Projekt Gedächtnis |
||
Projekt Gedächtnis zu I: ID-HAUSMIT- TEILUNG zu II: LINKE BUCHLÄDEN, VERLAGE, VERTRIEBE UND ZEITUNGEN IN DER BRD zu III: GEGEN- ÖFFENTLICH- KEIT HINTER GITTERN zu IV: EIN BUCH WIRD VERBOTEN zu V: MÜNCHENER STADT- ZEITUNG »BLATT« zu VI: INFO-BUG - AGIT-DRUCK - FANTASIA-DRUCK zu VII: SCHLEYER UND BUBACK NACHRUFE zu VIII: DIE KUNST UND WISSEN- SCHAFT IST FREI zu IX: DIE ANFÄNGE DER TAZ |
VORBEMERKUNGEN»Wir können davon ausgehen, daß das System nicht in der Lage ist, die Bedürfnisse seiner Sklaven zu erfüllen.«Sozialistische Presseagentur (SPA) 20.6. 73 So stand es vor gut 15 Jahren auf einem Flugblatt. Ein Jahr, in dem viel passierte. Am 17.1.1973 fand der erste, am 8.5.73 der zweite Hungerstreik der RAF statt, der Putsch in Chile, in Frankfurt tobte der Häuserkampf, die Bundeswehr veranstaltete ihr Wintex-Manöver '73, es gab wilde Streiks bei Mannesmann, Hoesch und anderen Firmen. In diesem Jahr gründete sich der »Informationsdienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten«, kurz ID genannt. Die alternative Presseagentur hatte den Anspruch, Betroffene zu Wort kommen zu lassen, d.h. Leute, die in den Medien überhaupt nicht oder nur als Objekte in Erscheinung traten. | anfang | »Projekt Gedächtnis« Im Jahre 1988 werden viele der Aktivisten aus den 70er Jahren den ID als Relikt vergangener Jugendzeiten sehen und die meisten der heute 20 - 25jährigen politisch Arbeitenden, soweit ihnen die Zeitung überhaupt noch ein Begriff ist, den ID als Mythos der Altlinken betrachten. Gerade angesichts des weitverbreiteten Kurzzeitgedächtnisses in der Linken meinen wir, daß es nicht nostalgische Ambitionen sein müssen, 15 Jahre nach Gründung und 7 1/2 Jahren nach Beendigung des Projekts, wieder damit in die Öffentlichkeit zu gehen. Denn trotz vieler Schwächen, Widersprüche und dem letztendlichen Einstellen - der ID war während der Jahre 1973 - 1981 Dokumentator und Barometer der linken undogmatischen Bewegung. Aus diesem Grund wäre ein vollständiger Reprint der 371 Ausgaben mit ca. 10.000 Seiten wünschenswert, in näherer Zukunft erscheint uns dieses Vorhaben jedoch unrealisierbar. Mit dieser Dokumentation haben wir uns auf das Thema »Gegenöffentlichkeit« beschränkt. Der ID, als deren Bestandteil und Multiplikator, berichtete regelmäßig über Entstehungen, Treffen und Schließungen von Alternativzeitungen, Buchläden-/ Verlagsgründungen und -pleiten, er veröffentlichte brancheninterne Auseinandersetzungen und dokumentierte ausführlich die staatlichen Zensur- und Repressionsmaßnahmen. Aus der Fülle des Materials haben wir repräsentative Berichte ausgewählt und diese in verschiedene Themenbereiche unterteilt, die auch für heutige Diskussionen noch interessant sind. Die Anmerkungen und Literaturhinweise* am Schluß des »Projekt Gedächtnis« geben in Kürze zusätzliche (Hintergrund-)Informationen zu einzelnen Artikeln und weisen auf die zahlreichen Publikationen hin, die sich ausführlicher mit den jeweiligen Themen beschäftigen. Die Vorbemerkungen zu den einzelnen Kapiteln erheben nicht den Anspruch einer tiefergehenden Analyse zur Entwicklung der letzten 20 Jahre linker Mediendiskussion, dies müßte an anderer Stelle ausführlicher geschehen. | anfang | zu I: ID-HAUSMITTEILUNGVom Anfang bis zum Ende1973 war der Medienalltag der Linken bestimmt von der UZ (Unsere Zeit, DKP) bis zu den verschiedensten Roten Fahnen der KPDs. Im Mai 1973 unternahm die Initiativgruppe SPA eine Rundreise