Inhalt | Familie Schimpf im Maya-Land |
Der Familienbetrieb | Von der Plantage in den Hamburger |
Nach der Hochzeit mit Marianne Schimpf setzte sich der Hamburger Kaufmannssohn Laurenz Hudler nicht nur ins gemachte Nest in Chiapas, sondern begann sich auch aktiv an der Lokalpolitik beteiligen. Auf die Treffen der PRI-Funktionäre und Großgrundbesitzer der Region wurde er stets geladen. Mit dem chiapanekischen Gouverneur und späteren Innenminister Mexikos, José Patrocinio González Garrido, fühlte sich Laurenz Schimpf-Hudler besonders verbunden. So ließ er es sich nicht nehmen, dem unter der Bevölkerung ob seines autoritären Regierungsstils verhaßten Politiker in einer Zeitungsanzeige am 23. November 1991 zu huldigen: »Die Kaffee-Finca Liquidambar, Distrikt Angel Albino Corzo, gratuliert zusammen mit dem Volk von Chiapas dem Gouverneur Patrocinio González Garrido für die heute gehaltene brillante Regierungserklärung. Gleichzeitig versichern wir dem Mandatsträger, daß dieses Unternehmen seine Programme unterstützen und die Anstrengungen auf dem Gebiet der Produktion verdoppeln wird. Hochachtungsvoll Die Verwaltung.« Am 31. Dezember 1991 erhielt Laurenz Schimpf-Hudler im Gegenzug vom PRI-Chef des Distriktes, Máximo Robledo Hernández, eine Urkunde in Anerkennung seiner »Zusammenarbeit während der Jahre 1989-1991« überreicht.
Die Verbesserung der Infrastruktur des Distriktes lag dem Neu-Mexikaner besonders am Herzen. Nicht ganz uneigennützig. Schließlich waren es in erster Linie die Lastwagen der Fincas, die unter dem schlechten Zustand der Schotterstraße zwischen Jaltenango und Liquidambar zu leiden hatten. Zur Modernisierung des zu seiner Finca führenden Verkehrsweges gründete er die Stiftung »Patronato Pro-Pavimentación«, der er 1994 als Präsident selbst vorstand. Gegen seinen Amtsvorgänger und Geschäftsfreund Salím Moisés wurden zu diesem Zeitpunkt Vorwürfe erhoben, er habe staatliche Zuschüsse für Asphaltierungsarbeiten unterschlagen. Der PRD-Kreistagsabgeordnete und UCPFV-Gründer Roberto Hernández Paniagua forderte am 20. Februar 1994 öffentlich Aufklärung darüber, warum bis dato nur die Zufahrt zur Finca Montegrande, im Besitz von Salím Moisés befindlich und direkt neben Liquidambar gelegen, asphaltiert worden sei. Es waren diese Sticheleien, die Roberto Hernández Paniagua das Leben kosten sollten. Sechs Monate später wurde der PRD-Politiker von Pistoleros erschossen.
Mit der Schaffung eines Naturschutzgebietes in unmittelbarer Nachbarschaft der Finca Liquidambar bot sich Laurenz Schimpf-Hulder Anfang der 90er Jahre ein anderes Betätigungsfeld. Er begleitete als Sprecher der für den »Erhalt der Flora und Fauna« zuständigen Behörde PACONAAC, A.C. einen nicht einflußlosen Posten. Die Plantagenbarone betrieben mittels vorgeblichen Umweltschutzes Interessenpolitik. Mit der Schaffung des Naturschutzgebietes »Reserva de la Biósfera El Triunfo« wurde 1992 in Chiapas ein bedeutender Schritt hinsichtlich der Erhaltung von Flora und Fauna getan. Doch was die Herzen ökologisch gesinnter Menschen höher schlagen läßt, kam für die Kleinbauern der Gemeinde El Pajal einem Alptraum gleich. Von einem Tag auf den anderen wurden 90% ihrer 967 Hektar umfassenden Agrarkooperative zum Naturschutzgebiet deklariert. Während die benachbarte und auf 3000 Hektar geschätzte Finca Prusia der deutschen Familie von Knoop nicht angetastet wurde, verloren die Campesino-Familien ihre Existenzgrundlage. In der Besetzung der Plantage Prusia im Herbst 1994 sahen die BewohnerInnen El Pajals schließlich die einzige Möglichkeit, ihre Lebensverhältnisse zu ändern: »1976 wurde uns das Land von der Regierung übergeben. Durch die Ausdehnung von Prusia und die Gründung von El Triunfo sind uns weniger als 200 Hektar Land geblieben. Sie sagen, daß wir dort keine Bäume fällen und nichts anbauen dürfen. Aber wo sollen wir denn säen und arbeiten? Wovon sollen wir leben?«
Die Klagen der Menschen aus El Pajal sind kein Einzelfall. Verstöße gegen Naturschutzbestimmungen bringen die Campesino-Familien allerorten mit dem Gesetz in Konflikt. Da sie auf Brennholz für ihre Kochstellen angewiesen sind, bleibt ihnen keine andere Wahl. Auch die Villistas in Nueva Palestina berichten von ähnlichen Problemen. Ökologische Bestimmungen werden von den Großgrundbesitzern als Vorwand genutzt, mißliebige Campesinos zu bestrafen.
