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Tue Dec 17 21:59:28 1996
 


BGS an der Ostgrenze - eine starke Truppe

Schon vor der Widervereinigung zwang die BRD die DDR mit dem Staatsvertrag vom 18.5.1990, die westdeutsche Visum- und Grenzpolitik zu übernehmen. Nicht verwunderlich, daß schon im August 1990 60 BGS-BeamtInnen, offiziell als BeraterInnen, an der DDR-Grenze zur CSFR und zu Polen stationiert wurden. Nach dem 3.10.1990 schnellt diese Zahl in die Höhe: bis Juni 1991 sind 700 BeamtInnen an der polnischen Grenze, im Juli 1991 800. Im August genehmigt das Innenministerium 500 zusätzliche Stellen für die deutsch-polnische und 300 für die deutsch-tschechoslowakische Grenze. Die BeamtInnen werden im rotierendem Verfahren für jeweils einige Wochen als ganze Grenzschutzverbände von anderen BGS-Einheiten, vorallem aus dem Westen abgezogen.

In den folgenden Jahren
entwickelt sich die Stärke
der an der Ostgrenze stationierten
BeamtInnen wie folgt:
1990:    60
1991: 1.000
1992: 1.600
1993: 3.300 
1994: 4.800
1995: 5.300
1996: 5.800
Kanther kündigte an, daß die Zahl der BGS-BeamtInnen an der Ostgrenze schon recht bald um 500 erhöht wird. Dazu kommen noch ca. 1.300 "Grenzpolizeiliche Unterstützungskräfte" und 2000 ZollbeamtInnen an der Ostgrenze (1995). An der bayerischen-tschechischen Grenze sind 680 BeamtInnen der eigenen Grenzpolizei im Einsatz. Der sächsischen SPD scheinen diese Zahlen jedoch nicht genug zu sein und deshalb beantragte die Fraktion im Landtag am 30.3.1994, daß sich das sächsische Innenministerium um weitere 5.000 (!) BGS-BeamtInnen bemühen solle. Der damalige Innenminster, Eggert (CDU), lehnte jedoch ab.

Das Grenzschutzamt Pirna ist für die BGS-Einheiten an der tschechischen Grenze zuständig, das GSA Frankfurt/Oder für die Grenze zu Polen. Alle GSA im Osten unterstehen dem Grenzschutzpräsidium Ost mit Sitz in Berlin. Aufgrund der strengeren Visumpflicht der tschechischen Republik, kommen in letzter Zeit viele Flüchtlinge über die polnische Grenze, insbesondere über die relativ leicht zu passierende Neiße. Deshalb sind vergleichsweise viele BGS-BeamtInnen, nämlich 800 der 2.200, die dem GSA Frankfurt/Oder unterstehenläßt, an dem kurzen Neiße-Stück zwischen Zittau und Bad Muskau eingesetzt. Die an der bayerisch-tschechischen Grenze stationierten BeamtInnen unterstehen dem GSP-Süd mit Sitz in München.

Während am Anfang die zwangsversetzen BeamtInnen aus dem Westen ungefähr das fünfache ihre OstkollegInnen verdienten (5000 DM zu 1000 DM), dürfte jetzt nur noch "Trennungsgeld, Fahrtkostenzuschüsse, Umzugskostenvergütung" (für diesen Posten sind 1995 20 Mio DM 1995 mehr vernanschlagt als 1994) das Einkommensgefälle darstellen. So erhalten BeamtInnen, die nicht heimatnah eingesetzt werden monatlich zusätzliche 700 DM Trennungsgeld.[10]


Zum GSP Ost gehören:

