nadir start
 
initiativ periodika Archiv adressbuch kampagnen suche aktuell
Online seit:
Tue Dec 17 21:59:28 1996
 

Die Grenzen - der BGS

Die Feinde des BGS: SchlepperInnen...

aus einer Publikation des BGS
In der Logik der ScharfmacherInnen bezüglich der "Inneren Sicherheit" bergen AusländerInnen ein großes Konflikpotential in sich. So sind sie Anlaß für rassistische Ausschreitungen, verschmutzen mit ihrem Emmision die deutsche Luft (so die Begründung eines Gerichtes zur Ablehnung einer im Bau befindlichen AsylbewerberInnenunterkunft), untergraben die deutsche Moral mit Drogen, klauen Autos, leben von unserer Sozialhilfe und bringen ihre nationale Konflikte mit ins Land (PKK und so). Da mensch nicht alle AusländerInnen des Landes verweisen kann - soll doch der humanistische Schein gewahrt bleiben - und will - denn billige ausländische Arbeitskräfte erwirtschaften den deutschen Reichtum - wird eine Selektionspolitik betrieben. Die guten, integrierten, arbeitswilligen und -fähigen AusländerInnen dürfen bleiben und "echte" politische Flüchtlinge genießen Asylrecht. Wer aber die Grenze nicht an den dazu vorgesehenen Stellen übertritt, also illegal einreist, hat - so die abstruse BGS-Argumentation - etwas zu verbergen. Ist also kriminell, weil entweder DrogenhändlerIn oder Wirtschaftsflüchtling.

"Verbrechensbekämpfung im Inland und Grenzsicherung sind untrennbar miteinander verbunden" - so half Kanther bei der Gründung der Polizeigewerkschaft im BGS den anwesenden BeamtInnen in ihrer schweren Legitimationskrise. Mögen doch bei der Arbeit Fragen darüber aufkommen, ob es sich wirklich bei all den erbärmlichen Gestalten, die mensch täglich aufgreift und die ängstlich um Asyl und etwas zu Essen betteln, um Schwerstverbrecher handelt, ja sogar um ExponentInnen dieser gefürchteten und unfaßbaren "Organisierten Kriminalität". Doch wie hatte der oberste BGS-Chef (Grenzschutzdirektion Koblenz), Markus Hellenthal, gesagt: Bei der Schleuserkriminalität handelt es sich um eine "besonders abstoßende Form des modernen Menschenhandels, der soziale und wirtschaftliche Folgen verursacht, die der Sklaverei vergangener Jahrhunderte ähnelt." Dem konnte der Parlamentarische Staatssekretär im BMI, Eduard Lintner, nur beipflichten: "Die illegale Einwanderung stellt heute eine fundamentale Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aller betroffenen Staaten dar. Sie fördert sowohl die Kriminalität als auch illegale Beschäftigung, polarisiert und ist insgesamt geeignet, das äußere Erscheinungsbild der politischen Stabilität unserer Gesellschaften empfindlich zu stören." Ex-Innemminister Wolfgang Schäuble war dagegen auf der Berliner Konferenz im Oktober 1991 mehr um das bemitleidenswerte Schicksal der von SchlepperInnen um Geld und Menschenwürde betrogenen Verschleppten besorgt: "Nichts ist momentan so dringlich, wie den Schleusergruppierungen das Handwerk zu legen. Die Solidarität mit den Opfern heißt uns unverzüglich einzuschreiten [...] Schlepperbanden sind keine Wohltäter, die Arme und Verfolgte in eine lebenswertere Welt geleiten, sondern moderne Menschenhändler, deren einziges Motiv in der Ausbeutung der Auswanderer liegt, die sie zum Objekt ihrer Bereicherungsgier entwürdigen." Gegen diese Übeltäter hilft nur der Dammbau, denn "Schleuseraktivitäten bewegen sich wie das Wasser, sie suchen sich ihren Weg" (BGS-Ost-Gewerkschaftsleiter Hübner).[1]

Alles klar...

