Bild rechts: Herr Heinemann (links) und die beiden
Stummen im Hintergrund vor dem BGS-Wohnheim bei Rothenburg
Interesse an der Fahrradtour bekundete dagegen der BGS. Eine Beamtin und ein Beamter in Zivil bekannten sich zwar nicht zu ihrem Auftraggeber, wollten sich aber unserer Tour anschließen. Ein politisches Motiv hätten sie nicht, nur Langeweile, und wir wären da genau das Richtige. Leider konnten wir ihren Wunsch nicht erfüllen und so folgten sie uns mit ihren getarnten Dienstfahrrädern in gehörigem Abstand und hielten Kontakt zu den Zivilfahrzeugen, die uns von jetzt ab ganz offensichtlich und ständig begleiteten.
Mit der amtlichen Begleitung konnte jetzt auch die längste Etappe nach Bad Muskau in Angriff genommen werden. Einen Zwischenstopp legten wir in Rothenburg ein. Etwas außerhalb der Stadt ist die Polizeifachhochschule gelegen, zu der ein Teil der Gruppe einen Abstecher machte: Der Neubaublock war frei zugänglich, kurz dahinter liegen Wohngebäude des BGS. Von dort wurde unser Besuch an der Fachhochschule schon mißtrauisch durch den Feldstecher beobachtet. Als wir an den drei Grünröcken vorbeikamen, wurden wir sofort in ein Gespräch verwickelt. Eine Redeerlaubnis hatte von den drei anwesenden Offizieren offensichtlich nur einer: Einemann, seit 20 Jahren dabei, Einsätze u.a. in Gorleben und ganz eindeutig ein Psychobulle. Einemann hat die nötigen rhetorischen Fähigkeiten und eine Schulung in Staatsbürgerkunde erfolgreich absolviert, so daß er als Kontaktbulle für unsere Tour eingesetzt wurde. Besonders befähigt ihn aber seine Diplomarbeit über Migrationsströme.
Er erzählt uns in der Tat alles, was zu erwarten war: "Der BGS hat laut §2 BGS-Aufgabengesetz den Schutz der Sicherheit der Grenze zu gewährleisten", rasselt er herunter. Was aber kann die Sicherheit einer Grenze in Friedenszeiten gefährden? Illegale Einreise, das ist jede Einreise, die nicht über einen Grenzübergang erfolgt, weil so Straftäter ins Land gelangen könnten. Da Flüchtlinge erstmal keine Straftat begangen haben, ist das Asylbegehren von Menschen, die aus einem "sicheren Drittstaat" einreisen, eine Straftat. Auch Heinemann ist nicht mit allem einverstanden, was in der Asylgesetzgebung passiert, aber die Demokratie und außerdem habe er sich nun einmal für den BGS entschieden. Irgend jemand muß es ja machen. Aber das heißt nicht, daß er keine kritische Meinung habe, schließlich sei er auch in einer Partei! Und dann gibt es schließlich noch uns, ganz toll, daß wir solche Aktionen machen. Unseren Vorwürfen, der BGS würde Flüchtlinge mißhandeln, hält Heinemann entgegen, daß die BeamtInnen den aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten am Wochenende nicht versorgten Flüchtlingen aus eigener Tasche Wasser bezahlen und sogar mit ihnen ihr Pausenbrot teilen. Und für die kleinen Flüchtlingskinder sei der Kühlschrank sogar mit Aléte-Babybrei gefüllt. Daß solche Menschen, die sich im Interesse der Flüchtlinge gegen die geldgierigen SchlepperInnen engagieren, Flüchtlinge mißhandeln, kann sich doch wahrlich niemand vorstellen. Und selbst wenn, so was müßte unbedingt angezeigt werden...
Blieb nur noch zu klären, wie das denn mit der Befragung der
Flüchtlinge sei, bei der nicht nach Asyl gefragt wird. Da
müßten wir wohl eine falsche Information haben. Zum Beweis wird
einer der Stummen losgeschickt, ein Formular zu holen. Als er wenig später
wiederkommt, stellt der Chef nach einem längeren (suchenden) Blick auf das
Formular fest, es sei das falsche. Ein richtiges ist leider doch nicht zur
Hand, aber der Chef des Grenzschutzamtes, Herr Popp, wird eins bereit halten.
In Frankfurt dann ist es zwar auch das "falsche", nämlich ohne die Frage
nach dem Asylbegehren, aber da dem BGS langsam klar sein dürfte, daß
wir dem Schwindel nicht mehr glauben, wird es uns beim zweiten Versuch
überreicht.
