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Vorgeschichte

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Welche Inhalte?

Wer arbeitet?

Organisatorisches und technisches

ID-HAUSMITTEILUNGEN

[SPA Schreiben vom 20.06.1976]


SOZIALISTISCHE PRESSE AGENTUR

»Die Nachrichten kommen vom Volk und kehren zum Volk zurück«

Sozialistische Presse Agentur (SPA)
6000 Frankfurt
Homburger Str. 36
Tel. 77 46 96
Das Büro ist während der Sommermonate montags, mittwochs, freitags von 10 - 13 Uhr besetzt. Ab 1. Juli steht zu den übrigen Zeiten ein Anrufbeantworter zur Verfügung.

Liebe Genossen,

Mit diesem Brief wollen wir auf breiter Ebene mit der Arbeit beginnen. Das heißt, wir fordern euch auf, das beiliegende Papier zu besprechen und uns mitzuteilen, zu welcher Form von Zusammenarbeit ihr euch entschlossen habt. In der nächsten Woche werden wir »Musterartikel« an euch schicken, an denen die Arbeitweise, so wie sie aktuelles Ergebnis der Diskussionen ist, deutlich werden soll.
Um die Phase der Einarbeitung kurz zu halten und mögliche Fehler frühzeitig zu erkennen, sind wir auf eure Mitarbeit angewiesen. Wir hoffen, daß ihr die im Papier angedeuteten Möglichkeiten für euch konkret macht.
Es hat sich als günstig erwiesen, lokal oder regional Gespräche zu vereinbaren, weil es genauer, schneller und vor allem persönlicher zugeht.
Der Name SPA ist noch als Arbeitstitel zu verstehen, weil wir meinen, daß er die Sache nicht trifft. Bessere Idee?
Und nun der Worte genug. Auf gute Zusammenarbeit!
Frankfurt, am 20. Juni 1973
Wir werden siegen!
SPA-Kollektiv


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VORGESCHICHTE
Im Frühjahr 73 haben sich unabhängig voneinander in Berlin und Frankfurt Initiativen gebildet, die den Informationsfluß innerhalb der Linken auf je verschiedene Weise verbessern wollten. Eine Gruppe hat in Zusammenarbeit mit den Genossen von der Agence de Presse Liberation Kontakte zu den progressiven Journalisten gefestigt und bei der Vorbereitung von Aktionen gezielt Informationen an die bürgerliche Presse gebracht.
Die andere Gruppe ging davon aus, daß bereits eine Verbesserung des Nachrichtenflusses über politisch wichtige Ereignisse innerhalb der Linken - kontinuierlich durchgeführt - sich positiv auf unser aller Arbeit auswirken muß. Diese verschiedenen Ansätze sind nun in der Initiative-SPA zusammengefaßt. Aus Diskussionen und Gesprächen, die wir mit Gruppen und Individuen aus der BRD geführt haben, ergab sich ausreichende Bereitschaft zur Mitarbeit, so daß wir zum 19.6. ein erstes Treffen in Frankfurt vereinbarten. Auf diesem Treffen zeigten sich Schwächen in der Vorarbeit, der Art, daß die Interessen der Beteiligten trotz aller Versuche nur relativ oberflächlich klargelegt worden waren und sich von daher die Tendenz durchsetzte, auf technische Probleme auszuweichen.
In den vergangenen Wochen haben wir diese Probleme bearbeitet und halten die Fragen für soweit geklärt, wie es im Augenblick, also im Stadium beginnender Arbeit überhaupt möglich ist.


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ZIEL UND ZWECK
Unserer Meinung nach liegt der politische Gehalt eines linken Nachrichtendienstes zur Zeit darin, daß der überregionale Nachrichtenfluß mit politischen Informationen gefüllt wird. Das sind Informationen, die umsetzbares Wissen enthalten, die den Empfänger in die Lage versetzen, sich zu Ereignissen praktisch zu verhalten. Ist ein Haus besetzt worden, so ist nicht nur die Tatsache, daß es besetzt wurde, interessant, sondern erst die Kenntnis davon, unter welchen konkreten Bedingungen, mit welchen Zielvorstellungen die Aktion abgelaufen ist und welche Erfahrungen die Genossen dabei gesammelt haben, ermöglicht es anderen zu diskutieren, ob es sich hier um eine Aktionsform handelt, die für sie unter ihren Bedingungen beispielhaft sein kann. Erst so wird es möglich sein zu verhindern, daß auch unsere eigene Praxis- weil wir davon in der Regel über die bürgerliche Presse erfahren - zum Konsumobjekt wird. (»Mensch, da unten hat's wieder Putz gegeben«)

