechtsanwälte zur Verfügung gestellt. (Kontakte:
 info@veritagiustizia.it)
Der Prozess gegen 25 AktivistInnen ist auch im Gange, die wegen Verwüstung und
Plünderung angeklagt sind. Eine der Hauptbeweise gegen sie ist eine DVD, die aus
einem Mix von Bilder aus Videokameras der Verkehrsüberwachung, aus
Überwachungskameras der Banken und der Polizisten, und aus Kameras der
DemonstrantInnen besteht. Nach dem Einspruch der Verteidigung, sind die Bilder
künstlich geschnitten und wieder montiert worden, um das Gericht negativ zu
beeinflussen.
Die G8-Tage in Genua waren unter den am meisten durch Filme, Fotos, Texte und
Ton dokumentierten politischen Ereignissen. Indymedia war in Genua. Genuas
Geschichte, unsere Geschichte wird jeztz in einem Gerichtsaal beurteilt und
Beweise für das Prozess sind Tausende von Augen die da waren.
Es geht um keine unparteiische Bilder: die Anklage benutzt sie zu ihrem Zweck
und um ihre Thesen zu beweisen. Die Verteidiger müssen dieselben Mittel benutzen
können.
Das "Genova Legal Forum" hat ein breites Archiv, das Ton- und Videoaufnahmen,
Bilder und Texte enthält: Dieses Archiv muss aber computisiert und durch die
zahlreichen neuen Materialien aus den Prozessen aktualisiert werden.
Indymedia-Italien hat deshalb entschieden, an dieses Archiv zu arbeiten, um ein
wirksames Mittel zu Verfügung zu stellen, das auch eine Anklage der Gewalt der
Ordnungskräfte wird.
Von Juli bis Oktober 2004 werden wir wieder in Genua sein. Vier Leute werden
vollzeit ans g8-Archiv arbeiten, um ein völlig benutzbares Mittel für die
rechtliche Arbeit zu schaffen, das gleichzietig zu einem Archiv für die
Behaltung des historischen Gedächtnisses wird.
Außer diesen Leuten, werden Freiwillige von zu Hause mitarbeiten, die die Leuten
in Genua helfen und die Akte über Genua auf italy.indymedia.org aktualisieren
werden.
Wir haben entschieden, eine Kampagne zu führen, um die Kosten der Leute in Genua
zu finanzieren. Das ist die erste Finanzierungskampagne die wir führen und wir
brauchen eure Hilfe!

Bitte,spendet:

Conto don Antonio Balletto
Banca carige sede centrale
c/c 61359/80
Abi 6175
Cab 1400

swift code CRGEITGG040
Iban IT45 H061 7501 4000 0000 6135 980

causale: sottoscrizione da devolvere alla campagna internazionale indymedia per
il genova legal forum

(Stichwort:Spende für die internationale Indymedia-Kampagne für das Genua Legal
Forum)

[ http://italy.indymedia.org/news/2004/06/573761.php]

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mit eckigen Klammern versehen. Wir können leider keine Verantwortung
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nicht zwangsläufig unsere Meinung wieder.

Kontakt, Kritik, Beiträge:  gipfelsoli@nadir.org
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