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Tue Oct 15 20:20:24 1996
 

Inhalt | Vorbemerkungen.

Chronik. [2]

Wurzen-Broschüre.
Vorfälle, bei denen die Ortsangaben fehlen, haben sich in Wurzen ereignet. Ansonsten befinden sich die angegebenen Orte im Muldentalkreis. Aufgrund der Vernetzung läßt sich meist ein Zusammenhang zu Wurzen herstellen.

1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | Inhalt

Eröffnung der BB-Baracke, Mitte Januar 1995
Aufgrund des Überfalls auf portugiesische Bauarbeiter am 16. Oktober 1994 erhalten die Faschos den Jugendtreff „BB-Baracke“, die sich neben dem Landratsamt befindet. 500.000 DM, die ursprünglich für die Villa Kuntabunt geplant waren fließen nun in die Fascho-Baracke. Von der Stadt werden zwei „SozialarbeiterInnen“ angestellt, die als Zuträger für die Faschos fungieren.

Überfall auf die Berggasse, 21. zum 22. Januar 1995
In der Nacht greifen etwa 40 rechtsradikale Jugendliche ein von fünf Linken und Punks gemietetes Haus in der Berggasse 9 an. Zum Zeitpunkt des Überfalls befinden sich ca. zehn Menschen im Haus. Einige können über das Dach fliehen, alle anderen werden brutal zusammengeschlagen. Sechs Verletzte müssen im Krankenhaus behandelt werden. Die Angreifer sind mit Steinen, Holzlatten, Messern, Baseballschlägern und mindestens einer Schußwaffe bewaffnet.
Die später eintreffende Polizei unternimmt keine Anstalten, ZeugInnen zu vernehmen, Beweismaterial zu sichern oder die Anzeigen der Opfer aufzunehmen. Das LKA
Dresden teilt mit, daß die Gewalt von den Linken ausgegangen wäre; die Soko Rex gibt die Ermittlungen nach einem Tag an die Polizeidirektion Grimma ab; ein Mitarbeiter des Jugendamtes Grimma, der Herr Stör, sagte nach dem Überfall: „Diese Linken gehören doch alle in den Knast.“ Im April 1995 nimmt die Polizei einen Antifa in U-Haft, dem vorgeworfen wird, den Überfall provoziert zu haben bzw. eine Vergeltungsaktion durchgeführt zu haben. Immerhin kann die Polizei 12 der AngreiferInnen namentlich ermitteln und verhört sie, die Wohnung von einem der Angreifer, Daniel Kufner, wird durchsucht. Haftbefehle werden nicht ausgesprochen. Nach diesem Vorfall ist das Haus in der Berggasse unbewohnbar und die Linken stehen auf der Straße; die Baracke der Rechten, die nach dem Fascho-Angriff leicht beschädigt wurde, wird wenige Tage später wieder repariert.

Schußverletzung, 22. Januar 1995
Am Abend wird ein Jugendlicher in der Nähe der von Faschos besuchten Disco Joy durch einen Kopfstreifschuß verletzt und brutal zusammengeschlagen. Die Faschos schlagen auf den Jugendlichen selbst noch ein, als die Polizei kommt. Die Polizisten verweigern dem schwer Verletzten (mehrere Wochen Krankenhausaufenthalt) den Zutritt zum Auto, da er mit dem Blut alles verschmieren würde. Die Polizisten unterhalten sich kurz und unverbindlich mit den Angreifern, danach können sie gehen. Personalien wurden nicht aufgenommen.

Razzia, 9. Februar 1995
Die Polizei, Soko Rex und Soko Mulde durchsuchen sieben Wohnungen von Faschos sowie das linke Jugendzentrum „Villa Kuntabunt“. Beschlagnahmt werden Molotowcocktails, Baseballschläger, Luftdruckwaffen, Munition und andere Waffen.

Gesprächsrunden, Anfang Februar 1995
Nach einer von der Stadt initiierten Gesprächsrunde am 7.2.1995 „gegen Gewalt“, auf der 200 über 100 Faschos mit dazugehörenden Eltern Werbung für ihre Positionen machen können, zwingen die Faschos Linke durch massive Einschüchterungen an einen Tisch, um „Friedensverhandlungen“ durchzuführen. Hintergrund ist, daß der Bürgermeister am 7.2.1995 die Bereitstellung eines Objektes für (rechte) Jugendliche unter der Bedingungen, daß Ruhe in der Stadt einkehre, zusichert.