  • GSA Berlin (Flughafen Tegel, Tempelhof, Schönefeld)
  • Bahnpolizeiamt Berlin (8 Wachen, 10 Posten)
  • GSA Frankfurt/Oder (21 Grenzschutzstellen überwachen 25 Grenzübergänge und die Grenze zu Polen)
  • GSA Pirna (18 Grenzschutzstellen, 19 Grenzübergänge, Grenze Sachsen/Tschechische Republik)
  • Grenzschutzabteilung 1 Neustrelitz (2 Einsatzhundertschaften, 1 Ausbildungsh., 1 Spezialh.)
  • Grenzschutzabteilung 2 Ahrensfelde bei Berlin (3 Einsatzh., 1 Spezialh.)
  • Grenzschutzabteilung 3 Bad Düben (wie Neustrelitz)
  • Grenzschutzabteilung 4 Braunschweig (wie Neustrelitz)
  • Grenzschutzausbildungsabteilung Bodenteich (3 Ausbildungsh.)
  • Schule des GSP in Walsrode (4 Fachbereiche)
  • Grenzschutzfliegerstaffel Berlin Tempelhof (10 Hubschrauber)
aus:
Bundesgrenzschutz: Grenzschutzpräsidium Ost, Stand: August 1993)

(Technische) Ausrüstung

Der BGS setzt zum Aufspüren der Flüchtlinge modernstes technisches Gerät ein. Wärmebildkameras, Infrarot-, Nachtsicht- und Radargeräte gehören zur Standardausrüstung. Der BGS verfügt über Hubschrauber (1993: 73 in der ganzen BRD) und Schnellboote. Außerdem sind schätzungsweise 300 Hunde allein an der Grenze einsatzbereit. Die Schnellboote, mindestens 12 unterstehen dem BGS, ungefähr die gleiche Anzahl dem Zoll, sind den Bedingungen in der Oder und Neiße ideal angepaßt: bei nur 50 cm Tiefgang huschen sie beinahe lautlos mit 50 km/h über das Wasser. 1993 verfügte der BGS über 7 seeflugtaugliche Hubschrauber. Daß dies dem BGS nicht ausreicht, zeigen die Forderungen des BGS nach mehr und besserer Ausrüstung, aber auch die Anmeldung von hochrangigen BGS-BeamtInnen zur umstrittenen Rüstungsmesse COPEX '95.

BGSler am Nachtsichtgerät
Während die Radargeräte frührer der NVA gehörten, kamen die Wärmebildgeräte von der Bundeswehr. 1993 erprobte der BGS die Armeegeräte, die normalerweise auf dem Kampfpanzer Leopard zur Zielidentifikation installiert sind. Damals verstärkten 465 Bundeswehrsoldaten die Grenzsicherung, die vorallem zur Bedienung der 66 ausgeliehenen Geräte abkommandiert wurden. Die Soldaten, die nur im Notstandsfall im Innern eingesetzt werden dürfen, befänden sich größtenteils im (bezahlten) Urlaub und es wäre sozusagen ihr Hobby, in BGS-Uniformen an der Grenze zu agieren... ja, und die anderen, wären halt im Zuge der Amtshilfe als "Individuen" an die Grenze abbestellt - so die damaligen Ausreden des Bundesinnenministeriums. Da sich jedoch die Nachtsichtgeräte der Bundeswehr für die Rund-um-die-Uhr Bewachung als nicht so brauchbar erwiesen, gab das Bundesinnenminsterium für 26 Mio DM 105 Geräte bei Carl Zeiss in Oberkochen in Auftrag. Die Geräte werden alle mobil montiert, d.h. in Autos, Hubschraubern oder Booten. Gesamtkosten: 300 Mio DM. Mit ihrer Reichweite von ca. 3 km läßt sich die gesamte Grenze fast flächendeckend bewachen. Schon 1994, wo erst ungefähr die Hälfte der geplanten 105 Geräte im Einsatz war, ermöglichten sie 1/4 aller "Aufgriffe". Im Juli 1995 waren 24 Wärmesichtgeräte an der deutsch-polnischen Grenze, 42 an der deutsch-tschechischen Grenze und 5 in Hubschraubern installiert. Zusätzlich benutzt der BGS nach offiziellen Angaben an der Grenze zu Polen 62 Nachsichtgeräte und an der Grenze zur Tschechischen Republik 98. 34 vom BGS an der Ostgrenze verwendeten mobilen Infrarotgeräte stammen ebenfalls von der Bundeswehr.[11]