... "Illegale" und Schmuggel

Zwischen dem 1.1.1991 und 20.8.1991 griff der BGS an der Ostgrenze 10.115 Leute auf und schob 8.207 umgehend zurück. 1992: 30.000 Aufgegriffene. 1993 waren es schon 35.000 erwischte "Illegale" im Osten und 54.000 insgesamt. 1994 gingen die Zahlen zurück: 26.000 bzw. 31.000. Bei denen an der Ostgrenze als illegal aufgegriffenen Menschen handelt es sich zu 44,2% um Rumänen, vorallem Roma, 17,8% sind Jugoslawen, 11,3% kommen aus der ehemaligen Sowjetunion und 9,6% aus Bulgarien. Während 1991 nur 3 der Aufgegriffenen im Gefängnis landeten, weil sie per Haftbefehl gesucht wurden, verhaftete der BGS drei Jahre später angeblich 1.800 SchleuserInnen, die an 1.400 aufgedeckten Schleusungen beteiligt waren. Außerdem wurden 1994 1.950 gestohlene Autos bei der Ausfuhr sichergestellt, 42 Mio Zigaretten und 500.000 Liter Kraftstoff beschlagnahmt, sowie 130.000 Menschen an den regulären Grenzübergangsstellen die Einreise verweigert.
BGS-Statistik: Schleusungen von Ausländern: anklicken zum vergrößern...

Eine genauere Untersuchung der angeblich menschenverachteten SchleußerInnenkriminalität ergab aber, daß die meisten "SchleußerInnen" zum Freundes- oder Verwandtenkreis gehören und zum Selbstkostenpreis den ausreisewilligen Personen Papiere beschaffen, Tickets kaufen usw. Medienberichte über zehntausende DM als Prämie für die SchleußerInnen und organisierte Strukturen konnten in den wenigsten Fällen bestätigt werden. Aus der Tatsache heraus, daß Menschen aus politischen, wirtschaftlichen, religiösen und vielen anderen Gründen flüchten wollen oder müssen und sich angesichts der Hindernisse bei der Flucht gegenseitig helfen, wird ein ideologisches Konstrukt, daß illegale Flüchtlinge, möglichst noch gegen ihren Willen und für viel Geld von betrügerischen, weltweit agierenden Schleußerbanden nach Westeuropa verschleppt werden, deren Ziel die Untergrabung der westlichen Demokratie ist. Die Argumentation muß dann für eine weitere Verschärfung der Grenzkontrollen und Abschiebepolitik herhalten. Dies treibt immer mehr Flüchtlinge in die Illegalität und in die Hände von professionell arbeitenden FluchthelferInnen.

Aber auch der Schmuggel geschieht meist von einzelnen, keineswegs irgendwie organisierten Leuten, die für den Privatgebrauch halt mal ein paar unversteuerte Zigaretten und Benzin mitnehmen oder ihr Auto als gestohlen melden und es dann selbst oder von anderen über die Grenze bringen lassen. Das trifft vorallem auf Deutsche zu, für die Steuer- und Versicherungsbetrug, solange es der eigene ist, eine Tugend zu sein scheint, bzw. auf einige der in Deutschland lebenden AusländerInnen, die aufgrund der wirtschaftlichen und sozialen Marginalisierung keine andere Möglichkeit zum Gelderwerb sehen. Und da Banküberfälle etwas inhumanes an sich haben (schließlich muß im Notfall auf deutsche Bankangestellte geschossen werden), schmuggeln sie halt (und beglücken damit gleichzeitig auch die deutschen Bankangestellten mit billigen Waren). Doch selbst die wenigen Fälle von organisierter Grenzkriminalität, wie Drogenschmuggel und Autoverschiebung, gehen zum größten Teil auf das Konto von deutschen Banden - bzw. auf das der deutschen Geheimdienste, deren V-Leute radioaktive Stoffe, Drogen und Waffen über die Grenze schmuggeln, um das dann medienwirksam zu enthüllen: "So gefährlich ist die organisierte Kriminalität, weil die Grenzen zu offen, die Kontrollen zu lasch, der nichteuropäischen Länder zu instabil, unsere Befugnisse nicht ausreichend und die Terroristen skrupellos sind."[2]

Maßnahmen und neue Gesetze gegen die 3 Feinde

Nichtsdestotrotz gründete sich Anfang 1995 eine "gemeinsame Ermittlungsgruppe Schlepper/Schleuser", in der BGS- und LKA-BeamtInnen zusammen die organisierte Grenzkriminalität bekämpfen wollen. Die vereinbarten Aufgabenfelder sind Ermittlungsverfahren gegen SchlepperInnen, das Durchsuchen von Wohnungen, Auffinden von häufig benutzten Routen zur Grenzüberquerung und die Observation.

