Inhalt | Das Jahr, in dem wir nirgendwo |
Ches Begleiter | Hotel Nacional, Zimmer 504 |
Fidel,
in dieser Stunde erinnere ich mich an viele Dinge, daran, wie ich Dich im Haus von María Antonia kennenlernte, als Du mich einludst, mit Dir zu kommen, an die ganze Spannung der Vorbereitungen. Eines Tages kamen sie und fragten, wem sie im Todesfall Bescheid geben sollten, und es traf uns alle, wie real diese Möglichkeit war. Danach erfuhren wir, daß es die Wahrheit war, daß man in einer Revolution entweder siegt oder stirbt (wenn es eine richtige ist). Viele Compañeros blieben auf dem Weg zum Sieg zurück.
Heute hat alles einen weniger dramatischen Ton, weil wir reifer geworden sind, aber die Situation wiederholt sich. Ich fühle, daß ich den Teil meiner Pflicht erfüllt habe, der mich hier an die kubanische Revolution band, und verabschiede mich von Dir, von den Compañeros, von Deinem Volk, das nun auch meines ist.
Ich trete in aller Form von meinen Ämtern in der Parteiführung, von meinem Posten als Minister, von meinem Grad als Comandante und von meiner Identität als Kubaner zurück. Nichts Legales bindet mich an Kuba, allein ein Band von anderer Art, das auch ohne Posten und Auszeichnungen bestehen bleibt.
Wenn ich mir mein vergangenes Leben vergegenwärtige, glaube ich, mit ausreichender Ehrlichkeit und Hingabe dafür gearbeitet zu haben, den Triumph der Revolution zu konsolidieren. Mein einziger Fehler von Gewicht bestand darin, Dir nicht von den ersten Augenblicken in der Sierra Maestra an mehr vertraut zu haben und Deine Fähigkeiten als Führer und Revolutionär nicht schnell genug begriffen zu haben. Ich habe wundervolle Tage erlebt und an Deiner Seite den Stolz gefühlt, unserem Volk anzugehören, in den Tagen des Glanzes und in den traurigen der Karibik-Krise.
Selten hat es einen so brillanten Staatsmann wie Dich in diesen Tagen gegeben; auch darauf bin ich stolz, daß ich Dir ohne Zögern gefolgt bin, mich mit Deiner Art zu denken, Gefahren und Prinzipien zu sehen und abzuwägen, identifiziert habe. Andere Gegenden der Erde verlangen nach der Unterstützung durch meine bescheidenen Kräfte. Ich kann tun, was Dir wegen Deiner Verantwortung an der Spitze Kubas verwehrt bleibt, und so ist die Stunde der Trennung zwischen uns gekommen.
Man glaube mir, daß ich dies mit einer Mischung aus Freude und Schmerz tue; hier lasse ich die reinsten meiner Hoffnungen als Konstrukteur und die Liebsten meiner Lieben zurück ... und ich lasse ein Volk hinter mir, das mich als seinen Sohn aufgenommen hat; dies zerreißt mir fast das Herz. Auf die neuen Schlachtfelder werde ich den Glauben mitnehmen, den Du mir eingeschärft hast, den revolutionären Geist meines Volkes, das Gefühl, die ehrwürdigste aller Pflichten zu erfüllen: gegen den Imperialismus zu kämpfen, wo immer dieser auch sei; dies bestärkt und heilt mit der Zeit auch die tiefste Wunde.
Ich sage noch einmal, daß ich Kuba von jeder Verantwortung entbinde, außer von der, die von seinem Beispiel ausgeht. Daß, sollte für mich die letzte Stunde unter fernem Himmel anbrechen, mein letzter Gedanke diesem Volk und besonders Dir gelten wird. Daß ich Dir danke für Deine Lehren und Dein Beispiel, und daß ich versuchen will, diesen in allen meinen Handlungen treu zu bleiben. Daß ich mich immer für die Außenpolitik unserer Revolution zuständig gefühlt habe und dies noch heute tue. Daß ich, wo immer ich auch bin, in der Verantwortung handeln werde, ein kubanischer Revolutionär zu sein. Daß ich meinen Kindern und meiner Frau nichts Materielles hinterlasse, und daß mich dies nicht traurig macht; ich bin froh, daß es so ist. Daß ich für sie um nichts bitte, denn der Staat wird ihnen das Nötige geben, damit sie leben und sich weiterbilden können.
Ich hätte Dir und unserem Volk viele Dinge zu sagen, aber ich fühle, daß sie nicht nötig sind, die Worte können es nicht so ausdrücken, wie ich es wünschte, und Seiten vollzukritzeln ist der Mühe nicht wert. Auf immer bis zum Sieg. Patria o muerte!
Es umarmt Dich mit aller revolutionären Inbrunst, Che
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