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Durch den Supermarkt-Garten zum Diskurs

Jenseits von Aufklärung versus Provokation: Politisch-strategische Überlegungen am Beispiel zweier antirassistischer Anti-Wohlstandsaktionen

Begrüßung...

Insbesondere die beiden nahezu penetrant als sog. Happenings titulierten antirassistischen Anti-Wohlstands-Aktionen in den Vorgärten sowie im Supermarkt sind es gewesen, welche in den zahlreichen Nachbesprechungen des Camps regelmäßig - so denn es um Aktionen gegangen ist - ,die Gemüter erhitzt und somit einmal mehr die Frage aufgeworfen haben, welches politische Selbstverständnis es ist, das uns überhaupt - jetzt schon zum zweiten Mal - in östliche Grenzgefilde treibt. Dieser Status diskursiver Prominenz - welche besgte Aktionen erklommen haben - ist im Kern begrüßenswert, ist es doch durch die so mitangezettelte Problematisierung unseres politischen Selbstverständnisses zu einer intensivierten Diskussion aller derjenigen Fragen gekommen, die leider viel zu selten gestellt werden, die zu beantworten trotzdem aber unabdingbare Voraussetzung dafür ist (bzw. sein sollte), in schlüssiger Manier linksradikale Politik betreiben zu können; gemeint sind in diesem Zusammenhang Fragen wie die folgenden: Wie stellen wir uns Prozesse gesellschaftlicher Veränderung überhaupt vor? Wen wollen wir mit unseren Aktionen erreichen; wen glauben wir, erreichen zu können? Wie, d.h. mittels welcher Instrumente sind unsere kurz-, mittel- und langfristigen Ziele verwirklichbar? Wie sollten unsere Aktionen aufeinander bezogen sein? Welchen Ablaufmustern sollten sie folgen? Sind Bündnisse oder sonstige Kontaktaufnahmen erforderlich; wenn ja, wie sollte dies von statten gehen? usw.usf.
Weniger erfreulich ist allerdings umgekehrt die Arroganz & Borniertheit, mit welcher die Mehrheit der Supermarkt- und Garten-Aktions-KritikerInnen glaubt, die beiden Aktionen einfach mal vom Tisch wegwischen zu können; unerfreulich ist dies aus unserer Sicht deshalb, weil durch solcherlei Wegwisch-Mentalität wertvolle Perspektiven und Anregungen verschütt zu gehen drohen, noch bevor sie überhaupt zur Kenntnis genommen sind. Zum Ausdruck gekommen ist besagte Arroganz & Borniertheit auf zweierlei Weise: zum einen in der oft schon grotesk anmutenden Sattheit, mit welcher das vorgeblich kritische Abwatschen der Supermarkt- sowie Garten-Aktion immer wieder zum Anlaß genommen wurde bzw. wird, die eigene, nicht selten hoffnungslos antiquierte - weil aufklärungsgläubige - Politikkonzeption als Inbegriff kluger Strategie zum Besten zu geben; zum anderen in der Bereitschaft, die Supermarkt- und Garten-Aktion durch die ebenfalls sattsam bekannte Strategie umfassender Verballhornung und somit Rufschädigung der Lächerlichkeit preiszugeben. Dieser in zahreichen Nachbereitungsdiskussionen praktizierten Strategie möchten wir im Folgenden entgegentreten. Dies setzt allerdings eine kurze Beschreibung des Ablaufes beider Aktionen voraus; denn nicht selten ist es mehr oder minder selbstverschuldete Unkenntnis der genaueren Umstände gewesen, welche die KritikerInnen zur Strategie der Verballhornung hat greifen lassen. Vor dem Hintergrungd dieser Aktionsszkizzen möchten wir sodann veranschaulichen - oder zumindestens nachvollziehbar machen - , warum es uns mit unseren beiden Aktionen weder um Aufklärung noch Provokation - oder gar Aufklärung durch Provokation - gegangen ist, sondern vielmehr darum einen Beitrag zur Initiierung antirassistischer Diskurse bzw. - was dasselbe ist - antirassistischer Kommunikationskorridore zu leisten; was unter solchen Kommunikationskorridoren zu verstehen und welche Zwecksetzung mit deren Initierung verknüpft ist, darum soll es im folgenden maßgeblich gehen.

Zwei Aktionskizzen:

