Unter den oben beschriebenen Umständen scheint es sinnlos, sich auf den
Staat als Hilfe im antifaschistischen Widerstand zu verlassen. Andererseits
sprechen die Verbote rechtsradikaler Parteien und Vereinigungen sowie die
Neuregelungen der Polizeigesetze der Länder, zumindest oberflächlich
betrachtet, eine andere Sprache. Keine allgemeine Gesetzesverschärfung,
keine Unterminierung demokratischer Grundrechte, die nicht unter dem Hinweis
erfolgt, es gelte, rechtsradikale Gewalt im Keim zu ersticken. In der Praxis
gilt aber, das vorgeschützte Rechsstaatlichkeitsprinzip münzt
Nazi-Aktivitäten zu Kavaliersdelikten um: solange dem internationalen
Ansehen des demokratischen Deutschland nicht geschadet wird, solange gibt es
keine »rechtsextremistische« Gefahr für die
Freiheitlich-Demokratische Grundordnung. Was nicht eindeutig als organisierter
Aufmarsch zu erkennen ist, was nicht durch eine von staatlichen
Aktivitäten unabhängige Antifabewegung öffentlich gemacht oder
angegriffen wird, fällt durch das Raster der staatlichen Repression. Einer
Repression, die - häufig sogar mit denselben Beamten - unter dem
Leitspruch »Links- gegen Rechtsextremismus« offensive
Antifaarbeit nicht nur nicht unterstützt, sondern mit großem Aufwand
bekämpft.
Selbst das staatliche Vorgehen gegen organisierte Strukturen der Faschisten in
der BRD ist halbherzig. Verbote werden immer soweit im Voraus angedroht,
daß es den betroffenen Organisationen möglich ist, für den Tag
des Verbotes Vorsorge zu treffen, indem sie Nachfolgestrukturen schaffen,
Parteivermögen sichern und sich auf die den Verboten folgenden Razzien
vorbereiten. Wie wenig Interesse der Staat an einer effektiven Zerschlagung
faschistischer Strukturen hat, läßt sich erst ermessen, wenn als
Vergleich die Handlungsspielräume herangezogen werden, die sich derselbe
Staat gegenüber KurdInnen geschaffen hat. Es geht also um reine PR-Effekte
gegenüber internationaler Öffentlichkeit.
Wer ist die Antifa-Bewegung?
Von einer Bewegung zu sprechen, setzt nicht unbedingt gleiche Ziele und Wege
aller Beteiligten voraus. Im Gegenteil. Antifaschismus auf allen
gesellschaftlichen Ebenen braucht die Vielgestaltigkeit, um lebendig zu sein.
Ein einseitiges Verständnis von Antifaschismus wäre bei der komplexen
Rolle, die faschistische Ideen in der Gesellschaft spielen, zum Scheitern
verurteilt. So ist Militanz gerade angesichts der strukturellen Ursachen, die
den Staat hindern, Schutz vor faschistischen Angriffen zu gewährleisten,
unabdingbar. Militanz stößt aber schnell an ihre Grenzen, wenn
grundlegend gegen Faschisten gearbeitet werden soll, wenn Freiräume
eröffnet wurden, die es auszufüllen gilt. In einem Klima, in dem die
derzeit dominanten Jugendkulturen und -bewegungen entpolitisiert scheinen,
stellt sich die Frage, wieweit die individuelle Schuld von 12 bis
16jährigen Faschokids geht, die nicht selten besonders brutal bei
Überfällen agieren. Die üblichen jugendsoziologischen
Deutungsmuster halten gerade bei diesen Faschokids einer Überprüfung
nicht stand, und so laufen auch die offiziellen Programme »Gegen
Gewalt« ins Leere. Und nicht nur das. Die Eigendynamik solcher Programme
für »rechte Jugendliche« verfestigen häufig die
entstandenen Strukturen. Ernsthafter Antifaschismus muß also auch auf
solchen, auf den ersten Blick abwegigen Feldern Alternativen entwickeln.
Der nach 1989 mit der Re-Nationalisierung einhergehende Schwund linksliberaler
Öffentlichkeit reduzierte auch die Dimension einer antifaschistischen
Bewegung. Bis auf einzelne JournalistInnen, PolitikerInnen,
GewerkschafterInnen, KirchenvertreterInnen und wenige andere bleibt aktiver
Antifaschismus auf die überlebenden Opfer und WiderstandskämpferInnen
sowie die aus der autonomen Bewegung hervorgegangenen Antifa- und
Antira-Gruppen beschränkt. Die ausgeprägte Ignoranz in weiten Teilen
der vormals (vor 89) sensibilisierten liberalen Öffentlichkeit
gegenüber faschistischen Strategien und Aktivitäten
(einschließlich die der sogenannten Neuen Rechten) birgt für die
bestehende Antifa-Bewegung die Gefahr in sich, den Nazis nicht mehr auf allen
Ebenen und Feldern offensiv entgegentreten zu können, um sie in ihre
Schranken zu verweisen.