durch die BRD, stellte ihr Medienprojekt interessierten Gruppen vor und suchte noch weitere Mitarbei- terlnnen für den ab Herbst '73 wöchentlich erscheinenden »Informationsdienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten«. Es war einer der ersten Versuche nach 1968, Informationen außerparlamentarischer Bewegungen (Hausbesetzer, Frauen, Ausländer, Knast, Anti-AKW...) einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen und nicht, wie damals üblich, die Textfahnen so lange zu redigieren, bis sie der Realität des Zentralkomitees entsprachen. Die anfängliche Auflage betrug 500 Ex., zu Hochzeiten (1976/ 77) wurden ca. 7000 Ex. des ID verkauft. Zu jener Zeit war der ID wichtigstes Sprachrohr und Diskussionsforum der undogmatischen Linken und Keimzelle vieler regionaler Zeitungen. Von Beginn an war der ID keine homogene Gruppe, unterschiedliche Vorstellungen innerhalb der Redaktion und Differenzen zwischen Redaktion und ID-Städteinitiativen bestimmten neben der kollektiven Arbeit den Zeitungsalltag. Im Sommer 1977 begannen die ersten größeren Auseinandersetzungen zur Konzeption des Blattes, die in immer kürzeren Abständen bis zum Schluß in ihrer Heftigkeit zunahmen. Mehrere Versuche, den ID konzeptionell umzugestalten, scheiterten. Für ein Magazin (mehr Fotos, mehr Farbe) fand sich keine Mehrheit. Auch gelang es nicht, die nach 1977 oft widersprüchlichen Entwicklungen der Linken - von der Auseinandersetzung um den bewaffneten Metropolenkampf über die Entstehung der Grünen bis zur Diskussion um die Landkommunebewegung - wöchentlich auf 32 Seiten zu dokumentieren. Die Frage der politischen Relevanz und die Existenzberechtigung des IDs verstärkte sich in der Redaktion durch das immer größere Desinteresse der Leserlnnen. Das Erscheinen der taz forcierte die langanhaltende Talfahrt, die am 20.2.1981 mit der 371. Nummer endete. Die in der letzten Nummer angekündigte Denkpause wurde zum endgültigen Aus. Die in chronologischer Reihenfolge dokumentierten ID- Hausmitteilungen beschreiben in Kürze (das Material alleine hätte für einige Dokumentationen gereicht) die Entwicklung des Projekts »Informationsdienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten« - vom Anfang bis zum Ende. Wir wollen hier nicht die mancherorts verbreitete ID-Legendenbildung untermauern, aber eine Zeitung wie der ID, welche jahrelang die Funktion des Sprachrohrs für eine breitere undogmatische linke Bewegung inne hatte, existiert heute nicht mehr. Doch muß es ein solches Organ überhaupt noch im Jahre 1988 geben? Ist die Konzeption mittlerweile überholt? Die Zersplitterung der Linken hat sich in den letzten Jahren fortgesetzt und trotzdem hat es im Bereich der Printmedien einiges an Bewegung gegeben. Mitte der 70er Jahre waren es ein paar Dutzend Zeitungen, die »Nachrichten von unten« verbreiteten, heute erscheinen Hunderte von Zeitungen und Zeitschriften aus den verschiedenen Bereichen (Internatio- nalismus, Knast, Philosophie, Musik, Literatur...) und unterschiedlichen Bewegungen (Anti-AKW, Autonome, Frauen, Antimilitarismus...), die versuchen, »unterbliebene Nachrich- ten unter's Volk zu bringen.