Online seit:
|
Sat Oct 7 02:43:58 1995
|
|
[Prev][Next][Index]
BAW-Durchsuchungen / erste zusammenfassung
Bundesweite Durchsuchungsaktion der Bundesanwaltschaft
Zusammenstellung von Berichten und Gedächtnisprotokollen
Im Laufe des 13.06.1995 fanden in mehreren Städten der BRD
Durchsuchungen von mehr als 80 Privatwohnungen und linken
Zentren statt. Laut DPA begründeten die Sicherheitsbehörden
die Aktion mit der Fahndung nach Mitgliedern der
"Antiimperialistischen Zellen", des K.O.M.I.T.E.E. sowie der
"RADIKAL".
Neumünster
In Neumünster wurde der Infoladen Omega, sowie die anderen
Räumlichkeiten in dem Gebäude, welche von verschiedenen
anderen Gruppen genutzt wurden durchsucht. Bei dieser
Durchsuchung wurden alle Materialien, Archive, Computer und
Zubehör beschlagnahmt. Die Liste der geklauten Gegenstände
umfaßt mehr als 30 Seiten. Bemerkenswert dabei ist, daß
unter der laufenden Nr. 12 aufgeführt wird, der angebliche
Fund einer "Adressenliste in Sichtfolie für RADIKAL-
Empfänger im Ausland - 33 Seiten".
Insbesondere betroffen von dieser Aktion ist der
Informationsdienst Schleswig-Holstein, der in dem Gebäude
sein Büro hat. Das komplette Büro, wurde beschlagnahmt.
(Computeranlagen, Papier- und Elektronisches Archiv,
Scanner, Software, Privatutensilien von Mitarbeitern usw.)
Bei der Durchsuchung durften nur Vorstandsmitglieder des
Infoladens Omega anwesend sein. Diese teilten den Bullen
mit, daß die Räumlichkeiten, die neben dem Infoladen liegen,
mit diesem nichts zu tun haben, was die Bullen allerdings
einen Scheiß-Dreck kümmerte. Alle Türen des Gebäudes wurden
aufgebrochen, auch die Räumlichkeiten des Notrufes für
vergewaltigte Frauen und Mädchen e.V. Erst auf Intervention
eines Anwaltes, den die Frauen hinzuzogen, konnte erreicht
werden, daß die Bullen die Computer und anderes Material
nicht aus dem Notruf klauten. Bemerkenswert ist hierbei
allerdings die Aussage des Beamten, der die Computer
untersuchte, bevor sie abgeschleppt wurden, daß sie den
Computer des Notrufes nur stehen lassen, weil auf diesem das
Programm PGP nicht vorhanden ist. Wäre dieses Programm auf
dem Computer existent, würde kein Anwalt die Beamten daran
hindern, den Computer mitzunehmen. Dieser Äußerung messen
wir deshalb Bedeutung bei, da in der letzten Zeit in
verstärktem Maße versucht wird, die Verschlüsserung PGP
Höchstrichterlich zu verbieten.
********************************************************
Berlin ( Stand 15.6.)
Zeitgleich um 6 Uhr morgens stürmte die Staatsgewalt (LKA,
BKA) zwei Häuser und drei Wohnungen.
Durchsuchungen fanden in einem Hausprojekt in der
Manteufelstr. und zwei Wohnungen statt. Hintergrund dieser
Durchsuchung war 129a und die Ergreifung von zur Fahndung
ausgeschriebener Menschen im Zusammenhang auf den
Abschiebeknast in Grünau/Berlin.
Überall war massives Bullenaufgebot, quasi eine wüste
Materialschlacht. In den beiden Wohnungen wurde
Spurensicherung gemacht.
In der einen Wohnung wurden Computer, Disketten, Briefe
etc.; in der anderen Briefe, Adressbuch und Kalender sowie
Fotos beschlagnahmt. In dieser letzten Wohnung war niemand
zu Hause und die Bullen konnten in aller Ruhe ihr Geschäft
verrichten.
In dem Hausprojekt war der Durchsuchungsbefehl ursprünglich
nur für die Wohnung im 2. Stock ausgestellt.
Geschickterweise war eine Staatsanwältin aus Karlsruhe
gleich bei der Durchsuchung anwesend (Frau Dr. Fischer) die
vor Ort die Durchsuchung des gesamten Hauses anordnete.
Durch den Keller und den Dachboden des Hauses schickten die
Bullen bevor sie sich selber trauten erst einen
Sprengstoffhund. Spurensicherung wurde im 2. Stock und im
Gemeinschaftsraum gemacht. Die Ausbeute war mager, kleine
Notizzettel, Post und ein alter Feuerlöscher (TÜV 85).
