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Berlin: Bericht vom 1. und 2. Prozesstag, Lothar Ebke

1. Prozesstag: „Ihre Politik erschien mir durchaus attraktiv, präzise und sauber“

Unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Kammergericht Libera begann heute der Prozess gegen Lothar
E. vor dem 1. Strafsenat. Komplettiert wurde das Gericht durch die Berichterstattende Richterin Müller und
Richter Warnatsch. Schon im Vorfeld der Verhandlung hatte das Kammergericht mitgeteilt, dass der Senat
nur mit drei anstatt fünf RichterInnen besetzt sein wird. Das ist möglich, „wenn nicht nach dem Umfang oder
der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung zweier weiterer Richter notwendig erscheint“. Und wie sich
nach der Verlesung der Anklageschrift durch die Bundesanwaltschaft (BAW) zeigen sollte, ist mit
„Schwierigkeit“ in der Sache in diesem Verfahren wirklich nicht zu rechnen – den der 50-jährige Angeklagte
ließ sich gegen ein zugesicherte Gesamtstrafe von zwei Jahren auf Bewährung zur Sache ein.

Anders als auf den Gerichtsfluren des Kriminalgerichts Moabit während des im März zu Ende gegangenen
Prozesses gegen die fünf anderen von Tarek Mousli Beschuldigten gemunkelt worden war, war es nicht
Staatsanwältin Rieger, die als Sitzungsvertreterin des Generalbundesanwalts die Anklage gegen Lothar E.
vertrat. (vgl. 172. Prozesstag) Staat dessen saßen Oberstaatsanwalt Dr. Diemer und Staatsanwalt Heine im
Gerichtssaal des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg. Nachdem die Beiordnung der Anwälte von Lothar
E., Christoph Kliesing und Martin Ruppert, als Pflichtverteidiger erledigt und die Anwesenheit der
Prozessbeteiligten festgestellt und die Personalien abgeklärt waren, ging es dann auch gleich zügig los: Die
BAW trug die Anklage vor.

Die BAW klagt an

Angeklagt ist der „Unternehmer Lothar E.“ wegen Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ und
wegen der Beteiligung an den Sprengstoffanschlägen auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber
(ZSA) im Februar 1987 und die Berliner Siegessäule im Januar 1991. Wie in der Anklage im ersten Prozess
gegen die Berliner RZ kann die BAW zum Siegessäulen-Anschlag auch heute keine „konkreten Tatbeiträge“
dem Angeklagten bzw. den „übrigen Tätern“ zurechnen; beim ZSA-Anschlag weiß sie aber zu berichten,
dass Lothar E. zusammen mit Rudolf Sch. den Sprengsatz vor Ort abgelegt habe. Laut BAW soll er zudem
zusammen mit Axel H. zwischen 1987 und mindestens 1993 ein Sprengstoffdepot im Berliner MehringHof
verwaltet haben.

Nicht mehr strafrechtlich relevant sind die so genannten Knieschussattentate auf den Leiter der Berliner
Ausländerpolizei Harald Hollenberg im Jahr 1986 und auf den Vorsitzenden Richter am
Bundesverwaltungsgericht Dr. Karl Günter Korbmacher im Jahr 1987. Dennoch haben die beiden
Schusswaffenattentate in die Anklage Einzug gehalten. Lothar E. hat nach den „Erkenntnissen“ der BAW die
Tatorte und die Fluchtwege ausgekundschaftet sowie beim Korbmacher-Anschlag mit anderen Genossen das
Fluchtauto geklaut. Während der „Bestrafungsaktionen“ habe er jeweils den Funkverkehr der Berliner
Polizeibehörden – entweder in Tatortnähe oder in konspirativen Wohnungen der Berliner RZ – abgehört.

Dabei geht die BAW davon aus, dass es zwischen 1985 und 1990 in Berlin zwei RZ-Gruppen gab. Weiterhin
hätte es weitere Gruppen in Hamburg und Niedersachsen, dem Rhein-Main-Gebiet und in Nordrhein-
Westfalen gegeben. Ab 1977 hätte sich die „Rote Zora“ als feministischer Zweig gebildet, die sich - nach
Ansicht der BAW - spätestens 1987 ideologisch von den „Revolutionären Zellen“ getrennt hätte. Die
einzelnen Zellen sollen „autonom“ existiert und abgeschottet voneinander operiert haben. Gleichwohl – so
die BAW – „waren sie doch dem gemeinsamen Ziel verpflichtet und suchten den gemeinsamen Zweck mit
vereinten Kräften zu erreichen“. Die Berliner Zusammenhänge hätten als „selbständige regionale
Teilorganisation“ agiert.