Zwei sich ergänzende Arbeitsweisen
Wie schon aus der Vorgeschichte herauszulesen, haben die Initiativen im großen und ganzen zwei verschiedene, sich ergänzende Arbeitsweisen gehabt.
Einmal innerhalb der Linken selbst, politische Nachrichten verstärkt in Zirkulation zu bringen. Hier sind die Empfänger im wesentlichen Multiplikatoren, d.h. Gruppen, Kommunikationszentren, linke Zeitungen, Jugendzentren, Buchläden und andere, Kneipen etc. Alle diese Empfänger sollten auch aus ihren Bereichen Informationen liefern, so daß man von einem wechselseitigen Nachrichtenaustausch sprechen kann. Zum anderen können wir auf die bürgerlichen Medien nicht verzichten, aus mehreren Gründen.
Über linke Zeitungen, Gruppenaktivitäten, Aktionen etc. erreichen wir in großen unregelmäßigen Abständen nur einen kleinen Teil der Bevölkerung. Aus den Erfahrungen beim Häuserkampf in Frankfurt hat es sich gezeigt, daß es sinnvoll sein kann, vorbereitend über die bürgerliche Presse Informationen - hier über Spekulation, Mietwucher etc. - verbreiten zu lassen, um auf diese Weise eine Ausgangslage zu schaffen, die während der Aktion dann von der Presse nicht so leicht zurückgenommen werden kann.
Es gilt aber auch, den im Medienbereich arbeitenden Genossen und progressiven Journalisten in ihrer ohnehin von permanentem Legitimationsdruck und Konkurrenzmechanismen gefährdeten Arbeit zu unterstützen. Das kann durch Arbeitserleichterung durch unsere Recherchen geschehen, das kann durch Vermittlung von Zusammenarbeit mit den Genossen aus anderen Medienbereichen laufen. Nicht zuletzt kann es ihnen bei der Weiterentwicklung ihrer Arbeits- möglichkeit nützen, wenn sie unsere Erfahrungen vermittelt bekommen.
An dieser Stelle tritt in der Regel das Mißverständnis auf, wir wären versessen auf die bürgerlichen Medien und trügen uns da mit großen Hoffnungen und/oder lllusionen. Dem ist nicht so!
Aus unserer eigenen Erfahrung ist uns nur zu geläufig, wieviele Gruppen und Individuen sich notwendig zu dem Medienapparat nicht verhalten können. Praktisch heißt das, daß z.B. jede Gruppe irgendwo ihren »Mann« bei der Presse hat, dem man vor oder nach einer Aktion Informationen zukommen läßt und hofft, daß der Artikel gut wird. Konsequenz: Die gelinden Hetzartikel sind dann »für die FR noch ganz gut«.


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WELCHE INHALTE?
Wir können davon ausgehen, da8 das System nicht in der Lage ist, die Bedürfnisse seiner Sklaven zu erfüllen; also müssen wir jede Artikulation von Bedürfnissen und Interessen der Bevölkerung - wobei keine Trennung zwischen Gruppen und Bevölkerung gemacht wird - aufgreifen, und zwar solche, die nicht oder noch nicht in die Praxis politischer Gruppen eingeflossen sind. Sie tragen den Kern der pol. Veränderung in sich.
Der Informationsdienst kann insofern Initiativfunktion erhalten, als durch die Veröffentlichung von Mißständen, Konfliktstoffen etc. die Genossen Ansatzpunkte für neue oder breitere Arbeitsperspektiven finden können, z.B. Bürgerinitiativen, Ankurbelung oder Verbreiterung von Kampagnen, Solidaritätsaktionen, Verallgemeinerung von politischen Diskussionen usw.
In der Propagierung dieser Ansätze und in der Aufdeckung von Repressionen sollen die Schwerpunkte der Nachrichten liegen, wobei besonderes Gewicht auf die Entwicklung neuer Aktions- und Widerstandsformen gelegt wird.
Eine Diskriminierung bestehender Fraktionen innerhalb der Linken soll vermieden werden. Unsere Position drückt sich aus in der Art der Berichterstattung, z.B. welchen Aspekten wir mehr oder weniger Gehalt beimessen. Wenn es darum geht, über Aktionen oder Forderungen ausländischer Arbeiter zu berichten, wird es für uns von zweitrangigem Interesse sein, welche Gruppen oder Parteien dieser Sache mehr oder weniger nahestehen. Wichtig ist, welche Perspektive diese Aktionen haben, ob neue Formen gefunden werden, ob alte weiterentwickelt wurden, wo sich z.B. Ansatzpunkte finden, die Spaltung des multinationalen Proletariats zu überwinden.


