Grenzschutzamt Zittau |
Der eine, Herr Popp, war stets aufmerksam, man könnte sagen einfühlsam verständnisvoll: wie ein guter Vater oder der liebe Teddy aus alten Kindertagen. So zeigt die Bürokratie Bürgernähe, während die Fäden in der 2. Reihe feste gezogen werden. Mit eiskaltem abschätzendem Blick hatte der andere, Stellvertreter Heldmann, die Situation immer unter Kontrolle, so daß er dem gutmütigen Leiter das Wort aus dem Mund nehmen konnte, bevor dieser zu vertraulich wurde oder aber nicht mehr weiter wußte. Ein paar technische Angaben zu Wasserständen und Tauchtiefen der Oder und Neiße oder gut formulierte glatte Sätze waren in solchen Momenten schnell zur Hand. Wir hätten es wissen müssen: er war in Gesprächsführung wirklich geschulter als wir und leider auch der Wissendere (?). Zumindestens nützte uns der morgendlich ausgearbeitete Fragenkatalog nur insofern, als daß wir ihn treu bis zum Ende verfolgten. Eine bessere Kenntnis der Grenzsituation und vor allem der Machenschaften des BGS dort, wäre jedoch hilfreicher gewesen. Und natürlich fehlte uns die bei solchen Gesprächen wichtigste Fähigkeit: sich nicht ablenken zu lassen, beim Thema zu bleiben, zu fragen und immer weiter zu bohren. Für dieses Mal mußten wir einsehen, sie hatten den längeren Atem. Wir haben nichts wesentlich Neues erfahren, wie schade!
Dafür wurden wir schließlich belohnt. Als wir begeistert vor einem mit Männlichkeit und Romantik werbenden BGS-Plakat standen und es prompt geschenkt bekamen. Oder sollte es vielleicht die Entschädigung für die anzüglichen Bemerkungen eines Herrn Heldmann nach dem Ausschalten der Diktiergeräte sein, als er uns noch erläutern mußte, daß er den weiten Weg von der bayerischen Grenze bis nach Frankfurt/Oder nur auf sich genommen hat, um mal so nette Frauen wie uns zu treffen. Dann könnte er sich doch jetzt wieder davonmachen, oder was meint ihr?
Die Hierarchie
Popp: Ich bin Leiter des Grenzschutzamtes Frankfurt/Oder und
zuständig für die gesamte polnische Landgrenze vom Oderhaff bis unten
nach Zittau, das haben Sie ja nun schon erleben können, zumindest die
Hälfte des Grenzabschnittes. Nun darf ich Ihnen hier meinen Vertreter
vorstellen, der Herr Polizeirat Heldmann und Herr Heinemann, den haben Sie ja
nun schon des öfteren gesehen. Er hat Sie ja indirekt auch schon ein
bißchen begleitet. Er ist zuständig für die entsprechenden
Grenzstellen der "grünen Grenze" und Herr Kleiner (Anm. nicht sicher) habe
ich mitgebracht, der sich ein paar Dinge hier notieren wird, denn wir
müssen auch, haben Sie bitte Verständnis, unseren vorgesetzten
Dienststellen mitteilen, was Sie uns jetzt gefragt haben und wie das hier so
abgelaufen ist. Das ist also im Rahmen der Hierarchie so üblich, und da
ist, wie gesagt, nichts negatives bei zu sehen. Ich heiße Sie recht
herzlich willkommen und spreche nochmal, wenn ich das so sagen darf, wirklich
ehrliche Anerkennung aus bei diesen schwierigen Witterungsverhältnissen,
hier so 'ne anstrengende Tour zu absolvieren, um ihren Zielen Ausdruck zu
verleihen.
Von der innerdeutschen zur Schengenaußen-Grenze
Wann ist dieses Amt aufgebaut worden? Sind Sie schon seit der Wende
hier...?
Popp: Dieses Grenzschutzamt Frankfurt/Oder wurde mit dem Tag der deutschen Einigung am 3.10.1990 aufgebaut, und ich bin seit diesem Tage dabei. Ich war vorher Leiter des Grenzschutzamtes Braunschweig, zuständig für die gesamte innerdeutsche Grenze bis zur bayrischen Grenze runter und bin dann hier nach Frankfurt gekommen und hatte den Auftrag ein GSA aufzubauen, so wie man es aus den alten Bundesländern her kannte.
Aber das war doch eine andere Situation an der deutsch-deutschen Grenze als jetzt?
Popp: Na klar, natürlich.
Was hat sich da für Sie verändert?
