In den folgenden Jahren entwickelt sich die Stärke der an der Ostgrenze stationierten BeamtInnen wie folgt: 1990: 60 1991: 1.000 1992: 1.600 1993: 3.300 1994: 4.800 1995: 5.300 1996: 5.800 |
Das Grenzschutzamt Pirna ist für die BGS-Einheiten an der tschechischen Grenze zuständig, das GSA Frankfurt/Oder für die Grenze zu Polen. Alle GSA im Osten unterstehen dem Grenzschutzpräsidium Ost mit Sitz in Berlin. Aufgrund der strengeren Visumpflicht der tschechischen Republik, kommen in letzter Zeit viele Flüchtlinge über die polnische Grenze, insbesondere über die relativ leicht zu passierende Neiße. Deshalb sind vergleichsweise viele BGS-BeamtInnen, nämlich 800 der 2.200, die dem GSA Frankfurt/Oder unterstehenläßt, an dem kurzen Neiße-Stück zwischen Zittau und Bad Muskau eingesetzt. Die an der bayerisch-tschechischen Grenze stationierten BeamtInnen unterstehen dem GSP-Süd mit Sitz in München.
Während am Anfang die zwangsversetzen BeamtInnen aus dem Westen ungefähr das fünfache ihre OstkollegInnen verdienten (5000 DM zu 1000 DM), dürfte jetzt nur noch "Trennungsgeld, Fahrtkostenzuschüsse, Umzugskostenvergütung" (für diesen Posten sind 1995 20 Mio DM 1995 mehr vernanschlagt als 1994) das Einkommensgefälle darstellen. So erhalten BeamtInnen, die nicht heimatnah eingesetzt werden monatlich zusätzliche 700 DM Trennungsgeld.[10]
Zum GSP Ost gehören:
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BGSler am Nachtsichtgerät |
'Hallo, Innenminister, wir wollen noch einen. Wir spielen Jäger und Beute. Wir sind die Raubvögel, die Illegalen sind die Kaninchen. Außerdem brauchen wir noch ein paar Wärmebildgeräte. Damit wir auch in der Nacht was fangen können. Es ist doch bald Weihnachten...' |
Daß es zu keiner dauerhaften Umsetzung dieser Forderungen kam, lag an der damals heftigen Kritik der FDP und der Oppositionsparteien, sowie an dem Widerspruch des BGS, der um seinen Einfluß fürchtete.
Auch auf anderen Gebieten testeten CDU-PolitkerInnen die öffentliche
Meinung bezüglich einer BGS-Bundeswehr Zusammenarbeit. So forderten einige
den Einsatz der Bundeswehr als Unterstützungs- und Lufttransportgruppe des
BGS zur Niederschlagung von KurdInnenprotesten 1994, andere spekulierten
über die Ableistung der Wehrpflicht beim BGS - eine Möglichkeit, die
1973 abgeschafft wurde.[12]
Polizeiliche Unterstützungskräfte
Nachdem die Pläne, die Bundeswehr an der Ostgrenze gegen die
MigrantInnen"fluten" einzusetzen, gefallen lassen wurden, schien der arme BGS
ganz auf sich alleine gestellt. Um nicht völlig in Arbeit und den "Fluten"
zu ertrinken, schaltete er - sozusagen als letzten Hilfeschrei - Anfang 1993 in
Lokalblättern der Grenzregion folgende Anzeige bzw ließ sie in den
Dörfern plakatieren: "Wir vom BGS. Polizei des Bundes sucht zur sofortigen
Einstellung einsatzfreudige, pflichtbewußte Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen für Tätigkeiten im Bereich grenzpolizeilicher
Aufgaben (Innen- und Außendienst) an der Grenze zu Polen [...]". Viel
Menschen meldeten sich auf die Anzeige. Fast alle BewerberInnen waren
arbeitslos, sahen keine Chance je wieder eine Arbeit in dieser Region zu
bekommen und freuten sich endlich beim Dammbau gegen den "Zustrom", der
teilweise die eigenen Kleingärten schon "überflutet" hatte,
tatkräftig mithelfen zu können. Alle BewerberInnen wurden zu einem
Vorstellungsgespräch eingeladen. Aufgrund von über 5.000 Leuten und
nur 1.700 vorhandenen Stellen konnte großzügig ausgesucht werden.
