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Tue Dec 17 21:59:28 1996
 

Geschichte des BGS

Nach dem Zweiten Weltkrieg beschloßen die Allierten, daß in Deutschland geheimdienstliche und polizeiliche Strukturen getrennt aufgebaut werden müssen und die Polizei den einzelnen Bundesländern untersteht, also föderal gegliedert ist. Diese Grundsätze ergaben sich aus den Erfahrungen mit der Gestapo während des Faschismus.
Die Bundesregierung bestand aber von Anfang an auf einer Bundespolizei. So forderte die BRD im September 1950 bei der Bewilligung der Landespolizeikräfte durch die in New York tagende Konferenz der westlichen Außenminister eine eigene Grenzschutztruppe mit 10.000 Mann und eine Bundespolizei mit der gleichen Stärke.

Von der Ersatzarmee an der Grenze...

Am 15.2.1951 wird - auch aufgrund des Kalten Krieges - die Gründung des BGS beschlossen und schon am 22. 3.1951 tritt das Bundesgrenzschutzgesetz in Kraft. In dessen Folge soll der BGS gebildet werden, der in der 30-km Grenzzone "gefährliche Störungen der öffentlichen Ordnung", die gegen die Sicherheit der Grenze gerichtet sind, verhindern soll. Viele ehemalige Wehrmachtssoldaten finden als Offiziere im BGS eine neue Berufsheimat. Die anfänglich 9.000 Männer des BGS unterstehen dem Bundesinnenminsterium, obwohl der BGS in allem eine Art Armee-Ersatz darstellt. Das Land Bayern baut eine eigene Grenzpolizei auf.

Seegrenzschutz, die Grenzschutzkommandos und der Paßkontrolldienst (später: Grenzschutzeinzeldienst) entstehen. Die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehr liegt aber vor allem in den Händen des Zolls und der Länderpolizeien. Deshalb entfallen auf den Paßkontrolldienst bis in die 70er Jahre nur 5% aller BGSler.

Nachdem die Bundesregierung die Hoffnung auf eine ihr direkt unterstehenden Bundespolizei fallen lassen muß, beschließt der Bundestag am 19. Juni 1953 die Verstärkung des BGS auf 20.000 Mann.

Im Jahr 1956 tritt das zweite Gesetz zum BGS in Kraft. Der BGS - so regelt es das Gesetz - dient dem Aufbau der Bundeswehr. Mehr als die Hälfte der BGSler wechseln zur gerade gegründeten Bundeswehr, der gesamte Seegrenzschutz wird Teil der Marine.

Der BGS wird danach reorganisiert und wieder auf 14.000 Mann aufgestockt. Der BGS soll als Instrument für den inneren Notstandsfall erhalten bleiben und bei Grenzkonflikten als Polizeitruppe "deeskalierend" wirken bzw. als "Puffer" zwischen NATO-Truppen und dem Feind aus dem Osten dienen. Der paramilitärische Charakter des BGS - was die Bewaffnung mit Schützepanzern, Kanonen, Granatwerfern, Panzerfäusten und Maschinengewehren betrifft, wie auch die Ausrüstung, die Unterbringung in Kasernen, die Ausbildung und die Manöver, die auf die militärische Aufstandsbekämpfung angelegt waren und sind - wird am 11.7.1965 nachträglich gesetzlich verankert: der BGS erhält den Kombattantenstatus, d.h. wird im Kriegsfall zur kämpfenden Einheit. Schon 1964 kommt es zu einem gemeinsamen Manöver der US-Streitkräfte mit dem BGS.

...zur grenzenlosen, paramilitärischen Sonderpolizei

Im Zuge der Diskussion um die Innere Sicherheit, der Verabschiedung der Notstandsgesetze und des Aufblähung des Sicherheitsapparates Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre erfährt auch der BGS einen personellen, strukturellen und finanziellen Um- und Ausbau. Bis 1980 wächst die Stärke auf 22.000 Mann an und die jährlichen Kosten steigen auf 1,001 Mrd. DM. Die Beschränkung des BGS auf den 30 km-Grenzbereich wird mit einem 1972 verabschiedeten Gesetz aufgehoben und als neues Aufgabenfeld die Unterstützung der Landespolizeien in besonderen Lagen festgeschrieben. So beteiligt sich der BGS an der Fahndung nach RAF-TerroristInnen und dient als schlagkräftiges Instrument gegen die neuen sozialen Bewegungen. Der BGS wird fortan bei großen Demonstrationen eingesetzt.

