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Beim Betrachten einer Landkarte von Chiapas fallen die indianischen Namen von Distrikten wie Acapetahua, Berriozabal, Cacahoatan, Escuintla, Huixtla, Ixtapangajoya, Mitontic, Ocozocoautla, Pichucalco, Solosuchiapa, Tecpatan und Yajalon auf. Verwunderung ruft jedoch etwas anderes hervor. Namen wie Lubeka, Bremen, Hamburgo, Hannover und Berlín springen ins Auge. Mit diesen Plantagennamen huldigen deutsche Einwanderer ihrer einstigen Herkunft. Viele sind es nicht, dennoch konnten sie dem Gebiet westlich der Grenze zu Guatemala ihren Stempel aufdrücken. Ihren Nachfahren gehören in der Region die größten und ertragreichsten Anbauflächen für Kaffee.
Widerstandsversuche seitens der Campesino-Familien gegen die »ausländischen Imperialisten«, wie sie nicht nur von Mitgliedern der Unión Campesina Popular Francisco Villa genannt werden, hat es immer gegeben, doch endeten sie stets mit Niederlagen. Seit Jahrzehnten funktioniert das Zusammenspiel der Finqueros mit den Machthabern der seit beinahe 70 Jahren regierenden Staatspartei PRI und lokalen Polizeichefs reibungslos. Bevor die Villistas am 4.August1994 Liquidambar besetzten, haben sie immer wieder Bittschriften an das Agrarministerium gesandt, um die Vergrößerung ihrer Ejidos zu erreichen. Die Anträge wurden stets abgelehnt oder versickerten in den undurchschaubaren Kanälen der weit verzweigten mexikanischen Bürokratie.
Nur gelegentlich, zumeist vor anstehenden Wahlen, teilte die Regierung ihnen etwas Staatsland zu. Doch diese Schenkungen wurden nur widerwillig angenommen. Denn die Böden waren wenig fruchtbar, lagen verstreut und reichten für die Bedürfnisse der Familien nicht aus. Auf die Plantage Liquidambar machen die Villistas dagegen einen historischen Anspruch geltend: »In der Nähe von Liquidambar gibt es zwei Siedlungen, Nueva Palestina und Nueva Colombia. Ihnen steht das Land zu, denn sie waren schon vor der Finca da.«
Am 29. Dezember 1994 lädt der Zusammenschluß der Indígena- und Campesino-Organisationen CEOIC-independiente zu einer Pressekonferenz nach San Cristóbal ein. Eine Studie über Landkonflikte und Großgrundbesitz wird vorgestellt. Demnach befinden sich in Chiapas mehr als 60000 Hektar Anbaufläche im Besitz von lediglich 18 Familien. Zur Erinnerung: 91% der Kaffee-produzenten müssen sich mit Anbauflächen unter 5 Hektar begnügen. Eigentlich verbietet die Agrargesetzgebung in Mexiko den Großgrundbesitz. Doch die Kaffeebarone und Viehzüchter wissen, die wirklichen Besitzverhältnisse durch eingesetzte Strohmänner zu verschleiern. Auch Fälschungen der tatsächlichen Größe der Fincas in den Besitzurkunden sind gängige Praxis. Als Nutznießer dieser Machenschaften werden auch ehemalige Regierungsfunktionäre benannt. Besonders die verhaßten Ex-Gouverneure Absalón Castellanos Domínguez und Patrocinio González Garrido Blanco haben ihre Position zur Anhäufung von großen Landgütern ausgenutzt.
Das Eigentum der Familie Schimpf-Hudler zählt mit über 10000 Hektar, darunter Liquidambar, nach der Studie des CEOIC-independiente zu den Spitzenreitern unter den Latifundien. Die Bauernorganisationen fordern, daß Liquidambar ebenso an die BewohnerInnen der umliegenden Ortschaften übergeben werden muß, wie alle anderen in der letzten Zeit besetzten Fincas. Die Regierungsseite hat für ganz Chiapas eine Verteilung von 31000 Hektar in Aussicht gestellt. Eine eher bescheidene Zahl. Auf 130000 Hektar beziffert Jorge Arturo Luna, Sprecher des CEOIC-independiente, das Ausmaß der von Campesino-Organisationen durch direkte Aktionen besetzten Ländereien.
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