Mit dem Ende 1994 verabschiedeten Verbrechensbekämpfungsgesetz wurden die entsprechenden Passagen des Asylverfahrensgesetz bedeutend verschärft. Mit bis zu 5 Jahre Haft kann bestraft werden, wer gewerbsmäßig oder "zugunsten von mehr als fünf Ausländern" zur "mißbräuchlichen [Asyl-]Antragstellung" verleitet. Mit diesem §84 AsylVerfG kann willkürlich auch die Beratungstätigkeit für Illegalisierte kriminalisiert werden. Wer die ganze Sache auch noch bandenmäßig betreibt, kann bis zu 10 Jahren hinter Gitter landen. Der §92b des Ausländergesetzes schreibt eine maximale Strafhöhe von 10 Jahren Gefängnis fest für organisierte SchleuserInnen. Menschen, die wissentlich "Illegale" im eigenen Auto über die Grenze nehmen, müssen mit der Beschlagnahmung des Autos und einer Haftstrafe bis zu einem Jahr rechnen. Schon am 22.5.1992 beschloß die Innenministerkonferenz den Aufbau einer Falldatei "Schleuser und Geschleuste", die von der Zentralstelle zur Bekämpfung der illegalen Einreise von Ausländern" bei der Grenzschutzdirektion in Koblenz geführt wird. Die Aufgabe der Zentralstelle ist, die alle "illegalen Schleusertätigkeiten und damit zusammenhängenden Straftaten" zu dokumentieren, auszuwerten und Gegenstrategien zu erarbeiten. Auf die Datei sollen neben den Polizeien auch das Bundesamt (BAFl), Ausländerbehörden, Auslandsvertretungen und Sozialbehörden Zugriff haben.

Mit dem neuen Feindbild "Schleusser/Schlepper" gehen auch andere Gesetzesverschärfungen einher. So soll mit dem neuen Asylbewerberleistungsgesetz das Recht auf Sozialhilfe von AsylbewerberInnen, die sich länger als ein Jahr in der BRD aufhalten bzw. über ein Duldung verfügen, wegfallen, denn "Bargeld landet unweigerlich bei den Schleppern." - so Kanther, der deshalb für Freßpakete plädiert.[3]

Verlagerung der Kontrollen ins Ausland

Die Mauer um Europa ist im Gegensatz zum Eisernen Vorhang Osteuropas kaum sichtbar, da sie weniger auf Beton, Stacheldrahtzäune und Minenstreifen setzt, sondern auf 30 km-Zonen, Abschiebeverträge, Polizeistreifen, Razzien im Inland, Pufferzonen, Aufteilung der Verantwortlichkeiten und die Verlagerung der Kontrollen ins Ausland. Es gilt eben nicht nur die Grenze zu überwinden, sondern erst mal überhaupt zur Grenze zu kommen und nach erfolgten Grenzübertritt nicht aufzufallen. Das Erreichen der Grenzen wird durch BGS-Kontrollen im Ausland und die Gesetze für Beförderungsunternehmen extrem erschwert.