Ein typischer BGS-Einsatz: Landen...
Ebenfalls 1972 kommt es nach Anschlägen palästinensischer Gruppen zur Gründung der paramilitärischen Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9). Diese Elitekämpfer der deutschen Polizei, mit großem finanziellem Aufwand über Nacht aus dem Boden gestampft, bewährten sich über die Jahre hinweg als schießfreudige Rambos (z.B. Bad Kleinen) und Exportschlager: (u.a. türkische) SoldatInnen, hochrangige Militärs, PolizistInnen und Fachleute aus mehr als 60 Ländern ließen sich im GSG 9 Stützpunkt St. Augustin ausbilden bzw. informieren.

Mitte der 70er Jahren nimmt die Verpolizeilichung des BGS ihren Fortgang: die militärischen Waffen werden teilweise durch Polizeiwaffen ersetzt, Dienstgradbezeichnung dem Polizeisystem angeglichen, die Ausbildung neu strukturiert und der BGS an die polizeilichen Datenbanken angekoppelt. Aufklärungs-, Ermittlungs-, Beweissicherungs- und Dokumentationstrupps werden eingerichtet. Der BGS entwickelt sich immer mehr zur mächtigen Bundespolizei. Parallel dazu erhält der Bund stetig steigenden Einfluß auf die Länderpolizeien durch das Bundeskriminalamt, welches die kriminalpolizeiliche Arbeit der Länder koordiniert und schwere Fälle in die eigene Hand nimmt, und durch die Bereitschaftspolizeien der Länder, die vom Bund mitfinanziert und vom Bundesinnenministerium kontrolliert werden.

... aufmarschieren...

Aufgrund der Fliegerstaffel, ausgerüstet mit Transport-, Aufklärungs- und Rettungshubschraubern, und neuer Standorte (Kommando-West zum Schutz der Bundeseinrichtungen in Bonn, Abteilungen in Frankfurt und Karlsruhe) ist der BGS ab Mitte der 70er Jahre innerhalb von 2 Stunden an jedem beliebigem Ort der BRD mit 300 Mann einsatzfähig. Der BGS wird dadurch mit zum wichtigsten Instrument der präventiven Aufstandsbekämpfung. Die politische Funktion des BGS zur Bekämpfung des Widerstands im Land gewinnt an Bedeutung. Die ursprüngliche gesetzliche Beschränkung von 1972 des BGS als Sicherheits- und Eingreifreserve der Länder weitet sich aus zur permanenten Begleitung der Länderpolizeien bei allen großen Aktionen, Demonstrationen, Fahndungseinsätzen, Häuserräumungen, Bauplatzbesetzungen usw. Mag ein fünftägiges BGS-Manöver im Jahre 1984 mit Kanonen, Granaten und Maschinengewehren sowie dem Szenario "lang anhaltende Arbeitskämpfe... Umsturzversuche" angesichts der Kampfbereitschaft der deutschen Gewerkschaften und ArbeiterInnen etwas anachronistisch erscheinen, so ist die Rolle des BGS als innenpolitisches Machtinstrument jedoch nicht zu unterschätzen.

... wild drauf los schießen ...

An der Grenze mißbraucht der BGS seine Kontrollbefugnisse für den Verfassungschutz. So erstellten die BeamtInnen Bewegungsbildern von "Linksextremisten" für das BfV anhand der Kriterien "Mitführen linker Publikationen" (Liste mit 239 Titeln), "Kader linker Organisationen", in einer Namensliste aufgeführt, oder "Reisen ins sozialistische Wirtschaftsgebiet". Es wurden heimlich Ausweise kopiert u.ä.

Ende der 80er Jahre halten allerdings militärische Formen, Begriffe, Trainingseinheiten und Rituale wieder verstärkt Einzug beim BGS. Strukturell, gesetzlich und technisch passen sich BGS und Bereitschaftspolizeien jedoch schrittweise gegenseitig an, so daß gemeinsame Einsätze reibungslos vonstatten gehen können. 1987 werden die ersten Frauen im BGS eingestellt, deren Anteil in Zukunft 10% betragen soll.