Einzige vorgeschriebene Kriterien waren ein 10-Jahres Schulabschluß,
keine Stasi-Mitarbeit, keine Vorstrafen und ein Alter unter 40 Jahren.
Hauptkommisar Heckemüller vom Grenzschutzamt Frankfurt/Oder war "überrascht vom hervorragenden Persönlichkeitsbild der Bewerber, von der inneren Einstellung und der Einstellung zum Dienst, eben die gesamte Einstellung, sich zu engagieren." Besonders die "DDR-Frauen sind sehr geeignet. Die meisten kennen den Schichtdienst. Die Damen sind gerne bereit, auch operativ eingesetzt zu werden." Kein Wunder, daß dann auch zu 50% Frauen angestellt wurden. Die heimatnahe Verwendung ermögliche den Frauen - so seine weiteren Ausführungen - mit dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen. Außerdem würden die Leute aus der Gegend sehr genau die Probleme kennen, die sie jetzt zu lösen hätten. "Die kennen Schleichwege, die wir nir gefunden hätten" - so ein Beamter. Mitte März '93 wurden die ersten angestellt. Sie müssen nur eine 10-wöchige Schnellschulung absolvieren: 6 Wochen Theorie und 4 Wochen Praxis. Für den Schichtdienst bekommen die Hilfskräfte zwischen 1.400 und 1.800 DM netto. Das kostet den BGS 50,5 Mio DM jährlich. Die Anstellung ist auf 3 Jahre befristet, läuft also Anfang 1996 aus. Einige hunderte wurden nach einer richtigen Ausbildung vom BGS übernommen, was mit den anderen passiert ist z. Zt unklar. Es ist aber davon auszugehen, daß fast alle entlassen werden, da der Personalmangel bis Ende 1996 abgebaut sein wird. Auf der anderen Seite wird sich 1996 zeigen, ob aus Kostengründen der Trend zum Einsatz von billigen Hilfskräften auch beim BGS Einzug hält. Außerdem will der BGS in Zukunft mehr Menschen aus der Umgebung einstellen, da sie sich besser auskennen und stärker motiviert sind als die Wessis.
Die skandalumwitterte, da mit Strafttätern, Sexualverbrechern und
FAP-Kadern durchsetzte Berliner Freiwillige Polizeireserve (FPR) ist ein gutes
Beispiel für Kosteneinsparung im Polizeibereich. Die 2.400 Mitglieder der
FPR wurden mit einem Stundenlohn von 8 DM abgespeißt, taten ihren Job
deshalb kaum wegen dem Geld, sondern aufgrund ihrer Gewaltbereitschaft,
Ideologie oder Waffenfetischismus.
In Bayern läuft z.Zt ein offizieller Modellversuch mit Sicherheitswachten.
Begründung: steigende Kriminalität durch Öffnung der Grenzen im
Osten. Die Hobby-PolizistInnen patroullieren für 12 DM die Stunde durch 11
Städte, ausgerüstet zwar nicht mit Waffen aber mit vielen
Befugnissen, wie zur Festnahme und Personalienfeststellung.
Da sich Fluchtbadewannen nicht so gut wie Fluchttrabis im Museum für Deutsche Geschichte ausstellen lassen, ist es dem GUK (1. v.l.) freigestellt, seine Wohnung damit auszustatten. Aufgrund dieser vielfältigen Nebenverdienstmöglichkeiten erklärt sich auch, warum der Grundlohn so niedrig bemessen wurde. |
Für alle operativen Einsätze wurde vom Bundesinnenministerium ein Verhältnis von 3 BeamtInnen auf eineN Unterstützungskraft vorgeschrieben. In der Praxis - so die Gewerkschaft der Polizei - sieht es eher umgekehrt aus: bei den Mobilen Überwachungstrupps begleitet meist eine Beamtin/ein Beamter zwei GUK's.