Bundeswehr an der Grenze

'Hallo, Innenminister, wir wollen noch einen. Wir spielen Jäger und Beute. Wir sind die Raubvögel, die Illegalen sind die Kaninchen. Außerdem brauchen wir noch ein paar Wärmebildgeräte. Damit wir auch in der Nacht was fangen können. Es ist doch bald Weihnachten...'
Die 465 Soldaten, die das BMI 1993 mit der gebotenen Vorsicht an die Grenze abkommandierte, waren nur die praktische Umsetzung einer 1992 losgetretenen Diskussion, die Bundeswehr zur Grenzsicherung einzusetzen. So gab es Ende 1992 Pläne, Soldaten beim BGS im Innendienst und bei der Logistik einzusetzen, um mehr BGS-BeamtInnen für die direkten Grenzsicherungsaufgaben freizusetzen. Im Dezember 1993 dann regte der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Schäuble, an, das Grundgesetz zu ändern, um die Befugnisse der Armee bei "größeren Sicherheitsbedrohungen im Inneren" auszuweiten. Er sprach sich für die Aufhebung der strikten Trennung zwischen Polizei und Armee aus, da die "Grenzen zwischen Innerer und Äußerer Sicherheit jedenfalls nicht mehr so eindeutig zu definieren" seien. Als Beispiele für mögliche Einsätze der Bundeswehr nannte Schäuble die weltweiten Wanderungsbewegungen sowie den internationalen Terrorismus und verwies auf eine Äußerung des polnischen Staatschefs Lech Walesa, alle durchzulassen, die durchwollen. Während Schäuble sich in Prosa übte: "Man muß ein Haus wetterfest machen, in der Hoffnung, daß das schlechte Wetter nicht kommt", sprach der stellvertretende Vorsitzender der Fraktion, Johannes Gerster, Klartext: Soldaten müssen an die Grenze, um die illegale Einwanderung zu verhindern. In anderen Ländern wäre das ja auch möglich - pflichteten verschiedene CDU-PolitikerInnen bei. Dieser Vorstoß korrespondierte mit Plänen des Innenministeriums, personelle Engpässe beim BGS mit Hilfe von Soldaten auszugleichen.

Daß es zu keiner dauerhaften Umsetzung dieser Forderungen kam, lag an der damals heftigen Kritik der FDP und der Oppositionsparteien, sowie an dem Widerspruch des BGS, der um seinen Einfluß fürchtete.

Auch auf anderen Gebieten testeten CDU-PolitkerInnen die öffentliche Meinung bezüglich einer BGS-Bundeswehr Zusammenarbeit. So forderten einige den Einsatz der Bundeswehr als Unterstützungs- und Lufttransportgruppe des BGS zur Niederschlagung von KurdInnenprotesten 1994, andere spekulierten über die Ableistung der Wehrpflicht beim BGS - eine Möglichkeit, die 1973 abgeschafft wurde.[12]

Polizeiliche Unterstützungskräfte

Nachdem die Pläne, die Bundeswehr an der Ostgrenze gegen die MigrantInnen"fluten" einzusetzen, gefallen lassen wurden, schien der arme BGS ganz auf sich alleine gestellt. Um nicht völlig in Arbeit und den "Fluten" zu ertrinken, schaltete er - sozusagen als letzten Hilfeschrei - Anfang 1993 in Lokalblättern der Grenzregion folgende Anzeige bzw ließ sie in den Dörfern plakatieren: "Wir vom BGS. Polizei des Bundes sucht zur sofortigen Einstellung einsatzfreudige, pflichtbewußte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für Tätigkeiten im Bereich grenzpolizeilicher Aufgaben (Innen- und Außendienst) an der Grenze zu Polen [...]". Viel Menschen meldeten sich auf die Anzeige. Fast alle BewerberInnen waren arbeitslos, sahen keine Chance je wieder eine Arbeit in dieser Region zu bekommen und freuten sich endlich beim Dammbau gegen den "Zustrom", der teilweise die eigenen Kleingärten schon "überflutet" hatte, tatkräftig mithelfen zu können. Alle BewerberInnen wurden zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Aufgrund von über 5.000 Leuten und nur 1.700 vorhandenen Stellen konnte großzügig ausgesucht werden. Einzige vorgeschriebene Kriterien waren ein 10-Jahres Schulabschluß, keine Stasi-Mitarbeit, keine Vorstrafen und ein Alter unter 40 Jahren.

