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Situation in der BRD. [1] | Wurzen-Broschüre. |
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Antikommunismus und Nationalismus.
Anders als der Antikommunismus liegt das gemeinschaftsbildende Potential des
Nationalismus nicht in der Konstruktion einer äußeren Bedrohung, die
es notwendig macht gemeinsam zu handeln, sondern in der Erklärung einer
historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Schicksalsgemeinschaft, die sich
klar definieren läßt. Definitionsmerkmal des deutschen Nationalismus
ist und bleibt dabei das Blut, d.h.eine rassisch reine Ahnenreihe, die auf
Gründungsmythen in germanischen Zeiten verweist. Reproduziert über
Sprache und Kultur vermögen Nationalismen auch Zeiten zu überleben,
in denen sie gesellschaftlich lediglich eine untergeordnete Rolle spielen. In
Zeiten der Krise oder zur Durchsetzung von Herrschaftsinteressen lassen sie
sich so schnell wieder reaktivieren. Wenn die Parole ausgegeben wird, die
Gürtel seien enger zu schnallen, läßt sich die nationale
Mehrheit leicht dazu bringen, zu entscheiden, wer auf »ihrem«
Territorium überhaupt Rechte hat. Plötzlich lassen sich wieder
Feinde, Fremde innerhalb der Gesellschaft ausmachen. Abschottungsprozesse
setzen ein, Vertreibungen und Pogrome finden statt. Gleichzeitig ist es
möglich, überindividuelle Interessen unter dem Banner der
Gemeinschaft zu formulieren, die sich der Kontrolle der betroffenen Individuen
entziehen. Die »Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland«
konnte so zum nationalen Ziel werden. Was dieses Programm in seiner Konsequenz
bedeutet, wo der tiefere Sinn höherer Abgaben und niederigerer Löhne
und Sozialleistungen liegt, ist für die Einzelnen nicht nachprüfbar.
Eine solche Frage ist nichtmal gewollt. Der Nationalismus liefert hier
unhintergehbare Erklärungen.1968 und die Folgen.
Wer in der BRD auf der Suche nach dem gesellschaftlich wirksamen Antifaschismus
ist, wird zwangsläufig die Jahre um 1968 erwähnen müssen. In
dieser Zeit, als die Nachkriegsgeneration zu verstehen begann, was ihre Eltern
und die herrschenden politischen Eliten in den 30er und der ersten Hälfte
der 40er Jahre getan, unterstützt und toleriert hatten, wurden Forderungen
laut, die, folgen wir den Legenden der damaligen ProtagonistInnen, eine
nachhaltige »Zivilisierung« der bundesdeutschen Gesellschaft zur
Folge hatten. Diese »Zivilisierung« führte zwar dazu,
daß in der folgenden Zeit viel über die NS-Vergangenheit
führender Kader aus Politik und Wirtschaft recherchiert wurde, aber die
Ergebnisse dieser Recherchen bestätigen nur, daß eine
Entnazifizierung nichteinmal in den sensibelsten Bereichen der Gesellschaft
stattgefunden hat. Ein weiteres Resultat dieser »Zivilisierung«
war die Aufwertung der öffentlichen Meinung. Waren sich bis 68 die
»alten Herren« ihrer Macht so sicher, daß sie Medien nur
zur einfachen Verlautbarung einsetzten, hat sich seitdem der public relations
Apparat als feste Größe der Herrschaft etabliert. Ein Umstand, der
sich unbemerkt von vielen, die damals die Kommunikation als subversives Element
zu nutzen gedachten, vollzog. Wenn wir uns heute also fragen, was von der
nachaltigen »Zivilisierung« außer Alice Schwarzer in Alfred
Bioleks Küche bleibt, müssen wir zumindest festhalten, daß die
faschistischen Kontinuitäten in der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung unangetastet blieben. Mehr noch, daß eine gesellschaftlich
relevante Aufarbeitung des deutschen Faschismus und seiner komplexen Ursachen
unterblieb. Es soll hier nicht behauptet werden die BRD sei ein faschistischer
Staat. Es bleibt aber der entscheidende Unterschied zwischen einem
nichtfaschistischen und einem antifaschistischen Staat. So lassen sich
beispielsweise Sozialpartnerschaft der Ludwig Erhard Ära und die sich aus
ihr ergebenden demokratischen Elemente (»Wohlstand für
alle«) in Begriffen der Volksgemeinschaft bruchlos denken.