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Ein hoher Prozentsatz von indianischen Gefängnisinsassen sitzt nach Angaben von Menschenrechtsgruppen wegen derartiger Delikte in Haft. Das ist nicht erst seit 1992 so, sondern hat in Distrikten wie Angel Albino Corzo Tradition. Ein vom ehemaligen Verwalter Liquidambars, Hermann Gerken, an den in Deutschland weilenden German Schimpf gerichteter Brief vom 30. Juni 1987 ist in diesem Zusammenhang aufschlußreich: »Im Augenblick habe ich wieder Schwierigkeiten mit den Leuten, die sich oberhalb von La Cruz festsetzen wollen. Bei meinem letzten Besuch in Tuxtla sagte Lucero mir, daß die Petición in drei von fünf Instanzen abgelehnt ist. Sobrino sagte mir, daß die Terrenos von unseren Leuten in diesen Tagen publiziert werden. Ich habe schon ein Beschwerdeschreiben, von unseren Leuten unterschrieben, an die Forestal geschickt, daß dort oben Bäume gefällt werden. Ich werde alles dransetzen, daß dort oben wieder Ruhe einkehrt.« So einfach ist das: Sich vergewissern, daß die Landforderungen der Campesinos abschlägig beschieden werden, die Parzellen formaljuristisch unter eigene Leute aufteilen und die Land- und Forstbehörde auf die Bauern hetzen.
Doch zurück zu Laurenz Schimpf-Hudler. Acht Pesos, umgerechnet vier DM, hat der Tageslohn vor der Besetzung betragen, sagen die Villistas. 15 Pesos seien ausgezahlt worden, korrigiert Laurenz: »Der Staat legt die Mindestlöhne fest, nicht ich.« Doch war das mit dem Mindestlohn auf Liquidambar so eine Sache. Die Tageslöhne wurden zum Großteil nicht in Bargeld, sondern in Wertmarken, Fichas genannt, ausgezahlt. Diese waren auf Liquidambar gängiges Zahlungsmittel und auch nur dort gültig. Mit den Fichas konnten die Familien, die während der Ernteperiode mehrere Monate auf der Finca lebten, Dinge des täglichen Bedarfs eintauschen. Zu diesem Zweck war schon vor Jahrzehnten von Hermann Schimpf ein Laden auf Liquidambar eingerichtet worden, die Tienda de Raya.
Trotz staatlichen Verbots wurde diese Praxis aus den Gründerzeiten der Plantagen bis in die heutige Zeit beibehalten. Keineswegs nur auf Liquidambar, aber eben auch dort. Dieser Laden, der größte der Gegend, bedeutete für den Finquero Laurenz Schimpf-Hudler eine enorme Einnahmequelle. Schließlich mußten sich die Familien der Wanderarbeiter mit Lebensmitteln und anderen Dingen versorgen. Dementsprechend war das Sortiment der Tienda de Raya angelegt: Konserven, Reis, Bohnen, Getränke, Seife, Kleidungsstücke, Sandalen, Gummistiefel, Macheten, Werkzeuge, Zigaretten und natürlich billiger Fusel. Die eingetauschten Fichas wurden dann vom Gehaltskonto der TagelöhnerInnen abgezogen. Die Preise diktierte der Finquero, Konkurrenz gab es ja keine.
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»Wie Sklaven wurden wir behandelt«, berichten die Villistas. Nach Ablauf der Ernteperiode besaßen die meisten SaisonarbeiterInnen nur wenig mehr als das Geld für die Rückreise. Ihre Konten, die sich in Händen der Verwaltung und für die zumeist des Lesens und Schreibens unkundigen Menschen außerhalb ihrer Kontrolle befanden, waren nach mehreren Monaten Arbeit leer.
Die vertriebenen Plantagen-Herren fühlen sich nach der geglückten Besetzung ihrer Ländereien mißverstanden und als Opfer einer ungerechtfertigten Kampagne. »Die Finca ist gar kein Großgrundbesitz«, belehrt Laurenz Schimpf-Hudler die Presse, »sondern ein agroindustrieller Komplex, bei dem sich verschiedene Eigentümer zusammentun und ihren Kaffee gemeinsam verarbeiten.« Selbstverständlich werde nicht gegen geltende mexikanische Gesetze verstoßen. »Ich fühle mich schon wie ein Türke in Deutschland«, beschwert er sich. Mit dieser in einem Nobelhotel der mexikanischen Hauptstadt gemachten Erklärung unterstreicht der Kazike von Angel Albino Corzo seine Fähigkeit zur politischen Analyse.
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