Inhalt | Das Jahr, in dem wir nirgendwo |
Genge wird zurückgerufen | Dreke in Kibamba |
CHE: [1. November] Ein Abgesandter von Rafael suchte mich auf, um mir diese Botschaft zu übergeben:
RAFAEL: Compañero Tatu: Heute morgen wurde Pablo zur Regierung gerufen, um ihm mitzuteilen, daß die Regierungen, die bislang der kongolesischen Befreiungsbewegung Hilfe geleistet hatten, nach dem Gipfeltreffen der afrikanischen Staaten und dem Beschluß über die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder den Charakter dieser Hilfe würden ändern müssen. Daß sie uns infolgedessen darum bäten, unsere Kontingente aus dem Kongo abzuziehen, um einen Beitrag zu dieser Politik zu leisten. Daß sie es anerkennten, daß wir mehr getan hätten als viele afrikanische Staaten, und daß die kongolesische Befreiungsbewegung davon erst unterrichtet würde, wenn wir uns bereits zurückgezogen hätten; daß sich daraufhin der Staatspräsident persönlich mit den Führungsmitgliedern in Verbindung setzen und sie über die Entscheidung informieren würde, die von den afrikanischen Staaten getroffen worden sei. Eine diesbezügliche Information sei an Havanna geschickt worden. Wir erwarten eine Stellungnahme von Dir.
CHE: Das war der Gnadenstoß für eine dahinsiechende Revolution. Ich teilte den kongolesischen Compañeros noch nichts von dieser Botschaft mit und wartete ab, was in den nächsten Tagen geschehen sollte.
Wenig später trifft über Daressalam ein Brief Fidel Castros ein, den Che auf folgende Weise zusammenfaßt:
FIDEL: Wir sollten alles Menschenmögliche tun, nur nichts Absurdes.
Wenn unsere Anwesenheit nach Tatus Einschätzung nutzlos geworden und nicht mehr zu rechtfertigen ist, müssen wir daran denken, uns zurückzuziehen. Ihr müßt der objektiven Situation und der Einstellung unserer Männer entsprechend handeln.
Wenn ihr es für richtig haltet zu bleiben, werden wir versuchen, Euch soviel menschliche und materielle Verstärkung zu schicken, wie ihr braucht. Es beunruhigt uns, daß ihr fälschlicherweise befürchten könntet, eure Haltung würde als defätistisch oder pessimistisch aufgefaßt.
Wenn ihr abzuziehen beschließt, ändert das nichts an der Stellung Tatus, ob er hierher zurückkehren oder sich an einem anderen Ort aufhalten will.
Wir werden jede Entscheidung unterstützen.
Vermeidet unnötige Verluste.
Am 4. November trifft eine weitere Botschaft von Rafael ein. Er teilt mit, daß die Söldner nicht aus dem Kongo abgezogen worden seien, und schließt mit den Worten:
RAFAEL: In diesem Fall wäre es Verrat, unsere revolutionäre Unterstützung an die Kongolesen zurückzuziehen, ausgenommen, sie würden darum bitten oder beschließen, den Kampf aufzugeben.
Der Funkkontakt wird gestört, doch die Botschaft später bestätigt.
CHE: [an Rafael für Fidel] Die Gardisten haben in diesen Tagen begonnen, überall vorzurücken. Es macht den Anschein, als bereiteten sie den Generalangriff auf unsere Basis vor. Noch warten wir ab. Unsere Verteidigungsstellungen sind ziemlich solide, wenigstens was die Bewaffnung angeht, obwohl uns hier und da Munition fehlt und den kongolesischen Rekruten nicht zu trauen ist.
Außerdem wird in der Botschaft vom Verschwinden Aurinos und dem Tod Bahazas berichtet.
CHE: Als in einem bestimmten Moment von der gemeinsamen Flucht der kongolesischen Führung die Rede war, hatte ich für diesen Fall beschlossen, mit zwanzig ausgewählten Männern zu bleiben (mehr Milch gibt die Ziege nicht), den Rest auf die andere Seite des Sees zu schicken, und den Kampf solange fortzusetzen, bis es sich entweder positiv entwickelt haben würde oder alle Möglichkeiten erschöpft wären. In letzterem Fall hätte ich mich zu entscheiden, ob ich mich auf dem Landweg in ein anderes Kampfgebiet begeben oder das eherne Recht auf Asyl in Anspruch nehmen würde. Angesichts der letzten Nachricht war meine Reaktion die gleiche wie diejenige Fidels: Wir konnten nicht einfach von hier fortgehen. Mehr noch, nicht ein Kubaner durfte unter diesen Umständen fortgehen. Und wir mußten sehr ernst mit der tansanischen Führung reden, um diese Haltung deutlich zu machen.
Meine Vorschläge: eine hochrangige kubanische Delegation soll allein oder zusammen mit Tembo nach Tansania reisen. Dort ist folgende Position zu vertreten: Kuba hat unter der Bedingung Hilfe angeboten, daß Tansania zustimmt. Tansania hat zugestimmt, und die Hilfe ist wirksam geworden. Sie war nicht an Bedingungen oder zeitliche Begrenzungen geknüpft. Wir haben Verständnis für die derzeitigen Probleme Tansanias, aber wir sind mit seiner Position nicht einverstanden. Kuba tritt von seinen Verbindlichkeiten weder zurück, noch kann es eine schändliche Flucht akzeptieren, die den kongolesischen Bruder der Gnade der Söldner ausliefert. Wir werden den Kampf nur aufgeben, wenn uns die Kongolesen selbst aus begründeten Erwägungen oder wegen unvorhersehbarer Entwicklungen darum bitten, aber wir werden alles daran setzen, daß es nicht so weit kommt. (...)
Weiterhin ist von der Regierung Tansanias die Aufrechterhaltung der Telegraphenlinien zu verlangen, außerdem die Erlaubnis, wenigstens ein oder zweimal pro Woche Treibstoff zu verschiffen, sowie, daß sie uns zwei Schnellboote besorgt und etwas von den angesammelten Waffen überläßt, damit wir sie mit einem Mal herüberbringen können; und schließlich die Erlaubnis, alle zwei Wochen Post auszutauschen.
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