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Mehr über das »Memorandum R«


Das gefälschte »Memorandum R« machte weiter die Runde:


R. HETMAN: 1965 liefert ein geheimes Dokument zumindest sehr wahrscheinliche Anhaltspunkte über Guevaras Aufenthaltsort in den drei Monaten seit seinem Verschwinden. Es handelt sich um den sogenannten »Bericht R/Havanna«, der später veröffentlicht wird, um glauben zu machen, der Che habe eine somatische und psychische Krise erlitten.

Inhalt und Tonfall der Schrift lassen vermuten, daß sie von Aníbal Escalante verfaßt wurde, oder daß es sich um ein Memorandum handelt, das auf der Grundlage von Gesprächen Escalantes mit Vertretern einer ausländischen Macht abgefaßt wurde. Es könnte sich dabei um den Zweiten Sekretär der sowjetischen Botschaft in Havanna, Rudolf P. Schlianikow, um sowjetische Journalisten, um eine Handelsdelegation aus der DDR oder um tschechoslowakische Funktionäre auf Besuchsreise in Kuba gehandelt haben.

Im zentralen Absatz des Memorandum R heißt es: »Es bestehen Gründe zu vermuten, daß Guevara aus der Öffentlichkeit verschwunden ist, weil die ernste Gefahr bestand und nach wie vor besteht, daß sein öffentliches Erscheinen große Bestürzung und Verwirrung auslösen könnte. Nicht einmal seine Frau Aleida March darf ihn sehen. Über besondere Kontakte mit der Direktion des Krankenhauses Calixto García gelangten wir an Informationen über den Zustand des Che. Dieser befindet sich jedoch nicht im Krankenhaus selbst, sondern in einem entfernt gelegenen Sanatorium, das wie ein Krankenhaus, aber als Spezialklinik für nur eine einzige Person eingerichtet zu sein scheint. Guevara hat aus sowohl physischen wie psychischen Gründen einen Kollaps erlitten. Der Kollaps trat aufgrund einer Verknüpfung verschiedener Faktoren ein, unter denen die Anstrengungen und Emotionen infolge seiner Weltreise hervorgehoben werden können. (...) Seit seinem Auftritt vor den Vereinten Nationen hat er sich eine überdimensionierte Vorstellung von seiner eigenen Bedeutung eingeredet. Obwohl es sich nicht um einen klinischen Befund handelt, ist zu unterstreichen, daß der physische und psychologische Zustand eines Mannes, der zugelassen hat, daß der weltweite Kult um seine Person sich in ein Abbild ganz Kubas verwandelte, von ernsten politischen Konsequenzen sein muß. Laut der Informationen von Q. (möglicherweise Emilio Quesada, einem Arzt am Krankenhaus Calixto García und Mitglied der Gruppe Escalantes) wird die Behandlung Guevaras langfristig Erfolg haben, obwohl die psychosomatischen Ursachen, die Grundlage seiner Verwirrung sind, als chronisch angesehen werden müssen. Zum ersten Mal können wir uns nun ein Bild von der Mentalität dieses Mannes machen, dessen rätselhafte Vorgehensweisen so sehr dazu beigetragen haben, unser Land zu isolieren, Chaos in der Wirtschaft zu stiften, und dessen Hunger nach Abenteuern eine Bedrohung für die nationale und internationale Politik darstellt. Die wohl eindrücklichste Nachricht aus einem der erwähnten Sanatorien besagt, daß Guevara im Fieber und in einem Zustand extremer geistiger Verwirrung davon sprach, daß er die Stimme Camilo Cienfuegos höre. (...) Die Stimme oder der Geist von Camilo Cienfuegos, so die Vorstellung Guevaras, ermutige ihn, die Revolution durch neue bewaffnete Aktionen voranzutreiben und sich dem Rat seiner Widersacher zur Mäßigung zu verweigern. Wir sind überzeugt, daß es sich um vorübergehende Wahnvorstellungen handelt, die nichtsdestoweniger die Instabilität deutlich machen, die sich bei Guevara schon häufig während seiner Weltreise, bei seinen öffentlichen Reden und besonders intensiv im privaten Kreis gezeigt hat, nachdem er nach Kuba zurückgekehrt ist. Er verbringt seine Zeit mit der Lektüre aller möglichen Bücher (darunter Trotzkis Bericht über die Oktoberrevolution). Er schreibt unzählige Briefe, die alle an Fidel gerichtet sind. Man sagt, Fidel wisse nicht, ob er sie als Dokumente für die Nachwelt aufheben solle oder ob es ratsamer wäre, sie zu verbrennen. Fidel versucht alles herunterzuspielen.

Die Briefe, die Guevara im Krankenhaus schreibt, beziehen sich ausnahmslos auf größenwahnsinnige Pläne für eine permanente Revolution. Ein Gegenstand, den wir schon gut kennen. Er versucht, seine eigenen Lieblingstheorien und Guerillatechniken auf andere Länder und Kontinente zu übertragen. In diesem Moment begeistert ihn die Vorstellung, nach Ghana zu gehen, um Nkrumah zu zeigen, wie man mit disziplinierten Guerilleros den gesamten afrikanischen Kontinent erobern könne. Zuweilen spricht er auch von Sansibar. Dort will er mit den Chinesen zusammenarbeiten und diesen beweisen, daß die kubanischen Erfahrungen für dieses Gebiet nützlicher seien als die chinesischen Erfolge, oder es kommt ihm plötzlich in den Sinn, nach Moçambique aufzubrechen, um dieses Land vom Imperialismus Lissabons zu befreien.

Auch wenn all diese möglichen Unternehmungen einen realistischen Ausgangspunkt besitzen, sind sie doch gefährlich aus dem Mund eines Mannes, dessen fehlendes Verständnis für die Wirklichkeit der Arbeiterklasse hinlänglich bekannt ist und dessen Vorstellungen über mögliche wirtschaftliche und kulturelle Kontakte sich nicht an der Meinung der Experten unserer östlichen Genossen, sondern an den französischen Hyperintellektuellen orientieren.«



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