Die Garten-Aktion:
Erfolgt ist die Garten-Aktion in einer jungen, fast schon gutbürgerlichen Neubausiedlung - gelegen an einem leichten Abhang zwischen zwei parallel verlaufenden Strassen; sowohl zur Straßenseite als auch untereinander sind die Grundstücke kaum umzäunt gewesen, was den Aktionsauftakt erheblich entdramatisiert hat: Losgegangen ist es nämlich damit, daß zeitgleich ca. 40 sog. raumschreiterInnen von verschiedenen Punkten aus die Gärten geentert und dort sofort ein buntesTreiben entfacht haben: Während die einen Ball, Frisbee, Kricket oder Federball spielten, tanzten andere, setzen sich hin, tollten durch die Gegend oder liefen einfach nur herum. Grunddevise unseres Tuns ist währenddessen eine dreifache gewesen: erstens so zu tun, als ob es tatsächlich das Allernormalste der Welt wäre, private Gärten zu entern, zweitens nichts kaputt zu machen bzw. rüde zu behandeln sowie drittens keine konfrontativen bzw. patzigen Dispute mit den AnwohnerInnen vom Zaun zu brechen; stattdessen wurde deren Aufforderung, sofort zu verschwinden, mit freundlich formulierten Einladungen zum Mitspielen beantwortet bzw. mit dem Hinweis, daß wir einfach nur spielen wollten. Ganz in diesem Sinne wurde auch das von allen AnwohnerInnen bemühte `Argument’ , wonach es sich bei ihren Gärten um Privatgrundstücke handeln würde, mit achselzuckendem Unverständnis quittiert. Untermalt wurde diese Haltung durch ein begleitend verteiltes Flugblatt (vgl. Kasten), welches uns als "experimentelle raumschreiterInnen" auswies, deren Ziel es wäre - so jedenfalls die bizarren Abschnitte unseres Flugblattes -, "mittels totaler entgrenzungen den raum zu dem zu machen, was er immer schon gewesen ist: ein einziges und deshalb nicht-unterteilbares kontinuum schwingender raumpartikel." Wie erwartet, reagierten nahezu alle AnwohnerInnen mit Zorn und blankem Unverständnis; so betonte etwa - um nur ein Beispiel zu nennen - ein ausdrücklich moderat auftretendes BürgerInnentrio, daß es sich - ihr Grundstück ist gerade mal drei Minuten bespielt gewesen - "restlos" bedient fühlte und es nunmehr auch verstünde, weshalb die Menschen "in der Stadt" so gänzlich gegen uns eingenommen seien. (Wohlgemerkt: 3 Minunten völlig harmloser Bespielung waren für eben zitiertes BürgerInnentrio genug, ihr vorgeblich liberales Selbstverständnis dahinfahren zu lassen und stattdessen Partei für Volkes Stimmung zu ergreifen...) Nach ca. 15 Minunten beendeten wir die Aktion, just zu dem Zeitpunkt, als die Bullen mit mehreren Sixpacks einritten, sich dann allerdings mit der Filzung eines unbeteiligtes Autos begnügten.

Flugblatt-Verlautbarungen

Auszug aus dem Garten-Flugblatt:
“sehr verehrte anrainerInnen, so manche von ihnen dürfte sich heute verwundert die augen gerieben haben..., ist es doch mitten in ihrem grenzdurchzirkelten wohnquartier zu einer für die hiesigen grenzverhältnisse fast schon atypischen verfielfachung öffentlicher grenzübergänge gekommen [ ... ] diese raumbezogene entgrenzungspolitik ist zum einen in der unter uns raumschreiterInnen besonders stark ausgeprägten lust am grenzenlosen raumrausch begründet. ebenfalls bedeutesam ist aber auch, unser eher ernüchterndes wissen darum, dass die willkürlich vorgenommenem eingrenzungen und parzelierungen des raumes immer schon in ein geflecht mannigfaltiger machtverhältnisse eingebunden sind. denn kehrseite sämtlicher grenzziehungen ist ja der ausschluß aller derjenigen, welche durch den akt der einzirkelung das recht verloren haben, sich nach eigenem gutdünken innerhalb der jeweils eingezirkelten räume zu verhalten. [.... ] ausschluß per grenzziehung findet aber auch in ihrem grenzendurchzirkelten wohnquartier statt. denn dort, wo grundstücksgrenzen gezogen und gartenzäune bzw. hecken errichtet werden, geht es ebenfalls darum, andere menschen von dem eigenen, mehr oder minder erkämpften wohlstand auszuschließen. [...] gerichtet gegen alles dies, haben wir uns zur eröffnung zahlreicher grenzübergänge entschlossen. [...]”

Auszug aus dem Supermarkt-Flugblatt:
Überschrift des Flugblattes: ”MenschenrechtlerInnen attakieren Supermarkt. Motiv: ”Antirassistischer Wohlstandsausgleich” (Chaot)”; Text: ”Scheiße werden Sie jetzt brummen... brumm-brumm. Schon der Gütererwerb ein ätzend Ding... Ding-Dong. Schlangen, nix als Schlangen, Schlangen, Schlangen ... Und dann das: verklebte Autoschlösser, zerkratzter Lack, aufgestochene Reifen - pfffff. Moment mal, was bitteschön hat dieser Quatsch mit “antirassistischem Wohlstandsausgleich” (Chaot) zu tun? Viel, zeigt Ihre Frage doch, dass Sie unser antirassistisches Anliegen bereits in Gänze verinnerlicht haben! Schön! Es bleibt die Frage, was antirassistischer Wohlstandsausgleich mit Supermärkten zu schaffen hat, was also die Zielsetzung unserer Supermarkt-Attacke gewesen ist. Auch hierauf sei geantwortet:” [Die sodann erfolgte Argumentation, welche ca. dreiviertel (!) des Flugblatt-Umfanges ausgemacht hat, glauben wir, an dieser Stelle nicht wiedergeben zu müssen]