Die eine Berliner Zelle bestand nach Ansicht der BAW aus dem Angeklagten Lothar E. (Deckname
„Sebastian“) und Sabine E. (Deckname „Judith“), Harald G. („Sigi“), Rudolf Sch. („Jon“) und dem
Kronzeugen Tarek Mousli („Daniel“). Wurde in der Anklage im ersten Prozess gegen die Berliner RZ noch
Gerd Albartus („Kai“) zu der Gruppe gezählt, soll er nun nur noch „mit der Gruppe assoziiert“ gewesen sein.
Die zweite Zelle hätte aus Matthias B. („Heiner“), Axel H. („Anton“) und einem Mann mit dem Decknamen
„Toni“ bestanden, der bislang nicht identifiziert werden konnte.

Der Senat erklärt

Kaum hatte der vergleichsweise sonnengebräunte Bundesanwalt Heine seinen Vortrag abgeschlossen, hob
der Vorsitzende Richter Libera zu folgender „Erklärung des Senats“ an: Am 11. Februar und 27. Mai 2004
sei es zu Gesprächen zwischen dem Senat, der Verteidigung und der BAW gekommen mit dem „Ziel der
Verfahrensvereinfachung“. Dabei sei man übereingekommen, dass Lothar E. eine Haftstrafe von nicht mehr
als zwei Jahre auf Bewährung in Aussicht gestellt werde für den Fall, dass er ein glaubhaftes Geständnis zu
seiner Beteiligung am Anschlag auf die ZSA abgeben würde und sich darüber hinaus glaubhaft zu den
beiden Knieschussattentaten und seine Einbindung in die RZ einließe.

Lothar E. macht Angaben zur Sache

In seiner von ihm selbst verlesenen schriftlichen Einlassung machte Lothar E. zuerst einige Angaben zu
seinem schulischen und beruflichen Werdegang. Nach Abitur 1969, Wehrdienst und Aufnahme des
Studiums der Publizistik und Politikwissenschaft in Münster 1974, zog er ein Jahr später nach Berlin. 1980
brach er das Studium ab. Nach diversen Gelegenheitsjobs und Aufenthalten in Nicaragua und Kanada wurde
Lothar E. im April 1986 als Hausmeister im Berliner Alternativzentrum MehringHof eingestellt. „Wenige
Wochen vorher wurde ich gefragt, ob ich Interesse hätte, mich mit der Politik der 'Revolutionären Zellen'
auseinander zusetze, oder sogar Lust hätte, in einer 'Gruppe' mitzumachen.“ Das Angebot habe ihm
„geschmeichelt“, denn „ihre Politik schien mir durchaus attraktiv, präzise und sauber. Ausweislich
verschiedener mir bekannter Texte verbanden sie eine fundierte politische Analyse mit einer sorgfältigen
Auswahl der Ziele und einer angemessen Dosierung ihrer militanten Aktionen.“ Gleichzeitig räumte Lothar
E. ein: „Allerdings war ich mir über die Konsequenzen eines 'Einstiegs' nicht im klaren.“

Tarek Mousli neidisch

Seinem Mitbewohner Tarek Mousli, zu dem er damals ein „enges Vertrauensverhältnis“ gehabt habe, habe er
über das Angebot, in die RZ einzusteigen, berichtet. Mouslis Reaktion: „Er war von der Idee begeistert,
gleichzeitig aber auch fast 'neidisch', dass das Angebot mir - und nicht ihm - gemacht worden war.
Jedenfalls meinte er, ich solle 'unbedingt' auf das Angebot eingehen – und baldmöglichst vorschlagen, auch
ihn anzuwerben.“ In der Version von Mousli findet man davon natürlich nichts. Auch nicht, dass die neuen
GenossInnen von Lothar E. auf dessen Mitteilung, es gäbe einen „guten Freund von ihm, der sich freuen
würde, wenn auch ihm eine 'Mitgliedschaft' angetragen würde“, Tarek Mousli ebenfalls zu einem
„Bewerbungsgespräch“ eingeladen haben. Mousli behauptet, er sei von dem 1979 verurteilten Gerd Albartus
geworben worden.