Überfall auf Ausländer, 23. Februar 1995
Am 23. Februar überfallen etwa 30 rechtsradikale Jugendliche Ausländer an der AGIP-Tankstelle in Bennewitz. Die Ausländer tragen Verletzungen davon, das Auto ist völlig zertrümmert. Bei einer anschließenden Hausdurchsuchung findet die Polizei einen Schreckschußrevolver mit aufgebohrtem Lauf. Die Polizei stellt die Ermittlungen nach Befragung des Personals und nach Auswertung der Videoüberwachung ein, da keine „Hinweise auf eine Straftat wahrgenommen werden können“ (Presseerklärung der Polizei).

Razzien zum FAP-Verbot, 24. Februar 1995
Im Zuge des FAP-Verbotes werden mehrere Wohnungen in Wurzen und Umgebung durchsucht. Fündig wird die Polizei z.B. bei Daniel Kufner in Bennewitz. Es werden u.a. rechtsradikale Propagandaschriften beschlagnahmt.

Auseinandersetzung in Schildau, Ende April 1995
In Schildau kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen einem Fascho (Thomas Jablinski) und einem linken Jugendlichen. Angeblich zum Schutz seiner selbst wird der Linke von der Polizei mitgenommen und später auf einem Parkplatz von den Polizisten zusammengeschlagen.

Landtagsdebatte, 28. April 1995
Auf Antrag der PDS findet im Sächsichen Landtag eine aktuelle Stunde unter dem Motto „Rechte Kameradschaften in Wurzen und Umland - toleriert durch Polizei und lokale Verantwortungsträger - lebensbedrohlich für Alternative“ statt. Die Debatte geht voll an den Inhalten vorbei und orientiert sich nur an dem von allen als demagogisch bezeichneten Titel. Der Innenminister wies die PDS-Vorwürfe als Unterstellung zurück. Die Soko Rex und die Soko Mulde hätten 31 Ermittlungsverfahren gegen Rechte eingeleitet.

Überfall auf Italiener im Joy, 29. April 1995
Vier Italiener werden nach dem Besuch in der Disco Joy von zehn bis 30 rechten Jugendlichen zusammengeschlagen und erleiden zum Teil schwere Verletzungen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. Zwei Tage später ermittelt die Polizei fünf Tatverdächtige, nimmt zwei von ihnen fest (gegen einen wird Untersuchungshaft angeordnet) und beschlagnahmt bei Hausdurchsuchungen Baseballschläger und Propagandamaterial.

Überfall auf eine Wohnung, Ende April 1995
Ende April überfallen fünf Rechtsradikale die Wohnung eines Jugendlichen, zerstechen die Autoreifen und bemalen es mit einem Hakenkreuz.

Überfall auf Angler, Ende April 1995
Zwei Jugendliche aus Wurzen werden beim Angeln von Faschos überrascht und brutal zusammengeschlagen.

Razzia in Gerichhain, 16. Mai 1995
In Gerichhain durchsucht die Polizei zwei Bauernhöfe, beschlagnahmt Waffen und ein PKW und nimmt zwei rechte Tatverdächtige fest, denen eine „gefährliche Körperverletzung [...] im November 1994 in Bennewitz“ vorgeworfen wird.

Antifa-Demo, 22. Mai 1995
Am Rande der Antifa-Demo in Wurzen beschlagnahmt die Polizei von einem Fascho, der die Polizei provoziert, eine Pistole.

Fascho-Konzert in Disco Joy, 26. - 28. Mai 1995
In rechten Fanzines wird ein Faschokonzert in Wurzen mit den Bands „Oiforie“ und „Stoirenfriede“ für das letzte Maiwochenende angekündigt. Auf öffentlichen Druck hin verbietet das Landratsamt alle Veranstaltungen in der Disco Joy, um Auseinandersetzungen zwischen Antifas und Faschos zu vermeiden. Bei Straßenkontrollen der Polizei werden mehrere Waffen sichergestellt.

