Abschiebung mit 0,66 DM nach Pakistan
Nach einem Monat Abschiebehaft wurde Ghulam nach Pakistan abgeschoben. Es nützte ihm nichts mehr, daß seine Haftbeschwerde einen Tag nach der Abschiebung vom Landgericht „erfolgreich“ beschieden wurde; die Inhaftierung war damit von vornherein unberechtigt, und er wäre dann sofort freigekommen.
Er teilte Bekannten in Deutschland mit, daß er große Probleme gehabt hat, um vom Flughafen in seinen weit entfernten Heimatort zu kommen.
Von der Gefängnisleitung erfuhren wir, daß er im Gefängnis vor der Abschiebung sein Guthaben in Höhe von 0,66 DM ausgezahlt bekam.
Das sächsische Justizministerium erklärte auf Anfrage, daß die deutschen Behörden keine Verantwortung für die Weiterreise im Land haben. Es verweist auf die Zuständigkeit der pakistanischen Behörden, die aber keine Hilfe leisten.
15 Minuten Anhörung reichten, um Abschiebehaft zu verhängen,
4,5 Monate vergingen, bis der Haftbeschluß aufgehoben wurde
Der lange Weg durch die Instanzen:
Am 15.08 wurde vom Amtsgericht Abschiebehaft gegen Vladimir verhängt.
Am 16.08. wurde von uns Beschwerde für ihn eingelegt.
Am 09.09.97 ging dem Gefangenen die Zurückweisung der Beschwerde ein, ohne eine Anhörung durchgeführt zu haben.
Am 07.10.97 wurde uns eine Durchschrift des Gerichtsbeschlusses vom Landgericht ausgehändigt.
Am 08.10.97 legten wir für ihn sofortige weitere Beschwerde beim Oberlandesgericht Dresden ein.
Am 03.12. ging bei uns der Beschluß vom 18.11. des Oberlandesgerichts Dresden ein, wonach der Beschwerde stattgegeben wurde und das Landgericht zu einer erneuten Prüfung aufgefordert wurde: Weder das Land- noch das Amtsgericht hatten geprüft, ob die schweren Verletzungen von Vladimir ein Untertauchen überhaupt befürchten lassen.
Am 31.12.97 ging bei uns die Mitteilung ein, daß die Ausländerbehörde den Haftantrag zurücknahm. Somit brauchte das Landgericht über den Haftbeschluß nicht mehr entscheiden.
In der Regel ist für einen Abschiebehäftling der Weg durch die Instanzen nicht möglich, da er vorher abgeschoben wird oder sich der Haftbeschluß durch einen Haftverlängerungsbeschluß erledigt hat. Hier war der Instanzenweg nur deshalb möglich, weil Vladimir in Untersuchungshaft saß und die Abschiebehaft als „Überhaft“ angeordnet wurde, das heißt die Abschiebehaft beginnt mit Ende der Untersuchungshaft, unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens.
Pro Tag Abschiebehaft 160 DM:
Wie die Ausländerbehörde durch Abschiebehaftkosten ein Zusammenleben in der Ehe verhindern kann
Mike und Ingrid kennen sich über ein Jahr und wollen heiraten. Mike ist Asylbewerber; er kommt aus einem westafrikanischen Land. Eine Eheschließung in Deutschland ist für ihn mit immensen Schwierigkeiten verbunden. Er benötigt eine Reihe von Unterlagen, z.B. eine von der deutschen Botschaft seines Heimatlandes beglaubigte Ledigkeitsbescheinigung. So etwas ist schwer zu bekommen, kostet viel und dauert lange.
Weil die bürokratischen Hindernisse in den Niederlanden nicht ganz so groß sind, planen sie, dort zu heiraten.
An der deutsch-niederländischen Grenze stellten Beamten fest, daß Mike unter einer falschen Identität reist. Er wird festgenommen, 6 Monate Abschiebehaft werden gegen ihn verhängt. Danach wird er nach Leipzig transportiert. Kurz vor Ende der 6 Monate wurde Mike abgeschoben.
Versuche, vor der Abschiebung in Deutschland zu heiraten, scheiterten u.a. daran, daß die deutsche Botschaft in dieser Zeit die Heiratsunterlagen nicht beglaubigte.
Ingrid flog kurze Zeit nach der Abschiebung in Mikes Heimatland. Dort heirateten sie.
Der Antrag auf Wiedereinreise „zum Zwecke der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft“ wird von der Ausländerbehörde davon abhängig gemacht, daß die Abschiebekosten vorher gezahlt werden. Pro Tag Abschiebehaft wurden ca. 160 DM in Rechnung gestellt, plus Flug und Verwaltungsgebühren insgesamt ca. 28.000 DM. Nun kann Ingrid diesen Betrag nicht sofort aufbringen. Sie hat ihr Studium unterbrochen und arbeitet, um das Geld zusammenzubekommen. Sie wird noch sehr lange arbeiten müssen, bis beide wieder zusammenleben dürfen und eine normale Ehe führen können.