1997, Bahnhof in Moskau:
' Achtung, eine Durchsage. Reisende für den Zug nach Berlin. Schengen-Bürger bitte in die Wagen der ersten Klasse steigen. Nicht-Schengen-Bürger in die Wagen der zweiten Klasse. Halten sie ihre Personaldokumente bereit. In wenigen Minuten wird der BGS sie kontrollieren. Ende der Durchsage.'
Seit 1990 sind die deutschen Beförderungsunternehmen verpflichtet, beim grenzüberschreitenden Verkehr alle Passagiere auf gültige Reisedokumente zu prüfen. Außerdem müssen sie zurückzuschiebende AusländerInnen auf eigene Kosten umgehend ins Herkunftland transportieren und riskieren empfindliche Geldstrafen, wenn ihnen die Mitschuld an einer illegalen Einreise nachgewiesen werden kann. Um die Lufthansa bei der Kontrolle zu unterstützen, hat der BGS eigene BeamtInnen auf diverse ausländische Flughäfen abgeordnet. Dort kontrollieren sie seit 1984 vorallem in Afrika auch in Lufthansa-Uniformen, um nicht aufzufallen. Durch diese Maßnahme ließ sich der Anteil der illegalen Einwanderung über die Luft an der illegalen Gesamteinwanderung von 20% auf 2% senken.

Auch ausländische Fluglinien wurden unter Androhung von Strafen zwischen 2.000 und 5.000 DM verpflichtet, bei Flügen in die BRD genau zu kontrollieren. Die betroffenen Unternehmen heuerten private Sicherheitsdienste an, die schon bei der Kontrolle vor dem Abflug heimlich die Ausweise kopieren, um dann dem BGS die eigene Unschuld zu beweisen, weil alle Passagiere im Besitz von gültige Reisedokumente waren. Da hilft es dem Flüchtling dann nichts, die Papiere in die Toilette zu werfen und die Identität zu verschleiern, denn der BGS erhält ja eine Kopie.[4]

Der BGS führt auf ausländischen Flughäfen "Trainingsprogramme für das Abfertigungspersonal der jeweiligen Luftfahrtunternehmen, für Kontrollbedienstete der zuständigen Polizei- bzw. Immigrationsbehörden sowie für Konsulatsangehörige durch. (...) Die BGS-Beamten unterweisen das Personal darin, wie man ge- und verfälschte sowie mißbräuchlich benutzte Grenzübertrittspapiere erkennt, illegale Schleusungsaktivitäten und damit im Zusammenhang stehenden Manipulationsmethoden aufdeckt und erläutern die Durchführung von geeigneten Kontrollmaßnahmen. Eine weitere Einsatzmöglichkeit für den BGS besteht darin, die Kontrolle der Dokumente am Flugzeugeinstieg vorübergehend zu unterstützen." 1992 arbeitete der BGS auf folgenden Flughäfen regulär: Moskau, St. Petersburg, Tallin, Riga, Manila, Singapur, Kuala Lumpur, Neu-Dehli, Istanbul, Lagos - sowie im Rahmen von Trainingsveranstaltungen zusätzlich in: Tunis, Tiflis, Karachi, Bangkok und Islamabad.[5] In der Zwischenzeit dürften eine Menge Flughäfen dazu gekommen sein.

Seit dem Frühjahr 1995 sind mindestens 2 BGS-BeamtInnen in Bali/Italien als "Verbindungsbeamte zur Informationsgewinnung über den Umfang des Migrationsdrucks" - so jedenfalls die offizielle Lesart - eingesetzt.

Fuhrunternehmen als Erfüllungsgehilfen des BGS

Genauso müssen deutsche BusfahrerInnen und Schiffsunternehmen beim Fahrscheinverkauf im Ausland kontrollieren. Die Trainingsteams des BGS sind in ganz Europa unterwegs, um den Transportunternehmen zu erklären, wie gefälschte Ausweise aussehen, wer verdächtig ist und für welche Länder eine Visumpflicht besteht. Wer sich weigert mitzuarbeiten, bekommt ein Bußgeld und riskiert den Entzug der Transporterlaubnis. Zunehmend schließen die Reedereien gegen blinde Passagiere Versicherungsverträge ab, damit sie nicht für die hohen Rückführungskosten aufkommen müssen. Manchmal greifen sie aber auch zur Selbsthilfe und werfen während der Überfahrt entdeckte Flüchtlinge einfach über Bord

Außerdem will die BRD ebenfalls die Bahnstationen der angrenzenden Länder verpflichten, das Visum von "fremdländischen" Personen zu kontrollieren. Während die deutschen Unternehmen, wie Lufthansa und Busfirmen, gemäß dem §74 AuslG angehalten sind, zu kontrollieren, gelingt das beim Zugfahrkartenverkauf, der der Hoheit des jeweiligen Landes unterliegt, nur über diplomatischen Druck und bilateralen Vereinbarungen. Zur Zeit laufen entsprechende Verhandlungen mit Schweden und Dänemark.