Nachtwanderung
In Bad Muskau wurden wir von der Mitarbeiterin des Jugendkulturzentrums
empfangen. Später machten einige eine kleine Nachtwanderung am Ufer der
Neiße entlang. Ihre Eindrücke:
"Die Landschaft ist recht idyllisch, aber in jedem Garten ein Hund und jeder
dritte Hund völlig zur Bestie mutiert. Einer heulte in
ohrenbetäubender Lautstärke mindestens eine halbe Stunde hinter uns
her. Mitten in der Nacht! Vom BGS ist abseits der Straßen nichts zu
sehen. Nachdem die Enttäuschung verarbeitet und das Team neu eingeschworen
ist, wählten wir die Straße für den Rückweg. An einer
Kreuzung taucht plötzlich ein dunkelgrüner VW-Bus aus der Nacht auf
und verreckt in der Kurve. Unterdessen geben wir uns im Schatten eines Zaunes
betont unauffällig. Als der Motor wieder heult und der Fahrer das Fahrzeug
auf unsere Höhe gesteuert hat, hört man aus dem Fenster: "Wassn hier
los!"
Wir verlassen den Ort des Geschehens schnellen Schrittes, bleiben aber wenig
später hinter einem Bauwagen stehen. Unter Fluchen verlassen zwei
Männer, zumindest mit Taschenlampen das dunkelgrüne Auto und laufen
langsam in unsere Richtung, drehen aber kurz darauf wieder ab. Wenig
später kommt ein zweiter Bus. Die beiden verschwinden im angrenzenden
Waldstück, welches daraufhin in Hundegebell versinkt. Wir beenden unsere
Pause und setzen den Rückweg fort.
Nach einer Weile taucht hinter uns wieder ein dunkelgrüner Bus auf. Dann
tut er etwas unerwartetes. Er bleibt, lange bevor er uns erreicht hat, stehen
und schaltet auf der nicht gerade kleinen Straße das Licht ab. Wir setzen
unseren Weg unbeeindruckt fort. Plötzlich rast das dunkelgrüne
Gefährt mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbei, wendet weiter unten und
kommt jetzt direkt auf uns zu. Als es uns erreicht, springen zwei Männer
raus, rennen auf uns zu, blenden uns mit Taschenlampen und brüllen:
"Ausweis!" Wir verstehen nichts, bleiben aber trotz der bedrohlichen Situation
erst mal ganz ruhig. Die schreien weiter das Wort Ausweis in verschiedenen
Sprachen und werfen uns Nationalitäten zu. Das Ganze ist
äußerst verwirrend, da der eine immerzu sagt: "Die nehmen wir mit,
ganz klar, die nehmen wir mit!" Dazu kommt noch, daß sie unsere Schuhe
anfassen. Faschos? Schuhräuber? Es stellt sich heraus, wir sind in eine
Grenzkontrolle des BGS geraten und als sie herausbekommen, daß wir
Deutsche sind, sind sie ziemlich sauer. Was uns nach alledem überrascht,
sie sind in der Lage, vollständige Sätze zu sprechen.
Wir werden aufgeklärt, daß es unsere Pflicht gewesen wäre,
unsere Ausweise, die einer langwierigen Funküberprüfung unterzogen
werden, sofort zu zeigen. Was bleibt uns, als zu versichern, daß wir
Touristen mit den örtlichen Gepflogenheiten nicht so vertraut seien und
wenigstens den Ruf "BGS!" erwartet hätten. Wir wüßten gar
nicht, was hier los sei! "Die gehen doch alle stiften, während ich 'BGS'
rufe." Im unsachlichen Teil der Unterhaltung wird uns "undeutsches Aussehen"
attestiert, sonst wäre das alles gar nicht passiert, wir kontern damit,
die Beamten hätten gut Faschos sein können, was ein müdes Lachen
hervorruft. Fazit: Mit Leuten wie uns macht der Job als Grenzer keinen
Spaß! - "Ach! Mit was für Leuten macht's denn Spaß?" -
(Schluckt die Illegalen runter.) "Na mit Leuten, die mit uns kooperieren!"
Der Rest des Heimwegs verläuft, abgesehen von einer auf polnischer Seite
gezündeten Leuchtspur und den unvermeidlichen Hunden, friedlich."
Zu den Kontrollen von im Grenzgebiet lebenden AusländerInnenNormalität!?