Die Supermarkt-Aktion:
Noch unscheinbarer als das Garten-Treiben begann die Supermarkt-Aktion, welche im Kern - so viel sei schon gesagt - nichts anderes als eine aufgepeppte Flugblatt-Aktion gewesen ist: Dort nahm das Treiben um 19 Uhr damit seinen Lauf, daß ca. 25 AktivistInnen - aufgeteilt in lauter 2-er und 3-er Gruppen - den Supermarkt als ganz normale EinkäuferInnen betraten. Etwa eine Viertelstunde später reihten sich - in einem zweiten Schritt - die einzelnen Einkaufsgrüppchen gleichzeitig in sämtliche der eher kurzen Kassenschlangen ein, um sodann - an den Kassen selbst - so mancherlei Zauber zu veranstalten: Während die einen zu wenig oder gar kein Geld bei sich hatten und deshalb Stornierungen beantragen mußten, liefen andere urplötzlich weg, um viele Minuten später mit irgendeinem angeblich vergessenen Warenstück zurückzukehren, oder gerieten in Streitereien über einzelne Güter des gemeinsamen Einkaufes; auch fiel eine Ölflasche zu Boden und kam es überdies zu einem fiktiven Gerangel zwischen Ladendieb und Detektiv. Schneller als erwartet bildete sich hierdurch ein überaus beeindruckendes Stauchaos an sämtlichen der Kassen heraus, welches nach ca. sieben Minunten von den allermeisten Wartenden als künstlich produziertes erkannt und ausserdem - jedenfalls diffus - mit dem Camp in Zusammenhang gebracht wurde. Entscheidender Clou ist jetzt aber, daß exakt in dem Moment, als der Kassenstau in die Wege geleitet wurde und somit auf dem Supermarktparkplatz vor allem die Autos potentieller Kassenstau-Betroffener parkten, die Windschutzscheiben eben dieser Autos mit Flugblättern ausstaffiert wurden, auf welchen die Überschrift prankte: "MenschenrechtlerInnen attackieren Supermarkt." Wie bereits bei der Garten-Aktion fing auch dieses Flugblatt als Nonsense-Schrieb an, nahm dann allerdings seine Wendung in's Politisch-Vernünftige (vgl. Kasten). Insgesamt dauerte die Aktion 30-40 Minunten. Irrtümlicherweise kam es schließlich noch zur Festnahme zweier zufällig vor Ort weilender Camp-AktivistInnen.

Kleiner Exkurs: Über Staus und linke Wahrnehmungsstörungen

Neben prinzipiellen Bedenken, auf welche die Sprache noch kommen wird, ist die Supermarkt-Aktion des öfteren deshalb in Frage gestellt worden, weil diese zu sehr zu Lasten der KassiererInnen gegangen wäre. Dieser Einwand ist in unseren Augen legitim; auch wir haben diesbezüglich im Vorfeld ausgiebig diskutiert; als Kompromiss in Sachen Zumutbarkeit ist hierbei herausgekommen, daß wir uns - mit Ausnahme der Ölflasche - ausschließlich auf solche Mißgeschicke spezialisieren wollten, die zwar (unvermeidbaren) Situationsstreß für die KassiererInnen produzieren, nicht aber etwaige Extra-Arbeiten nach sich ziehen würden wie z.B. umständliche Wiedereinräum-Aktionen; daß diese Devise nicht von allen eingehalten wurde, hatte damit zu tun, daß einige AktivistInnen erst kurzfristig auf's Boot mitaufgesprungen waren. Und dennoch: Besagter KassierIn-Einwand erscheint uns trotzdem komisch - oder auch: unehrlich - zu sein, und das deshalb, weil es sich um einen Einwand handelt, der in identischer Weise gegen jede Strassenblockierung - und somit gegen jede beliebige Demo - formuliert werden könnte. Denn in jedem Stau stecken Menschen fest, die nach beschissener 8-Stunden-Schicht so schnell als möglich nach Hause möchten, die pflegebedürftige Eltern auf sich warten wissen, die plärrende Kindern auf der Rückbank sitzen haben, die einen wichtigen Termin bei ihrem neuen Vermieter wahrnehmen müssen, usw. usf.. Solcherlei Blockierungen, von denen während des gesamten Grenzcamps Hunderte, vielleicht sogar Tausende Menschen betroffen gewesen sein dürften, werden in aller Regel stillschwiegend in Kauf genommen oder werden - so denn sie überhaupt hinterfragt werden - aufgrund ihres politischen Charakters als legitim ausgegeben. Kritik im Sinne des KassiererIn-Argumentes wird in aller Regel nicht geübt, und das - jedenfalls aus unserer Sicht - zurecht! Das aber zeigt, daß so mancher Einwand - auch solcher, welcher bedenkenswert ist - Audruck einer ausgesprochen einseitigen, d.h. schiefen Wahrnehmung ist und sich nicht zuletzt deshalb dem Verdacht aussetzt, einer anderen Motivation geschuldet zu sein als der offiziell vorgeschobenen: nämlich einem schlichten Unbehagen gegenüber solchen Aktionen, die zunächst einmal als fremd, eigentümlich und unvertraut empfunden werden.

Warum, warum nur?

