Bemerkungen zur genmanipulierten Landwirtschaft und der Erniedrigung der Arten | ||
[p. 49 - 55] Die Entrüstung über diese oder jene, oft übrigens mit verdächtiger Faszination ausgemalten, Science-Fiction-Hirngespinste klingt hohl, wenn die Realität der Verkünstlichung zu unserem täglichen Leben gehört. Hört man gewisse Gegner dieser Realität, könnte man meinen, alles hätte in den ländlichen Regionen Frankreichs zum besten gestanden, bevor man daran dachte, dort transgenetischen Mais anzubauen. Im Namen wovon jedoch könnte man sich dem Projekt widersetzen, die Natur der Natur zu modifizieren, wenn man nichts gegen die Agro-Industrie zu sagen hat, die, indem sie Pflanzen und Tiere wie Maschinen behandelte, für sich selbst ein Programm war? Marx hatte im Kapital (I, 529) angemerkt, dass »jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur (...) nicht nur ein Fortschritt in der Kunst (ist), den Arbeiter, sondern auch in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebene Zeitfrist zugleich ein Fortschritt im Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit«; das Ergebnis dieser Entwicklung besteht darin, »zugleich die Springquellen alles Reichtums« zu untergraben: »die Erde und den Arbeiter«. Und tatsächlich waren der Boden als geduldig bearbeitete lebendige Umgebung und der Bauer mit seinem traditionellen Wissen und seinem intuitiven Empirismus gerade als Quellen eines noch nicht warenförmigen Reichtums Hindernisse für die kapitalistische Entwicklung: Was die Industrialisierung der Landwirtschaft bremste, war letztendlich die Landwirtschaft selbst; die Tatsache, dass man mit der Natur rechnen musste, das heisst mit dem, was nicht exakt berechnet werden kann, und somit auch mit der Kunst, sie zu vervollkommnen, indem man ihren Wegen folgt. Einerseits an die Medizin grenzend, von einer anderen an die Architektur, war diese so vielseitige Kunst zweifellos nie vollständig verwirklicht worden und die bäuerliche Tätigkeit hatte nur »tendiert« zu jenem »heiklen Empirismus, der sich eng mit dem Objekt identifiziert und dadurch eigentlich Theorie wird«; aber in einigen Epochen und an einigen Orten hatte sie sich dem genügend angenähert, dass man darin den ersten Entwurf einer Geschichte, einer Zivilisation erkennen konnte, die sehr verschieden von dem ist, was schließlich geschah, und was ein »Denker der Technik« so beschreibt: »Der Beruf des Landwirts ist einer der modernsten geworden, im weberschen Sinn des Wortes, dem einer Herrschaft des Kalküls über die menschliche Tätigkeit. (...) Von der Zubereitung der Futterrationen für das Vieh über die eigentliche Buchführung bis zur informatisierten Verwaltung der Parzellen geschieht nichts ohne Berechnung. (...) Die Natur kann auf eine Gesamtheit unauffälliger Elemente zurückgeführt werden, die nach bestimmten Regeln kombinierbar sind, auf die man einwirken kann, um die erwünschten Resultate zu erzielen. (...)Milch ist beispielsweise kein substantielles Lebensmittel mit unmittelbar wahrnehmbaren Qualitäten mehr, sondern ein Produkt, das in verschiedene, genau überwachte Parameter aufgespalten ist. (...) Die Aktivität gründet auf der Kenntnis einer geregelten Abfolge von Phänomenen, die sich auf quantifizierte Regeln beziehen. (...) Der Platz, den heute Berechnung, im allgemeinsten Sinne formalisierten Schlussfolgerns, einnimmt, erlaubt das Verständnis realer und potenzieller Entwicklungen der Informatik in der Landwirtschaft. (...) Die Benutzung von Software-Programmen für das Füttern und die Verwaltung des Viehbestands ist bereits gang und gäbe. (...) Die Verwaltung der Gewächshäuser wird immer öfter von Computern gestützt. Die Maschine kontrolliert dann dank unterschiedlicher Arten von Messfühlern das Klima des Gewächshauses, das heisst den Grad der Sonnenbestrahlung, der Feuchtigkeit, die dort herrschende Temperatur, ebenso wie die Düngung, den jeder Pflanze eigenen Fluß von Saft, sogar den Grad von Stress. In Wirklichkeit regelt der Computer all die Faktoren im Hinblick auf das erdlose Wachstum der Pflanze in einem durch und durch künstlichen Universum.