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Mon Jun 11 11:35:02 2001
 

Inhaltsverzeichnis Inhalt Das Jahr, in dem wir nirgendwo Aufwärts

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Warten in Daressalam


RIVALTA: Ich brachte ihn in ein Hotel, weil ich Anweisungen hatte, niemanden in die Botschaft zu bringen. Dort blieben wir eine Nacht. Für ihn wurde eine Wache aufgestellt. Man aß dort unter strikter Bewachung, einige Male übernahm Dreke die Wache, einige Male wir. Wir paßten auf ihn auf.


DREKE: Zu zweit, zu dritt, trifft die Gruppe nach und nach aus verschiedenen Teilen der Welt ein, über Frankreich, über Italien ... Drei Schwarze waren dabei, die bislang nie aus Oriente hinausgekommen waren, ich weiß nicht, wie sie es geschafft haben, nicht festgenommen zu werden mit diesen Rucksäcken, mit denen sie wie Militärs aus der Dritten Welt aussahen.

Gleichzeitig bricht eine Gruppe, die sogenannte Zweite Brigade, nach Brazzaville auf, die sich aus einigen der Kader zusammensetzt, die man zuvor trainiert hatte: Rafael Moracén [Quitafusil], die Leutnants Agramonte und Barthelemy Miranda, Cairo Colón, Baytía und mehrere Soldaten.

KUMI: Paß, Kleider, eine Tasche ... Wir brachen in verschiedenen Gruppen am 10. April auf; ich mit zwei weiteren Compañeros: Norberto Pío Pichardo und einem Sergeanten aus Matanzas. Als wir in Moskau eintreffen, steigen drei weitere Compañeros zu, einer von ihnen, Coqui, hatte mit Barbarroja Piñeiro zusammengearbeitet. Sie waren vorher im Innenmisterium bei der Banditenbekämpfung gewesen. Insgesamt sind wir zu sechst. Ich war unterwegs der Chef dieser Gruppe, das hatte man mir kurz vor dem Abflug in Havanna gesagt. Sie hatten mir eine schwere Brieftasche gegeben, es waren Projektile drin, was genau, wußte ich nicht und fragte auch nicht danach. »Was ist damit? Soll das verschlossen bleiben?« »Keine Sorge, der Schlüssel wird schon auftauchen.« Das einzige, was ich weiß, ist, daß es schwer war.

Havanna - Moskau - Algier - Kairo. Ich begann mich psychologisch vorzubereiten. In Ägypten wurden wir im Hotel Comorita untergebracht. Wir verbrachten dort fünf Tage, sie feierten dort etwas ähnliches wie den Ramadan, Fastenzeit, in der nicht gearbeitet wurde. Wir mußten abwarten. Zwischenlandung in Nairobi, Kenia, ein sehr schöner Flughafen, eine Stunde Aufenthalt und weiter nach Daressalam. Drei Personen kommen zu meinem Empfang: Víctor Dreke, Pablo Rivalta und ein gewisser John, ein riesiger Schwarzer, der Attaché bei der kubanischen diplomatischen Mission war. Es war das erste Mal, daß ich Kuba verließ.


NANE: Dreke, M'bili (Papi, der beim Minin gewesen war) und ein glattrasierter Weißer mit einem Hut, den ich nicht erkannte, empfingen uns. Dreke kam auf mich zu und fragte mich: »Kennst du Julio nicht?« Ich war naiv. Die Emotion darüber, eine Mission auszuführen, hatte mich ganz blöd gemacht. Später geht mir auf, daß es der Che ist. Ich sah es und konnte es doch nicht glauben.

KUMI: Wir sammeln uns in einem Haus in den Außenbezirken von Daressalam, wo ich dem Chino begegne, Ches Assistenten, Martínez Tamayo, der noch als Mulatte durchgehen konnte, und einem weißen Compañero, kurzgeschoren, mit Pfeife, von normaler Gestalt, etwas übergewichtig, offenbar verkleidet, der in Pantoffeln dasaß und sich umschaute. Ich merkte gleich, daß er es war, der hier die Führung innehatte.

Dreke sagte zu mir:

- Der hier ist weiß, mein Junge, und alle anderen Schwarze.

Und darauf erklärt er mir, daß es der Französischlehrer sei. Und der Chino immer hinter ihm. Als ich eintraf, las er gerade die Zeitung. Er sprach wenig und wandte sich immer an andere.

Ungefähr zehn, zwölf Compañeros kamen dort zusammen, ich war die Nummer zehn. Einen oder zwei Tage verbrachten wir unbeschäftigt, dann zog ich mit Dreke und Pablito los, um Arzneimittel zu kaufen. Die anderen blieben im Haus.