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Abschiebehaft, weil Patrick beim Abschiebeversuch ohne den Großteil seiner Habe Widerstand geleistet hat
Im Mai 97 sollte Patrick aus der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Leipzig nach Ghana abgeschoben werden. Morgens um 7.30 Uhr kamen unangekündigt vier Polizisten in sein Zimmer. Sie sagten ihm lediglich, er solle mitkommen und sich beeilen. Von einer Abschiebung war nicht die Rede. Ihm wurde keine Zeit eingeräumt, seine Habe zusammenzupacken.
Erst auf dem Flughafen bemerkte er, daß er abgeschoben werden sollte. Er wehrte sich, da er fast nichts von seinem Gepäck dabei hatte. Daraufhin kam er für 2 Monate in Abschiebehaft.
Die Habe war im Keller der Erstaufnahmeeinrichtung verwahrt und wurde durch uns in das Gefängnis gebracht.
Wie langsames Arbeiten der Ausländerbehörde die Abschiebehaftzeit ausdehnen kann und wie wenig man dagegen vor Gericht bewirken kann
Nach 2 Monaten Abschiebehaft will die Ausländerbehörde die Abschiebehaftzeit von Sabit aus Mazedonien um 6 Wochen verlängern. Nach kurzer Anhörung wird dem Antrag vom Amtsgericht stattgegeben, obwohl sich aus dem Antrag ergab, daß sich die Ausländerbehörde für die Vorbereitung der Abschiebung viel Zeit gelassen hat: Die Paßersatzdokumente wurden von der Ausländerbehörde erst nach 5 Wochen Abschiebehaft bei der mazedonischen Botschaft angefordert (35 Tage x 160 DM/Tag = 5.600 DM angefallene Abschiebehaftkosten bis zu diesem Zeitpunkt). Der Richter vertrat in seinem Beschluß sogar die Auffassung, daß „das Verfahren von der Ausländerbehörde ... mit der notwendigen Beschleunigung geführt wurde.“
3 Tage später wurde Beschwerde eingelegt, u.a. mit Bezug auf die folgende Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main vom 5.7.95: „Nach Auffassung des Senats ist die Ausländerbehörde dazu verpflichtet, einen Ausländer, den sie abschieben will, unverzüglich nach dessen Inhaftierung - bei Sprachproblemen mit einem Dolmetscher - in der Justizvollzugsanstalt aufzusuchen, um gemeinsam mit dem Ausländer die Paßantragsformulare auszufüllen. Wenn die Ausländerbehörde dazu nicht in der Lage ist, ... darf sie keine Abschiebehaftantrag stellen oder aufrechterhalten.“
Das Landgericht legte für 2 Tage vor Ende der Abschiebehaftzeit (!) einen Anhörungstermin fest. Kurz vor dem Termin gelang der Behörde dann die Abschiebung, so daß sich die Anhörung und die Beschwerde für das Landgericht erledigt hatten.
Odyssee durch deutsche Gefängnisse
David wurde bei seinem Einreiseversuch nach Tschechien in Zinnwald wegen eines gefälschten Passes festgenommen und kam in Abschiebehaft.
Nachdem David 7 Monate in Leipzig in Abschiebehaft saß, sollte er ins Gefängnis nach Düsseldorf transportiert werden, da die dortige Ausländerbehörde für ihn zuständig sei und die sächsische Behörde ihre Amtshilfe einstellen wollte.
4 Wochen nach seiner Abfahrt kam er wieder nach Leipzig zurück. In Düsseldorf war er nie angekommen. Von Leipzig über Chemnitz, Gera, Kassel und Mainz wurde er auf dem gleichen Weg wieder zurückgeschickt. In jedem Gefängnis, außer in Mainz, saß er 3 - 7 Tage ein. Widerstand hat er keinen geleistet. Niemand konnte oder wollte ihm erklären, warum er wieder zurückgeschickt wurde. Wir haben nur in Erfahrung bringen können, daß aus formalen Gründen die Mainzer Haftanstalt ihn nicht haben wollte und ihn deshalb wieder zurückgeschickt hat. Der vierwöchige Transport war für David sehr belastend, zumal er kurz vorher 6 Wochen im Krankenhaus gelegen hat.
In einem zweiten Versuch ging es schneller: Innerhalb eines Tages ist David nach Düsseldorf transportiert worden. Aufgrund einer Entscheidung des dortigen Verwaltungsgerichts wurde er wenig später aus der Haft entlassen.
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