Hauptkommisar Heckemüller vom Grenzschutzamt Frankfurt/Oder war "überrascht vom hervorragenden Persönlichkeitsbild der Bewerber, von der inneren Einstellung und der Einstellung zum Dienst, eben die gesamte Einstellung, sich zu engagieren." Besonders die "DDR-Frauen sind sehr geeignet. Die meisten kennen den Schichtdienst. Die Damen sind gerne bereit, auch operativ eingesetzt zu werden." Kein Wunder, daß dann auch zu 50% Frauen angestellt wurden. Die heimatnahe Verwendung ermögliche den Frauen - so seine weiteren Ausführungen - mit dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen. Außerdem würden die Leute aus der Gegend sehr genau die Probleme kennen, die sie jetzt zu lösen hätten. "Die kennen Schleichwege, die wir nir gefunden hätten" - so ein Beamter.

Mitte März '93 wurden die ersten angestellt. Sie müssen nur eine 10-wöchige Schnellschulung absolvieren: 6 Wochen Theorie und 4 Wochen Praxis. Für den Schichtdienst bekommen die Hilfskräfte zwischen 1.400 und 1.800 DM netto. Das kostet den BGS 50,5 Mio DM jährlich. Die Anstellung ist auf 3 Jahre befristet, läuft also Anfang 1996 aus. Einige hunderte wurden nach einer richtigen Ausbildung vom BGS übernommen, was mit den anderen passiert ist z. Zt unklar. Es ist aber davon auszugehen, daß fast alle entlassen werden, da der Personalmangel bis Ende 1996 abgebaut sein wird. Auf der anderen Seite wird sich 1996 zeigen, ob aus Kostengründen der Trend zum Einsatz von billigen Hilfskräften auch beim BGS Einzug hält. Außerdem will der BGS in Zukunft mehr Menschen aus der Umgebung einstellen, da sie sich besser auskennen und stärker motiviert sind als die Wessis.

Die skandalumwitterte, da mit Strafttätern, Sexualverbrechern und FAP-Kadern durchsetzte Berliner Freiwillige Polizeireserve (FPR) ist ein gutes Beispiel für Kosteneinsparung im Polizeibereich. Die 2.400 Mitglieder der FPR wurden mit einem Stundenlohn von 8 DM abgespeißt, taten ihren Job deshalb kaum wegen dem Geld, sondern aufgrund ihrer Gewaltbereitschaft, Ideologie oder Waffenfetischismus.

In Bayern läuft z.Zt ein offizieller Modellversuch mit Sicherheitswachten. Begründung: steigende Kriminalität durch Öffnung der Grenzen im Osten. Die Hobby-PolizistInnen patroullieren für 12 DM die Stunde durch 11 Städte, ausgerüstet zwar nicht mit Waffen aber mit vielen Befugnissen, wie zur Festnahme und Personalienfeststellung.

Die Hilfskräfte sollen "nur zur Unterstützung der Beamten bei der mobilen Bestreifung und Überwachung der grünen Grenze im Schicht- und Wechseldienst bei einer Grenzschutzstelle, insbesondere bei Einsatzmaßnahmen der Polizeibeamten der mobilen Überwachungstrupps, beim Aufgreifen und der daraus resultierenden Folgetätigkeiten eingesetzt werden" - so hieß es vorab. Sie dürfen keine "hoheitlichen Aufgaben" ausführen. Deshalb sind die GUK's (Grenzpolizeiliche Unterstützungskräfte) bei operativen Einsätzen im Allgemeinen "nur" mit Reizgas und Schlagstock ausgerüstet, Schußwaffen dagegen dürfen sie nicht tragen und einsetzen.

