Der Scheinasylant
"You are not from Ghana
Was geschieht eigentlich mit MigrantInnen am Frankfurter Flughafen? Ein Marburger gab sich als Flüchtling aus und erlebte es selbst.
Vom 27. Juli bis 4. August fand in Kelsterbach in der Nähe des Frankfurter Flughafens das "4. antirassistische Grenzcamp" statt. Der 30-jährige Marburger Campteilnehmer Daniel Manwire ließ seinen deutschen Pass zuhause. Am 27. Juli gegen 22 Uhr bat er als Kwame Paniing im Transitbereich des Flughafens um Asyl. Von diesem Zeitpunkt an sprach er nur noch African English. "Ziel war es, die Unsichtbarmachung von Flüchtlingen zu durch brechen. Ich wollte im Internierungslager mit Betroffenen Interviews führen und Ihnen so eine Stimme verleihen", begründet er seine Aktion.
Manwire alias Paniing aus Ghana wurde zu einem Büro im Terminal B geführt, um den "Fall Paniing" aufzunehmen. Das Gefühl, von nun an nur noch Objekt zu sein, verließ ihn bis zu seiner Freilassung 18 Stunden später nicht mehr. "Die BeamtInnen, die sich unbelauscht wähnten, sprachen ungezwungen miteinander. Es waren Sätze zu hören wie: 'Heute schon wieder Chinesen gejagt?'", berichtet er. "Aber was mich im Nachhinein viel mehr erschreckt, ist die Banalität des Ganzen. Die meisten BeamtInnen sind nicht offensichtlich rassistisch motiviert oder gar übermäßig gewalttätig. Sie machen einfach ihre Arbeit. Und während sie sich gegenseitig z.B. Tips zum Betrug von Autoversicherungen geben, behandeln sie die Fälle von Flüchtlingen und entscheiden über deren weitere Lebensläufe, in manchen Fällen über deren Leben."
Nachdem "Paniings" Daten aufgenommen waren, führte man ihn in eine Zelle. Dort wurde er ohne vorherige Erklärungen durchsucht und musste sich komplett entkleiden. Um 0 Uhr 30 erreichte er schließlich, stets vom BGS begleitet, das Internierungslager, das Gebäude C 183 des Flughafens.
In seinem Schlafsaal war er allein. "Ein Tisch, vier Doppelstockbetten mit durchgelegenen Matratzen sowie Feldbettdecken. Das Fenster konnte nicht geöffnet werden", erinnert sich Manwire.
Um 8 Uhr morgens geht es weiter. Wie bei jedem Flüchtling wird eine erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt: Fingerabdrücke genommen, Fotos gemacht. Eine zweite Durchsuchung folgt. In der BRD ansonsten ein Prozedere für Strafverdächtige. Auch hier keine Gründe. "Es macht sich niemand mehr die Mühe, dir irgendetwas zu erklären", konstatiert der Betroffene.
In der anschließenden Befragung durch den BGS wird nicht nach den Ursachen einer Flucht geforscht, sondern nach dem Reiseweg, der womöglich eine Abschiebung in ein "sicheres Drittland" oder in das "wirkliche Heimatland" möglich macht. Immer wieder wird im schroffen Ton gefragt: Where do you come from?
Als der hinzugezogene Dolmetscher feststellt, dass "Paniing" keine westafrikanische Sprache spricht, stellt sich bei den BeamtInnen ein erster Verdacht ein, der schließlich in der Aussage mündet: "You are not from Ghana - you are from Kelsterbach."
Ob er denn dann gehen könne, fragt Manwire auf deutsch, als ihm nachgewiesen wird, dass er Deutscher ist. "Selbstverständlich, Sie sind ein freier Mann", lautet die Antwort. "Zynisch" empfindet Manwire diesen Satz angesichts des eben Erlebten und der zahlreichen Selbstmordversuche unfreier Menschen im Transitlager. Erst im vergangen Jahr erhängte sich dort Naimah Hadjar am 238. Tag ihrer Abschiebehaft.
Die AktivistInnen des Grenzcamps bemühten sich im Verlauf der Woche weiter um Kontakt mit den Internierten. Ein offizieller Besuch wurde abgelehnt. Auch ein Ortstermin an dem umzäunten Gelände, wo Flüchtlinge eine Stunde ,Freigang' haben, brachte keinen Erfolg. Selbst Grußpappen an das Grenzcamp, die die Internierten an die Fenster kleben wollten, wurden verboten.
Auf der Abschlusskundgebung des Grenzcamps hielt Manwire eine Rede, in der er die Auflösung des Internierungslagers forderte. Die Demonstration endete etwa 500 Meter vor der Flüchtlingsunterkunft. "Wir sind nicht zu hören", meint er. Und dennoch, eine Form des Kontakts gelingt. Hinter den verschlossenen Fenstern winken Menschen. Die Demonstrierenden winken zurück. Einige halten ein Transparent in Richtung Internierungslager: Stop Deportation.
Patrick Ehnis
(aus: Express, Marburg)
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