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Berlin: Weinrich-Prozess: 80. Verhandlungstag


Repliken

80. Verhandlungstag im Weinrich-Prozeß

Die Kammer hatte zu den zahlreichen Hilfsbeweisanträgen der letzten Tage nichts zu sagen und wollte schon das "letzte Wort" an Weinrich (so sieht es die Strafprozeßordnung vor) übergeben, als Nebenklagevertreter Maigne und Ehrig sich noch bemüßigt fühlten, auf das Plädoyer von Verteidiger Elfferding (vergl. 79. Verhandlungstag) zu antworten.

Maigne erwähnte, daß es schließlich auch Beschlüsse der Kammer zur Verwertbarkeit der MfS-Unterlagen gebe, die von der Verteidigung im Plädoyer nicht berücksichtigt worden sei (Elfferding hatte der Staatsanwaltschaft und Nebenklage an verschiedenen Stelle Nichtbeachtung von Beschlüssen der Kammer vorgehalten). In diesen Beschlüssen hatte sich die jetzt verhandelnde 35. Strafkammer auf Beschlüsse der 23. Strafkammer (Maison de France-Verfahren gegen Weinrich) bezogen, die eine grundsätzliche Verwertbarkeit der Akten attestiert hatte (wenn auch mit einer hanebüchenen Begründung). Maigne erwähnte allerdings auch, daß die 35. Kammer eine "strenge Einzelprüfung" als Maßstab angelegt hatte.

Sein Kollege Ehrig ging noch einmal auf das von der Verteidigung öfter (als Beispiel für die Manipulationen der Geheimdienste in Gerichtsverfahren) zitierte Schmücker-Verfahren ein. Gerade das Schmücker-Verfahren sei für ihn ein Beweis, daß "der Rechtsstaat funktioniert habe". Denn schließlich sei es nach dem vierten Durchlauf zu einer Einstellung des Verfahrens gekommen. Weiterhin sprach er davon, daß "sich der marxistisch-leninistisch geprägte Terrorismus vor der Geschichte erledigt" habe und forderte Weinrich auf, sich in seinem Schlußwort davon zu distanzieren.

Beim Thema Schmücker-Verfahren hatte Ehrig kompetente Anwälte angesprochen (Verteidiger Elfferding und Häusler waren auch Verteidiger im Schmücker-Verfahren). Und die ließen es sich nicht nehmen, auf den Hinweis von Ehrig zu antworten.

RA Häusler rückte gerade, daß die rechtskräftige Entscheidung im Schmücker-Verfahren eben "kein Sieg des Rechtsstaates" gewesen sei, sondern vielmehr "ein Zufall der Geschichte". Hätte seinerzeit nicht zufällig die SPD die Wahlen gewonnen und wäre nicht ausgerechnet der designierte Innensenator Pätzold vom Verfassungsschutz bespitzelt worden, "dann wären die Machenschaften des Verfassungsschutzes nie an die =D6ffentlichkeit gelangt. Insofern blieb dem Gericht damals gar nichts anderes übrig, als das Verfahren einzustellen. Mit Rechtsstaat hatte das nichts zu tun." Hätte Pätzold seinerzeit nicht so erbost reagiert, so wäre es "mit Sicherheit zu einer vierten Verurteilung gekommen". Zumal keiner der seinerzeit für Manipulationen, Lügen und Meineide Verantwortliche jemals dafür belangt worden sei. Ganz im Gegenteil hätten die an diesen Machenschaften Beteiligten allesamt Karriere gemacht. Dies sei nicht sein Verständnis von "Rechtsstaat", so Häusler. Er verwies im =DCbrigen darauf, daß das zentrale Thema im Schmücker-Verfahren "fehlende Akten" gewesen sei. Dies sei im jetzigen Verfahren genauso.

Verteidiger Elfferding merkte zu der Replik von RA Maigne an, daß er bei dessen Plädoyer "die strenge Einzelprüfung der Stasi-Unterlagen vermißt" habe. An RA Ehrig gewandt erklärte er, daß er (Elfferding) dem Marxismus-Leninismus von jeher weit weniger nahe gestanden habe als der Nebenklagevertreter (RA Ehrig war einst Mitglied einer ideologisch sehr dogmatischen, marxistisch-leninistischen Splitterpartei). Im =DCbrigen sei ein Gerichtssaal nicht der passende Ort, um Fragen einer revolutionären Umwälzung zu diskutieren. Diese Diskussion müsse an anderer Stelle geführt werden.

Weinrich schloß sich in seinem Schlußwort den Plädoyers seiner Verteidiger (an denen er mitgearbeitet hat) an. Bis vor einer Woche habe man noch im Studium verschiedener Aktenteile gesteckt, sodaß es auch zeitlich nicht möglich gewesen sei, ein angemessenes separates Schlußwort zu verfassen. Im =DCbrigen sei ein Gerichtssaal in der Tat "der falsche Ort" um Fehler revolutionärer Politik zu diskutieren.

Auffällig am heutigen Verhandlungstag war, das Pressevertreter, die bei den Plädoyers der Staatsanwalt und Nebenklage anwesend waren, beim Plädoyer der Verteidigung jedoch nicht präsent waren, heute wieder auf der Pressebank saßen. Man hoffte wohl auf "sensationelle" =C4ußerungen des "Top-Terroristen".

Am Mittwoch, den 07.07. ist Urteilsverkündung. Saal 500, 9.30 Uhr.

 

02.07.2004
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Repression]  [Schwerpunkt: Weinrich-Prozess]  Zurück zur Übersicht

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