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Tue Dec 17 21:59:29 1996
 

Redebeitrag in Forst (18.7.1995)

Bei dem Versuch, die Neiße zu überqueren, sind weit mehr Flüchtlinge ertrunken, als bisher bekannt geworden ist. Im vergangenen Jahr hat es mindestens 20 Tote an dieser Grenze gegeben. Auch in Forst sind im vergangenen Sommer Menschen ertrunken.

Daß die Menschen aus ihren jeweiligen Heimatländern fliehen, ist nicht ihre Schuld. es ist das ergebnis der jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Situation, für die auch Deutschland mitverantwortlich ist. Wir sollten uns nicht vormachen, daß unser, im Vegleich zu anderen Ländern, hoher Lebensstandard darauf zutückzuführen ist, daß wir hart und fleißig arbeiten, sondern per Zufall in eine Gesellschaft hineingeboren, die seit Jahrhunderten andere Teile der Welt systematisch ausbeutet, die ökologischen Raubbau in den Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Osteuropas betreibt, die mit ihren Rüstungsexporten die Kriege in der ganzen Welt unterstützt, die mit Knebelverträgen die ärmeren Länder in eine politische und wirtschaftliche Abhängigkeit zwingt, usw.

Warum wählen Menschen diesen gefährlichen Weg über die Neiße, um die Grenze zu überqueren?

1993 ist das Asylrecht praktisch abgeschafft worden. Vorher hatte der Artikel 16a im Grundgesetz garantiert, daß politisch Verfolgte Asyl in der Bundesrepublik erhalten können. 1993 wurde der Artikel 16 verändert. Dieser Absatz sagt, daß es eine Reihe Herkunftsländer gibt, in denen keine Verfolgung stattfindet, die also als sicher gelten. Diese Liste hat die Bundesregierung festgelegt. Auch wurde festgelegt, daß Flüchtlinge, die über sichere Drittstaaten in die Bundesrepublik einreisen, kein Asyl erhalten: Diese beiden Gruppen von Flüchtlingen haben daher generell keine Chance, hier bei uns in ein Asylverfahren zu kommen.

Die Gruppe von Flüchtlingen, die über ein sicheres Drittland einreist, ist sehr groß, denn die Bundesrepublik Deutschland ist von sicheren Drittstaaten umgeben. D.h. alle Flüchtlinge, die über den Landweg einreisen, haben damit praktisch schon ihr Recht verwirkt, legal in ein Asylverfahren zu kommen. Doch auch die Flucht über den Luftweg, sofern Flüchtlinge überhaupt Geld dafür haben, ist sehr stark erschwert worden. Die Fluggesellschaften müssen Strafe bezahlen, wenn sie Flüchtlinge nach Deutschland transportieren. Daher kontrollieren sie die Papiere der Reisenden schon in den Heimatländern genau.

Da es für Flüchtlinge fast unmöglich geworden ist, legal in die Bundesrepublik einzureisen und Asyl zu beantragen, müssen sie immer gefährlichere Wege benutzen, um vor der Verfolgung in den Heimatländern zu fliehen und um in einem sicherem Land leben zu können.

Zu diesen gefährlichen Wegen gehört die deutsch-polnische Grenze. Zwar gibt es an dieser Grenze keinen Stacheldraht und kein Minenfeld, trotzdem sterben hier Menschen. In den letzten Jahren ist die Bewachung der Grenze stark verschärft worden: Der Bundesgrenzschutz besteht inzwischen aus rund 4.000 Personen, die mit Infrarotgeräten, Hubschraubern, Hunden und Booten ausgerüstet sind und die verhindern sollen, daß Flüchtlinge hierher kommen.

Der Bundesgrenzschutz nutzt diese Ausrüstung nur dazu, Flüchtlinge am Überqueren der Grenze zu hindern, nicht aber, um z.B. Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten. Daher fordern wir euch und Sie alle auf, diese Grenze menschlicher zu gestalten; dazu gehört

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