« | anfang | zu II: LINKE BUCHLÄDEN, VERLAGE, VERTRIEBE UND ZEITUNGEN IN DER BRDIm Anschluß an die Studentenbewegung entstanden Anfang/ Mitte der 70er Jahre in vielen Städten linke Buchläden, die sich überregional zum VLB zusammenschlossen. Der VLB als Vereinigung von linken Buchläden, Verlagen, Vertrieben und Druckereien war vor einem Jahrzehnt die Institution in der linken Buchhandelsstruktur. Die Gemeinsamkeit aller Projekte bestand in der Arbeit gegen die Unterdrückung der linken politischen Kultur. Von der einstigen Solidargemeinschaft mit regelmä8igen regionalen und bundesweiten Treffen, auf denen brancheninterne Kontroversen und gemeinsame politische Strategien geplant wurden, ist heute nur noch wenig übriggeblieben. Die allgemeine Entwicklung in der Linken ist auch an diesen Projekten nicht vorübergegangen. Buchläden, die - in der Phase von Zeitgeist und grüner Realpolitik - noch eine politische Bedeutung in ihrer Stadt besitzen, sind rar geworden in der BRD. Einige der Projekte aus der Anfangsperiode des VLB existieren nicht mehr, manche haben sich bei dem Balanceakt zwischen Existenzkampf und politischer Arbeit nach Jahren stabilisiert und nicht wenige der ehemals linken Buchläden unterscheiden sich nur noch durch Namen und Vergangenheit von bürgerlichen Buchhandlungen. Die Gründe für diese Drei-Wege-Entwicklung können vielschichtig sein: persönliche Enttäuschungen bzw. Weiterentwicklungen, politische Resignation, Überlastung durch die tägliche Arbeit, Konkurrenz von den liberalen Bürgerbuchläden, fehlendes Kaufbewußtsein der Kundschaft...Bei den linken Verlagen sieht es ähnlich aus. Die Zeiten, wo Programmvorschauen den Stand politischer Diskussion dokumentierten, sind vorbei. Die früher von vielen Verlagen proklamierte »linksradikale revolutionäre Theorie« taucht heute nur noch in Reprints auf - der Gang durch Halle 5 der Frankfurter Buchmesse als Ausdruck momentaner politischer Bewegung 20 Jahre nach der Revolte? Von den etlichen Stadtzeitungen, die vor 10 - 15 Jahren mit dem vom ID formulierten Konzept der »Betroffenenberichterstattung« entstanden sind, existieren heute nur noch eine Handvoll als Initiativenzeitungen. Vielerorts wurden (und werden) die Stadtzeitungen von sogenannten Stadtmagazinen verdrängt. Werbung mit Kultur und ein bißchen Politik, die niemandem wehtut, heißt die Mischung der meisten dieser Unternehmen. In letzter Zeit übernehmen andere Zeitungen den Anspruch, linksradikale Politik zu diskutieren. Neben einer Vielzahl überregionaler Blätter erscheinen immer neue sogenannte Szene-Zeitungen und sind für ihre Stadt oder Region Informations- und Kommunikationsforum. Auch wenn sie eine weitaus geringere Verbreitung als die ehemaligen Stadtzeitungen und Stadtmagazine finden und kontinuierliches Erscheinen nicht angestrebt wird, ihre Lebendigkeit und Radikalität stellt die Etablierten mit ihrer auswechselbaren Langeweile in den Schatten. Achtung! Paragraph 88a ...Versuch des Staates Ihnen direkt ins Gehirn zu blicken Verteidigen Sie nach all diesen Worten deren Grundlage - die Freiheit des Denkens - gegenüber jeglicher ZENSUR. Es liegt an uns, keine Zensur stattfinden zu lassen. Diese letzten Bemerkungen aus einem 1978 erschienenen Buch der Edition Nautilus sind heute aktueller denn je, Zeitungen, Buchläden, Verlage, Vertriebe und Druckereien, die sich Ende der 80er Jahre noch als Teile einer politischen Opposition begreifen, sind nach wie vor durch staatliche Zensurmaßnahmen gefährdet und bedroht. Die öffentliche Empörung zu der Einführung der Maulkorbgesetze war 1976 gro8. Die VLB-Projekte zeigten Solidarität und selbst in bürgerlichen Kreisen wurde der Paragraph 88a (Anleitung zu Straftaten) ein Thema. Die am 1.1.1987 in Kraft getretenen »Gesetze zur Bekämpfung des