Frustriert zog das LKA mit ihrem polnischen Reisebus wieder
ab.
Die Begründung für die Durchsuchungsbeschlüsse war, daß in
den Wohnungen Menschen wohnen, die eine persönliche Nähe zu
den Gesuchten haben sollen.
In einem weiteren Haus in der Wrangelstr. bezog sich die
Durchsuchung auf einen Mann der dort wohnt, wegen 129/129a
in Bezug auf die RADIKAL.
Offensichtlich hatten sich die Bullen verlaufen und statt
einer Wohnung nebenbei noch zwei andere Wohnungen
durchsucht. Zusätzlich durchsuchten sie auch eine Werkstatt,
die sich im Haus befindet. Beschlagnahmt wurden Laptop und
Schreibmaschine und diverser Kleinkram.
Der Mann nach dem sie fahndeten wurde in der Wohnung seiner
Eltern festgenommen. Die Wohnung der Eltern wurde auch
durchsucht. Werner wurde sofort nach Karlsruhe verschleppt,
wo er schon um 11 Uhr ankam.
Werner ist akut an Hepatitis erkrankt und wir schätzen ein,
daß er sich in der JVA Heimsheim, wo er in Untersuchungshaft
sitzt, auf keinen Fall erholen kann.
Aktion "Wasserschlag" der Bundesanwaltschaft am 13.6.95
Stellungnahme von Betroffenen in Berlin
Am 13.6.95 wurden auf Veranlassung der Bundesanwaltschaft
(BAW) zahlreiche Wohnungen in Berlin und sieben anderen
Bundesländern durchsucht. Beteiligt waren
Landeskriminalämter und das Bundeskriminalamt. Für diese
mehrstündige Aktion "Wasserschlag" hat die
Bundesanwaltschaft verschiedene Gründe an den Haaren
herbeigezogen.
In einigen Fällen wurde behauptet, es werde nach
untergetauchten Personen gesucht, die wegen des
gescheiterten Anschlages auf den in Bau befindlichen
Abschiebe-Knast in Grünau verfolgt werden.
Anderswo hieß es, es werde nach Personen gesucht, die die
Zeitschrift Radikal herstellen.
Wiederanderswo ging es angeblich um die
"Antiimperialistischen Zellen (AIZ)"
Zusammengeschnürt wurde dieses krude Bündel mit den 129,
129a (Bildung/Unterstützung einer kriminellen bzw.
terroristischen Vereinigung).
Heraus kam, wie nicht anders zu erwarten, ein Großaufgebot
von Bereitschaftspolizei, LKA, BKA, SEK..., das mit viel
Getöse auszog und als Erfolg vermelden konnte:
Morgens um 6 Uhr Leute aus den Betten gerissen und
stundenlang festgehalten. Türen demoliert, Zimmer
durchwühlt. Persönliche Briefe, alte Schreibmaschinen, olles
Werkzeug, politische Broschüren und Zeitschriften
"beschlagnahmt". Menschen beim Pinkeln zugeschaut.
Versehentlich Alarmanlagen ausgelöst. Und schließlich, was
nicht mehr so lustig ist: Personen festgenommen. All der
Wirbel, der jetzt vermutlich seitens der BAW um einen
"erfolgreichen Schlag gegen den Linksterrorismus" gemacht
werden wird, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich
dabei um nichts weiter handelt als um eine mise, chaotische
Aktion, mit der Menschen eingeschüchtert und drangsaliert
werden sollen.
Wir fordern die Bundesanwaltschaft auf, sich nach Karlsruhe
zurückzuziehen und dort wegen erwiesener Überflüssigkeit
selbst aufzulösen!
Berlin, 13.6.95
********************************************************
Bremen
Am Morgen und Vormittag des 13.6.95 wurden in Bremen vier
Privatwohnungen, der Infoladen und der Frauenbuchladen von
BGH und BAW durchsucht.
Drei Personen werden der Mitgliedschaft in einer
terroristischen/kriminellen Vereinigung verdächtigt, unter
anderem Sprengstoffanschlag auf das FDP-Büro in Bremen am
26.9.94.
Bei einer Person ist die Begründung unklar.
Es gab keine Verhaftungen, nur ED-Mißhandlung.
Die Bullen haben insgesamt drei VW-Busse mit Material
beschlagnahmt.
********************************************************
Hamburg
In Hamburg sind mindestens 15 Wohnungen durchsucht worden.
