aus einer Publikation des BGS |
"Verbrechensbekämpfung im Inland und Grenzsicherung sind untrennbar
miteinander verbunden" - so half Kanther bei der Gründung der
Polizeigewerkschaft im BGS den anwesenden BeamtInnen in ihrer schweren
Legitimationskrise. Mögen doch bei der Arbeit Fragen darüber
aufkommen, ob es sich wirklich bei all den erbärmlichen Gestalten, die
mensch täglich aufgreift und die ängstlich um Asyl und etwas zu Essen
betteln, um Schwerstverbrecher handelt, ja sogar um ExponentInnen dieser
gefürchteten und unfaßbaren "Organisierten Kriminalität". Doch
wie hatte der oberste BGS-Chef (Grenzschutzdirektion Koblenz), Markus
Hellenthal, gesagt: Bei der Schleuserkriminalität handelt es sich um eine
"besonders abstoßende Form des modernen Menschenhandels, der soziale und
wirtschaftliche Folgen verursacht, die der Sklaverei vergangener Jahrhunderte
ähnelt." Dem konnte der Parlamentarische Staatssekretär im BMI,
Eduard Lintner, nur beipflichten: "Die illegale Einwanderung stellt heute eine
fundamentale Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aller
betroffenen Staaten dar. Sie fördert sowohl die Kriminalität als auch
illegale Beschäftigung, polarisiert und ist insgesamt geeignet, das
äußere Erscheinungsbild der politischen Stabilität unserer
Gesellschaften empfindlich zu stören." Ex-Innemminister Wolfgang
Schäuble war dagegen auf der Berliner Konferenz im Oktober 1991 mehr um
das bemitleidenswerte Schicksal der von SchlepperInnen um Geld und
Menschenwürde betrogenen Verschleppten besorgt: "Nichts ist momentan so
dringlich, wie den Schleusergruppierungen das Handwerk zu legen. Die
Solidarität mit den Opfern heißt uns unverzüglich
einzuschreiten [...] Schlepperbanden sind keine Wohltäter, die Arme und
Verfolgte in eine lebenswertere Welt geleiten, sondern moderne
Menschenhändler, deren einziges Motiv in der Ausbeutung der Auswanderer
liegt, die sie zum Objekt ihrer Bereicherungsgier entwürdigen." Gegen
diese Übeltäter hilft nur der Dammbau, denn
"Schleuseraktivitäten bewegen sich wie das Wasser, sie suchen sich ihren
Weg" (BGS-Ost-Gewerkschaftsleiter Hübner).[1]
Alles klar...
... "Illegale" und Schmuggel
Zwischen dem 1.1.1991 und 20.8.1991 griff der BGS an der Ostgrenze 10.115 Leute
auf und schob 8.207 umgehend zurück. 1992: 30.000 Aufgegriffene. 1993
waren es schon 35.000 erwischte "Illegale" im Osten und 54.000 insgesamt. 1994
gingen die Zahlen zurück: 26.000 bzw. 31.000. Bei denen an der Ostgrenze
als illegal aufgegriffenen Menschen handelt es sich zu 44,2% um Rumänen,
vorallem Roma, 17,8% sind Jugoslawen, 11,3% kommen aus der ehemaligen
Sowjetunion und 9,6% aus Bulgarien. Während 1991 nur 3 der Aufgegriffenen
im Gefängnis landeten, weil sie per Haftbefehl gesucht wurden, verhaftete
der BGS drei Jahre später angeblich 1.800 SchleuserInnen, die an 1.400
aufgedeckten Schleusungen beteiligt waren. Außerdem wurden 1994 1.950
gestohlene Autos bei der Ausfuhr sichergestellt, 42 Mio Zigaretten und 500.000
Liter Kraftstoff beschlagnahmt, sowie 130.000 Menschen an den regulären
Grenzübergangsstellen die Einreise verweigert.
BGS-Statistik: Schleusungen von Ausländern: anklicken zum vergrößern...
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Aber auch der Schmuggel geschieht meist von einzelnen, keineswegs irgendwie
organisierten Leuten, die für den Privatgebrauch halt mal ein paar
unversteuerte Zigaretten und Benzin mitnehmen oder ihr Auto als gestohlen
melden und es dann selbst oder von anderen über die Grenze bringen lassen.
Das trifft vorallem auf Deutsche zu, für die Steuer- und
Versicherungsbetrug, solange es der eigene ist, eine Tugend zu sein scheint,
bzw. auf einige der in Deutschland lebenden AusländerInnen, die aufgrund
der wirtschaftlichen und sozialen Marginalisierung keine andere
Möglichkeit zum Gelderwerb sehen. Und da Banküberfälle etwas
inhumanes an sich haben (schließlich muß im Notfall auf deutsche
Bankangestellte geschossen werden), schmuggeln sie halt (und beglücken
damit gleichzeitig auch die deutschen Bankangestellten mit billigen Waren).