Kurz nachdem die beiden zur RZ gestoßen seien, habe die Diskussion über die „spätere 'Hollenberg-Aktion'“
begonnen, „dessen Person und seine unsägliche Rolle in der Berliner Ausländerpolitik waren damals jedem
einigermaßen regelmäßigen Zeitungsleser bekannt“. Als unerfahrene Neumitglieder hätten sie bei dieser
Aktion am 28. Oktober 1986 den Polizeifunk abgehört – nicht zu letzt auch deshalb, weil sie beide in
unterschiedlichen Gruppen „Kenntnisse und Erfahrungen mit der 'Funküberwachung'“ gesammelt hätten.
„Auf Grund ihrer Resonanz in der Öffentlichkeit und der 'Szene'“ wurde die Aktion „als großer Erfolg“
gewertet.

ZSA-Opfer Mousli schlägt zurück

„Die ZSA war von Anfang an Tarek Mouslis Projekt“, hatte Rudolf Sch. am 18. Januar 2002 im ersten
Berliner RZ-Prozess erklärt. „Tarek Mousli berichtete über seine dortigen Erfahrungen. Er selbst hatte sich
in diesem Gebäudekomplex regelmäßig einzufinden und musste sich unter die Massen mischen, die dort um
die Ausstellung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nachsuchten“, so schilderte Lothar E. die
Rolle des Kronzeugen, der in seiner Version keine Verantwortung für diesen Anschlag hatte. Anders als
Rudolf Sch., der angab, Tarek Mousli hätte den Sprengsatz allein an der ZSA platziert, bezichtigte sich
Lothar E. selbst, dies mit einem „weiteren 'Gruppenmitglied'“ an einem „trüben Berliner Winterabend“ getan
zu haben – und stützt damit die Anschuldigung des Kronzeugen, der behauptet, Lothar E. und Rudolf Sch.
hätten den Sprengsatz abgelegt, während alle anderen Gruppenmitglieder die Aktion in den Nachtstunden
des 5. Februar 1987 abgesichert hätten.

Korbmacher: Exemplarische Thematisierung

Der Sprengstoffanschlag auf die ZSA, bei dem ein Sachschaden von höchstens 5.000 Mark entstanden war,
habe in der Wahrnehmung der Berliner RZ eine „enttäuschende Wirkung“ gehabt - nichts sei lahm gelegt
worden, die öffentliche Resonanz sei „entsprechend“ gewesen. Gleichwohl sollte die Flüchtlingskampagne
fortgesetzt werden und zwar mit einer „zweiten 'Aktion' nach dem Muster der 'Hollenberg-Aktion'“.
„Allerdings gab es bei dieser Diskussion auch schon erste Stimmen, die das 'danach' kritisch thematisierten:
Inhaltliche Differenzen deuteten sich an.“ Eine Woche vor dem Knieschussattentat am 1. September 1987,
bei dem der Asylrichter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Korbmacher am linken Bein verletzt worden war,
sei Lothar E. über den geplanten Ablauf unterrichtet worden. Er selbst sei „gebeten“ worden, den Polizeifunk
abzuhören.

Eine Staatsschutzaktion und ihre Folgen

Am 18. Dezember 1987 wurden bei bundesweit Hausdurchsuchungen Ingrid Strobl und Ulla Penslin
festgenommen; mehrere Gesuchte entzogen sich der Verhaftung und gingen in den Untergrund. Diese
Staatsschutzaktion unter dem Codenamen „Aktion Zobel“ richtete sich gegen vermeintliche Mitglieder bzw.
UnterstützerInnen der „Roten Zora“ und der „Revolutionären Zellen“. Laut Lothar E. habe man vor dem
Hintergund dieser Repressiosnwelle entschloss, „sich einige Zeit ruhig zu verhalten und abzuwarten,
inwieweit wir berührt sind“. Im Frühjahr 1988 sei die abgebrochene „inhaltliche Auseinandersetzung“ dann
wieder aufgenommen worden, dabei seien die inhaltlichen Widersprüche innerhalb der Gruppe „in voller
Schärfe“ aufgebrochen. Während ein Teil die Flüchtlingskampagne fortsetzen wollte, hätten andere – die
sich „zwischenzeitlich verstärkt dem Studium literarisch-philosophischer Texte zugewandt“ hatten – für eine
antipatriarchale Ausrichtung votiert. „Es begann ein zermürbender Prozess voller Vorwürfe, der
schlussendlich in Selbstzerstörung endete.“ Genossen seien ausgeschlossen worden, politische Differenzen
hätten sich zu „persönlichen Feindschaften“ entwickelt, am Ende sei man nicht einmal dazu in der Lage
gewesen, eine gemeinsame Auflösungserklärung zu formulieren. In dieser Situation seien Tarek Mousli und
er als Neumitglieder „immer mehr zwischen die Fronten“ geraten: „Für mich war das Ende dieser Politik und
meines Engagements in der ‚Gruppe‘ gekommen.“