Übergriff in Wurzen, 10. Juni 1995
Mehrere Faschos (Rocco Müller, Mirco Schmidt, Markus Müller, Thomas Jurisch, Steffen Rink und 8 weitere) schlagen einen Leipziger Jugendlichen an der Wurzener Esso-Tankstelle zusammen und verletzen ihn schwer. Am Auto entsteht Sachschaden.

Flugblattaktion, 16. Juni 1995
Die Faschos verteilen in Wurzen ein Flugblatt, in dem sie sich als Opfer der Linken darstellen, Gegenwehr ankündigen und feststellen, daß sie die besseren Deutschen sind. Originell an dem Flugblatt sind nur die vielen Rechtschreibfehler.


v.l.n.r.: Rocco Müller, Markus Müller, einer der Schirmer-Zwillinge (Rückansicht)

Sonnenwendefeier bei Wurzen, 25. und 26. Juni 1995
In der Nähe von Wurzen findet eine Sonnenwendefeier mit 400 TeilnehmerInnen aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus dem Ausland statt. Die Polizei schützt die Veranstaltung und schreitet nicht ein, obwohl verfassungsfeindliche Symbole gezeigt werden. Bei einer als Sommerfest getarnten Sonnenwendefeier in Mutzschen/Roda wird rechtsradikales Propagandamaterial verteilt, welches nach Angaben des SMI „antisemitischen und volksverhetzenden Inhalt“ hat.

Überfall auf Aussteiger, Anfang Juli 1995
Faschos überfallen einen Aussteiger der Rechten, der sich jetzt zur linken Szene zugehörig fühlt, weil seine eigenen Eltern von den Faschos verprügelt wurden, und zertrümmern mit Baseballschlägern die Scheiben seines Autos. Sein Schulterblatt ist gebrochen und eine Platzwunde im Gesicht muß genäht werden.

Überfall am Kaolinsee, Anfang Juli 1995
Am Kaolinsee bei Hohburg wird ein Invalidenrentner und seine Frau von Rechten angegriffen und schwer mißhandelt. Obwohl der ehemalige Polizist aus Wurzen die Täter erkennt, nimmt die Polizei die Ermittlungen nicht auf, da sie zu beschäftigt sei. Zwei Wochen später spricht der Polizeipräsident von „einer heißen Spur“ in dem Fall. Ein Jahr später ist immer noch nichts passiert.

Räumung der Villa, 12. Juli 1995
Nach der Räumung der Villa provozieren Polizisten aus dem Streifenwagen heraus mit dem Zeigen des Hitlergrußes.

Die Villa war seit einigen Wochen de facto besetzt, da die Stadt sich geweigert hatte, sie den Alteingentümern abzukaufen.

Prozeß wegen Überfall auf portugiesische Bauarbeiter, 25. August 1995
Vier Jugendliche und ein erwachsener Mann werden vom Leipziger Amtsgericht wegen dem Überfall auf portugiesische Bauarbeiter am 16.10.1994 verurteilt (3 Jahre Haft für den einen und 4 Bewährungsstrafen).

Ende der BB-Baracke, 11. September 1995
Aufgrund eines Brandes in der Fascho-Baracke muß diese geschlossen werden. Brandursache war ein technischer Defekt in einer Elektroinstallation. Der Nutzungsvertrag für die Baracke wäre sowieso Ende September 1995 ausgelaufen.

Hausbesetzung Käthe-Kollwitz-Straße, Oktober 1995
Der harte Kern der Fascho-Szene besetzt ein leerstehendes Haus in der Käthe-Kollwitz-Straße. Die Besetzer bauen das Haus zur Festung aus, hissen gelegentlich die Reichkriegsflagge und versammeln bis zu 300 Faschos in ihrem Haus. Der Hausbesitzer duldet nach einem Briefwechsel mit den Faschos die Aktivitäten in seinem Haus.