Doch selbst die wenigen Fälle von organisierter Grenzkriminalität,
wie Drogenschmuggel und Autoverschiebung, gehen zum größten Teil auf
das Konto von deutschen Banden - bzw. auf das der deutschen Geheimdienste,
deren V-Leute radioaktive Stoffe, Drogen und Waffen über die Grenze
schmuggeln, um das dann medienwirksam zu enthüllen: "So gefährlich
ist die organisierte Kriminalität, weil die Grenzen zu offen, die
Kontrollen zu lasch, der nichteuropäischen Länder zu instabil, unsere
Befugnisse nicht ausreichend und die Terroristen skrupellos sind."[2]
Maßnahmen und neue Gesetze gegen die 3 Feinde
Nichtsdestotrotz gründete sich Anfang 1995 eine "gemeinsame
Ermittlungsgruppe Schlepper/Schleuser", in der BGS- und LKA-BeamtInnen zusammen
die organisierte Grenzkriminalität bekämpfen wollen. Die vereinbarten
Aufgabenfelder sind Ermittlungsverfahren gegen SchlepperInnen, das Durchsuchen
von Wohnungen, Auffinden von häufig benutzten Routen zur
Grenzüberquerung und die Observation.
Mit dem Ende 1994 verabschiedeten Verbrechensbekämpfungsgesetz wurden die entsprechenden Passagen des Asylverfahrensgesetz bedeutend verschärft. Mit bis zu 5 Jahre Haft kann bestraft werden, wer gewerbsmäßig oder "zugunsten von mehr als fünf Ausländern" zur "mißbräuchlichen [Asyl-]Antragstellung" verleitet. Mit diesem §84 AsylVerfG kann willkürlich auch die Beratungstätigkeit für Illegalisierte kriminalisiert werden. Wer die ganze Sache auch noch bandenmäßig betreibt, kann bis zu 10 Jahren hinter Gitter landen. Der §92b des Ausländergesetzes schreibt eine maximale Strafhöhe von 10 Jahren Gefängnis fest für organisierte SchleuserInnen. Menschen, die wissentlich "Illegale" im eigenen Auto über die Grenze nehmen, müssen mit der Beschlagnahmung des Autos und einer Haftstrafe bis zu einem Jahr rechnen. Schon am 22.5.1992 beschloß die Innenministerkonferenz den Aufbau einer Falldatei "Schleuser und Geschleuste", die von der Zentralstelle zur Bekämpfung der illegalen Einreise von Ausländern" bei der Grenzschutzdirektion in Koblenz geführt wird. Die Aufgabe der Zentralstelle ist, die alle "illegalen Schleusertätigkeiten und damit zusammenhängenden Straftaten" zu dokumentieren, auszuwerten und Gegenstrategien zu erarbeiten. Auf die Datei sollen neben den Polizeien auch das Bundesamt (BAFl), Ausländerbehörden, Auslandsvertretungen und Sozialbehörden Zugriff haben.
Mit dem neuen Feindbild "Schleusser/Schlepper" gehen auch andere
Gesetzesverschärfungen einher. So soll mit dem neuen
Asylbewerberleistungsgesetz das Recht auf Sozialhilfe von AsylbewerberInnen,
die sich länger als ein Jahr in der BRD aufhalten bzw. über ein
Duldung verfügen, wegfallen, denn "Bargeld landet unweigerlich bei den
Schleppern." - so Kanther, der deshalb für Freßpakete
plädiert.[3]
Verlagerung der Kontrollen ins Ausland
Die Mauer um Europa ist im Gegensatz zum Eisernen Vorhang Osteuropas kaum
sichtbar, da sie weniger auf Beton, Stacheldrahtzäune und Minenstreifen
setzt, sondern auf 30 km-Zonen, Abschiebeverträge, Polizeistreifen,
Razzien im Inland, Pufferzonen, Aufteilung der Verantwortlichkeiten und die
Verlagerung der Kontrollen ins Ausland. Es gilt eben nicht nur die Grenze zu
überwinden, sondern erst mal überhaupt zur Grenze zu kommen und nach
erfolgten Grenzübertritt nicht aufzufallen. Das Erreichen der Grenzen wird
durch BGS-Kontrollen im Ausland und die Gesetze für
Beförderungsunternehmen extrem erschwert.