Terrorismus« §129a und 130a sind modifizierte Fassungen der alten Zensurparagraphen. Mit ihren schwammigen Auslegungsmöglichkeiten geben sie den Staatsschutzorganen jederzeit die juristische Absicherung, gegen oppositionelle Projekte vorgehen zu könne. Die Durchsuchungswelle aufgrund der Zeitschrift »Radikal« 1986 und die bundesweite Beschlagnahme des Buches »das info - Dokumente der Gefangenen aus der RAF« aus dem Neuen Malik Verlag im Herbst 1987 sind die bekanntesten Willkürmaßnahmen in der jüngeren Vergangenheit. Vergessen werden sollte jedoch auch nicht die Festnahme eines Holländers, der angeblich ein - in Holland von jeder Buchhandlung offen angebotenes Buch - Buch mit Dokumenten aus dem antiimperialistischen Widerstand in die BRD geschmuggelt haben soll. Anfang September 1988 saß er bereits über drei Monate in Untersuchungshaft!! Die ständigen Repressionen der letzten Jahre haben dazu geführt, daß einige linksradikale Zeitungen (z.B. Radikal, Sabot, de Knispelkrant, Blättle) nur noch in der lllegalität erscheinen können bzw. eingestellt wurden. Staatliche Erpressungsversuche durch drohende Existenzvernichtung führen bei nicht wenigen Zeitungen, Buchläden und Verlagen zu einer Art »Selbstzensur«, was zur Folge hat, daß eine Auseinandersetzung über Sinn und Zweck militanter Politik nicht mehr öffentlich geführt werden kann. Eine breite Kampagne zur Abschaffung der Zensur- und Repressionsparagraphen ist zwar für den Fortbestand der politischen Kultur notwendig, die Forderungen finden jedoch nur begrenztes Interesse. | anfang | zu III: GEGENÖFFENTLICHKEIT HINTER GITTERNPräventivzensur im KnastEin Schwerpunkt der ID-Berichterstattung war die Verbreitung der Nachrichten aus und zu dem Knast. Allerdings gab es zwischen ID-Macherlnnen und Gefangenen regelmä8ig Auseinandersetzungen über die Form des IDs als Medium der Gegenöffentlichkeit. Eine Reaktion darauf war die hier dokumentierte »Vorstellung zur Ausbreitung einer eigenen Kultur - Nachrichtendienst für eine Gefangenenbewegung«. Der staatliche Umgang mit Literatur im und aus dem Knast war natürlich nicht nur in den 70er Jahren ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Verhältnisse. Jedes Buch, jede Broschüre und Zeitung kann nach wie vor die »Anstaltsordung gefährden«, »zur Habe-Nahme« von Literatur ist gängige Praxis in bundesdeutschen Knästen. Literatur, für die Gefangenen wichtigste Verbindung zur Außenwelt, wird zum Disziplinierungsinstrument. Die in Kapitel 3 dargestellten Beispiele der Zensur und Präventivzensur sind nur ein Bruchteil der sich wöcnentlich wiederholenden Meldungen. | anfang | zu IV: EIN BUCH WIRD VERBOTEN»Wie alles anfing« und die deutsche Justiz»... daß es nicht mehr nur verbaler Protest war, sondern der ernsthafte Versuch, mit Waffengewalt eine Veränderung der Verhältnisse herbeizuführen. Obwohl der Versuch gescheitert ist, war er richtig und nützlich.« Diese Textstelle aus dem Vorwort der Bommi Baumann-Autobiographie war eine von vielen vergleichbaren, die die bayerischen Staatsschützern als Aufforderung zur Gewalt sahen und damit den längsten Zensurprozeß der Nachkriegszeit einläuteten. Bei dieser 2 1/2jährigen Prozeßodyssee mit abschließendem Freispruch spielten sicher viele Faktoren eine Rolle: Die Widersprüchlichkeit des Buches selbst (die Bewegung 2. Juni charakterisierte das Bommi-Buch als einen wahren »Feldzug gegen die Gewalt von unten«), eine große Öffentlichkeit, die jede Phase des Verfahrens