Überfall auf die Betreiber der „Alten Wassermühle“, Oktober 1995
Die Betreiber der Gaststätte „Alte Wassermühle“ in Lübschütz werden im Auftrag des Hausverwalters von Wurzener Skinheads zusammengeschlagen und aus ihrer Gaststätte vertrieben. Die Kündigung des Betreibervertrages wurde dann einige Tage später per Post zugestellt. Mutmaßlich haben die selben Skins kurz vorher Privatvermögen der Betreiber im Wert von 15.000 DM gestohlen. Das Auto der Skins wurde von einem Wurzener Gebrauchtwagenhändler zur Verfügung gestellt.

Eröffnung Kolpinghaus, 13. November 1995
Das Kolpinghaus wird eröffent, welches sich zu einem Treffpunkt rechter Jugendlicher entwickelt.

Raubüberfall in Wurzen, 30. November zum 1. Dezember 1995
Zwei namentlich bekannte rechte Jugendliche schießen in der Nacht mit einer Schreckschußpistole auf ein Fenster und grölen rechte Parolen. Anschließend bedrohen sie mit der Waffe ein Ehepaar und fordern von den beiden Geld. Als sie sich zur Wehr setzen, bringen sie dem Mann mit der Waffe eine Schußverletzung am Kopf bei. Die beiden Täter werden anschließend vorläufig festgenommen.

Überfall auf Gaststätte in Schöna, 8. Dezember 1995
Am späten Abend überfallen Rechtsradikale aus Wurzen und Leipzig die Gaststätte „Forsthaus“ in Schöna. Dabei entsteht ein Sachschaden in Höhe von 10.000 DM und drei Personen werden verletzt. Da der Überfall angekündigt worden war, bewachte ein Streifenwagen der Polizei die Gaststätte, zieht sich jedoch genau eine Stunde vor dem Überfall zurück.

Jugendlicher in Grimma von Rechten erstochen, 22. Dezember 1995
Ronny K., Mirko F. (beide 20 Jahre alt) und eine weitere Person, die sich der rechten Szene zugehörig fühlen, kaufen sich Reizgas, eine Messer und eine Kiste Bier. Nachdem sie sich besoffen haben, wollen sie die Waffen „ausprobieren“. Sie greifen drei Jugendliche in Grimma mit den Waffen an und verletzen dabei den 15jährigen Mario L. mit einem Stich in das Herz tödlich. Ein weiterer Jugendlicher wird bewußtlos geschlagen. Am 1. Oktober 1996 beginnt der Prozeß gegen Ronny und Mirko vor dem Landgericht. Ronny hat schon früher öfters Menschen verletzt.

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Security für rechte Veranstaltung in Leipzig, 20. Januar 1996
Bei einer geplanten Veranstaltung von Peter Kurt Weiss (ex-FPÖ, „Bürgerschutz Österreich“) im Leipziger Chaussehaus machen Faschos aus Wurzen die Security. Nichtsdestotrotz muß die Veranstaltung aufgrund antifaschistischer Proteste ausfallen.

Überfall auf Jugendclub in Röcknitz und Altenbach, Februar 1996
Rechte Jugendliche, zum Teil aus Wurzen, provozieren mehrmals in den Jugendclubs in Röcknitz und Altenbach. Dabei werden einige Jugendliche aus den Clubs brutal verprügelt., die Räumlichkeiten verwüstet und Gegenstände geklaut. Die Jugendclubs müssen daraufhin geschlossen werden.

Überfall in Torgau, 16. März.1996
5 Skinheads aus Wurzen überfallen einen 21jährigen Mann in Torgau und verletzen ihn schwer. Sie können unerkannt entkommen.

Überfall auf Obdachlosen, 17. März 1996
6 rechte Jugendliche überfallen zum wiederholten Male einen in einem Wurzener Fabrikgebäude lebenden Obdachlosen und mißhandeln ihn schwer. Mit einer Luftdruckwaffe schießen sie ihm ein Auge aus. (Da ihm schon ein Auge fehlte, ist er somit erblindet.)

Prozeß wegen Überfall auf Berggasse, 3. April 1996
Vor dem Amtsgericht Grimma findet der erste Prozeß wegen dem Überfall auf das von Linken bewohnte Haus in der Berggasse 9 in Wurzen statt (siehe 21.1.1995). Angeklagt sind Ronny Pietzsch und Daniel Rau. Da Jugendstrafen verhängt werden, bekommt Pietzsch nur eine Freiheitsstrafe auf Bewährung und Rau eine Verwarnung wegen schwerer Körperverletzung und Landfriedensbruch.

