Inhalt | Das Jahr, in dem wir nirgendwo |
Die Verwundeten | Die Ankunft Kabilas |
DREKE: Der Che schickt mir eines Tages eine Notiz: »Der und der will sich davonmachen.« Außerdem erklärten die Ärzte Saba, Azali und Sahili, daß sie zurückkehren wollten. Zunächst wurden all diese Leute entwaffnet, zu Lastenträgern der Truppe zurückgestuft und von der Mitgliedschaft in der Partei oder der Jugendorganisation suspendiert. Man dachte daran, sie nach Kuba zurückzubringen. Aber momentan schien der Zeitpunkt dafür ungünstig, da uns unsere Gruppe hätte abbröckeln können. Sie hatten sich nicht in die Situation eingepaßt. Weiter nichts. Aber es gab wirklich Momente, in denen man ihnen zum Teil recht geben mußte, weil die Kongolesen davonrannten und wir nicht. Für mich war es eine sehr schwierige Situation. Der Che war ein eifriger Verteidiger der Afrikaner. Immer versuchte er, ihre Schwächen zu erklären.
CHE: In den Tagen, die auf den Angriff folgten, desertierten eine Menge Soldaten oder baten um ihre Entlassung. Mundandi schrieb mir einen langen Brief, wie immer voller heroischer Geschichten, in dem er sich über den Verlust seines Bruders beklagte, aber verkündete, dieser sei gestorben, nachdem er eine vollständige Lastwagenbesatzung von Soldaten ausgelöscht hätte. (...) Ebenso schmerzte ihn der Verlust von mehreren der besten Kräfte seiner Gruppe, und er protestierte, daß der Generalstab sich in Kigoma aufhielt, während die Männer im Kongo kämpften und ihr Leben opferten. Nebenbei erklärte er, daß zwei Drittel der feindlichen Truppen ausgelöscht worden seien (...).
Diese Briefe standen am Anfang der Auflösungserscheinungen, die in der Folgezeit die gesamte Befreiungsarmee und auch die kubanischen Truppen heimsuchten.
Anschließend analysierte Che die Fehler, die bei dem Gefecht gemacht worden waren, wobei nach seiner Einschätzung vielleicht der größte in der Unterschätzung des Gegners lag ...
CHE: ... da man dachte, dieser besäße dieselben Eigenschaften wie der Rebellensoldat, der ihn herausforderte.
Der Mangel an Disziplin:
CHE: ... so schmerzlich es auch sein mag, mußte man doch das Verhalten Innes kritisieren, das heldenhaft, aber schädlich gewesen ist, weil es nicht nur drei weitere kubanische Compañeros, sondern überdies ein Dutzend Ruander in den Tod getrieben hat.
Verfall der Kampfmoral:
CHE: Ich blieb lange bei diesem Punkt [Kritik an Azima, der defätistische Äußerungen gemacht hatte] und war sehr deutlich bezüglich dessen, was uns erwartete: nicht allein Hunger, Kugeln, Leiden aller Art, sondern unter gewissen Umständen sogar, von den eigenen Compañeros getötet zu werden, die keinerlei Schießerfahrung besaßen. Der Kampf würde lang und schwierig sein; ich sprach diese mahnenden Worte aus, weil ich in diesem Moment bereit war zu akzeptieren, daß die Neuangekommenen ihre Zweifel äußern und zurückkehren konnten, wenn sie es wünschten; später würde dies nicht mehr möglich sein. Der Tonfall war hart und die Mahnung deutlich. Keiner der Neuankömmlinge zeigte Anzeichen von Schwäche, aber zu meiner Überraschung äußerten drei der Kämpfer, die am Angriff auf Fort Bendera teilgenommen hatten und mit irgendwelchen Botschaften ins Lager zurückgekehrt waren, daß sie uns verlassen wollten, zu allem Überfluß war einer von ihnen Mitglied unserer Partei. Ihre Namen: Abdala, Ansali und Anga.
Ich machte ihnen wegen ihrer Haltung Vorwürfe und warnte sie, daß ich die schärfsten Sanktionen gegen sie einfordern würde. Ich hatte ihnen gegenüber keinerlei Verpflichtung, da ich nur zu den neuen Soldaten gesprochen hatte, aber ich versprach ihnen, daß ich sie in naher Zukunft gehen lassen würde, ohne einen genauen Zeitpunkt zu nennen. Wie um meine Überraschung und meinen Schmerz weiter zu vergrößern, äußerte zudem der Compañero Sitaini, der mich seit dem Krieg begleitet hatte und sechs Jahre lang mein Assistent gewesen war, daß er nach Kuba zurückkehren wollte.
Die Argumente des Chino waren ...