begleitete, die Neuherausgabe des Buches von 380 Verlagen, Buchläden, Zeitungen und Privatpersonen und die ausländischen Ausgaben mit hohen Auflagen. Eine endgültige Verurteilung des Verlegers und der Verlegerin und die anschließende Strafverfolgung von 380 Mitherausgebern hätten sicherlich die bundesdeutschen Gerichte dem Gespött und der Kritik der internationalen Öffentlichkeit ausgesetzt. Bommi Baumanns »Wie alles anfing«, das heute bei staatlichen Zensurmaßnahmen als Beispiel von Solidarität im Umgang mit verbotener Literatur vorschnell in Diskussionen gebracht wird, ist zwar immer noch dokumentationswürdig (schon allein, um die Dummheit und Verlogenheit der deutschen Justiz zu zeigen), der Fall wird jedoch einzigartig bleiben. Die geplante gemeinsame Herausgabe von RAF-Texten (d.h. authentische Dokumente zur linken Diskussion) im Jahre 1977 scheiterte nicht aus organisatorischen Gründen. | anfang | zu V: MÜNCHENER STADTZEITUNG »BLATT«Im Fadenkreuz bayerischer StaatsschützerDie Münchener Stadtzeitung »Blatt« war mit ihrem 8jährigen Bestehen eine der ältesten ihrer Gattung. Die Realität, in Bayern eine Zeitung herauszugeben, bescherte den Macherlnnen wohl die meisten Verfahren, die in der BRD je gegen eine Zeitung eingeleitet wurden. Die Seiten 75 - 79 dokumentieren nur einige der interessantesten Fälle. Bei der Lektüre kommt des öfteren ein Schmunzeln auf, doch leider kann die Lächerlichkeit des Staates teuer werden. Die Verfolgung der bayerischen Zeitungen »freiraum« und »radi-aktiv« in den letzten Jahren sowie serienweise Verbots- verfügungen gegen politische Veranstaltungen, die auch nur im Entferntesten im Verdacht stehen, das Thema Gewalt zu diskutieren, zeigen die Kontinuität - aber gleichzeitig auch die Weiterentwicklung - der Repression in Bayern. | anfang | zu VI: INFO-BUG - AGIT-DRUCK - FANTASIA-DRUCKDie Zerschlagung hat MethodeAls Gegenbewegung zu den hierarchisch strukturierten K- Gruppen entstanden Anfang der 70er Jahre die »undogmatischen Gruppen«, die in Berlin einen losen organisatorischen Zusammenhang bildeten. Ihr Mitteilungsblatt war das »Info Berliner Undogmatischer Gruppen« (Info-Bug), das seit 1974 als wöchentliche Zeitung regelmäßig erschien. Das Info-Bug verstand sich als Organ und Mittel der Gegenöffentlichkeit, in dem Berichte, Termine, Aktionen etc. der Szene unzensiert veröffentlicht wurden. Nach der Verhaftung der Agit-Drucker, die angeblich die einzig »faßbaren« beteiligten Personen des inkriminierten Objekts waren, wurde das »Info« eingestellt; das Nachfolgeprojekt »BUG-INFO« konnte nur noch illegal erscheinen. Seit dem 1. Mai 1988 gibt es in Berlin wieder eine Zeitung (Interim), die nach der Konzeption des Info-Bug arbeitet. Das Urteil in dem Prozeß gegen die Agit-Drucker galt als Statuierung eines Exempels und ist auch für vergleichbare Prozesse in der Gegenwart noch relevant. Jede Zeitung und alle an ihrer Herstellung beteiligten (Setzerei, Druckerei, Vertriebe, Buchladen, Handverkäuferln und Leserln), die die Diskussion um die Frage der politischen Gewalt führen, müssen damit rechnen, kriminalisiert zu werden. In dem Prozeß gegen die fantasia-Druckerlnnen ging der Staat sogar noch weiter. Nachdem die Angeklagten sich nicht von den bei ihnen beschlagnahmten Schriften distanzierten, konstruierte die Bundesanwaltschaft »Kuriertätigkeiten für die illegalen RAF-Leute«. Diese Konstruktion mußte für 1 1/2 Jahre Knast der Druckerinnen herhalten. Nach weiteren