1997, Bahnhof in Moskau:
' Achtung, eine Durchsage. Reisende für den Zug nach Berlin. Schengen-Bürger bitte in die Wagen der ersten Klasse steigen. Nicht-Schengen-Bürger in die Wagen der zweiten Klasse. Halten sie ihre Personaldokumente bereit. In wenigen Minuten wird der BGS sie kontrollieren. Ende der Durchsage.' |
Auch ausländische Fluglinien wurden unter Androhung von Strafen zwischen 2.000 und 5.000 DM verpflichtet, bei Flügen in die BRD genau zu kontrollieren. Die betroffenen Unternehmen heuerten private Sicherheitsdienste an, die schon bei der Kontrolle vor dem Abflug heimlich die Ausweise kopieren, um dann dem BGS die eigene Unschuld zu beweisen, weil alle Passagiere im Besitz von gültige Reisedokumente waren. Da hilft es dem Flüchtling dann nichts, die Papiere in die Toilette zu werfen und die Identität zu verschleiern, denn der BGS erhält ja eine Kopie.[4]
Der BGS führt auf ausländischen Flughäfen "Trainingsprogramme
für das Abfertigungspersonal der jeweiligen Luftfahrtunternehmen, für
Kontrollbedienstete der zuständigen Polizei- bzw.
Immigrationsbehörden sowie für Konsulatsangehörige durch. (...)
Die BGS-Beamten unterweisen das Personal darin, wie man ge- und
verfälschte sowie mißbräuchlich benutzte
Grenzübertrittspapiere erkennt, illegale Schleusungsaktivitäten und
damit im Zusammenhang stehenden Manipulationsmethoden aufdeckt und
erläutern die Durchführung von geeigneten Kontrollmaßnahmen.
Eine weitere Einsatzmöglichkeit für den BGS besteht darin, die
Kontrolle der Dokumente am Flugzeugeinstieg vorübergehend zu
unterstützen." 1992 arbeitete der BGS auf folgenden Flughäfen
regulär: Moskau, St. Petersburg, Tallin, Riga, Manila, Singapur, Kuala
Lumpur, Neu-Dehli, Istanbul, Lagos - sowie im Rahmen von
Trainingsveranstaltungen zusätzlich in: Tunis, Tiflis, Karachi, Bangkok
und Islamabad.[5] In der Zwischenzeit
dürften eine Menge Flughäfen dazu gekommen sein.
Seit dem Frühjahr 1995 sind mindestens 2 BGS-BeamtInnen in Bali/Italien
als "Verbindungsbeamte zur Informationsgewinnung über den Umfang des
Migrationsdrucks" - so jedenfalls die offizielle Lesart - eingesetzt.Fuhrunternehmen als Erfüllungsgehilfen des BGS
Genauso müssen deutsche BusfahrerInnen und Schiffsunternehmen beim
Fahrscheinverkauf im Ausland kontrollieren. Die Trainingsteams des BGS sind in
ganz Europa unterwegs, um den Transportunternehmen zu erklären, wie
gefälschte Ausweise aussehen, wer verdächtig ist und für welche
Länder eine Visumpflicht besteht. Wer sich weigert mitzuarbeiten, bekommt
ein Bußgeld und riskiert den Entzug der Transporterlaubnis. Zunehmend
schließen die Reedereien gegen blinde Passagiere
Versicherungsverträge ab, damit sie nicht für die hohen
Rückführungskosten aufkommen müssen. Manchmal greifen sie aber
auch zur Selbsthilfe und werfen während der Überfahrt entdeckte
Flüchtlinge einfach über Bord
Außerdem will die BRD ebenfalls die Bahnstationen der angrenzenden Länder verpflichten, das Visum von "fremdländischen" Personen zu kontrollieren. Während die deutschen Unternehmen, wie Lufthansa und Busfirmen, gemäß dem §74 AuslG angehalten sind, zu kontrollieren, gelingt das beim Zugfahrkartenverkauf, der der Hoheit des jeweiligen Landes unterliegt, nur über diplomatischen Druck und bilateralen Vereinbarungen. Zur Zeit laufen entsprechende Verhandlungen mit Schweden und Dänemark.
Guten Tag, sie haben doch sicher einen Tramper mitgenommen. Den werde ich mir mal in aller Ruhe vorknöpfen...' |
Findige AsylbürokratInnen entdecken aber immer wieder, ist der Damm gegen
die Flut erstmal aufgehäuft, ein Schlupfloch im Damm, durch den die
Menschen hereinsickern: so war kürzlich zu lesen, daß
Mitfahrzentralen die neuen Zentralen der illegalen Einreise seien.
Schließlich wird die Mitnahme bei so einer Zentrale oft nur telefonisch
geregelt. Ob zur Fahrprüfung in Zukunft auch ein BGS-Kurs im "Wie erkenne
ich illegale Flüchtlinge an ihrer Visage und ihrem Visa" gehören
wird, bleibt abzuwarten.
