Inhalt | Das Jahr, in dem wir nirgendwo |
Víctor Dreke und der Che kennen | Ches Begleiter |
DREKE: Es war der 28. oder 29. März, der zehnte oder zwölfte Tag im Lager, als mich Osmany Cienfuegos, der Bauminister, aufsucht, mit dem Befehl, mit ihnen mitzukommen und Santiago Thierry als Chef vor Ort zu lassen.
Wir sprechen von anderen Dingen, dann zeigt er mit Fotos.
Er zeigt mir mehrere Fotos, im Profil, von vorn. Ich erkenne ihn nicht. Ich hatte nicht die leiseste Vorstellung, wer er sein könnte.
Ich kam nicht darauf, vom Äußeren her ähnelte er keinem der wichtigen Kader.
Er holt mich ab, und wir fahren zum Laguito. Er stellt mich Papi (Martínez Tamayo) vor. Ich höre, wie Osmany mit jemandem redet. Wir standen in einem kleinen Patio, und aus der Halle kommt ein Compañero, ein Weißer, die Haare kurzgeschoren, mit verspiegelter Sonnenbrille. Ich begrüße ihn, und wir kommen auf die Sache zurück.
Die Stimme kommt mir etwas bekannt vor, aber ich komme nicht darauf, er trägt eine Prothese im Mund. Wir setzen uns an einen Tisch.
Wenn man verwundet wird, spürt man den Treffer, etwas Heißes, wie ein Stromstoß. Mein Herz hüpfte, mit einem Sprung war ich auf den Füßen.
Von der Gestalt her war er derselbe. Wir redeten über die Familie, über meine Tochter, fünf oder sechs Monate alt. »War sie krank?« »Ja, aber es geht ihr schon wieder besser.« Meine Tochter war am 8. September '64 geboren worden, und es hatte Probleme bei der Geburt gegeben, weil die Schädelknochen nicht richtig zusammengewachsen waren ... Der Che wußte von diesen Problemen. Das gab mir einen Eindruck von seiner Einfühlsamkeit und Menschlichkeit.
Vom Gefühl her bin ich noch nicht darauf eingestellt, daß die Dinge unmittelbar bevorstehen. Der Che saß beim Schreiben, es war der Abschiedbrief, er warf Papiere weg. Chino, Ches Assistent, war mit uns dort. Am Abend sagt Che zu mir, daß wir jeden Moment ausrücken werden. Er fragt mich nach der Brigade, nach der Ausbildung. Er spricht von der Mission. Es geht in den Kongo! Er überreicht mir eine Pistole, eine kleine Makarov.
»Kannst du nicht Schach spielen? Und der da kann es auch nicht«, sagte er, als wollte er sich beklagen, zu Tamayo gewendet. Wir unterhielten uns eine Weile, dann zog er sich zurück und fuhr mit dem Schreiben fort.
Papi und ich kamen ins Gespräch, denn wir kannten uns vorher nicht, wir hatten nur gemeinsame Freunde. Wir gingen sehr spät zu Bett. Ich blieb dort, fuhr nicht mehr zurück ins Lager.
Es kam der 31. März. Am Morgen trank der Che Tee ohne Zucker, dann machte er sich ans Bügeln, las.
Darauf der 1. April, immer noch im selben Haus. Abends sagte der Che nur, daß wir Besuch bekommen würden. Er war sehr diskret. Gegen zehn, elf Uhr abends kam Fidel zusammen mit Osmany. Sie umarmten sich. Sie gingen nach draußen, um sich zu unterhalten. Dann ließen sie uns rufen. Es würde nicht leicht werden, es sei eine schwierige Mission. Sie würdigten das gute Verhalten der Brigade während der Ausbildung. Fidel war beunruhigt über die Folgen der Ermordung Lumumbas, über die Repression durch die Belgier. Er fragte uns nach der Familie.
Fidel las in einigen Metern Entfernung von uns den Brief, den ihm Che überreicht hatte. Papi und ich standen sehr nah bei ihnen. In einem Nebenzimmer sagte Fidel zu uns, wir sollten auf den Che aufpassen, den Che unauffällig und diskret beschützen.
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