Überfall auf 2 Wurzener Antifas, 4./5. April 1996
In der Nacht zum 5. April 1996 kommt es zu mehreren Auseinandersetzungen zwischen Faschos und Antifas in Wurzen. So wird auf eine Wohnung eines Linken ein Feuerwerk abgeschossen. Zwei Autos von Antifas werden angegriffen und zerstört. Außerdem werden zwei Linke am besetzten Haus in der Käthe-Kollwitz-Straße mißhandelt.

Hitlergeburtstag in Gerichshain, 20. April 1996
Im und um das alte Feuerwehrhaus an der Bundesstraße B6 feiern 200 Faschos den Führergeburtstag. Angemeldet wurde dies von Peter Grünburg als Geburtstagsfeier für einen „guten Kumpel“. In Gruppen mit bis zu 40 Personen wird in Reih & Glied anmarschiert. Ordner sorgen für den reibungslosen Ablauf. Die Feier dauert bis 4 Uhr des nächsten Morgen. AnwohnerInnen beschweren sich über ruhestörenden Lärm und Pöbelein, zeitweise wurde eine Fahrspur blockiert. Die Polizei ist präsent, schreitet aber nicht ein. Fünf Tage später findet ein Gespräch zwischen den Faschos, GemeindevertreterInnen und Gaststättenbesitzer statt. Ergebnis: Es soll ein neuer Jugendclub gesucht werden, damit AnwohnerInnen sich das nächste Mal nicht mehr gestört fühlen.

Schußwaffengebrauch aus dem Kolping-Jugendzentrum, 16. April 1996
Aus dem Kolping-Jugendzentrum, Anlaufpunkt der rechten Jugendlichen, werden zum wiederholten Male mehrere Schüsse aus einer Pistole auf das gegenüberliegende Haus (Europäisches Bildungswerk) abgegeben. Eine Kugel verfehlt eine Lehrerin nur um 20cm. Insgesamt wurden 6 Einschußstellen gezählt. Ein Täter konnte nicht ermittelt werden.

NPD-Flugblätter in Wurzen, 27./28. April 1996
Im Rahmen der bundesweiten Aktionstage der NPD werden auch in Wurzen Flugblätter mit dem Titel „Gegen System und Kapital - unser Kampf ist national“ verteilt.

Stadtratssitzung/Bürgerfragestunde, 8. Mai 1996
Auf Anfragen während der Stadtratssitzung bezüglich des Hauses in der Käthe-Kollwitz-Straße antwortet der Bürgermeister Anton Pausch, daß das Haus nicht bewohnt sei, der Eigentümer trotz gegenteiliger Empfehlung der Stadt Wurzen keine Räumungsklage eingereicht hat und somit die Nutzung duldet. Weitere Maßnahmen von Seiten der Stadt seien nicht möglich, zumal die Staatsanwaltschaft einer Hausdurchsuchung nicht zugestimmt habe. In Wurzen würden nach Aussagen der Polizei und Staatsschutz keine rechtsradikalen Parteien oder Organisationen agieren.

Razzia in der Käthe-Kollwitz-Straße, 10. Mai 1996
Bei einer Baubegehung in dem besetzten Haus in der Käthe-Kollwitz-Straße durch das Landratsamt Grimma werden Molotow-Cocktails und andere Wurfgeschosse entdeckt. Daraufhin führt die Polizei am Nachmittag des 10. Mai 1996 eine Razzia im Haus durch, die allerdings den Betroffenen schon eine Woche im Voraus bekannt war. Dementsprechend werden nur 15 Mollies in einem Beobachtungsposten auf dem Dach gefunden. Die Nutzung des Gebäudes wird von der Stadt aus brandschutztechnischen Bestimmungen untersagt. Außerdem wird Anzeige gegen Unbekannt wegen Verstoß gegen das Waffengesetz erstattet.