BGS-Kontrollen an der West- und Nordgrenze
Dem Grenzschutzpäsidium Nord unterstehen mehr als 7.000 BeamtInnen. Neben
der Kontrolle der Umweltgesetze in Nord- und Ostsee (illegales Ablassen von
Öl) obliegt ihnen die Kontrolle der Umweltgesetze in Deutschland (illegale
Einreise von AusländerInnen über die Grenze zu Dänemark und mit
Schiffen).
Seit Inkrafttreten des Schengener Abkommens im März 1995, dem "Wegfall der Binnengrenzenkontrollen" also, wurde der an der Westgrenze stationierte BGS nicht arbeitslos. Im Gegenteil, Ende 1994 wurde der Einsatz des dortigen BGS "erheblich intensiviert", weil "in erheblichem Umfang illegale, von kriminellen Schleuserorganisationen gelenkte Zuwanderungsbewegungen aus Restjugoslawien über Italien und Frankreich im Gange sind" - so das BMI. Außerdem müsse die Kontrolle an der Grenze zu Frankreich aufrecht erhalten bleiben, da Frankreich die polizeiliche Nacheile (Verfolgung von StraftäterInnen über die Grenze hinweg) anfangs nicht erlaubte.
Neben den ca. 200 festen "Stammbeamten des BGS in zehn sog.
Kontaktdienststellen" befinden sich dort seit dem 31.12.1994 zusätzlich
500 BeamtInnen "im Rahmen eines Sondereinsatzes zur Bekämpfung der
illegalen Zuwanderung mit unterschiedlichen Einsatzschwerpunkten und
Einsatzorten entlang der gesamten Westgrenzen". Diese sollen nach dem Ende der
regulären Grenzkontrollen flexibel, zum Teil anlaßunabhängig
und innerhalb der 30 km-Zone operieren bis es "zu einem Nachlassen der
illegalen Zuwanderung insbesondere über Italien" kommt. "Fortschritte sind
in Sicht" - lobt sich das Bundesinnenministerium selbst - denn "aufgrund des
Drucks der übrigen EU-Mitgliedstaaten, namentlich Deutschlands, hat
Italien angekündigt", die eigene Visumpolitik gegenüber JugoslawInnen
zu verschärfen. "Im Rahmen dieses Sondereinsatzes führte der BGS in
diesem Jahr bis zum 1.Juli 1995 13 Haus- und Wohnungsdurchsuchungen an der
Westgrenze durch, verhaftete 29 mutmaßliche SchleuserInnen und griff 496
Flüchtlinge auf - im Jargon von öffentlichen BMI-Papieren "Treffer"
genannt.
Daneben ist der BGS für die Abwicklung der Rückübernahmen
innerhalb des Schengengebietes verantwortlich. Zwischen April und Juli 1995
führte der BGS 7556 Rückübernahmen von Frankreich/Niederlande an
die BRD und zwischen Januar und Juli '95 728 in die entgegengesetzte Richtung
durch.
Ob der BGS immer noch an der deutsch-niederländischen Grenze den illegalen "Schwangerschaftsabbruchtourismus" zu unterbinden versucht - so wie früher, als erschöpft wirkende Frauen wegen Verdacht auf eine Abtreibung vom BGS in ein Krankenhaus zwangseingeliefert und dort untersucht wurden -, ist unbekannt. Anzunehmen ist aber, daß die noch liberale niederländische Drogenpolitik auch eine Rolle bei der vertragswidrigen Aufrechterhaltung der Grenzkontrollen spielt. So sprach sich der Parlamentarische Staatssektretär des BMI, Eduard Lintner, für "wohldosierte" Instrumentarien "zur Bekämpfung des sich ungeniert entwickelnden Drogenimports an der deutsch-holländischen Grenze" aus und meint damit verdachtsunabhängige Grenzkontrollen durch die Polizei, die "sozusagen ins Landesinnere, z.B. an eine Raststätte" verlegt werden können. Er vertritt mit seiner Forderung dabei die neue, offizielle Regierungslinie, die gesetzlichen Einschränkungen der Kontrollen von Zoll und BGS an den Schengeninnengrenzen durch erweiterte Polizeibefugnisse auszugleichen.[7] Parallel übt die BRD Druck auf die Niederlande aus, die eigene Drogenpolitik zu ändern, und fordert federführend im Schengenverbund andere Länder auf, endlich die Grenzen besser zu kontrollieren. Das BMI rühmt sich in seinen Berichten ganz offen und ungeniert für die Vorreiterolle...