CHE: ... vorgeschoben, kleinlich, es ging um die drei oder fünf Jahre.
DREKE: Chino, Ches eigener Assistent, erklärte, daß er gehen wollte. Dieser Fall wog schwer, war ein wirklicher Bruch. Sitaini ... Wie konnte er es wagen, zum Che zu sagen, daß er gehen würde? Ich bekam Angst.
CHE: Von diesem Moment an war er geradezu ein wandelnder Leichnam.
ALMARI: [an Kahama, datiert am 4. Juli] »Liebe Compañeros in der Basis, wie ihr wißt, beklagen wir den Verlust von fünf Compañeros. Alle anderen Compañeros sind wohlauf. Kahama: ich habe noch nie so viele Feiglinge gesehen, aber als Kubaner, der weiß, daß er einen guten Chef hat, halte ich die Stellung.«
»Negro: alle diese Compañeros rennen auf und davon, sobald sie auch nur einen Schuß hören; es ist ihre Schuld, daß Compañeros gefallen sind. Kahama, ich habe keine Angst, weil ich mit den kubanischen Compañeros zusammen bin, aber ich wäre lieber in Kuba, und so denken viele von uns Kubanern, die schon die Feuertaufe hinter sich haben. Vermerk: Vertraulich.«
VIDEAUX: Am nächsten Morgen ordnete der Che an, die Hütten neu aufzuteilen, und wir richteten uns ein. Danach ließ er das Personal versammeln und trat zum ersten Mal allen von uns gegenüber. Er sprach über die Situation und darüber, wie lange die Mission womöglich dauern würde; daß, sollte irgendein Compañero nicht den Mut besitzen zu bleiben, gut, dann sollte er es sagen, noch wäre Zeit dafür, noch könnte man Wege finden, ihn zurückzuschicken, daß wir zwischen drei und fünf Jahren hier bleiben würden, aber auf keinen Fall unter drei Jahren. Daß der Sieg fast gesichert sei und daß er umso eher errungen sein würde, je schneller der Krieg begänne. Er schlug vor, daß diejenigen von uns, die weniger müde seien, zum See zurückkehren und die übrigen Sachen holen sollten, die wir dort gelassen hatten. Er sagte, wir sollten einen Schritt vortreten, und fast alle machten diesen Schritt.
CHE: [zur Gruppe in der Basis] Der Kampf beginnt jetzt, was in Front de Force geschehen ist, war noch nichts, wir werden uns in noch weit schwierigeren Situationen befinden als dieser. Wir dürfen uns den Kongo nicht wie unser eigenes Land vorstellen, die Bedingungen sind hier nicht die gleichen, hier gibt es keine Organisation, keine Führung, und es existiert auch keine Organisation im Untergrund, wie wir sie hatten.
Wer aus diesem Kampf ausscheidet, verrät die Revolution und bricht das Wort, das er gegeben hat. Dies ist für die Einheimischen ihr erstes Gefecht gewesen. Hier wurden die Dörfer übers Telefon erobert. Von hier kehrt man in unser Land nur mit einem kaputten Arm oder einem kaputten Bein zurück, um sich dort kurieren zu lassen, oder, wie im Fall des Compañeros, der unten geblieben ist [Parada], weil man krank ist und nicht weitermachen kann. Dieser Compañero besitzt unsere Hochachtung. Wir anderen aber reichen uns in Leopoldville die Hände, wenn unsere Knochen nicht irgendwo unterwegs begraben werden.
MENA: In Force kommt es daraufhin zu einer Diskussion mit Ansini und Ajili, die nach Kuba zurück möchten, und Dreke setzt sich mit ihnen zu einem Gespräch zusammen.
Das Hauptproblem für Che Guevara bestand darin, die Auflösung der Gruppe aufzuhalten, die durch die Niederlage und das Verhalten der ruandischen und kongolesischen Guerilleros entstanden war. Die Nachrichten von Rückkehrwünschen häuften sich. Wenig später wollten zwei der Ärzte zurück.
CHE: Die Auswahl, die man in Kuba getroffen hatte, war nicht ausreichend gewesen, das war offensichtlich; aber es ist schwierig, unter den gegenwärtigen Bedingungen der kubanischen Revolution eine gute Auswahl zu treffen. Man darf sich nicht nur auf die Geschichte des jeweiligen Mannes im bewaffneten Kampf verlassen, diese ist zwar ein wichtiges Kriterium, doch die folgenden Jahre des bequemen Lebens können ein Individuum auch verändern, und dann gibt es noch die große Mehrheit, die erst die Revolution zu Revolutionären gemacht hat.
Welche Bedeutung hat der Satz: »Wenn nötig, bis zum Tod«?
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