Da sich Fluchtbadewannen nicht so gut wie Fluchttrabis im Museum für Deutsche Geschichte ausstellen lassen, ist es dem GUK (1. v.l.) freigestellt, seine Wohnung damit auszustatten. Aufgrund dieser vielfältigen Nebenverdienstmöglichkeiten erklärt sich auch, warum der Grundlohn so niedrig bemessen wurde.
Von den 1600 Personen, die 1993 angestellt waren, unterstanden 1300 den Grenzschutzämtern (GSA) Frankfurt/Oder und Pirna, 72 dem GSA Rostock (Sicherung der Seegrenze) und 225 dem GSA Schwandorf/Bayern. Insgesamt 1.400 arbeiten im operativen Bereich, d.h. im Außenddienst. Sie unterstützen die Mobilen Überwachungstrupps (Suche nach illegalen Flüchtlingen), die Mobilen Fahndungstrupps (Suche nach Schleppern und Schmugglern), die Schubtrupps (für den Transport und Abschiebung zuständig) und die Grenzkontrollen. Die restlichen InnendienstmitarbeiterInnen erledigen vorallem die Schreibarbeit, führen die ED-Behandlung durch und geben die Ergebnisse in den Computer, in die AFIS-Datei (Automatisches Fingerabdruck Indentifizierungs System) ein.

Für alle operativen Einsätze wurde vom Bundesinnenministerium ein Verhältnis von 3 BeamtInnen auf eineN Unterstützungskraft vorgeschrieben. In der Praxis - so die Gewerkschaft der Polizei - sieht es eher umgekehrt aus: bei den Mobilen Überwachungstrupps begleitet meist eine Beamtin/ein Beamter zwei GUK's.

Bundesweit löste die Institutionalisierung von Bürgerwehren und die Aufgabe des staatlichen Gewaltmonopols zugunsten ungelernter und ideologisch zweifelhafter Hilskräfte viel Kritik aus. Dagegen begrüßten lokale PolitikerInnen größtenteils die Idee. Symptomatisch die Reaktion des Ordnungsamtsleiters von Seifhennersdorf. Er zeigte sich besorgt um "die Sicherheit der Leute", wohlgemerkt nicht die der Flüchtlinge, sondern die Sicherheit der GUK's, denn "die Schlepperbanden werden doch immer aggressiver."[13]

Mitarbeit der Bevölkerung

Einige derjenigen, die nicht auf Kosten der Polizei Flüchtlinge aufspüren und fangen dürfen, haben ein Hobby draus gemacht und arbeiten auf eigene Kosten mit der Polizei zusammen. Während die Bürgerwehren, die in einigen Dörfern gezielt Jagd auf Flüchtlinge mach(t)en, von staatlicher Seite lediglich geduldet werden/wurden, fördern der BGS und seine vorgesetzten Dienststellen gezielt die individuelle Denunziation von Flüchtlingen bei der Polizei.

So erklärte Sachsens Innenminister schon 1993: "Wachsamkeit der Bürger [...] ist sehr willkommen. [...] Das wirkt nicht nur abschreckend auf potentielle Täter, das steigert auch die Effizienz der Polizei, wenn es bei den Menschen zur guten Gewohnheit wird, verdächtige Beobachtungen schnell mitzuteilen."