Die Hoffnung liegt in Kanada

Danach habe sich die persönliche Beziehung zu Tarek Mousli nach und nach gelöst. Man habe sich
auseinandergelebt. Er selbst habe sich in der Folge auf die Arbeit im MehringHof konzentriert. 1996 folgte
die Übersiedelung nach Kanada. Dort betrieb Lothar E. bis zu seiner Festnahme im April 2000 eine Bed-and-
Breakfast-Pension und erledigte Umbauten in der Gemeinde. Was folgte war ein dreijähriges
Auslieferungsverfahren, in dem er immer wieder in Haft genommen wurde. Am 15. Oktober 2003 wurde er
an die BRD übergeben, wo er am Folgetag ankam und in U-Haft genommen wurde. Seit dem 19. Dezember
2003 ist Lothar E. unter Auflagen haftverschont und arbeitet bei einem Vertrieb von Blockheizwerken. Die
Erklärung endete mit den Worten: „Ich hoffe, baldmöglichst nach Kanada zurückkehren zu können.“

Der Senat schließt sich Lothar E. an

„Ich will keine weitere Einlassung machen“, erklärte Lothar E. auf die Feststellung des Vorsitzenden
Richters, bei der Erklärung handele es sich offensichtlich um eine vorbereitete. Damit war die Sache
offenkundig geklärt, auch wenn Lothar E. sich nicht zum Anschlag auf die Siegessäule geäußert hat – aber
ein glaubhaftes Geständnis, bzw. eine glaubhafte Einlassung zu diesem Komplex gehörte ja auch nicht zur
Vereinbarung zwischen Senat, BAW und Verteidigung. In der Folge wurden einige Unstimmigkeiten
geklärt, die sich an der Haftdauer in Kanada zwischen den Angaben von Interpol und denen Lothar E.s
ergeben hatten. Mit Hilfe anderer Aktenbestandteile bestand Lothar E. diese Glaubwürdigkeitsprüfung; die
Interpol-Daten erwiesen sich allesamt als falsch, seine hingegen als richtig. Auch die BAW hatte dagegen
nichts einzuwenden. Bevor die Hauptverhandlung auf den nächsten Tag vertagt wurde, beschloss der Senat
kurzerhand, die Texte aller Ausgaben des „Revolutionären Zorns“ und andere Texte der RZ im
Selbstleseverfahren zum Prozessgegenstand zu machen. Nicht nur daran sollte sich die zur Überraschung
vieler ProzessbesucherInnen anwesende Vorsitzende Richterin aus dem ersten Berliner RZ-Prozess, Gisela
Hennig, ein Beispiel für eine effektive Verfahrensführung nehmen. Auch an der ruhigen, souverän
wirkenden Prozessführung des Vorsitzenden Richters in diesem Verfahren könnte sich Hennig eine Scheibe
abschneiden. In der hintersten Ecke des Gerichtssaals sitzend, versteckt hinter der Tür, entsprach ihr
regungsloser Gesichtsausdruck sowie ihre Körperhaltung ihrer augenscheinlichen Verbissenheit dem
Verfahrensgegenstand gegenüber.


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2. Prozesstag: Ganz im Zeichen der Strafprozessordnung

Nachdem die gestrigen Hauptverhandlung nicht einmal zwei Stunden gedauert hatte, konnte heute ein
nahezu „richtiger“ Prozesstag verfolgt werden. Beginn: Neun Uhr, zwei Unterbrechungen inklusive
Mittagspause, Ende: 13.07 Uhr. Allerdings stand der Tag ganz im Zeichen der Strafprozessordnung, müsste
doch deren Vorgabe formal genüge getan werden, auch wenn es sich hier nicht um ein „strittiges Verfahren
handelt“.

Also wurde nach und nach jedes Beweisthema eingeführt. Den Anfang machte Karlheinz Halfter. Der 74-
jährige Kriminalbeamte im Ruhestand wurden zu den polizeilichen Ermittlungen zum Sprengstoffanschlag
auf die „Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber“ (ZSA) in der Nacht vom 5. auf den 6. Februar 1987
befragt, die er mit Hilfe von Vorhalten des 1. Strafsenats und unter Inaugenscheinnahme von „Lichtbildern“
und „Tatortskizzen“ referierte. Zu diesem Komplex wurden verlesen:
- ein Behördengutachten zum Aufbau und der Funktionsweise der beim Anschlag verwendeten
Sprengvorrichtung auf Grundlage einer entsprechenden kriminaltechnischen Untersuchung;
- das Bekennerschreiben „Unser Angriff auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) in Berlin
richtet sich gegen die Asylpolitik der rassistischen Sonderbehörde“ (plus „Inaugenscheinnahme“).