Guten Tag, sie haben doch sicher einen Tramper mitgenommen. Den werde ich mir mal in aller Ruhe vorknöpfen...'
Kanther drohte den dänischen Bus- und Fährgesellschaften bis zu 30.000 DM Bußgelder an, wenn sie ihre Kontrollen nicht verstärken würden. Die Länder der nordeuropäischen Paßunion, zu denen auch Dänemark gehört, haben alle Grenzkontrollen untereinander de facto abgeschafft. Nun soll wegen der Schengener Außengrenzen auf den dänischen Fähren nach dem Aussehen vorsortiert werden. Die BRD schlug vor, Autospuren für Menschen mit "nordischem und deutschem Aussehen" und für "Fremdländische" einzurichten.
Im Artikel 26 des Schengener Übereinkommen, welcher empfindliche Strafen für Transportunternehmen bei Ermöglichung der illegalen Einreise vorsieht, ist zwar ein Vorbehalt entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention eingefügt, der sicherstellen soll, daß politisch Verfolgte ohne Visum transportiert werden. Diese Gesetzesklausel erwies sich aber als bedeutungslos, denn wie soll eine Flughafenangestellte oder ein Busfahrer erkennen, ob die vorgetragene politische Verfolgung eines Flüchtling unter die Kriterien der Genfer Konvention fällt oder nicht - wenn es überhaupt soweit kommen sollte, daß sich beim Kartenverkauf jemand auf die ausführliche Erklärungen eines Flüchtlings einläßt. Aus Angst vor eventuellen Strafen wird generell gegen die Mitnahme entschieden.[6]

Findige AsylbürokratInnen entdecken aber immer wieder, ist der Damm gegen die Flut erstmal aufgehäuft, ein Schlupfloch im Damm, durch den die Menschen hereinsickern: so war kürzlich zu lesen, daß Mitfahrzentralen die neuen Zentralen der illegalen Einreise seien. Schließlich wird die Mitnahme bei so einer Zentrale oft nur telefonisch geregelt. Ob zur Fahrprüfung in Zukunft auch ein BGS-Kurs im "Wie erkenne ich illegale Flüchtlinge an ihrer Visage und ihrem Visa" gehören wird, bleibt abzuwarten.

BGS-Kontrollen an der West- und Nordgrenze

Dem Grenzschutzpäsidium Nord unterstehen mehr als 7.000 BeamtInnen. Neben der Kontrolle der Umweltgesetze in Nord- und Ostsee (illegales Ablassen von Öl) obliegt ihnen die Kontrolle der Umweltgesetze in Deutschland (illegale Einreise von AusländerInnen über die Grenze zu Dänemark und mit Schiffen).

Seit Inkrafttreten des Schengener Abkommens im März 1995, dem "Wegfall der Binnengrenzenkontrollen" also, wurde der an der Westgrenze stationierte BGS nicht arbeitslos. Im Gegenteil, Ende 1994 wurde der Einsatz des dortigen BGS "erheblich intensiviert", weil "in erheblichem Umfang illegale, von kriminellen Schleuserorganisationen gelenkte Zuwanderungsbewegungen aus Restjugoslawien über Italien und Frankreich im Gange sind" - so das BMI. Außerdem müsse die Kontrolle an der Grenze zu Frankreich aufrecht erhalten bleiben, da Frankreich die polizeiliche Nacheile (Verfolgung von StraftäterInnen über die Grenze hinweg) anfangs nicht erlaubte.