Schon zu DDR-Zeiten wurden BewohnerInnen an der Oder/Neiße-Grenze bevorzugt mit Telefonen ausgestattet, damit sie verdächtige Bewegungen der Stasi oder Polizei melden konnten. Diese Praxis setzte sich nach der Wende fort. Die Telekom verteilte im Auftrag des damaligen Bundesinnenmininsters Seiters verbilligte Funktelefone an GrenzbewohnerInnen, z.B. in Seifhennersdorf z.B. 44 Stück. Der BGS richtete extra "Bürger-Telefon-Nummern" ein, die flächendeckend auf Flugblättern verteilt wurden - mit der Aufforderung, dem BGS bei seiner Arbeit zu helfen. Vor einigen Jahren haben vereinzelt Menschen, die in der Grenzregion leben, Flüchtlingen geholfen, wie z.B. ihnen Geld gegeben, kurzzeitigen Unterschlupf gewährt oder sie aus der 30-km Gefahrenzone heraustransportiert. Das kommt aber aufgrund der BGS-Kampagnen, des fremdenfeindlichen Klimas, den harten Bestrafungsmöglichkeiten und der gestiegenen Kriminalität kaum mehr vor. Mittlerweile haben sich fast alle scharfe Hunde zugelegt, die am Tag und der Nacht bei der kleinsten Auffälligkeit wie verrückt anschlagen. Keine Chance also, in der Nähe eines Dorfes über die Grenze zu kommen: die Hunde wecken jede/n im Umkreis von mehreren Kilometern - und irgendjemand wird sich dann schon aufraffen, zum Telefon schlürfen und die Nummer wählen, die der BGS damals als Flugblatt verteilt hat, welches nun seinen Ehrenplatz an der Wand über dem Telefon hat.

Der Leiter der BGS-Dienststelle in Ebersbach erläutert die enge Zusammenarbeit: "Wir leben von den Anrufen der Bevölkerung. Sobald hier in den Dörfern ein Fremder auftaucht, besteht erst mal der Verdacht, daß er nicht hierhergehört. Also, wenn da einer mit 'ner Hautfarbe rumläuft, dann werden die Bürger schon argwöhnisch [...]" oder, wenn - so weiß auch der Pressesprecher des GSA Frankfurt/Oder, Klaus Müller, zu berichten - "an der Bushaltestelle plötzlich eine Gruppe Inder steht, ruft uns eben jemand an und sagt Bescheid. Auf dem Dorf kennt man sich, und man sieht dann ja, daß die nicht dahin gehören."[14]

Nicht dazu gehören eben alle, die anders aussehen, sprechen, sich benehmen. Kein Wunder, daß AsylbewerberInnen und TouristInnen an der Grenze vor nichts sicher sind und des öfteren Opfer der guten bevölkerungspolizeilichen Zusammenarbeit werden.

1992 sollen sogar SozialarbeiterInnen in dem Flüchtlingsheim von Görlitz Buch geführt haben, wer von den AsylbewerberInnen über die Grenze geht, und diese Informationen an den BGS weitergeleitet. Außerdem wurden die Bahnhofsangestellten in der 30 km-Zone vom BGS angehalten, verdächtige Reisende umgehend zu melden.

Kontrollpraxis an der Grenze

Bei der Suche nach Flüchtlingen gibt es mehrere Möglichkeiten für den BGS:

Abb.7. RICHTIG
Einer beobachtet, zwei sichern die Gegend. Das Fahrzeug steht bereit