Die Frage nach Sinn und Zweck unseres Tuns möchten wir zunächst einmal negativ beantworten, also damit, was wir mit Sicherheit nicht beabsichtigt haben: Erstens ist es uns nicht darum gegangen, die von unseren Aktionen unmittelbar Betroffenen aufzuklären, d.h. für antirassistische Positionen und Anliegen zu gewinnen; genausowenig haben wir zweitens die Absicht verfolgt, die Aktions-Betroffenen mittels raffinierter Strategien der Provokation und Irritation zum selbst-aufklärerischen Nachdenken anzuregen; und auch ist es drittens nicht unser Ziel gewesen, Provokationen in den Raum zu stellen, einfach mal so, ganz um ihrer selbst willen. Daß wir mit unseren beiden Aktionen nichts von alledem angepeilt haben, darüber sollte absolute Klarheit herrschen, ist es doch andernfalls besonders einfach & billig - Stichwort: Verballhornungs-Strategie -, den Nachweis zu führen, daß die Hoffnung eine absolut abwegige ist, auf der Grundlage der von uns bewußt inszenierten Konfrontations-Situationen irgendeinen Menschen aufklären oder zum Nachdenken anregen zu können.
Das aber wirft unweigerlich die Frage auf, weshalb wir der Aufklärung so dermaßen unlustig gewesen sind, weshalb wir also noch nicht einmal die Anstrengung unternommen haben, wenigstens den Eindruck zu erwecken, wir wollten aufklären - so wie dies zahlreiche Camp-AktivistInnen durch Camp-Zeitungs-Verteilerei immer wieder getan haben, ohne hierbei allerdings - wie so manche Spontan-Befragung ergeben hat - ernsthaft Auskunft darüber abgeben zu können, was sie sich von ihrem unermüdlichen Aufklärungs-Tun tatsächlich erhofften (außer eben dem guten Gefühl, es zumindestens versucht zu haben...).
Unserem der Aufklärung Unlustig-Sein liegt die ganz prinzipielle Einschätzung zugrunde, daß Aufklärungsbemühungen in der Mehrzahl der Fälle zum Scheitern verurteilt sind, und zwar unabhängig vom Seriösitätsgrad des jeweiligen Aufklärungs-Auftrittes. Begründet ist dies in unseren Augen darin - Achtung, jetzt wird's ein bißchen kompliziert-, daß die Mehrzahl der gesellschaftlichen AkteurInnen derartig fundamental in die Gesamtheit der gesellschaftlichen Macht- & Herrschaftsverhältnisse verstrickt ist, daß sie noch nicht einmal in Grundzügen über diejenigen Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse, Werte und Prinzipien, körperliche Ausdrucksmöglichkeiten, etc. verfügt, welche - gleichsam Rezeptoren - Voraussetzung dafür sind, linksradikale Aufklärungs-Botschaften nicht nur wahrnehmen, sondern auch verarbeiten und somit reflektierend verstehen zu können. Realisieren tut sich besagte Verstricktheit auf zweierlei Weise: einerseits über das materielle Korsett der Gesellschaft, also darüber daß die gesellschaftlichen AkteurInnen immer schon - auf je klassen-, geschlechts-, ethnizitäts-, etc.-spezifische Weise - in den Arbeitsmarkt, das Schulsystem, den reproduktiven Tätigkeitsbereich, die staatliche Fürsorgesysteme uvm. verstrickt sind; andererseits über das symbolische-diskursive Korsett der Gesellschaft, welches auf das Allerengste mit den Strukturen und Institutionen des materiellen Korsetts verwoben ist und zusammen mit diesem das Denken, Wissen und Wahrnehmen der gesellschaftlichen AkteurInnen genauso wie deren Art und Weise zu handeln hervorbringt und somit strukturiert. (Hinter diesem etwas kryptisch daherkommenden Formulierungen steckt letztlich die These, daß der Mensch kein (!) der Gesellschaft äußerliches Wesen ist, eines also, welches über einen vor-gesellschaftlichen Natur-Kern verfügte und demnach von den gesellschaftlichen Verhältnissen gerademal mit-geprägt bzw. über-formt werden würde; vielmehr ist der Mensch - jedenfalls in unseren Augen - ein durch und durch gesellschaftliches Wesen, ist also in jedweder Hinsicht durch das gesellschaftliche Ganze hervorgebracht und strukturiert, und zwar in je spezifischer Abhängigkeit davon, welche Position er im gesellschaflichen Gesamtgefüge einnimmt (Geschlecht, Klasse, Ethnizität, etc.).)
Entscheidend ist nunmehr aber, daß der Grad bzw. die Intensität der jeweiligen Verstricktheit unterschiedlich ausfallen kann, woraus folgt, daß die AkteurInnen, deren Verstricktheit in die symbolischen sowie materiellen Strukturen der Gesellschaft die relativ Niedrigste ist, gleichzeitig diejenigen sind, welche linksradikalen Aufklärungs-Botschaften tendenziell am empfänglichsten gegenüberstehen. Gemäß einer häufig und gerne zitierten Definition reicht dieses entfernte Nahumfeld des linksradikalen Milieus von anpolitisierten SchülerInnen, Azubis und Studis über Polit-KifferInnen, Landfreaks und MusikerInnen bis hin zu engagierten HomöopathInnen, stressgeplagten Kollektiv-SchreinerInnen und ausgepowerten SozialarbeiterInnen. Ausgezeichnet sind jene potentiell Mobilisierungsfähigen - jedenfalls laut Definition, welche aus dem Behle-Papier stammt - durch die Eigenschaft, irgendwie links und deshalb empfänglich für linksradikale Standpunkte zu sein, politisches Engagement jedoch nicht - oder nicht mehr - auf die Reihe zu kriegen. Zum entfernten Nahumfeld gehören aber auch junge Jusos, Grüne sowie Ökologie- und Friedensbewegte, Jung-Feministinnen, Gewaltfreie, Totalverweigerer, etc., also solche Leute jüngeren Alters, die bereits politisch aktiv geworden sind, hinsichtlich deren politscher Identität aber noch alles offen ist.