Neben den ca. 200 festen "Stammbeamten des BGS in zehn sog. Kontaktdienststellen" befinden sich dort seit dem 31.12.1994 zusätzlich 500 BeamtInnen "im Rahmen eines Sondereinsatzes zur Bekämpfung der illegalen Zuwanderung mit unterschiedlichen Einsatzschwerpunkten und Einsatzorten entlang der gesamten Westgrenzen". Diese sollen nach dem Ende der regulären Grenzkontrollen flexibel, zum Teil anlaßunabhängig und innerhalb der 30 km-Zone operieren bis es "zu einem Nachlassen der illegalen Zuwanderung insbesondere über Italien" kommt. "Fortschritte sind in Sicht" - lobt sich das Bundesinnenministerium selbst - denn "aufgrund des Drucks der übrigen EU-Mitgliedstaaten, namentlich Deutschlands, hat Italien angekündigt", die eigene Visumpolitik gegenüber JugoslawInnen zu verschärfen. "Im Rahmen dieses Sondereinsatzes führte der BGS in diesem Jahr bis zum 1.Juli 1995 13 Haus- und Wohnungsdurchsuchungen an der Westgrenze durch, verhaftete 29 mutmaßliche SchleuserInnen und griff 496 Flüchtlinge auf - im Jargon von öffentlichen BMI-Papieren "Treffer" genannt.
Daneben ist der BGS für die Abwicklung der Rückübernahmen innerhalb des Schengengebietes verantwortlich. Zwischen April und Juli 1995 führte der BGS 7556 Rückübernahmen von Frankreich/Niederlande an die BRD und zwischen Januar und Juli '95 728 in die entgegengesetzte Richtung durch.

Ob der BGS immer noch an der deutsch-niederländischen Grenze den illegalen "Schwangerschaftsabbruchtourismus" zu unterbinden versucht - so wie früher, als erschöpft wirkende Frauen wegen Verdacht auf eine Abtreibung vom BGS in ein Krankenhaus zwangseingeliefert und dort untersucht wurden -, ist unbekannt. Anzunehmen ist aber, daß die noch liberale niederländische Drogenpolitik auch eine Rolle bei der vertragswidrigen Aufrechterhaltung der Grenzkontrollen spielt. So sprach sich der Parlamentarische Staatssektretär des BMI, Eduard Lintner, für "wohldosierte" Instrumentarien "zur Bekämpfung des sich ungeniert entwickelnden Drogenimports an der deutsch-holländischen Grenze" aus und meint damit verdachtsunabhängige Grenzkontrollen durch die Polizei, die "sozusagen ins Landesinnere, z.B. an eine Raststätte" verlegt werden können. Er vertritt mit seiner Forderung dabei die neue, offizielle Regierungslinie, die gesetzlichen Einschränkungen der Kontrollen von Zoll und BGS an den Schengeninnengrenzen durch erweiterte Polizeibefugnisse auszugleichen.[7] Parallel übt die BRD Druck auf die Niederlande aus, die eigene Drogenpolitik zu ändern, und fordert federführend im Schengenverbund andere Länder auf, endlich die Grenzen besser zu kontrollieren. Das BMI rühmt sich in seinen Berichten ganz offen und ungeniert für die Vorreiterolle...

weiter


Fußnote:

1Die Welt vom 4.5.1994 und 1.3.1994; Abschreckung, S. 85; Festung, S. 193; Blätter für dt. und internat. Politik 12/93
2Die Welt vom 6.4.1994; SZ vom 30.8.1995; Anfrage 12/1095; LVZ vom 29.11.1994 und 15.9.1995; jw vom 3.4.1995
3jw vom 9.2.1995 und 30.8.1995; ZAG, Nr. 15, S. 36; Die Welt 11.12.1993; SZ vom 1.9.1995
4jw vom 24.6.1994 und 9.11.1994; Festung, S. 16
5Die Welt vom 6.5.1994
6jw vom 2.3.1995 und 3.3.1995; Abschreckung, S. 70; off limits, Nr. 4 S.43
7SZ vom 28.3.1995 und 8.4.1995; jw vom 22.6.1995; Festung, S. 18; Anfrage, Nr. 13/1940; LVZ vom 20.9.95; BMI, Sept. 95