« (Dominique Bourg, L'Homme-artifice). Und all das wird wieder von einem Technikfanatiker ausgemalt, dessen Begeisterung die obligate Feststellung der »Umweltbelastungen« keineswegs dämpft, da man ja ganz im Gegenteil die Verkünstlichung weiter treiben muss, um mit ihnen fertig zu werden (»Die in großem Maßstab betriebene ökologische Landwirtschaft wird nicht weniger wissenschaftlich und technisch sein, aber sie wird es anders sein, in Wirklichkeit rationeller.«). Sicher wäre »die Erforschung einer größeren Geschmacks-, Ernährungs- und Gesundheitsqualität der Produkte ebenso wie die Sorge um die Umwelt« auf ideale Weise, wenn man das mal so sagen darf, sehr gut mit einer Agro-Industrie verträglich, die sich endgültig von den irdischen Realitäten freigemacht hat und beispielsweise Nahrungsmittel nach biologischen Normen mittels Gewebekulturen in gigantischen Fermentoren herstellen, die durch Windräder mit Energie versorgt werden. Aber solche dummen und finsteren Projektionen, die in Wirklichkeit so altbacken sind, dass bereits ein Science-Fiction-Roman in den fünfziger Jahren sie satirisch behandelt hat, zeigen einzig und allein, zu welcher Art von Träumen die Industriegesellschaft heruntergekommen ist, aus der Tiefe der Mülltonne, in die sie die Erde verwandelt hat. Dass die industrialisierte Landwirtschaft, weit davon entfernt, die Humanisierung der Natur zu vollenden, vielmehr deren Ende ist, davon wird sich jedes Individuum, das imstande ist, die Dinge mit eigenen Augen zu sehen, mit einem einfachen Blick auf einen dieser Schuppen überzeugen, in denen ein Verwaltungscomputer Hunderten von Mutterschweinen ihre Futterrationen mit den Medikamenten zuteilt, die ihre Krankheit bis zum Schlachten verlängern, entsprechend »personalisierten« Daten, die von dem »Clip« stammen, den jedes Tier im Ohr trägt; während ringsum, damit das Sehvermögen nicht der einzige beanspruchte Sinn bleibt, auf Hunderten von Hektaren der Boden nur noch dazu dient, die reichlich vorhandene Jauche der Tiere aufzunehmen (zweihunderttausend Kubikmeter täglich allein in der Bretagne). Diese »HighTech«-Kapsel, die auf einem Ozean von Exkrementen schwimmt, resümiert alleine schon die drastische Verarmung, die die technische Rationalisierung mit sich bringt: Wenn man in den Landschaften der dreissiger Jahre noch, wie Gaston Roupnel in seiner Histoire de la campagne francaise oder Roger Dion in seinem Essai sur la formation du paysage rural francais, in den Spuren der verschiedener bäuerlicher Tätigkeiten die lange Geschichte der menschliche Aneignung und der Anreicherung der Natur, kurz eine alte, von Freundschaft geprägte Vergangenheit entdecken konnte, was kann man in der jeder menschlichen Präsenz baren, von den Berechnungen der ökonomischen Produktivität umgemodelten Landschaft lesen, in diesen der Monokultur und der Mechanisierung preisgegebenen Flächen, außer einer verwüsteten und feindlichen Zukunft, die tatsächlich schon da ist? Denn wenn man diesem Tableau einige entfernte und unterschwellige Auswirkungen der agro-chemischen Industrie hinzufügt und sie mit anderen Resultaten dieser Produktionsweise kombiniert (Anstieg der Durchschnittstemperatur bei gleichzeitiger Erhöhung der Extreme, verändertes Niederschlagssystem, Waldsterben, Absenkung des Grundwasserspiegels, tropische Epiphyten in gemäßigten Klimazonen, zerstörerische pflanzliche Aliens mit hoher Vermehrungsrate, durch Eutrophierung erstickte