Abb.11. FALSCH
Dem Beamten fehlt die Rückendeckung. Beim Kontrollieren einer so großen Gruppe sollten weitere Beamte hinzugezogen werden. Aufgegriffene nutzen immer ihre Chance und sind zum Teil sehr gefährlich
Da der BGS sich nicht gerne in die Karten gucken läßt, ist kaum zu sagen, welche Methode wie intensiv angewandt wird. 1/4 aller Aufgriffe an der Ostgrenze soll durch die Wärmebildgeräte zustande kommen. Der BGS lobt die eifrige Hilfe der anrufenden BürgerInnen - inwieweit dies aber mehr dem Wunschdenken entspricht oder wirklich entscheidenden Einfluß auf die Aufgriffszahlen hat, ist unbekannt. Laut Zeitungsberichten drücken die GrenzschützerInnen auf der anderen Seite ab und zu mal ein Auge zu und die deutschen GrenzbewohnerInnen beschweren sich darüber, daß der BGS nur in der 30 km-Zone rumfährt, aber nicht die Grenze selbst überwacht. Jeden Monat werden ca. 10.000 Personen an den Schengenaußengrenzen bei den regulären Grenzkontrollen zurückgewiesen werden, davon aber nur etwa 15 Menschen aufgrund ausländischer Notierungen im SIS. Seit März 1995 sind die Zurückweisungen dank SIS angeblich um 30% gestiegen sind - was sich bei genauerem Nachfragen des Bundestagsabgeordneten Manfred Such als ein Spitzenwert während einer 14-tägigen Erhebung in Frankfurt/Oder herausstellte. Aufgrund der Berichte des Bundesinnenministeriums ist davon auszugehen, daß SIS bislang keine signifikanten Auswirkungen auf die "Erfolge" des BGS an der Ostgrenze hat, da der Anteil ausländischer Notierungen in allen Bereichen (Personen- und Sachfahndung, Ausweisungen, Einreiseverweigerung usw.) als verschwindend gering im Vergleich zu den Gesamtzahlen zu bezeichnen ist. Ansonsten ist uns jedoch nichts genaueres bekannt, welchen Stellenwert die einzelnen Kontrollmöglichkeiten für den BGS haben.

Weitere Bilder:
Übersicht: illegale Einreise von Auslandern 'Grüne Grenze'
KfZ- Kriminalität Grenze PL/CS

Illegale Grenzübertritte durch den BGS

Neben den Rücknahmeverträgen, die die osteuropäischen Länder zu Erfüllungsgehilfen der Festung Europa degradieren und die Wohlstandsgrenze ohne den Wohlstand immer weiter gen Osten schieben, bemüht sich der BGS eigenmächtig um eine genaue Kontrolle der deutschen Grenzen nicht nur von innen, sondern auch von außen. So fuhr der BGS schon 1991 gemeinsam mit seinen polnischen KollegInnen auf Streife - auf polnischer Seite. Sie hatten zwar keine eigenen Vollzugsbefugnisse (wie Festnahme von Personen), konnten aber den BGS am anderen Ufer die Ankunft von Leuten per Funk ankündigen und den polnischen BeamtInnen die Leute benennen, die schon mehrmals aufgegriffen wurden bzw. als SchlepperInnen verdächtigt. Die Bundesregierung dementierte Presseberichte, nach denen BGS-Hubschrauber zur Aufklärung über polnischen Gebiet fliegen. Der BGS versucht aus der Luft, größere Menschengruppen zu orten, die sich im oder zum Grenzbereich hin bewegen.

1993 enthüllte das ARD-Magazin "Fakt", daß der BGS mehrmals illegal auf tschechischem Gebiet operierte, um gegen die "Grenzkriminalität" zu ermitteln. Bis tief ins Land hinein wendete der BGS dabei ohne Zustimmung tschechischer Behörden nachrichtendientsliche Mittel an. Bekannt wurde diese Praxis u.a. dadurch, daß die BGS-Beamten nach getaner Arbeit auf tschechischer Seite die Prostituierten vor Ort "grenzkriminell" benutzten und den Grund ihrer Anwesenheit ausplauderten.[15]

Deutsche ZollfahnderInnen verfolgten im Frühjahr 1994 bei Forst zwei polnische BürgerInnen von deutschem auf polnisches Gebiet und mißhandelten sie dort schwer. Die Zivilfahndung folgte den nach Polen Flüchtenden, die dachten, von einer kriminellen Bande verfolgt zu werden, da sie keine Uniformen oder Dienstwagen sahen, dafür sehr unpolizeilich mit Steinen beworfen und aus Gaspistolen beschossen wurden. Polnische GrenzerInnen machten dem wilden Treiben der deutschen ZöllnerInnen auf polnischem Boden - wofür es keinerlei Rechtsgrundlage gibt - ein Ende, in dem sie sie verhafteten.[16]

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Fußnoten: