Bemerkungen zur genmanipulierten Landwirtschaft und der Erniedrigung der Arten | ||
[p. 103 - 105] Die Verwirklichung dieses Programms der genetischen Umgestaltung der Natur und der Menschheit setzt eine stabile und blühende Gesellschaft während der langen Periode seiner Umsetzung voraus; aber eines solche ausgeglichene und regelmäßige Gesellschaft, der sich wirklich um die Gesundheit ihrer Bevölkerung, die rationale Verwaltung ihrer Ressourcen usw. zu tun ist, würde sich ganz gewiss nicht in ein solches Abenteuer stürzen: das hätte sie nicht nötig. Eben weil dem überhaupt nicht so ist, weil sie nicht einmal weiß, was ihr in weniger als einem Jahr die automatischen Systeme bescheren werden, denen sie ihr Geschick anvertraut hat, oder die von ihr verursachten Klimastörungen, flüchtet sich die Weltgesellschaft in diese Tagträume, wo sie ihre Forschung durch Zauberei all die Widersprüche lösen sieht, in die sie sich auflöst. Diese Gesellschaft ist weder stabil noch blühend und ihr Zeithorizont geht nicht über die nächste wirtschaftliche Rezession und die damit verbundenen sozialen Zusammenbrüche hinaus oder über die nächsten zerstörerischen Schläge, die die Auswüchse des Wetters ihren Infrastrukturen zufügen und deren bloße Reparatur einen immer größeren Teil des verfügbaren Reichtums verschlingen und sie dazu zwingen wird, neben vielen anderen Dingen und sogar in ihren »blühendsten« Zonen, das Budget für die öffentliche Gesundheit und die Finanzierung dieser Forschungen zu revidieren. Vielleicht werden die Biotechnologien des verlängerten Lebens zum Geheimnis, das die hinter ihren Sicherheitssystemen und ihren Schutzdiensten verschanzten Spitzenfunktionäre der Herrschaftsverwaltung miteinander teilen werden. Den anderen, uns anderen, bleibt nur noch eine Wahl: wer nicht in den Zustand der bloßen Kreatur des ökonomischen Reichs zurückfallen will, entweder, weil er sich diesem unglücklichen Unbewußtsein entziehen und wieder Herr seiner selbst werden will oder aber, weil er, einem Eigenliebe gebietenden Vorurteil gehorchend, ein weniger feiges und weniger unwürdiges Leben vorzieht oder, sich als den Erben der Weltgeschichte sieht und ihr nicht mehr zuwiderhandeln will, dem bleibt nichts anderes übrig, als geistig oder körperlich die geschlossene Welt des industriellen Lebens zu verlassen, um sich draußen wieder mit der sinnlichen Welt zu vereinigen, so ramponiert diese auch ist. Es bleibt nichts übrig, als sich von dieser demütigenden Promiskuität freizumachen und die barbarische Askese zu pflegen, die Adorno angesichts der Massenkultur und ihres falschen Reichtums, ihrer Vergnügungen und ihren Apparaten des bequemen Lebens empfiehlt, wenn man wieder an das anknüpfen will, was vor dieser Barbarei existierte; oder aber man geht seinen Garten bestellen, weit ab vom Lärm und dem hysterischem Betrieb der Riesenstädte, in aller Ruhe, als gehöre man einer »Leisure Class« an, die die Ewigkeit vor sich hat. Novalis wunderte sich darüber, dass man die »Menschenrechte« durchsetzen wollte: »Nur wenige Menschen sind Menschen und deshalb ist es höchst ungehörig, Menschenrechte zu etablieren, als würden sie tatsächlich existieren - und er schloß mit gesundem Menschenverstand: Seid Menschen und die Menschenrechte werden euch von selbst gehören. Man könnte dem heute hinzufügen: seien wir Menschen, dann sind wir wenigstens Menschen gewesen. Das ist die Vorbedingung für alles andere. Encyclopédie des Nuisances, Februar 1999.
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Bemerkungen zur genmanipulierten Landwirtschaft und der Erniedrigung der Arten |