Nachdem mittlerweile klar geworden sein dürfte, inwieweit aus unserer Sicht Aufklärung lediglich in einem sehr spezifischen Sinne erfolgversprechend ist und folglich auch nicht zur allgemeinen Zielsetzung öffentlich ausgerichteter Aktionen erklärt werden sollte, möchten wir jetzt umgekehrt vorgehen und die Zielsetzung unserer beiden Aktionen positiv bestimmen: Knapp gesagt ist es uns - zumindestens vordergründig - darum gegangen, gesellschaftlich-diskursive Auseinandersetzungen mit-anzuzetteln, d.h. also das öffentliche Streitgespräch darüber zu entfachen bzw. anzufeuern, was es mit Nationalismus und Rassismus auf sich hat, oder näherhin: aus welchen Struktur-Elementen sich Nationalismus und Rasissmus zusammensetzen, wie sie mit anderen Macht- und Herrschaftsverhältnissen verwoben sind, auf welche je spezifische Weise die gesellschaftlichen AkteurInnen in all dies verstrickt sind, etc.? (Für die KopfrockerInnen-Fraktion sei noch angemerkt, daß die Begrifflichkeit des Diskurses, so wie sie im Folgenden Verwendung findet, nicht in eins mit derjenigen gesetzt werden sollte, wie sie gemeinhin - unter Rückgriff auf Foucault - verstanden wird, und das deshalb, weil Gegen-Diskurse (samt der durch sie entfachten Debatten) einen relativ niedrigen Institutionalisierungs- und Verbreitungsgrad aufweisen und es folglich auch nicht vermögen, produktive Machteffekte hervorzubringen.)
Solche gesellschaftlich-diskursiven Auseinandersetzungen anzuzetteln, ist unterdessen alles andere als einfach, insbesondere in Zeiten wie den gegenwärtigen, in welchen die rassistischen sowie nationalistischen Strukturen und Verhältnisse derartig hegemonial sind - d.h. derartig Oberwasser haben -, daß sie noch nicht einmal Gegenstand alltäglicher Gespräche sind, geschweige denn öffentlicher Debatten. Damit es trotzdem zum öffentlichen Schlagabtausch kommt, ist es demnach erforderlich, mittels hierfür geeigneter Maßnahmen Diskurse bzw. Kommunikationskorridore durch das gesellschaftliche Kommunikations-Gefüge zu spannen. Denn im Kern bedeutet gesellschaftlich-diskursive Auseinandersetzung nichts anderes als Kommunikation: mündliche genauso wie schriftliche, visuelle oder akkustische Kommunikation. Denn nur dort, wo überhaupt gesellschaftliche AkteurInnen untereinander kommunizieren, ist es möglich, daß verschiedenartige Standpunkte und Wahrnehmungen sichtbar werden und es somit zur konflikthaft gestrickten Rede sowie Widerrede kommt - sei es zu Hause oder sei es auf der Straße, beim Sport, in der Schule, bei der Arbeit, im Stadtparlament, etc. .
Welches sind aber die Maßnahmen, mittels derer das Interesse und die Aufmerksamkeit der gesellschaftlichen AkteurInnen so gebannt werden kann, daß diese das Bedürfnis herausbilden, untereinander zu kommunizieren und auf diese Weise zu Mit-GestalterInnen von Diskursen bzw. Kommunikationskorridoren zu werden? Hierzu bedarf es in unseren Augen etwas Außergewöhnliches, d.h. etwas Irritierendes, Unerwartetes, Erheiterndes, Empörendes, Aufsehenerregendes, etc.. Denn das ist der Stoff, welcher die Leute interessiert & neugierig oder auch aufgeschreckt & zornig werden läßt, welcher also unmittelbare bzw. persönliche Betroffenheit herstellt und folglich nicht nur eigene Kommunikationsbedürftigkeit stiftet, sondern auch diejenige der NachbarInnen, FreundInnen, Arbeits- bzw. SchulkollegInnen, der Lokal-Medien, der Lokal-Politik, etc. Genau dieses quantitative Wachstum der Kommunikationsbedürftigen ist indessen gut so, entstehen doch Kommunikationskorridore letztlich erst dadurch, daß immer mehr Menschen in das Gravitationsfeld eines sich herausbildenden Kommunikationskorridores geraten; denn nur dort - und das ist wichtig! - , wo die TeilnehmerInnenzahl eines Kommunikationskorridores wächst, wächst auch die Wahrscheinlichkeit, daß um so verschiedenartigere bzw. gegenläufigere Meinungen abgegeben werden - jedenfalls in einer Gesellschaft wie der unsrigen, in welcher es neben einerseits entferntem Nahumfeld sowie andererseits großem “Rest” auch noch PDS-lerInnen, linke SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen, Grüne, Bürger- und MenschenrechtlerInnen, NGO-Fuzzis, kritische JournalistInnen, engagierte ChristInnen, linksintellektuelle BürgerInnen, 68-er LehrerInnen, kritisch-linke WissenschaftlerInnen, humanistisch gesonnene KünstlerInnen, PsychotherapeutInnen, Alternativ-MedizinerInnen, menschenfreundliche SozialpädagogInnen, etc. gibt, d.h. solche Menschen, welche zwar nichts mit unseren linksradikalen Anliegen am Hut haben, trotzdem aber dagegenhalten bzw. einschreiten - und sich so zu TeilnehmerInnen eines Kommunikationskorridores machen -, wenn in ihrer Reichweite im Tenor des gesellschaftlichen Mainstreams gehetzt, gezetert und gepoltert wird. (Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur, daß es nicht zuletzt PDS-lerInnen gewesen sind, welche sich in die anfänglichen Platzauseinandersetzungen vermittelnd eingeschaltet haben.)
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen dürfte es nunmehr nachvollziehbar sein, weshalb wir das Chaotisierende (Supermarkt) sowie Grenzverletzende (Gärten) lediglich als kommunikationsstiftende Maßnahmen begriffen haben, d.h. als Maßnahmen, die darauf angelegt gewesen sind, einerseits durch je eigentümliche Außergewöhnlichkeit die Aufmerksamkeit der unmittelbar Aktions-Betroffenen in kommunikationsmotivierender Weise in den Bann zu schlagen, andereseits aber auch - deshalb die Flugblätter - keinen Zweifel am politischen Grundgehalt der Angelegenheit zu lassen und es somit den frisch Kommunikationsmotivierten zu gestatten, die jeweilige Aktion mit all den anderen Kommunikationskorridoren kurzzuschließen, die sich in Zittau rund um's Grenzcamp herausgebildet hatten. Just in diesem Sinne ist im übrigen auch die z.T. groteske Aufmachung unserer Flugblätter einzuordnen: Zum einen wollten wir auf diese Weise (abermals) den persönlichen Reizungslevel der Aktions-Betroffenen hochsetzen, zum anderen aber auch ein allzu schnelles Auf-Die-Seite-Legen der Flugblätter verhindern; denn nur im Eigentümlich-Sperrigen ist unseres Erachtens die Chance begründet, daß ein Flugblatt - wenn schon nichts anderes hängenbleibt - wenigstens das Etikett politischer Verrücktheit aufgedrückt bekommt, was aus noch zu erläuternden Gründen nicht die schlechteste Etikettierung ist, welche ein Flugblatt (samt dazugehöriger Aktion) innerhalb eines Kommunikationskorridores verpaßt bekommen kann.

Vorausgesetzt, unsere Strategie der Kommunikationsstiftung klappt tatsächlich, stellt sich jetzt natürlich die Frage, wofür es überhaupt gut sein soll, das Kommunikations-Gefüge einer Stadt mit lauter Kommunikationskorridoren zu durchziehen und dadurch öffentlich ausgefochtenen Streit vom Zaun zu brechen? An dieser Stelle schlägt endlich das Stündlein des weiter oben als aufklärbar bezeichneten entfernten Nahumfeldes: Denn um dessen AkteurInnen wirklich zu erreichen, ist umfassende Präsenz erforderlich; herzustellen ist diese allerdings nicht durch persönliche Vertreterbesuche an der Haustür, sondern vielmehr dadurch, daß es gelingt, innerhalb der Öffentlichkeit in greifbarer , handlungsmächtiger und unübersehbar Manier anwesend zu sein. Ist dies nämlich der Fall, kann es deshalb zu Aufklärungs- und somit Mobilisierungsprozessen kommen, weil sich ja das entfernte Nahumfeld gerade dadurch auszeichnet, interessiert und empfänglich für linksradikale Inhalte und Praktiken zu sein, allerdings konkreter Anknüpfungspunkte bzw. Ermunterungen zu bedürfen, um das, was irgendwie schon da ist, tatsächlich Wirklichkeit werden zu lassen. (Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch daran, daß politische Argumente nur unter der Bedingung handlungsstimulierend wirken, daß sie mit einem praktischen und konkreten Handlungsvorbild einhergehen, welches überdies nachahmbar erscheint!) Der politische Wert solcher Aufklärungs- und Mobilisierungserfolge ist aber - Achtung, das ist der eigentliche Clou! -, daß wir auf diese Weise unser linksradikales Mehr-Werden organisieren können, was letztlich Voraussetzung dafür ist, nicht nur kleine, sondern auch große Gesellschaftsveränderungen in die Wege leiten zu können.
Zusammengefaßt heißt dies also, daß unsere beiden Aktionen nur vordergründig im Dienste des Aufbaus gesellschaftlicher Kommunikationskorridore gestanden haben, tatsächlich aber der Gewinnung neuer MitstreiterInnen dienlich gewesen sind bzw. sein sollten. Oder knapper noch: Angesprochen ist zwar die allgemeine Öffentlichkeit gewesen, gemeint allerdings nur spezifische Segmente innerhalb dieser, was es seinerseits wiederum verständlich machen dürfte, inwieweit das Etikett politischer Verücktheit nicht das schlechteste ist; denn anders als die allgemeine Öffentlichkeit fühlt sich das entfernte Nahumfeld durch derartig Ver-rücktes eher angezogen als abgestoßen!
Wie unschwer zu erkennen ist, steckt in dieser Argumentation deutliche Kritik an einer der heiligsten Dogmen autonomer Politik, nämlich daran, daß jede Aktion aus sich selbst heraus vermittelbar, d.h. verstehbar sein müsse; welche so denken, verkennen nämlich Dreierlei:
· .erstens, daß das, was einer/m selbst völlig durchsichtig und zwingend zu sein scheint, für andere nichts als krudes und gefährliches Kauderwelsch ist bzw. sein kann;
· .zweitens, daß Verstehbarkeit als solche irrelevant ist, es sei denn, sie geht mit dem andersweitig hervorzukitzelnden Impuls einher, über das jeweils Verstandene kommunizieren zu wollen;
· .drittens, daß es oftmals gerade anfängliche Nicht-Verstehbarkeit ist, aus welcher im weiteren Verlauf Verständnis erwachsen kann, sei es über den von Kommunikationsguerilleras/os beschrittenen Weg, oder sei es über die von uns favorisierte Schiene, wonach eine Aktion über den Umweg des Kommunikationskorridores bei anderen Menschen als den eigentlich Aktions-Betroffenn aufklärungs- und mobilisierungswirksam werden kann.
Aus dieser Kritik am autonomen bzw. linksradikalen Verstehbarkeits-Dogma folgt indessen, daß etwaiger Aktionserfolg nicht an Verstehbarkeits-Kriterien ablesbar ist, sondern vielmehr an solchen Kriterien, die darüber Auskunft geben, inwieweit es mittels entsprechender Aktionen tatsächlich gelungen ist, gesellschaftlich-diskursive Auseinandersetzungen anzuzetteln; konkret geht es uns hierbei um die folgenden vier Kriterien:

  1. Peppigkeits-Kriterium: gemeint ist, ob eine Aktion außergewöhnlich genug dafür ist, Kommunikationsimpulse zu setzen; unstrittig sollte hierbei sein, daß Peppigkeit nicht mit Raffiniertheit & Schönheit in eins gesetzt werden kann; so ist es z. B. ungleich stumpfer, nicht aber weniger peppig, Chaos im Supermarkt zu veranstalten - ohne daß dieses in einem erkennbaren Zusammenhang mit den Inhalten des dazugehörigen Flugblattes steht - , als es das Überschreiten privater Gartengrenzen ist, bei welchem ja praktische Handlungs-Form sowie politischer Inhalt inneinander aufgegangen und dadurch in ein wechselseitiges Plausibilisierungsverhältnis eingetreten sind. (In diesem Sinne dürfte wohl die samstägliche Festungs-Europa-Aktion die raffinierteste und schönste Aktion des gesamten Camps gewesen sein.)
  2. Rahmbarkeits-Kriterium: gemeint ist, daß sich bei jeder Aktion um deren jeweilige Erkennbarkeit und somit Rahmbarkeit bemüht werden sollte, z.B. durch die begleitende oder nachträgliche Verbreitung von Flugblättern, Plakaten, Spuckis, Briefen, etc. Ist dies nicht der Fall, ist es nämlich eher unwahrscheinlich, daß sich rund um eine Aktion ein politisch motivierter Kommunikationskorridor entspinnt, es sei denn - und diese Situation hat das Zittauer Grenzcamp ausgezeichnet - es zirkulieren bereits zahlreiche, thematisch ähnlich ausgerichtete Kommunikationskorridore, so daß nahezu jede Aktion sofort in den Sog einer bzw. mehrerer dieser Kommunikationskorridore gerät und somit politisch-kommunikative Bearbeitung erfährt. (Erinnert sei diesbezüglich nur daran, daß sowohl im Supermarkt als auch in den Gärten die unmittelbar Aktions-Betroffenen sofort erkannt hatten - auch ohne Flugblattlektüre - , wohin der Hase läuft.)
  3. Griffigkeits-Kriterium: Jede Aktion bzw. Kampagne sollte auf der Ebene inhaltlicher Selbstpräsentation so angelegt sein, daß sie in ihrem Anliegen klar und deutlich griffig ist, und zwar deshalb, weil andernfalls das Kommunikationskorridor-Gespräch allzu ausufernd und somit beliebig zu werden droht. (Achtung: Das Griffigkeits-Kriterium sollte auf keinen Fall mit Plumpheit bzw. Simplizität verwechselt werden!)
  4. Dosierungs-Kriterium: Hinsichtlich ihres Außergewöhnlichkeits-Gehaltes sollte bei jeder Aktion auf ihre jeweilige Wohldosiertheit geachtet werden, droht doch andernfalls die Stimmung innerhalb der Kommunikationskorridore negativ umzukippen - und das mit der Konsequenz, daß die eigentlich entfachte Stimmung nicht mehr als positiver Bezugspunkt für das entfernte Nahumfeld geeignet ist; in Zittau dürfte dies z.B. dann der Fall gewesen sein, wären die Autos meherer CDU-Stadtrat-Abgeordneten niedergebrannt worden.
Wir möchten jetzt noch auf die Frage eingehen, in welchem Verhältnis die Supermarkt- sowie Garten-Aktion zu anderen, eher klassisch-aufklärerisch ausgerichteten Aktionen stehen. In unseren Augen sind solcherlei Klassiker wie z.B. Demos, Camp-Zeitung-Verteilerei oder Blockaden absolut unentbehrlich, und das v.a. deshalb, weil gerade PDS-lerInnen, linke SozialdemokratInnen, MenschenrechtlerInnen, 68-er LehrerInnen, etc - also diejenigen, welche innerhalb der Kommunikationskorridore (zusammen mit uns) für Widerspruch sorgen - den Eindruck haben sollten, daß im Rahmen einer Kampagne auch solche Aktionen erfolgen, welche gemäß ihres eigenen Verständnisses legitim und sinnvoll sind, droht doch andernfalls “unseren” bürgerlichen Widerspruchs-Geistern die Lust zu vergehen, sich in erwünschter Weise in’s kommunikative Zeug zu werfen. Anders formuliert heißt das also, daß es absolut verheerend gewesen wäre, hätte sich das Grenzcamp aus lauter Garten- und Supermarkt-Aktionen zusammengesetzt. Erforderlich ist stattdessen der tatsächlich erfolgte Aktionsmix gewesen, welcher überdies auch deshalb hilfreich gewesen ist, weil er gerade bei besagten Widerspruchsgeistern aus dem kritischen BürgerInnentum die Neigung wachgekitzelt hat, sich besonders inbrünstig & vehement zugunsten der von ihm für sinnvoll und legitim befundenen Aktionen (samt ihrer Inhalte!) stark zu machen, und zwar inbrünstiger & vehementer, als dies der Fall gewesen wäre, hätten wir uns ausschliesslich auf den im kritisch-bürgerlichen Wertehorizont für gut und rein befunden Aktionstypus beschränkt. (Paradebeispiel hierfür ist der ältere, mehrmals auf dem Camp aufgelaufene PDS-Professor gewesen, welcher in der Zittauer Öffentlichkeit v. a. darauf bedacht gewesen ist, die edlen Inhalte und Anliegen des Camps gegenüber den vorgeblich verruchten Taten einiger weniger in Schutz zu nehmen.) Schliesslich sollte aber auch nicht vergessen werden, daß sich das entfernte Nahumfeld aus einer Vielzahl solcher, v.a. jüngerer Menschen zusammensetzt, welche insbesondere auf aufklärerisch-phantasievolle Aktionen “abfahren” wie z.B. das Würfelspiel auf dem Marktplatz oder den RäuberInnenüberfall auf die Schmalspurbahn; insofern sollten auch deshalb derartige Aktionen auf gar keinen Fall fehlen!
Insgesamt folgt hieraus, daß sich unseres Erachtens sämtliche AktivistInnen eines Camps - jedenfalls der politisch-theoretischen Idee nach - gleichermaßen für das Zustandekommen eines Konzertes unterschiedlicter Aktionstypen verantwortlich fühlen sollten, um auf diese Weise die je spezifischen Effekte der je einzelnen Aktionstypen zugunsten eines um so größeren Gesamteffektes fruchtbar zu machen (welcher sich gemäß der Devise verhält, daß das Ganze mehr ist als die Summe seiner Einzelteile ). Was demnach fehl am Platze ist, ist der Glaube, daß nur deshalb, weil auf einer Aktion ‘Aufklärung’ draufsteht, auch tatsächlich ‘Aufklärung’ drin ist; dies anzunehmen wäre naiv! Vielmehr muß - aus politisch-theoretischen Erwägungen heraus - immer wieder so getan werden, als ob es wirklich um Aufklärung ginge, auch wenn umgekehrt von vorneherein feststeht, daß derartiges Aufklärungsansinnen mit großer Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt ist, so wie auf der anderen Seite ebenfalls miteingerechnet werden sollte, daß nicht überall dort, wo etwas als Provokation daherkommt, dies am Ende des kommunikativen Tages der einzige Effekt einer je entsprechenden Aktion bleiben muß!

