Flucht und Asyl, Nr. 4, Mai 1996
Sinnvoll, doch erfolglos?
Zur Arbeit der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in der Abschiebehaft
Schon in den letzten beiden Nummern unseres Infoblattes konnten wir über die Arbeit der Gruppe Abschiebehaft des Flüchtlingsrates Leipzig berichten, sie besteht inzwischen länger als ein halbes Jahr.
Grund für die Entstehung dieser Gruppe war die Wahrnehmung eines Skandals: Da gibt es Menschen, die den Freitod ihrem Abgeschobenwerden in ein als sicher eingestuftes Land vorziehen; da gibt es Menschen, die sich lieber selbst verstümmeln, als daß sie in ihre gefährliche Heimat zurückkehren wollen. Aus dieser emotionalen Betroffenheit heraus haben sich - meist junge Menschen - die Aufgabe gestellt, Abschiebehäftlingen in Leipzig beizustehen.
Die Form, in der das geschehen kann, ist teils durch Gesetze, teils durch Absprachen mit der Justizvollzugsanstalt vorgegeben. In beiden Leipziger JVA stehen uns regelmäßig wöchentlich zwei Stunden zur Verfügung, in denen wir mit den Abschiebehäftlingen sprechen können. Das ist zwar einesteils viel, da Abschiebungen aber sehr schnell vor sich gehen können und eine Rückkopplung mit dem Häftling auch in der Zwischenzeit nötig wäre, erscheint das "viel" manchmal als durchaus relativ.
Aus dem vorigen Beitrag geht hervor, daß sehr wohl politische Flüchtlinge in der Haft landen können, wenn der Bundesgrenzschutz ihren Asylantrag ignoriert. In solchen Fällen war die Arbeit der Gruppe Abschiebehaft durchaus schon erfolgreich. Wenn ein Flüchtling, der sich trotz Asylantragstellung noch in Haft befand, durch das Bemühen von Helfern der Gruppe freikommen konnte, wurde der Sinn dieser Arbeit offensichtlich.
In sehr vielen Fällen gibt es jedoch keinerlei sichtbaren Erfolg, und die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer machen die Erfahrung, daß sie nichts mehr für den Betreffenden tun können als ihm zuzuhören. Sie sehen sich am Ende eines langen Weges von Anträgen, Klagen, Folgeanträgen, und sie können das, was vielleicht schon beim ersten Interview schief gelaufen ist, nicht dann wieder auffangen, wenn der Betreffende in Haft sitzt, um abgeschoben zu werden. Trotzdem versucht man auch dann noch, eine Petition zu schreiben, oder bei einer Übersetzung oder beim Schreiben eines Folgeantrags zu helfen. Und es kann sein, daß sich am nächsten Besuchstag zeigt: alles war zu spät; der Betreffende ist weg. Vielleicht ist er nur in ein anderes Gefängnis transportiert worden, vielleicht ist er wirklich bereits abgeschoben. Nicht immer ist das sofort genau zu erfahren. Dann bleiben nur noch die Kleinigkeiten, die man vorher für ihn tun konnte. Manchmal war es noch möglich, einen kleinen Wunsch des Abschiebegefangenen zu berücksichtigen. Einer wünschte sich eine Musikkassette, mancher etwas Kleidung, die beim Türdienst abgeliefert werden konnte.
So finden sich die ehrenamtlichen Helferlnnen nicht selten in der Rolle von Sozialarbeitern, denn in den beiden Leipziger JVA arbeiten zur Zeit bei rund 450 Gefangenen nur zwei Sozialarbeiter. Daß die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer aber der JVA die Einstellung eines weiteren Sozialarbeiters oder einer weiteren Sozialarbeiterin ersparen, das möchten sie mit ihrer Tätigkeit nun gerade nicht erreichen. Eher möchten sie mit ihrer Arbeit demonstrieren, daß sie Abschiebehaft als menschenunwürdig und menschenverachtend ablehnen. Sie scheuen nicht, um den Betroffenen ihre Situation zu erleichtem, sich auch einmal mit Behörden anzulegen.
Marianne Kurek
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