Bundesweit löste die Institutionalisierung von Bürgerwehren und die
Aufgabe des staatlichen Gewaltmonopols zugunsten ungelernter und ideologisch
zweifelhafter Hilskräfte viel Kritik aus. Dagegen begrüßten
lokale PolitikerInnen größtenteils die Idee. Symptomatisch die
Reaktion des Ordnungsamtsleiters von Seifhennersdorf. Er zeigte sich besorgt um
"die Sicherheit der Leute", wohlgemerkt nicht die der Flüchtlinge, sondern
die Sicherheit der GUK's, denn "die Schlepperbanden werden doch immer
aggressiver."[13]
Mitarbeit der Bevölkerung
Einige derjenigen, die nicht auf Kosten der Polizei Flüchtlinge
aufspüren und fangen dürfen, haben ein Hobby draus gemacht und
arbeiten auf eigene Kosten mit der Polizei zusammen. Während die
Bürgerwehren, die in einigen Dörfern gezielt Jagd auf
Flüchtlinge mach(t)en, von staatlicher Seite lediglich geduldet
werden/wurden, fördern der BGS und seine vorgesetzten Dienststellen
gezielt die individuelle Denunziation von Flüchtlingen bei der Polizei.
So erklärte Sachsens Innenminister schon 1993: "Wachsamkeit der Bürger [...] ist sehr willkommen. [...] Das wirkt nicht nur abschreckend auf potentielle Täter, das steigert auch die Effizienz der Polizei, wenn es bei den Menschen zur guten Gewohnheit wird, verdächtige Beobachtungen schnell mitzuteilen." Schon zu DDR-Zeiten wurden BewohnerInnen an der Oder/Neiße-Grenze bevorzugt mit Telefonen ausgestattet, damit sie verdächtige Bewegungen der Stasi oder Polizei melden konnten. Diese Praxis setzte sich nach der Wende fort. Die Telekom verteilte im Auftrag des damaligen Bundesinnenmininsters Seiters verbilligte Funktelefone an GrenzbewohnerInnen, z.B. in Seifhennersdorf z.B. 44 Stück. Der BGS richtete extra "Bürger-Telefon-Nummern" ein, die flächendeckend auf Flugblättern verteilt wurden - mit der Aufforderung, dem BGS bei seiner Arbeit zu helfen. Vor einigen Jahren haben vereinzelt Menschen, die in der Grenzregion leben, Flüchtlingen geholfen, wie z.B. ihnen Geld gegeben, kurzzeitigen Unterschlupf gewährt oder sie aus der 30-km Gefahrenzone heraustransportiert. Das kommt aber aufgrund der BGS-Kampagnen, des fremdenfeindlichen Klimas, den harten Bestrafungsmöglichkeiten und der gestiegenen Kriminalität kaum mehr vor. Mittlerweile haben sich fast alle scharfe Hunde zugelegt, die am Tag und der Nacht bei der kleinsten Auffälligkeit wie verrückt anschlagen. Keine Chance also, in der Nähe eines Dorfes über die Grenze zu kommen: die Hunde wecken jede/n im Umkreis von mehreren Kilometern - und irgendjemand wird sich dann schon aufraffen, zum Telefon schlürfen und die Nummer wählen, die der BGS damals als Flugblatt verteilt hat, welches nun seinen Ehrenplatz an der Wand über dem Telefon hat.