Und die Bilanz...

Es bleibt die Frage, wie wir unsere beiden Aktionen bilanzieren, sowohl auf der Ebene ihrer technisch-praktischen Durchführung als auch auf derjenigen ihrer politisch-strategischen Effekte?
  1. Technisch-praktisch sind beide Aktionen Erstlingswerke gewesen und folglich auch verbesserbar: Bei der Garten-Aktion hätte mit mehr Nachdruck für die Herausbildung kommunikativer Korridore gesorgt werden können, z.B. dadurch, daß den Betroffenen einige Tage später - ebenfalls als Kommunikationsstimulus - ein äußerst vernünftelnd abgefasster Aufklärungsbrief zugeschickt worden wäre oder dadurch, daß während der Aktion auch in den umliegenden Strassen Flugblätter verteilt oder Spuckis verklebt worden wären, oder dadurch, daß - was wesentlich mehr Leute vorausgesetzt hätte - eine entsprechende Aktion zeitgleich an mehrer Orten erfolgt wäre, usw. usf. Ähnliches gilt auch für den Supermarkt; denn auch dort hätte das Ganze wesentlich nachhaltiger gestaltet sein können, hätten mehr Flugis verteilt werden müssen, hätten spektakuläre Transpi-Aktionen durchgeführt oder Waren mit antirassistischen Aufklebern bestückt werden können; und auch wäre es überlegenswert gewesen - allerdings in stärkerer Besetzung - , ein demonstratives eat-, consum- oder steal-in zu veranstalten.
  2. Politisch-strategisch dürfte unseren beiden Aktionen der gleiche Makel angehaftet haben wie allen anderen Camp-Aktionen auch: Damit es tatsächlich zu den von uns anvisierten Aufklärungs- und Mobilisierungserfolgen innerhalb des entfernten Nahumfeldes kommt, genügt es nämlich keinesfalls, sich lediglich mit der Ankurbelung kommunikativer Korridore, d.h. also öffentlich ausgefochtener Streits zu begnügen; vielmehr bedarf es überdies gezielter Kontaktaufnahmen mit dem entfernten Nahumfeld, bleibt doch andernfalls die Kontakthürde einfach zu groß.
In diesem Sinne sollten bei einem etwaig nächsten Camp von vorneherein Kontakte gerade mit solchen Gruppen aufgebaut werden, die politisch allenfalls lose engagiert, trotzdem aber für unsere Inhalte empfänglich sind. Konkret bedeutet dies, eben nicht nur etablierte Vereine wie Jung-PDS-lerInnen, Grüne, Jusos, JunggewerkschaftlerInnen, etc. anzusprechen, sondern auch SchülerInnen-Gruppen, PfadfinderInnen, Jugendumweltschutzgruppen, Jugendhaus-HäuslerInnen, Einzelpersonen, etc; und auch bedeutet dies, (1.) während eines Camps niedrigschwellige Aktionen wie z.B. Demos nicht nur camp-intern, sondern auch öffentlich und offensiv anzukündigen, (2.) gemeinsam mit dem entfernten Nahumfeld Aktionen vorzubereiten sowie (3.) - last but not least - nahumfleld-gezielt für inhaltliche Veranstaltungen zu werben. Letzteres ist vor allem unter Aufklärungsgesichtspunkten wichtig; denn selbst intelligent aufgemachte Aktionen sind in inhaltlicher Hinsicht nahezu zwangsläufig unzulänglich und somit simplifizierend, sind also nur unter der Bedingung sinnvoll, daß sie als interessefördernde Plattformen fungieren, auf daß anderswo, d.h. im Rahmen hierfür geeigneter Veranstaltungen die jeweils anstehenden Themen und Inhalte ernsthaft diskutiert werden können. Ob und inwieweit allerdings mit derartigen, bereits im Vorfeld angeleierten Kontaktanbahnungnen das weitaus größere Manko wettgemacht werden kann - daß wir nämlich gerade mal zehn Tage vor Ort sind -, das scheint uns alles andere als ausgemacht zu sein. Denn letzlich dürfte selbst der beste Impuls verschütt gehen, solange kein geeigneter Rahmen verfügbar ist, mit diesem irgendetwas Weiterführendes anzustellen. In diesem Sinne sollte nicht nur über Techniken der Kontaktanbahnung nachgedacht werden, sondern auch über solche der langfristigen Infrastruktur-Aufbauhilfe.

Einige des Garten- und Supermarkt-Guerilleras/os

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