Popp: Verändert zunächst erstmal, daß wir hier an dieser Grenze zunehmend konfrontiert werden mit dem Problem der illegalen Einreise oder versuchten illegalen Einwanderung, daß wir hier mit den verschiedensten Formen der Kriminalität im Grenzbereich wie auch teilweise bedingt durch den Grenzübertritt, mit diesen Problemen konfrontiert werden. Das ist also eine komplett neue Erfahrung, und es ist festzustellen, daß hier doch gewisse Anstiege der Leute zu verzeichnen waren, die versucht haben illegal in die BRD zu kommen, also auch die Zunahme der Kriminalität in ihren verschiedenen Formen, sei es jetzt Zunahme des Rauschgiftschmuggels, des Verbringens von Waffen, der Kfz-Verschiebung usw., oder auch der Einschleusung von Personen, die hier der Prostitution zugeführt werden usw. usf. Also organisierte Kriminalität bzw. Folgekriminalität. Das ist das, was wir ja als BGS in erster Linie als Momentaufnahme beim Grenzübertritt dann feststellen.
Die Illegalen
Können Sie feststellen, zu welchem Zweck die Leute die Grenze
übertreten?
Popp: Ja, z.B. daß sehr viele Personen versuchen, hier illegal in die BRD zu kommen, das hat ja den größten Höhepunkt 1993. '93 waren es über 18 700 Personen, die versucht haben, illegal über die Grenze zu kommen und sind durch den BGS und die Bundeszollverwaltung aufgegriffen worden und dann teilweise nach Polen zurückgeschoben worden oder auch, wenn es sich um rumänische Staatsangehörige handelte, dann seit Mitte `93, nachdem ein Abkommen zwischen der BRD und Rumänien geschlossen worden ist, auf dem Luftwege nach Rumänien zurücktransportiert worden.
"Aufgriff"
Wie stellen Sie fest, daß Personen die Grenze illegal
übertreten?
Popp: Ja, wie wir die Personen aufgreifen? Zunächst erstmal ist es so, wir greifen angenommen eine Personengruppe auf, die jetzt die Neiße durchwatet hat oder durchschwommen, je nach dem, das ist ja witterungsabhängig, im Sommer besitzt die Neiße eine gute Watfähigkeit und da kann man ziemlich gefahrlos rüberkommen. Es gibt aber auch andere Monate, wie z.B. in den letzten Wochen als es mal kurz stärkere Regengüsse gegeben hat, da ist die Neiße auch schon ziemlich gefährlich und natürlich auch die Oder, daß dann hier versucht wird, die Grenze zu überschreiten auch mittels Schlauchboot oder auch mit Luftmatratzen, teilweise auch mit Fässern zusammengebunden, kommen die Leute hier rüber und werden durch den BGS, durch Streifen aufgegriffen. Und ja, dann erfolgt eine Befragung, was sie hier wollen...
Direkt vor Ort von den Beamten, die sie aufgreifen?
Popp: Zunächst erstmal nein. Die Leute werden dann zur Dienststelle
verbracht. Erstmal wird ja festgestellt, wo kommen sie jetzt her und wenn sie
in unmittelbarer Nähe natürlich des Wassers aufgegriffen werden, dann
wird das dokumentiert und die Leute werden zur nächstgelegenen
Grenzschutzstelle "Grüne Grenze" verbracht und dort erfolgt dann eine
Befragung mittels eines Dolmetschers und die Befragung ergibt in den Masse der
Fällen, daß es sich hier um Personen handelt, denen man versprochen
hat, günstig in Deutschland zu arbeiten, und die versuchen, in die alten
Bundesländer zu kommen, um einen Asylantrag zu stellen, weil dort die
Sozialhilfe höher ist. Also das ist so der Trend. Es sind viele Leute
gelockt worden, einige haben sich auch so auf den Weg gemacht, die hier schon
in der BRD lebende Familienangehörige aufsuchen wollen, um bei denen in
der Nähe Unterschlupf zu finden. Das ergeben die Befragungen.
zum anklicken... |
Das ist aber nicht der Bogen, es gibt doch noch einen anderen...?
Heinemann: Das ist der Fragebogen, den es in allen möglichen Sprachen gibt, der den Leuten vorgelegt wird.
Heldmann: Es gibt natürlich noch die üblichen Vordrucke, wo der Name eingetragen wid und so was alles noch. Wir haben diesen Fragenkatalog und der ist für uns rechtsverbindlich, einen anderen Bogen haben wir nicht.
Also ich möchte noch was dazu sagen. Wir haben gerade in diesem Abschnitt
30 Grenzübergangsstellen per Wasser, Schiene und normale Straße und
darüber darf der Bürger, egal welcher Nationalität, reisen.
Reist er jetzt an den nicht zugelassenen Grenzübergangsstellen ein, macht
er sich von vorneherein schon strafbar. Das ist so im Ausländergesetz.