Die Wende 1982.
Seit 1982 findet ein kontinuierlicher Rückzug links-liberaler Ideen aus
der öffentlichen Diskussion statt. Die Möglichkeiten des opinion
leading konzentrieren sich in den Händen konservativer und rechter
Kreise, die ihren ehmals politischen Gegenpol mit sich ziehen, weil dieser
zunehmend befürchtet, jegliche Einflußnahme zu verlieren. Was
früher als linke Domäne galt, der Tabubruch, wird heute von einer
jungen Rechten mit wachsender Begeisterung und ohne auf ernsthaften Widerstand
der fassunglosen links-liberalen Diskussionsgemeinde zu stoßen,
praktiziert. Dadurch hat sich in der BRD nicht nur das politische
Koordinatensystem verschoben, so daß sich in den 70er Jahren eindeutig
rechtsextreme Forderungen heute auch im Zentrum der Gesellschaft finden lassen.
Es treten heute auch Vermittlungsprobleme radikal-antifaschistischen
Engagements auf, die durch die Kritik an der öffentlichen Meinung in den
Punkten, an denen sie mit faschistischen Forderungen übereinstimmt,
entstehen.Die Wende 1989.
Unter dem Slogan der »gewachsenen Verantwortung des wiedervereinigten
Deutschlands in der Welt« war es zeitgleich möglich, zu einer
»Normalisierung« der deutschen Position in der Geschichte
überzugehen, die eine euphemistische Umschreibung geopolitischer
Vormachtsbestrebungen ist. Nicht mehr eingebunden in die Blockstrukturen des
Kalten Krieges, zeigt sich bei den immer zahlreicher werdenden
Auslandseinsätzen der Bundeswehr, besonders aber mit der
Anerkennungspolitik im ehemaligen Jugoslawien, daß die neue deutsche
Außenpolitik ein Instrument nationaler Interessenvertretung auch gegen
internationale Bündnisse sein kann. Dabei setzt sie sich derzeit immer
noch dort Grenzen, wo die Bündnisfähigkeit grundsätzlich infrage
gestellt wird - die »Lehre aus der Geschichte«. Ein weiteres Feld
nationaler Vormachtsbestrebungen ist die EU-Politik der Bundesregierung. Hier
werden deutsche Interessen inzwischen so unverblümt durchgesetzt,
daß viele Verbündete das ungute Gefühl beschleicht, der in
weiten Teilen von der BRD diktierte europäische Vereinigungsprozeß
werde am Ende nicht zu einem vereinigten Europa, sondern zu einem Europa unter
deutscher Herrschaft führen. Und in der Tat spricht die Kerneuropathese
mit einem immer kleiner werdenden Kern eine sehr deutliche Sprache.
Innenpolitisch sind diese nationalen Manöver von der Beschwörung der
Solidargemeinschaft (Solidarzuschlag), der Militarisierung öffentlicher
Räume (öffentliche Gelöbnisse und Zapfenstreiche, publizistische
Werbung für den Einsatz der Bundeswehr an den Orten der Verbrechen der
Wehrmacht) und dem Versuch einer endgültigen Einordnung und Verharmlosung
des deutschen Faschismus in die Welt der Geschichte begleitet (Entdeckung und
Kultivierung des militärisch-nationalen Widerstandes um Graf Stauffenberg,
Dresden 1995).
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