Überfall in Bennewitz, Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1996
Ca. 20 Skinheads randalieren auf einem Sportplatz in Bennewitz bei Wurzen, der während der Bennewitzer Familientage von Sportmannschaften (u.a. aus Hessen) als Zeltplatz genutzt wird. Drei Personen werden brutal zusammengeschlagen, ein Sporttrainer muß ins Krankenhaus eingeliefert werden. Es werden diverse Gegenstände demoliert bzw. geklaut. Die herbeigerufene Polizei schreitet trotz der erstatteten Anzeigen und dem Rufen von faschistischen Parolen nicht ein. Erst in den folgenden Nächten unterbindet die Polizei weitere Ausschreitungen. Die auswärtigen Mannschaften reisen vorzeitig ab, die anderen werden sicherheitshalber in eine Turnhalle verlegt. Interessanterweise wird die Security der Veranstaltung auch von Faschos gestellt (Gau-Aufnäher), es ist jedoch unbekannt, wie sie sich bei dem Angriff verhielten. (siehe auch 6.6.1996)

JN-Bundeskongreß, 25./26. Mai 1996
Zum Pfingstwochenende findet in Leipzig der Bundeskongreß der Jungen Nationaldemokraten statt. In dem von Rechten besetzten Haus in Wurzen übernachten TeilnehmerInnen des Kongresses.

Razzia wegen Überfall in Bennewitz, 6. Juni 1996
Ca. 100 PolizeibeamtInnen, u.a. der Soko Rex, führen am Morgen eine Razzia im Raum Wurzen durch. 10 von 11 Tatverdächtigen (Bennewitz, siehe 16.5.96) werden von der Polizei angetroffen und verhört. Die Polizei durchsucht die Wohnungen und beschlagnahmt Waffen und sonstige Gegenstände. Gegen einen 19jährigen wird U-Haft wegen Wiederholungsgefahr angeordnet. Alle anderen werden im Laufe des Tages entlassen. Das LKA nimmt in diesem Zusammenhang auch Ermittlungen gegen Wurzener PolizistInnen auf, die damals nicht einschritten.

Sächsischer Verfassungsschutzbericht 1995, 13. Juni 1996
In der am 13. Juni vorgestellten Pressefassung des Sächsischen Verfassungsschutzberichtes 1995 wird mehrmals auf Wurzen eingegangen. Im Hintergrundteil des Berichtes gibt es einen mit „Auseinandersetzungen zwischen Links- und Rechtsextremisten im Raum Wurzen“ überschriebenen, dreiseitigen Bericht, der den harten Kern der rechten Szene in Wurzen mit 30 Personen beziffert. Auffällig ist, daß der Bericht als Beispiele von Auseinandersetzungen nur Übergriffe durch Linke angibt.

Überfall auf Leisniger Flüchtlingsheim, 22. Juni 1996
Nach dem Stadtfest in Leisnig überfall 40 Faschos aus verschiedenen Dörfern zwischen Colditz und Grimma das Flüchtlingsheim in Leisnig. Dabei wird ein Afghane verletzt und muß ins Krankenhaus. Die anderen Heiminsassen setzen sich erfolgreich zu Wehr. Die Polizei kann einige der Angreifer verhaften.


David Reichelt und Danny Pape bei Angriff auf das DW-Team

Überfall auf Spanier, 21. Juli 1996
Am frühen Morgen werden zwei Spanier vor der Wurzener Disco Nordlicht von zwölf Faschos überfallen und zusammengeschlagen, bis sie regungslos liegenbleiben. Die Soko Rex nimmt die Ermittlungen auf und läßt acht Tage später vier Tatverdächtige verhaften. Gegen einen 17jährigen und einschlägig bekannten wird U-Haft verhängt. Die anderen drei werden nach ihrer Vernehmung, bei der sie angeben, aufgrund ihrer „ausländerfeindlichen Einstellung“ so gehandelt zu haben, wieder entlassen.
Die MitarbeiterInnen des Nordlicht
s behaupten, daß die Faschos nicht aus der Disco kommen könnten, weil sie keine Rechten reinlassen würden.

Überfall auf Kamerateam, 23. Juli 1996
Ein Kamerateam der Deutschen Welle, welches das besetzte Fascho-Haus in der Käthe-Kollwitz-Straße in Wurzen filmen wollte, wird von zwei Faschos angegriffen. Dabei wird das Auto und die Kamera der JournalistInnen beschädigt. Die Polizei nimmt kurz darauf die zwei Tatverdächtigen fest, die Soko Rex übernimmt die Ermittlungen.