Verhaftungen und Verfahren (2 Jahre Knast ohne Bewährung) gegen andere fantasia-Druckerlnnen und der Be- schlagnahme der Druckmaschinen (!) wurde das fantasia- Kollektiv weitgehend zerschlagen. | anfang | zu VII: SCHLEYER UND BUBACK NACHRUFEDie Fahndung läuftIm deutschen Herbst 1977 wurden Hunderte von Wohnungen angeblicher RAF-Sympathisantlnnen durchsucht. Die bürgerlichen Medien waren gleichgeschaltet und kritische Äußerungen zum Staat und seinen Organen erstickte die legalisierte Gewalt im Keim. Die in diesem Kapitel dokumentierten Reaktionen auf die öffentliche Bekanntmachung der faschistischen Vergangenheit des Arbeitgeberpräsidenten stehen exemplarisch für die Atmosphäre im Jahr von Stammheim, Schleyer und Mogadischu. Nach der Ermordung Bubacks erschien am 25.4.77 in der Göttinger AStA-Zeitung ein Artikel von »Mescalero« (aus dem Umfeld des »Undogmatischen Frühlings«). Das Öffentlichmachen dieses, sich kritisch mit der Buback-Erschießung und dem bewaffneten Kampf auseinandersetzenden Papiers nahm 4 Tage später der RCDS zum Anlaß für eine Anzeige. Fast einen Monat danach wurde eine für Göttingen noch nicht dagewesene Polizeiaktion inszeniert. Aus Solidarität druckten zahlreiche AStAs und Alternativzeitungen den Artikel nach. Fast überall folgten Ermittlungsverfahren. Mit der Begründung, daß die bürgerlichen Zeitungen nur Auszüge aus dem Buback-Nachruf veröffentlichen würden, diese aber im Textzusammenhang gesehen werden müßten, gaben über 50 Professoren und Rechtsanwälte die Dokumentation »Buback - Ein Nachruf« heraus - und erhielten alle ein Verfahren. Im Gegensatz zu anderen, die mit der gleichen Motivation den Mescalero-Text nachgedruckt hatten, wurden die »Persönlichkeiten« freigesprochen. | anfang | zu VIII: DIE KUNST UND WISSENSCHAFT IST FREIDas Nähere bestimmt die PolizeiHier geht es um die Beschlagnahme von Plakaten und Zensur im Bibliotheksbereich. Die staatliche Repression nimmt dabei fast schon groteske Züge an, ein Bild mit Schleyer, Schmidt, Strauß, GSG-Wegener und Jimmy Carter stellt eine Verunglimpfung des Staates dar, ein Plakat mit zwei sich küssenden Männern ist sittenwidrig... Wie aktuell diese Furcht vor Plakaten ist, sieht man an einer Beschlagnahmeaktion in Berlin. Ein Jahr lang hing dort in Kneipen und Buchläden ein Aufruf, der eine medizinische Betreuung unter menschenwürdigen Bedingungen für die politische Gefangene Angelika Goder forderte, bevor die Staatsanwaltschaft dies als »Werbung für eine terroristische Vereinigung« sah und § 129a-Verfahren einleitete. Die in diesem Kapitel kurz dargestellten Zensurmaßnahmen gegen linke Literatur in Bibliotheken haben vor zehn Jahren noch Empörung beim humanistisch gebildeten Bürgertum entfacht, mittlerweile sind sie zu Alltäglichkeiten in diesen Institutionen geworden. | anfang | zu IX: DIE ANFÄNGE DER TAZObskures Objekt unserer Begierde?Im April 1989 kann die taz 10 Jahre tägliches Erscheinen feiern. Doch trotz dieser einmaligen Kontinuität sind Differenzen und Unzufriedenheit innerhalb des Projekts und massive Kritik von den Leserlnnen seit Jahren unübersehbar. In den ersten öffentlichen Auseinandersetzungen zur Gründung einer überregionalen Tageszeitung, die 1977 - 1979 im ID geführt wurde, lassen sich viele der Argumente nachlesen, die heutzutage alle 2 Tage auf der Leserlnnenbriefseite vorgebracht werden. Zum zehnjährigen Bestehen im Frühjahr 1989 plant die »taz« eine neue Konzeption... |
|
Projekt Gedächtnis |