Aufgabenerweiterung des BGS

Eine "Planungsgruppe BGS 2000" entwirft 1987 für den BGS ein neues Konzept und schlägt vor, die Einsatzmöglichkeiten auszuweiten, da durch den Wegfall der EU-Innengrenzen die traditionellen Aufgaben der Grenzsicherung wegzufallen scheinen - und mit der Krise der Linken die großen Demo-Einsätze? Vorgeschlagen wird die Übernahme von Personenschutz-, bahnpolizeilichen und Luftsicherungsaufgaben, sowie eine Menge kleinerer Aufgaben, wie den Hausordnungsdienst des Bundestages. Viele die Vorschläge werden 1994 gesetzlich verankert, einige schon eher in die Praxis umgesetzt.

... zufrieden und erschöpft nach Hause fahren ...
Dementsprechend kommt es 1989 zum ersten Auslandseinsatz des BGS im Rahmen einer UNO-Friedensmission in Namibia. 1992 werden 100 BGS-BeamtInnen zusammen mit Bundeswehrsoldaten nach Kambodscha geschickt, 1993 BGS-BeamtInnen in die Westsahara. 30 BGSlerInnen helfen in Somalia beim Aufbau der dortigen Polizei und auf der Donau patrouillieren seit 1993 BGS-Boote zur Überwachung des Embargos gegen Rest-Jugoslawien. Offiziell alles auf Anforderung der UNO, in Wirklichkeit hatte die Bundesregierung die UNO darum gebeten, um Präzedenzfälle für spätere Bundeswehreinsätze im Ausland zu schaffen. Dabei sieht das BGS-Gesetz militärische Einsätze nur im Verteidigungsfall bei einem Angriff auf die BRD vor.

Neu, jedoch weniger brisant, war der Einsatz des BGS zum Sortieren von Stasiunterlagen. Mag der innere Notstand dadurch gegeben sein, daß getreu der Totalitarismuslogik die Anstellung von Stasileuten im öffentlichen Dienst nur durch deren sofortige Enttarnung zu verhindern ist, so widerspricht sich das jedoch mit der Tatsache, daß ehemalige Leutnante der NVA-Grenztruppen beim BGS angestellt werden dürfen und dies auch schon geschehen ist.

... und beim Fahnenappell die Besten auszeichnen.

Neugliederung

Nach der Wende gliedert der BGS sich den Grenzschutz der DDR ein und das neue Grenzschutzpräsidium (GSP) Ost wird geschaffen. Für das GSP Ost steht plötzlich die ursprünglich Bestimmung des BGS im Vordergrund: die Sicherung der Grenze - diesmal aber nicht vor vermeintlichen kommunistischen Störversuchen, sondern vor der illegalen Einwanderung. Der BGS übernimmt 1990 im Osten und 1992 im Westen die Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit. Gegen diese Kompetenzenerweiterung klagt das Land NRW beim Bundesverfassungsgericht. Ende 1990 geäußerte Pläne des Bundesinnenminsterium, den BGS richtig zur Bundespolizei umzugestalten und auch als solche zu benennen, landeten vorerst in der Schublade. Im Osten der BRD fungiert der BGS einige Jahre lang als "echte" Bundespolizei, da er die noch nicht existenten Bereitschaftspolizeien ersetzen muß. Damit war der BGS in den neuen Bundesländern bei jedem größerem Polizeieinsatz automatisch mit vor Ort.

1992 wird die Trennung in Grenzschutzverbände und Grenzschutzeinzeldienst aufgehoben. Die neue integrierte Verwaltungsstruktur gliedert sich, entsprechend der Polizeistruktur der Länder, in einzelne Grenzschutzpräsidien: GSP West (mit Sitz in Bonn), GSP Ost (Berlin), GSP Süd (München), GSP Nord (Bad Bramstedt) und GSP Mitte (Kassel).[1]

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Fußnote:
1CILIP, S. 6-13; Hilfe, S. 62 f; Grenzenlos, S. 56; jW vom 1.11.1993; taz vom 28.2.1995 und 30.6.1995