Der Leiter der BGS-Dienststelle in Ebersbach erläutert die enge Zusammenarbeit: "Wir leben von den Anrufen der Bevölkerung. Sobald hier in den Dörfern ein Fremder auftaucht, besteht erst mal der Verdacht, daß er nicht hierhergehört. Also, wenn da einer mit 'ner Hautfarbe rumläuft, dann werden die Bürger schon argwöhnisch [...]" oder, wenn - so weiß auch der Pressesprecher des GSA Frankfurt/Oder, Klaus Müller, zu berichten - "an der Bushaltestelle plötzlich eine Gruppe Inder steht, ruft uns eben jemand an und sagt Bescheid. Auf dem Dorf kennt man sich, und man sieht dann ja, daß die nicht dahin gehören."[14] Nicht dazu gehören eben alle, die anders aussehen, sprechen, sich benehmen. Kein Wunder, daß AsylbewerberInnen und TouristInnen an der Grenze vor nichts sicher sind und des öfteren Opfer der guten bevölkerungspolizeilichen Zusammenarbeit werden.
1992 sollen sogar SozialarbeiterInnen in dem Flüchtlingsheim von Görlitz Buch geführt haben, wer von den AsylbewerberInnen über die Grenze geht, und diese Informationen an den BGS weitergeleitet. Außerdem wurden die Bahnhofsangestellten in der 30 km-Zone vom BGS angehalten, verdächtige Reisende umgehend zu melden.
Abb.7. RICHTIG Einer beobachtet, zwei sichern die Gegend. Das Fahrzeug steht bereit |
Abb.11. FALSCH Dem Beamten fehlt die Rückendeckung. Beim Kontrollieren einer so großen Gruppe sollten weitere Beamte hinzugezogen werden. Aufgegriffene nutzen immer ihre Chance und sind zum Teil sehr gefährlich |
Weitere Bilder:
Übersicht: illegale Einreise von Auslandern 'Grüne Grenze'
KfZ- Kriminalität Grenze PL/CS
Illegale Grenzübertritte durch den BGS
Neben den Rücknahmeverträgen, die die osteuropäischen
Länder zu Erfüllungsgehilfen der Festung Europa degradieren und die
Wohlstandsgrenze ohne den Wohlstand immer weiter gen Osten schieben,
bemüht sich der BGS eigenmächtig um eine genaue Kontrolle der
deutschen Grenzen nicht nur von innen, sondern auch von außen. So fuhr
der BGS schon 1991 gemeinsam mit seinen polnischen KollegInnen auf Streife -
auf polnischer Seite. Sie hatten zwar keine eigenen Vollzugsbefugnisse (wie
Festnahme von Personen), konnten aber den BGS am anderen Ufer die Ankunft von
Leuten per Funk ankündigen und den polnischen BeamtInnen die Leute
benennen, die schon mehrmals aufgegriffen wurden bzw. als SchlepperInnen
verdächtigt. Die Bundesregierung dementierte Presseberichte, nach denen
BGS-Hubschrauber zur Aufklärung über polnischen Gebiet fliegen. Der
BGS versucht aus der Luft, größere Menschengruppen zu orten, die
sich im oder zum Grenzbereich hin bewegen.
1993 enthüllte das ARD-Magazin "Fakt", daß der BGS mehrmals illegal auf tschechischem Gebiet operierte, um gegen die "Grenzkriminalität" zu ermitteln. Bis tief ins Land hinein wendete der BGS dabei ohne Zustimmung tschechischer Behörden nachrichtendientsliche Mittel an. Bekannt wurde diese Praxis u.a. dadurch, daß die BGS-Beamten nach getaner Arbeit auf tschechischer Seite die Prostituierten vor Ort "grenzkriminell" benutzten und den Grund ihrer Anwesenheit ausplauderten.[15]
Deutsche ZollfahnderInnen verfolgten im Frühjahr 1994 bei Forst zwei polnische BürgerInnen von deutschem auf polnisches Gebiet und mißhandelten sie dort schwer. Die Zivilfahndung folgte den nach Polen Flüchtenden, die dachten, von einer kriminellen Bande verfolgt zu werden, da sie keine Uniformen oder Dienstwagen sahen, dafür sehr unpolizeilich mit Steinen beworfen und aus Gaspistolen beschossen wurden. Polnische GrenzerInnen machten dem wilden Treiben der deutschen ZöllnerInnen auf polnischem Boden - wofür es keinerlei Rechtsgrundlage gibt - ein Ende, in dem sie sie verhafteten.[16]