Einer wird gewinnen...
vor dem Verwaltungsgericht
Auch der 2. August, der Camp-Donnerstag, begann mit strahlendem Wetter und so machte sich das Fernsehteam um den allseits beliebten Quizmaster Freddy Frankenthal frohen Mutes auf, um eine neue Folge der legendären Quizsendung "einer wird gewinnen" in den Kasten zu kriegen. Wie immer wollte sich das Team einer interessierten Öffentlichkeit stellen und wie immer war der Drehort mit Bedacht gewählt. An diesem strahlenden Morgen sollte das Frankfurter Verwaltungsgericht mitsamt seinen grauen und unscheinbaren MitarbeiterInnen die geballte Aufmerksamkeit aller "einer wird gewinnen"-Fans auf sich ziehen. Die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, die im trüben Alltag lustlos und ohne viel Beachtung zu finden, von den Angestellten getroffen werden, sollten vom Glanz der Scheinwerfer erhellt und damit ihre Tragweite und Bedeutung endlich in das rechte Licht getaucht werden. An diesem vergessenen Ort nämlich verrichten demütige Diener und Dienerinnen von Justitia ihre Arbeit und mühen sich Tag für Tag ab, Klagen gegen abgelehnte Asylanträge zu prüfen und endgültig abzuschmettern. Sie machen ihre Arbeit gut und sie sind erfolgreich, die Anerkennungsquote ist sehr niedrig. Eine Grauzone im Paragraphendschungel macht den RichterInnen allerdings noch das Leben schwer, die sogenannten Abschiebehindernisse, unangenehme Stolpersteine auf dem Weg zügiger Abschiebungen. Rund um diese Abschiebehindernisse sollte sich die neueste Folge von "einer wird gewinnen" drehen, ein Spiel mit der Aussicht auf den großartigsten Preis, den man in der heutigen Zeit noch gewinnen kann, einen Arbeitsplatz! Dazu noch an diesem ehrfurchtgebietenden Ort. Welcher aufstrebende Jurist könnte sich Schöneres wünschen?
Freddy Frankenthal, unverwechselbar mit seinem Pepitaanzug und der schmucken Fliege, gab am Drehort, dem Vorplatz des Verwaltungsgerichts in Frankfurt Bockenheim noch letzte Regieanweisungen, engagierte MitarbeiterInnen verteilten Informationsblätter an die umstehende oder vorbeifahrende Bevölkerung und Statisten hielten große Spruchbänder vor die laufenden Kameras. Eine große Gruppe Grün-Uniformierter, die sich unangemeldet breitmachte, begann den Ort des Geschehens mit großen Aufstandsbekämpfungsgittern abzusperren. Verwunderung und Protest auf Seiten des Fernsehteams führte dazu, dass dieses Vorhaben auf halbem Weg gestoppt wurde. Vielleicht vermuteten die Beamten, dass an diesem Morgen der Showdown eines spektakulären Krimis gedreht werden sollte, mit wilder Schießerei und anschließenden Sturm des Gebäudes. Wahrscheinlicher aber ist, dass die Beamten selbst mal in Fernsehen kommen wollten und sich deshalb so aufdringlich in Szene setzten.
Das Spiel begann und Freddy Frankenthal begrüßte die ZuschauerInnen vor Ort sowie all jene, die gebannt zu Hause vor dem Fernseher saßen. Der Kandidat, jung und vom harten Studium noch etwas blass um die Nase, hatte die schwierige Aufgabe, all die Abschiebehindernisse wie "Bürgerkrieg", "Hunger", "Folter", "Vergewaltigung" und was es sonst noch an ekelhaften Erfindungen gibt, um eine drohende Abschiebung abzuweisen, aus dem Weg zu räumen. Und das in möglichst kurzer Zeit, denn so Freddy Frankenthal: "auch vor Gericht gilt, Zeit ist Geld, der Flieger wartet nicht, je schneller die Abschiebung vollzogen wird, desto weniger Probleme gibt es." Diese Abscheibehindernisse ragten also wie eine massive Mauer vor dem Kandidaten auf und diese Mauer galt es abzutragen, auf dass sie den Weg frei macht für ein angesehenes Richteramt am Frankfurter Verwaltungsgericht. Justitia ist blind und so wurden dem aufgeregten Kandidaten auch noch die Augen verbunden, die reizende Assistentin Monika führte ihn behutsam an die Mauer heran und unter anfeuernden Rufen von Freddy Frankenthal und Hinweisen aus dem Publikum gelang es dem vielversprechenden Kandidaten, in Rekordzeit alle Abschiebehindernisse mit viel Schwung abzubauen. Der als Preis winkende Arbeitsplatz war ihm sicher, diese engagierte Leistung konnte nicht mehr übertroffen werden und der Kandidat wurde frenetisch umjubelt.
Die wichtige gesellschaftliche Rolle, die dieser junge Mann in Zukunft innerhalb der Mauern des Verwaltungsgerichts spielen wird, wurde dann noch in informativen Berichten des Fernsehteams weiter ausgemalt und auch das Flughafenverfahren fand seine Würdigung, wird es doch den eifrigen BeamtInnen auch in Zukunft noch zu Lohn und Brot verhelfen. Die trockene Arbeit der RichterInnen, mit dem Vermerk "offensichtlich unbegründet" abgelehnte Asylanträge zu überprüfen und ermüdende und anstrengende Entscheidungen auch noch nach Aktenlage fällen zu müssen und das alles innerhalb so kurzer Fristen, dass an eine gewissenhafte Recherche gar nicht zu denken ist, dass sie ihre Arbeit trotzdem ohne zu klagen verrichten und auch noch so viel Erfolge zu verzeichnen haben, denn meist kommen sie zu dem gleichen ablehnenden Ergebnis wie die Entscheider des Bundesamtes für die Anhörung ausländischer Flüchtlinge, das ist eine Arbeit, eine Leistung, die gar nicht genug gewürdigt werden kann. Schön, dass eine Quizsendung sich auch solchen HeldInnen widmet, die im Verborgenen arbeiten.
Alles in Allem eine gelungene Fernsehshow, der man zwar ein bißchen mehr Straßenpublikum gewünscht hätte, die aber sicher über die Ausstrahlung bei RTL minus ein Millionenpublikum erreichen konnte und durch die sorgsame Dokumentation engagierter Videofilmer bestimmt Einzug in die Polizeiarchive finden wird.
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