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WER ARBEITET?
In der gegenwärtigen Lage kann das Projekt nicht an eine oder wenige Gruppen gebunden werden. Das käme einem Ausschluß anderer von der Mitarbeit gleich. Die Frage, wie weit sich ein Grundkonsens innerhalb der mitarbeitenden Gruppen herausbildet, läßt sich unserer Ansicht nach nicht theoretisch klären, sondern kann nur Ergebnis der Arbeit sein. Das bedeutet aber, daß wir an alle den Anspruch stellen, sich zu dem Projekt in diskutabler Weise zu verhalten.


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ORGANISATORISCHES UND TECHNISCHES
Das Konzept der Durchführung sieht so aus:
Ab Oktober werden zweimal in der Woche Nachrichtensammlungen verschickt.
Finanzielle Grundlage soll ein Abonnentensystem sein. Die Preise werden gestaffelt je nach Bezieher. Über die Höhe des Preises können wir im Moment noch keine Angaben machen (wird noch mitgeteilt).
Die Informationen werden umfassen: BRD/Europa/Außer- Europ./Osteurop. (soz. Staat)
Diese Gliederung betrifft nur die geographischen Räume, die inhaltlichen Untergliederungen werden sich schnell herausbilden.
Zum Korrespondentennetz.
In den größeren Städten arbeiten wir beim Aufbau von Kommunikationszentren mit, die für uns eine bessere Arbeitsmöglichkeit bieten. Dort wird jederzeit die Möglichkeit gegeben sein, Informationen an uns weiterzuleiten. Außerdem bieten sich Möglichkeiten, beim Aufbau von linken Lokal-Zeitungen an. Die dort zusammenlaufenden Informationen könnten sowohl lokal als auch überregional verarbeitet werden.
Die meisten Informationen werden (abgesehen von Infos, Flugblättern etc.) über das Telefon kommen; deshalb ein Tip: formuliert die Sache vor, wenn notwendig - und wir nehmen, wenn ihr vorlest, auf Band auf.
Der Übergang bis Oktober ist fließend, weil die Zusammenarbeit geübt werden muß und wir noch Erfahrungen sammeln. Über die Sommermonate wollen wir - wenn möglich - in wöchentlicher Folge die relevanten Informationen übermitteln. Dies soll anfangs in ausführlicherer Form geschehen, um unsere Arbeitsweise zu verdeutlichen und um überhaupt detaillierte Kritik zu ermöglichen.
Sollten die Reihen der Gruppen auch durch urlaubende Genossen gelichtet sein, muß das kein Grund sein, mit ersten Kontaktaufnahmen zu warten. Eine Anlaufzeit ist notwendig, so können wir die Zeit nutzen.
Es erfolgt keine Trennung in Politik - Kultur - Sport - Frauenteil u.a.
Alle Informationen sollen in ihrem politischen Gehalt dargestellt werden.
Regelmäßige erscheinende Infos:
  • Flugblätter
  • Diskussionspapiere über Weiterentwicklung bestehender Praxis
  • Vorschläge von neuen Aktionen oder Aktivitäten (z.B. Rote Zelle Bundesliga o.ä.)
  • Berichte/Informationen über Mietwucherfälle, Fälle von Repressionen
  • Unfälle, die von den Bullen inszeniert wurden, Lebensmittelvergiftung, Umweltverschmutzung durch Betriebe, also Sachen, die noch nicht von politischen Gruppen aufgegriffen wurden.
  • Berichte aus Betrieben über Inflationsdiskussionen der Kollegen, über Warnstreiks, »wilde« Streiks u. mehr, Kontakte in die Knäste, Informationen von Gefangenen Informationen aus der dritten Welt Informationen über alles, was euch wichtig genug erscheint, daß es auch andere wissen müßten.
Wichtig!
Baut keinen »linken« Journalismus auf. Wenn irgend möglich, laßt die Betroffenen sprechen! Gebt den Aktivisten das Wort, nicht den Journalisten. Wir unterliegen keinem Formulierungsdruck, wenn nur klar wird, worum es geht.
Macht der Bevölkerung, den Kollegen, den Genossen klar, daß sie selbst zu Wort kommen müssen, nicht die Herrschenden oder deren Handlanger bei den Medien.
"Die Nachrichten kommen vom Volk und kehren zum Volk zurück"
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