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Sun Nov 24 19:18:05 1996
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Brand(anschlag?) in Lübeck
junge Welt, 19. Januar 1996, Nr. 16, Titelseite
> Nach Brand in Asylbewerberheim starben mindestens neun
> Menschen. Von Wolf-Dieter Vogel
>> Tod in Luebeck
Mindestens neun Tote, darunter drei Kinder, und rund 50 zum
Teil schwer Verletzte forderte der Grossbrand in einem
Asylbewerberheim nahe der Luebecker Innenstadt. Eine
kinderreiche Familie, die im Dachgeschoss des Altbaus wohnte,
wurde am spaeten Donnerstagnachmittag noch vermisst; eine Frau
starb, als sie mit ihrem Kind aus dem dritten Stock sprang.
Die Feuerwehr hatte den Brand erst um 8 Uhr unter Kontrolle.
Die BewohnerInnen aus Afrika, dem Nahen Osten und Polen hatten
das Feuer selbst gemeldet. Obwohl viele Indizien fuer einen
rechtsradikalen Anschlag sprechen, betonte der Leitende
Kriminaldirektor Winfred Tabarelli, Staatsanwaltschaft und
Polizei ermittelten >in alle Richtungen<. Auch ein technischer
Defekt koenne die Ursache des Brandes sein.
Am Donnerstagmorgen nahm die Polizei im etwa 25 Kilometer
entfernten Grevesmuehlen in Mecklenburg-Vorpommern drei Maenner
fest. >Zunaechst als Zeugen<, wie der schleswig-holsteinische
Innenminister Ekkehard Wienholtz (SPD) nicht muede wurde zu
betonen. Tabarelli hingegen stellte auf einer Pressekonferenz
am Nachmittag klar, die drei seien als Beschuldigte
festgenommen worden.
Um 3.42 Uhr ging der Alarmruf bei der Feuerwehr ein, eine
Minute spaeter war zufaellig eine BGS-Streife am Brandort. Das
Haus stand bereits in Flammen, nur hundert Meter entfernt
bestiegen drei Maenner ein Fahrzeug. Da einer von ihnen >wie
ein Skinhead< ausgesehen habe, haetten die Beamten deren
Personalien aufgenommen, sie danach aber weiterfahren lassen.
Nach Angaben des zustaendigen Staatsanwaltes Michael
Boeckenhauer seien die drei Maenner bereits wegen mehrerer
Delikte bekannt, sie haetten aber keine Vorstrafen wegen
rechtsextremistisch motivierter Straftaten. Dem
Verfassungsschutz sei keiner der Festgenommenen bekannt.
Informationen der Nachrichtenagentur AP, nach denen sich einer
der drei mit falschen Personalien bei der Kontrolle
ausgewiesen habe, wurden von der Staatsanwaltschaft am
Nachmittag nicht bestaetigt, aber auch nicht dementiert.
Nach Informationen des >Luebecker Buendnisses gegen Rassismus<
bestuenden enge Kontakte zwischen der Grevesmuehlener Nazi-Szene
und der seit 1992 verbotenen militant-rechtsradikalen
Nationalen Front (NF). >In Luebeck allerdings treten die
militanten Neonazis nicht offen auf<, sagte ein Vertreter des
Buendnisses der jW. Umso massiver jedoch war in den vergangenen
Jahren die Praesenz der rechtsradikalen >Deutschen Volksunion<
(DVU) und die der >Deutschen Liga fuer Volk und Heimat< (DLVH).
Aus dem Umfeld der DVU des Muenchner Verlegers Gerhard Frey
stammten jene vier Maenner, die fuer den Brandanschlag auf die
Luebecker Synagoge im Maerz 1994 verantwortlich waren. Neun
Prozent, in manchen Stadtteilen sogar bis zu 20 Prozent der
Waehlerstimmen konnte die rechtsradikale Partei - vom
Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland schon
damals als >geistige Brandstifter< bezeichnet - bei den
Landtagswahlen vor vier Jahren erreichen. Konsequenterweise
forderte am Donnerstag das >Buendnis gegen Rassismus<, die
beiden Parteien nicht zur Wahl am 24. Maerz zuzulassen und
kuendigte an, >nicht auf das Handeln der Verantwortlichen zu
warten. Wir werden vielmehr selbst dafuer sorgen, dass es einen
faschistischen Wahlkampf nicht geben wird<.
Auch die Gruenen in der Hansestadt verurteilten den vermutlich
>auslaenderfeindlichen Brandanschlag< und forderten
ausreichenden Schutz aller schleswig-holsteinischen
Fluechtlingsheime. Nicht nur nach zwei Anschlaegen auf die
Synagoge ist Luebeck zu einer Stadt geworden, in der
Rechtsradikale besonders aktiv agiert haben. Am 13. Juni
vergangenen Jahres verletzte eine Briefbombe den SPD-Politiker
Thomas Rother schwer. Die Bombe galt dessen Parteifreund
Dietrich Szameit, der die milden Urteile gegen die Synagogen-
Brandstifter kritisiert hatte. Der Luebecker Buergermeister
Michael Bouteiller rief fuer den Abend zu einer Kundgebung am
Ort des Anschlages auf, in Hamburg demonstrierten bereits am
Donnerstagnachmittag 500 Menschen.
Opfer eines Brandanschlages sollten die BewohnerInnen eines
Asylbewerberheimes in Burgwedel bei Hannover am Donnerstag
werden. Nach Polizeiangaben hatten dort Unbekannte einen
Karton mit Teppichresten in den Eingangsbereich des Hauses
abgestellt und angezuendet. Die Fluechtlinge haetten aber, so ein
Sprecher der Stadtverwaltung Burgwedel gegenueber der jW, das
Feuer fruehzeitig entdeckt und geloescht.
Infogruppe Hamburg
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