Unbeschadet, ob diese Person jetzt hier länger bleiben will, ob sie hier
illegal eingereist ist, um Arbeit aufzunehmen oder um Asyl zu suchen. Das
spielt jetzt mal keine Rolle. Sie werden den Dienststellen zugeführt und
gefragt, weshalb sie hier rein wollten, mittels eines Dolmetschers, kein Thema.
Wer einen Sprachmittler haben will, kriegt den immer...
Dolmetscher
Wieviele Dolmetscher gibt es in der jeweiligen Grenzstelle?
Popp: Es gibt in dem Sinne keine Dolmetscher. Wir haben entsprechende Informationen über Dolmetscherbüros, die werden dann angefordert und kommen manchmal auch aus Berlin, und führen die entsprechende Befragung durch. Das kann natürlich ein bißchen dauern.
Ist das Sache von ein paar Tagen?
Popp: Nicht von Tagen. Wir sind ja auch zeitlich verpflichtet, die hier innerhalb von 48 Stunden dem polnischen Grenzschutz zu übergeben.
Wollen Sie damit sagen, daß gewährleistet ist, daß jeder Mensch in seiner Landessprache angehört wird?
Popp: Ja weitestgehend kann man das so sagen, ja.
Heldmann: Wir sind sogar verpflichtet.
Müssen die Leute das selber äußern, daß sie einen Sprachmittler wollen?
Heldmann: Nein müssen sie nicht, wenn ich mit einer herkömmlichen Sprache, ich spreche Englisch und Französisch, mit dem Betreffenden nicht klarkomme, dann nehme ich automatisch einen Dolmetscher, bis hin zu Suaheli, zu den unmöglichsten Sprachen.
Viele haben ja eine eigene Sprache und beherrschen die Amtssprache ihres Landes kaum. Gibt es nur Dolmetscher in der amtlichen Landesprache?
Heldmann: Nein, wir haben auch für Slangs und bestimmte andere
Modalitäten bestimmte Dolmetscherbüros, die uns zur Verfügung
stehen bei entsprechend anders gelagerten Sprachen, dann kann der sich mit dem
verständigen. Das ist ja das A und O. Wir müssen uns ja mit dem
auseinandersetzen, was will er denn nun in der Bundesrepublik.
Weiterleitung ans Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl)
Wie ist die Situation bezüglich einer Rechtsbelehrung?
Heldmann: Welche Rechtsbelehrung?
Daß den Flüchtlingen gesagt wird, wie das mit dem Asylverfahren ist?
Heldmann: Wir müssen trennen, den normal Einreisenden, der hier herkommt, um Arbeit aufzunehmen, und der, der ein Einreisebegehren stellt. Dieser Zettel mit den Fragen, den Sie da haben, ist ganz klar ein Einreisebegehren. Der BGS als Grenzpolizei des Bundes tritt in keinerlei Begründetheitsprüfung ein. Wir stellen fest, der kommt von da und dort, will dort und dort hin und sucht hier Schutz vor politischer Verfolgung. Das ist der Terminus, den es im Asylverfahren nur gibt. Und den muß er uns darlegen und dann entscheiden wir, ob er dem nächsten BAFl, einer Außenstelle des BA Zirndorf, zugeführt wird, mehr nicht.
Und nach welchen Kriterien entscheiden Sie, wen Sie sozusagen weiterschicken und wen Sie...
Heldmann: Wir sind ja hier nur ein Exekutivorgan, und im Asylverfahrensgesetz steht es klipp und klar drin, wenn er aus einem sicheren Drittstaat kommt, und Polen ist nun mal für uns nach der Gesetzeslage sicherer Drittstaat, dann muß ihn der polnische Grenzschutz, also unser Pendant gegenüber, wieder annehmen.
D.h. das diese Befragung doch eigentlich nur proforma ist, denn alle Leute,
die Sie aufgreifen, kommen aus Polen, die müßten Sie ja nach dem,
was Sie gerade sagten, sowieso wieder zurückschicken?
Zurückschiebung
Heldmann: Ja, wir müssen aber glaubhaft machen, daß er
aus Polen kommt.
Das ist der Unterschied. Wenn wir den bei Nacht und Nebel irgendwo in Zittau aufgreifen, müssen wir glaubhaft machen, daß er auch aus der polnischen Republik kommt. Mit Masse haben diese Leute keine Pässe, wo wir also sagen könnten, Einreisestempel von Polen ist drin, das wäre ganz klar der Beweis zur Legitimation, aha der kommt aus Polen.
Wie wird das dann überhaupt festgestellt?
Heldmann: Ja durch unsere entsprechenden Hilfskriterien oder Indizien, die darauf schließen lassen, er hat z.B. Zloty oder 'ne Bescheinigung von der Beherbergung in Warschau in der Tasche oder irgendeinen Fahrschein oder ein Flugticket, daß er irgendwann mal in Warschau angekommen ist. Das läßt dann indizienmäßig darauf schließen, daß er irgendwo in Polen war.