Flüsse und Küsten, Erschöpfung der Fischgründe, drastische Abnahme der Biodiversität, mit Schwermetallen verseuchte Ackerböden, etc.), erhält man etwas, was ziemlich genau Lebensbedingungen auf einem anderen Planeten entspricht; genau die, auf die uns vorzubereiten die Genetiker sich anheischig machen, indem sie nach Bedarf unsere genetische Zusammensetzung modifizieren: »In einem Jahrhundert werden wir 15 oder 20 Gene kennen, was dem Menschen erlauben wird, seine Intelligenz zu verbessern, bemerkt Leroy Hood, Pionier des Projekts menschliches Genom, und wir werden sie unseren Kindern weitergeben können. Hood, Inhaber einer von Bill Gates, dem Chef von Microsoft, gegründeten Lehrstuhls, mit dem er gleichermaßen in einem Biotechnologie-Unternehmen zusammenarbeitet, hat keine Skrupel im Hinblick auf alles, was das menschliche Erbgut und die Vererbung verbessern kann. Welche anderen Eigenschaften könnte man entwickeln? Wenn man Menschen auf andere Planeten schickt, stellt sich Hood vor, könnt man sie umgestalten, um sie an die außerirdischen Lebensbedingungen anzupassen - kälteres oder heißeres Klima, mehr oder weniger Sauerstoff, etc.« (The Village Voice, zitiert nach Courrier International, 12.-18. November 1998). Die Anpassung an extra-terrestrische Lebensbedingungen schreitet unterdessen sehr schnell voran, ohne dass dafür genetische Modifikationen nötig wären, und beispielsweise die Zucht »hors sol« (siehe den Artikel »Abatage«, EdN n°9, 1985), ohne von den Fabrikationsweisen der Nahrungsmittelindustrie zu sprechen, ruft nur sehr selten die spontane Abneigung hervor, die eine normale Reaktion wäre: Stattdessen scheinen totalitäre Konzentrationslagerbedingungen normal, die tatsächlich Norm geworden sind für Menschen, die auf Betonplatten geparkt, von Informatik verwaltet, ebenso funktionell ernährt und medizinisch betreut und bald mit einem elektronischen »Gesundheitspass« ausgestattet werden. Der Gedanke, dass der Mensch das, was er den Tieren zufügt, sich selbst zufügt (oder es sich bald zufügen wird), diese oft misstrauisch als reine Gefühlsduselei abgetane Idee ist tatsächlich zutiefst vernünftig, da sie nur das ausdrückt, was, mag es auch nur ein Gefühl sein, nicht weniger rational ist: was der Mensch aus der Natur macht und die Art und Weise, wie er das macht, das heisst die Art der Beziehung, die er zur Natur unterhält, ist der genaue Maßstab seiner Menschlichkeit. Eingesperrte und geschwächte Tiere am Band zu schlachten ist nicht das gleiche wie Tiere zu töten, die man freundschaftlich aufgezogen hat mit »der Zufriedenheit das Vieh jeglicher Art und jeglichen Alters bei allem , was es treibt den Schöpfer der Natur preisen zu sehen: bei der Arbeit, beim Weiden, Muhen, Wiehern, Brüllen, Grunzen und Herumtollen und sich dabei, je nach Art und Natur zu ertüchtigen« nicht ohne vorher daran gedacht zu haben »Eicheln beiseite zu legen, damit man sie an eine bestimmte Menge von Ferkeln verfüttere, die gerade aus dem Wald zurückgekommen sind und zehn oder zwölf Tage lang dem Stall fern zu bleiben haben, auf dass sie gut Fett ansetzen und durch solch zuträgliche Behandlung dicke Speckschwarten ansetzen« (Olivier de Serres, Théâtre dagriculture et mesnage des champs). In den Manuskripten von 1844 sagt Marx zur Definition des Kommunismus, dass er »ein vollendeter Naturalismus (ist), und als solcher ein Humanismus; als vollendeter Humanismus ist er ein Naturalismus.« Die Geschichte hat zerstreut, was in diesem Programm ein wenig rätselhaft war, indem sie das Gegenteil realisierte: Die Fortschritte des technischen Rationalismus haben im gleichen Schritt Entmenschlichung und Entnaturalisierung vordringen lassen. |
||
Bemerkungen zur genmanipulierten Landwirtschaft und der Erniedrigung der Arten |