Am 17.5.1995 wurde ich auf der Friedrich-List-Straße in Löbau vom
Bundesgrenzschutz kontrolliert. Obwohl ich meinen Ausweis bei mir hatte, wurden
mitr die Hände mit Gewalt auf den Rücken gefesselt. Dann wurde ich
nach Ebersbach gebracht, um meine Papiere genauer zu überprüfen. Nach
einer dreistündigen Kontrolle wurde ich freigelassen. Die
Überprüfungen hatten ergeben, daß eine
Ausländerbehörde meine Personalien nicht in das
Ausländerzentraltregister eingespeist hatte. Der Bundesgrenzschutz sagte
mir am Ende der Überprüfung in Ebersbach, daß ich mich allein
kümmern muß, wie ich nach Löbau zurückkomme. Auf meinen
Hinweis, daß ich kein Geld hätte und der BGS mich mit dem Dienstauto
zurück nach Löbau, zum Ort der Festnahme, fahren oder die
Grenzpolizei mir Geld für eine Fahrkarte geben muß, reagierte die
Polizei mit Ablehnung und erklärte mir, daß dies gesetzlich nicht
möglich sei. Der Bundesgtreznschutz informierte die
Ausländerbehörde, aber auch diese beteuerte, daß der
Ausländer die Kosten für doe Rückreise selbst zu tragen
hätte. |
Bild: Forst - wirtschaftliche Grenzidylle
Die nächste Station war Forst. Auf dem Weg dorthin begleiteten uns die Zivis sogar über Feldwege, und auch die Präsenz uniformierter Kräfte wurde stärker. In Forst selber fand eine kurze Kundgebung mit Redebeiträgen zu unserer Tour und den 1994 bei Forst in der Neiße ertrunkenen Flüchtlingen statt. Die Flüchtlinge aus Sri Lanka und Pakistan waren bei dem Versuch, ans deutsche Ufer zu kommen, von der Strömung erfaßt worden. Obwohl Grenzposten sie gesehen haben müssen, wurde ihnen nicht geholfen. Später versuchte der BGS, die ganze Sache zu vertuschen. Nur durch die Hinweise polnischer Behörden bei einer Vermißtenrecherche der Antirassistischen Initiative Berlin kam die ganze Sache an die Öffentlichkeit. Einer der Ertrunkenen, ein tamilischer Flüchtling, wollte sich zu seinem Vater nach Nordrhein-Westfalen durchschlagen, wo er aufgrund der politischen Situation in Sri Lanka eine Duldung erhalten hätte. Zu den Ereignissen gibt es eine sehr bewegende SFB-Fernsehdokumentation "Tod in der Neiße" von Andrea Everwien und Elke Sasse. Die Forster Bevölkerung zeigte kaum Interesse. Auch nicht als die Theatergruppe zum zweiten Mal an diesem Tag versuchte, mit ihrem Straßentheater eine andere Art von Kommunikation aufzubauen.
Bild: Forst-City
Eigentlich sollte in Forst an diesem Tag am Brückenkopf eines ehemaligen
Übergangs über die Neiße noch eine Gedenktafel für die
Ertrunkenen angebracht werden. Aber der Stadtrat hatte dies untersagt, weil
erst noch die Eigentumsverhältnisse der zerstörten Brücke
geklärt werden müßten. Als wir zu dem Bestimmungsort der Tafel
kamen, war dort schon jede Menge BGS. Während sie die Autos in ca. hundert
Meter Entfernung parkten, stellten sich vier BGSler, unter ihnen der
Kontaktbulle Einemann, die Arroganz ihrer Macht demonstrierend, auf den
Brückenkopf.
Es sind Fälle bekannt, in denen Grenzstreifen des BGS Flüchtlinge mit
den Worten, "Ihr könnt hier nicht raus!", zurück in den Fluß
schickten. In der lokalen Presse gab es darüber hinaus Berichte über
Gemeinden, in denen Ertrunkene mit Bohnenstangen in den Fluß
zurückgestoßen wurden, damit man nicht für die
Beerdigungskosten aufkommen mußte. Die Zahl der in den Grenzflüssen
Ertrunkenen dürfte damit um einiges die offiziellen Statistiken
übertreffen.
Guben
Bis zu unserem Nachtquartier etwas außerhalb von Forst und weiterhin am
nächhsten Tag folgten uns die uniformierten Polizeischergen. Mit
großem Aufwand wurden wir bis zum nächsten Mittag offensiv
observiert. Schätzen die Ordnungskräfte die Situation an der Grenze
als so brisant ein, daß unabhängige Beobachtungen verhindert, die
Beobachtenden aber zumindest eingeschüchtert werden sollen? Nachdem wir
von Guben aus die Einsatzleitung verständigten, daß wir uns durch
die Polizeipräsenz belästigt fühlten, hielten die Bullen etwas
mehr Abstand, verfolgten uns aber weiter. Kein Waldweg war zu holprig, keine
Situation zu blöd: Selbst beim Baden wachte das Auge des Gesetzes
über uns. Die Begründung war zuerst die Verkehrssicherheit und als
das zu abstrus wurde, gaben sie vor, uns vor militanten Rechten zu
schützen.
In Guben widmeten wir uns der Vorbereitung der in den nächsten Tagen geplanten Aktivitäten und besuchten in dem uns beherbergenden Kulturzentrum das Konzert einer polnischen Rockband.