Verfassungsschutz: Wurzen - Zentrum der Neonazis in der BRD, 28. Juli 1996
Der Sächsische Verfassungsschutzpräsident Eckehardt Dietrich bezeichnet Wurzen als das derzeit „wohl wichtigste Zentrum der Neonazis in Deutschland“. Besonders die NPD versuche in Wurzen, gewaltbereite Rechtsextremisten unter ihrem Mantel zu sammeln. Eine entscheidende Rolle habe dabei Günther Deckert gespielt. Dietrich lobt jedoch gleichzeitig die Arbeit der Polizei und Soko Rex.

Treffen im Regierungspräsidiums zur Wurzen-Problematik, 1. August 1996
Im Leipziger Regierungspräsidium findet (wahrscheinlich auf Initiative der staatlichen Ermittlungsorgane) ein Treffen zur Fascho-Problematik in Wurzen statt. Verschiedene Arbeitsgruppen werden installiert. Eingeladen sind neben Polizei, LKA und Soko Rex auch die Freien Träger der Jugendarbeit, MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung und des Landratsamtes. Konkrete Ergebnisse werden nicht bekannt.

Räumung des besetzten Fascho-Hauses, 3. August 1996
Das besetzte Haus in der Käthe-Kollwitz-Straße wird gegen Mittag von der Polizei geräumt und anschließend im Erdgeschoß zugemauert. Es habe eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch vorgelegen. Zwischenfälle werden nicht bekannt.

Heß Geburtstag, 17. August 1996
Vom 9. bis zum 18. August verhängt das Landratsamt Grimma ein Versammlungsverbot für den Muldentalkreis. „Es handelt sich dabei um eine vorbeigende Maßnahme“ im Zusammenhang mit dem Heß-Geburtstag, wie sie schon das Jahr zuvor getroffen wurde. In einem Schreiben an die Kommunalverwaltungen, werden diese gebeten, alle Vorkomnisse der Polizeidirektion Grimma zu melden. Weil eine Mißachtung des Versammlungsverbots befürchtet wird, zeigt die Polizei am 17. August erhöhte Präsenz, kann jedoch nichts feststellen. Die Wurzner Faschos beteiligen sich am von die Nationalen e.V. organisierten Aufmarsch in Merseburg, der zwar verboten war, aber von der Polizei nicht verhindert wird
Fascho-Problem in Wurzen gelöst?, 20. August 1996
Der sächsische Innenminister, Klaus Hardrath, erklärt in einem Radiointerview das Faschoproblem in Wurzen für gelöst. Es hätte Verhaftungen gegeben und das Führungszentrum wäre zerschlagen worden. Alle bekannten Faschos laufen jedoch nach AugenzeugInnenberichten noch frei herum. Außerdem äußert der Innenminister gegenüber der Presse, daß gerade in Wurzen ein großer Bedarf an Jugendarbeit besteht, der mit viel Geld (7 Million DM für ganz Sachsen) und gegen den Willen der Stadt gedeckt werden soll. Begründet wird die Förderung des Wurzner Kulturhauses Schweizer Garten, schon jetzt Treffpunkt jüngerer Faschos, mit: „Jeder, der müde ist, schläft bessser und zündet keine Häuser an.“

Artikel über Wurzen im Thule-Netz, 23. August 1996
Im Thule-Netzt, einer rechtsradikalen Mailbox, wird ein Artikel der „Mitteldeutschen Rundschau“ (Ableger der Berlin-Brandenburger-Zeitung, herausgegeben von „Die Nationalen e.V.“) vorab veröffentlicht. Darin ist von einer Medienhetze der Autonomen, PDS und SPD die Rede, die für Schließung des von „nationalen Jugendlichen genutzte Jugendzentrum“ verantwortlich sei. „Der Leiter der Wurzener Jung-Nationalen, Marcus Müller“ kündigt Gegenmaßnahmen an. Die Stadt wäre auf die Initiatoren der Pressekampagne nicht gut zu sprechen, da auch „vollkommen unpolitische Jugendliche“ das besetzte Haus genutzt hätten. Der Stellvertretende Bürgermeister Jürgen Schmidt im Interview mit der „Mitteldeutschen Rundschau“: „Die Pressekampagne sollte nur dazu dienen, den Jugendklub dicht zu machen.“