DREKE: Wir halten uns geheim in Daressalam auf. Als der Che eintrifft, übernimmt er sofort die Führung. Man wartet ab, bis die ersten Gruppen eingetroffen sind. Zu Beginn wollte der Che mit einer großen Gruppe in den Kongo, denn falls man uns entdeckte, würden uns die Belgier den Zugang über den See versuchen abzuschneiden. Doch die Tage vergingen. Wir befürchteten einen Staatsstreich in Tansania.

KUMI: Der, der als Chef agierte, wurde sehr ungeduldig. Am zweiten Tag griff er zu einem Notizbuch und begann dort für alle Nummern und Namen auf Kisuaheli einzutragen, der Reihe ihres Eintreffens nach:


DREKE: Er holte sich ein Wörterbuch und beschloß, allen Namen auf Kisuaheli zu geben, später fand er es dann einfacher, Nummern zu verteilen, von 1 bis 10 und darauf immer in Zehnerschritten. So kamen einfache Namen heraus. Er übersprang bestimmte Zahlen, die besonders kompliziert waren. Einen oder zwei Tage, bevor wir Daressalam verließen, tauften wir einander.

NANE: Am Schluß waren wir ungefähr vierzehn. Der Chef holte eine Karte hervor, sprach über die Krankheiten. Jeder, der wollte, konnte noch von der Mission zurücktreten, aber niemand tat es.

KUMI: Der Che sprach zu uns:

Und niemand sagte ein Wort. Einige von uns hatten es schon vermutet. Ich war mir sicher.


NANE: Und dann sagte er: »Ich bin der Che«. Ich war wahnsinnig bewegt. Vor Freude. Ich glaubte es und glaubte es doch nicht.

KUMI: Es entstand eine Stille.

Ich hatte den Che noch nie aus der Nähe gesehen.


DREKE: Der Che sagt: »Möglicherweise werden wir, als erste, die in den Kongo gehen, dort auf uns allein gestellt bleiben.« Eine erste Auswahl wurde getroffen. Zwei Compañeros wurden für den Nachrichtenverkehr, einer für die Artillerie ausgewählt.

KUMI: Die Spielregeln: Wir würden einer Befreiungsbewegung zu Hilfe kommen, einer Bewegung, die bereits über eine gute Organisation verfügte. Unsere Hilfe würde deswegen vor allem in Beratung bestehen. Er sprach von den Erfahrungen in der Sierra. Auch dort würden wir zunächst geben müssen statt empfangen, würden wir Opfer bringen müssen, niemals vor den einheimischen Guerilleros mit dem Essen anfangen dürfen, und sollte einmal zu wenig da sein, würden sie die ersten sein, die darauf ein Anrecht hätten, und erst danach wir. Er wollte nicht, daß es zu Überheblichkeiten kam, sondern daß wir bescheiden sein sollten, uns darüber bewußt sein müßten, daß dies ein Land mit einem Rückstand von vier Jahrhunderten war, wir würden dort mit der Armut zusammenprallen, wo sie am schlimmsten war. Daß meine Mission sehr wichtig sei, weil ich als Arzt arbeiten würde, doch ich sollte mir keine Illusionen machen, nicht glauben, ich würde in einem Krankenhaus arbeiten, daß ich dort unter mehr als schwierigen Bedingungen würde arbeiten müssen. Daß er nicht genau sagen könne, wie lange wir dort bleiben müßten, daß man vielleicht in fünf Jahren an eine Auswechslung des Personals denken könne.

CHE: Einer unserer besten Experten war zuvor eingetroffen, um sich der doppelten Aufgabe anzunehmen, die Boote zu besorgen und eine Erkundungsfahrt über den See zu machen. (...) [Das Warten] in Daressalam zerrt an den Nevern, ich würde lieber früher als später im Kongo sein.

RIVALTA: Er gab uns einen Auftrag. In diesem Moment hatten sie uns schon Seoane aus Kuba geschickt, der im Fischfang arbeitete und als Schiffstechniker für die Fahrt über den See eingesetzt werden sollte, von Kigoma hinüber zum Kongo. Auf Anweisung des Che zogen wir also los zur Küste, zu den Stränden von Daressalam, um ein Boot zu suchen, da dies bei der Planung übersehen worden war. Wir zogen also los und fanden ein Boot, das nach Ansicht des Technikers für diese Operation geeignet war. Es war ein großer Motorkutter. Bevor wir es kauften, berichteten wir dem Che, daß wir es gefunden hätten. Im Morgengrauen brachten wir ihn dorthin, er sah es sich an und gab seine Zustimmung. Und dies war das Boot, das wir später zum See brachten, nach Kigoma. Che und die Gruppe mußten sich noch eine Weile gedulden, da das Boot noch nicht in reisefertigem Zustand war. Einiges daran mußte repariert werden.

Vom Hotel zog der Che in das Landhaus um, ein Haus aus Holz und Mauerwerk. Er kam dort am 20. an und verließ es am 23. Dort legte er das künstliche Gebiß und den ganzen anderen Fummel ab. Das erste, was er ablegte, waren das Gebiß und die künstlichen Linsen.



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