Da der nächste Zeuge, der für 10.30 Uhr geladen war, noch nicht im Gericht war, folgte die Verlesung eines
„Sachstandberichts“ des Bundeskriminalamts vom 6. April 1988 über die RZ, in dem das BKA zur
Entwicklung, Ideologie, Strategie und Taktik sowie zu den publizistischen Aktivitäten der Revolutionären
Zellen/Rote Zora Stellung nahm.

Nach einer fünfzehnminütigen Pause berichtete Harald Brelow (59), Kriminalbeamte i.R., über die
polizeilichen Ermittlungen zum Knieschussattentat auf den Leiter der Berliner Ausländerpolizei Harald
Hollenberg. Diese Bestrafungsaktion führte die RZ am 28. Oktober 1986 aus. Auch ihm wurde mit Hilfe von
Vorhalten des 1. Strafsenats das Referieren erleichtert.
So wurde zu diesem Komplex verlesen:
- die Sterbeurkunde von Harald Heinrich Hollenberg;
- ein ärztliches Gutachten von Prof. Dr. Saternus vom Institut für Rechtsmedizin an der FU Berlin über die
Schussverletzungen an beiden Waden des Leiters der Ausländerpolizei;
- das Bekennerschreiben „Warum wir dem Leiter der Berliner Ausländerpolizei Harald Hollenberg in die
Beine geschossen haben“.

Bevor die Mittagspause eingeläutet wurde (11.30-12.45 Uhr), ging man zum nächsten Beweisthema über,
das Knieschussattentat auf den Asylrichter Dr. Günther Korbmacher am 1. September 1987. Verlesen
wurden zu diesem Komplex:
- ein ärztliche Gutachten von Prof. Dr. Saternus vom Institut für Rechtsmedizin an der FU Berlin über die
Schussverletzungen am linken Bein des Asylrichters;
- das Bekennerschreiben „Warum wir dem Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Günther
Korbmacher in die Beine geschossen haben“.

Hatte die BAW eher amüsiert der Verlesung gelauscht und das Gehörte tuschelnd kommentiert, veränderte
sich das Verhalten von Oberstaatsanwalt Dr. Diemer und Staatsanwalt Heine schlagartig bei der Verlesung
des Bekennerschreibens zu Korbmacher: Mit Schaudern und wohl tief empfundener Klassensolidarität
lauschten sie den Ausführungen zur „Hinrichtung des Menschenjägers Buback“: „Mit ihm ist ein allgemein
verhasster und gefürchteter Volksfeind gefallen, dessen Tod ein Gefühl der Befreiung und Ermutigung
ausgelöst hat“, stellten die RZ in ihrer Erklärung fest. „Einzig und allein diese Wirkung rechtfertigt etwas
dermaßen Schwerwiegendes wie die politische Tötung eines Menschen, dieses äußerste und extremste Mittel
im Klassenkampf, das sich durch seinen inflationären Gebrauch selbst entwertet. Eine Guerilla, die
leichtfertig gegen diese absolut verpflichtenden Gesetze der politischen Moral und Verantwortung verstößt,
die zunehmend ihre Skrupel - dieses wesentliche Merkmal, das revolutionäre Frauen und Männer vom
Klassenfeind unterscheidet - über Bord wirft, verspielt und verliert damit auch ihren eigentlichen Kredit und
Anspruch: einen Klassenkampf mit dem Volk und für das Volk zu führen, in dem die Ziele einer freien,
egalitären, menschlichen Gesellschaft aufscheinen.“

Nach der Mittagspause war dieser Anflug von Empörung auch schon verflogen und der letzte Polizeizeuge
konnte gehört werden. Der Kriminalbeamte i.R. Joachim Meiser (67) referierte auch hier unter Zuhilfenahme
von Vorhalten des Senats die polizeilichen Ermittlungen zum Knieschussattentat auf Dr. Korbmacher. Damit
war das heutige Programm abgearbeitet. Morgen werden die Plädoyers gehalten. Am kommenden
Donnerstag folgt der Urteilsspruch.


 

10.07.2004
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