Geplanter Fascho-Aufmarsch in Wurzen, 31. August 1996
Wurzner Faschos kündigen auf Flugblättern eine Demonstration für den 31. August an, die sich gegen die Schließung des besetzten Hauses in der Käthe-Kollwitz-Straße richten soll. Laut dem Wurzner Ordnungsamt ist die Demonstration nicht angemeldet. Der „Sachverhalt“ sei ihnen aber durch mehrere Aussagen von BürgerInnen bekannt. Die Polizei zeigt am Tag der geplanten Demo erhöhte Präsenz, die Demo findet jedoch nicht statt.

LKA Sachsen äußert sich zu Wurzen, 10. September 1996
Der Chef der Soko Rex, Merbitz, gibt bekannt, daß 1996 sechs politisch motivierte Straftaten im Raum Wurzen registriert wurden, darunter ein fremdenfeindlicher Übergriff. 17 Tatverdächtige wurden ermittelt, zwei Haftbefehlte erteilt. Damit rangiert Wurzen auf Platz neun in Sachsen. „Charismatische Persönlichkeiten“, die „NPD als Lehrmeister“ und die Nähe zur Connewitzer Autonomen-Szene hätten einen wichtigen Einfluß auf die Polarisation in Wurzen gehabt.

Diskussion im Landtag, 13. September 1996
Die PDS stellt im Landtag einen Berichtsantrag bezüglich Wurzen an die Staatsregierung. In diesem Zusammenhang kritisiert der Sächsische Innenminister die Wurzner Verantwortlichen, die das Problem ignorieren würden. Es wird abgewägt, direkt auf die Wurzner Kommunalpolitik Einfluß zu nehmen. Landespolizei, Staatsanwaltschaft wollen in Abstimmung miteinander den „Verfolgungsdruck“ weiterhin gewährleisten.

Mehr Jugendtreffs für Wurzen, 18. September 1996
Die Wurzner Stadträte beschließen, mehr Jugendtreffs einzurichten. Konkret soll der Treff „Schweizer Garten“ um eine Etage erweitert werden und die ehemalige Schulsternwarte geht an einen freien Träger. Der SPD-Vorschlag, die ehemalige Fascho-Disco zum Jugendtreff umzubauen, wird abgelehnt. Außerdem wurden 21.000 DM für die Einrichtung einer Skatboardbahn beantragt.

Kreistagsdebatte über „Jugendkriminalität“, 19. September 1996
Der Präsident der Polizeidirektion Grimma und ein Vertreter der Staatsanwaltschaft Leipzig konstatieren auf einer Kreistagssitzung in Bad Lausick für die Region Wurzen eine „erschreckende Gewaltbereitschaft“, die in diesem Jahr nicht merklich nachgelassen habe. Eine Einteilung in die Kategorien links- oder rechtsextrem sei jedoch nicht ausreichend, vielmehr entstünden die Auseinandersetzungen zwischen polarisierten, aber unpolitischen, brutalen und alkoholisierten Gruppen. Die Kreisräte verabschieden eine Resolution, die dafür sorgen soll, daß alle gewaltverhindernden Mittel eingesetzt werden...

Fascho-Angriff auf Punks, 28. September 1996
Nachmittags überfallen einige Faschos aus Berlin auf dem Wurzner Bahnhofsvorplatz drei Punks, verletzen dabei einen und zerstören das Auto der zwei anderen flüchtenden Punks.

Schlägerei zwischen Faschos auf Stadtfest, 28. September 1996
Beim Konzert des Wurzner Stadtfestes kommt es zu einer Schlägerei zwischen Faschos auf dem Markt. Durch herumfliegende Biergläser werden auch Unbeteiligte verletzt. Das Konzert mußte für eine halbe Stunde unterbrochen werden. Die Polizei nahm einige Personen fest, die vermutlich für den Überfall am Bahnhof vom gleichen Tage und die Schlägerei auf dem Markt verantwortlich sind.

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