Hierbei sind 8 Menschen vorläufig festgenommen worden. Die
Durchsuchungen und Festnahmen wurden bei 4 Menschen mit
Mitgliedschaft in der AIZ gegründet, bei 2 als
Mitverantwortliche der Radikal und bei 2 mit Unterstützung
der Radikal. Nach ED-Mißhandlungen, sind alle im Laufe des
Tages wieder freigelassen worden.
Beschlagnahmt wurden in allen Wohnungen Computeranlagen,
Briefe, Fotos, Cassetten, Videos, Dokumentensammlungen, etc.
********************************************************
Köln
In Köln wurden fünf Privatwohnungen, das Antifa-Café und der
Infoladen durchsucht. Die Durchsuchungen werden in
Zusammenhang gestellt mit einer namentlich genannten Person,
der Mitverantwortlichkeit an der Herausgabe der 'Radikal'
vorgeworfen wird. Auf dieser Basis wurde das persönliche
Umfeld des Beschuldigten observiert, durchleuchtet,
durchsucht und der Repression ausgesetzt.
Für eine der Wohnungen richtete sich der Durchsuchungsbefehl
gegen eine ehemalige Gefangenen aus der RAF, der zur Last
gelegt wird, "sich als in der Legalität lebende sogenannte
Nahtstellenperson zu Mitgliedern der Kommandoebene für die
terroristische Vereinigung RAF mitgliedschaftlich betätigt
zu haben" (Zitat Durchsuchungsbeschluß). Sie wurde zur ED-
Behandlung ins Polizeipräsidium gebracht..
Auch die Räume anderer MitbewohnerInnen wurden mit der
Begründung der gemeinschaftlichen Nutzung durchsucht, wobei
eine unabhängige zeugin anwesen war. Beschlagnahmt wurden
Computeranlagen, eine Schreibmaschine und einzelne private
Aufzeichnungen.
Auch im Fall deer dritten betroffenen Wohnung in der Ludolf-
Camphausen-Str. stürmten maskierte und mit Maschinenpistolen
bewaffnete SEK-Trupen mit Einsatz von Blendschockgranaten
die Räumlichkeiten. Die Bewohner wurden gefesselt und mußten
z.T. eine Stunde nackt bäuchlings auf Fußboden oder Bett
zubringen. Desweiteren wurde ein Sprengstoff-Spürhund
eingesetzt. Die Durchsuchung nahm mehr als 10 Stunden in
Anspruch. Bei den Wohnungsinhabern wurden z.T. persönliche
Gegenstände, PCs, eine Schreibmaschine und diverse
Broschüren beschlagnahmt. Eine Person wurde ED-behandelt.
Das Antifa-Café wurde mit der Begründung durchsucht, daß dem
Beschuldigte verfahrensrelevante schriftliche Nachrichten
übermittelt und der Raum zur Verbreitung der "Radikal"
benutzt würden. Die DUrchsuchung beschränkte sich aber nicht
auf das Antifa-Cafe, sondern wurde, basierend auf der
schwammigen Formulierung "...und angrenzende Nebenräume"
auch auf die im Keller befindlichen Räume des Infoladens
ausgedehnt. Dort brachen Einsatzkräfte eine unversperrte Tür
auf, rissen Teile des Fußbodens heraus und beschlagnahmten
schließlich Zeitschriften, Broschüren, Videobänder,
Adressenkarteien, das Verzeichnis der Leihbücherei, Ordner
mit Schriftverkehr, sowie den kompletten "Technik-Park" (
Kopierer, Fax, Anrufbeantworter, Schreibmaschine). Aus dem
Archiv wurden sämtliche Ausgaben der "RAdikal" seit Ende der
siebziger Jahre und der gesamte Bestand neuerer Nummern
mitgenommen. Nach einer ersten Bestandsaufnahme zeigte sich,
daß sich der behördliche Zugriff vor allem auf
Diskussionspapiere zum thema Widerstand, RAF-Diskussion und
interne (Infoladen)Strukturen konzentrierte.
Ebenfalls durchsucht wurde der im Erdgeschoß angesiedelte
Frauenraum. Auch hier wurden Ordner mit Adressen und
Schriftverkehr asserviert.
Bei einer weiteren Wohnungsdurchsuchung wurden persönliche
Gegenstände beschlagnahmt, der Computer wurde
stehengelassen.
Ebenfalls durchsucht wurde das Haus, in dem der Beschuldigte
gemeldet ist. Vermummt, behelmt und mit Maschinenpistolen
bewaffnet, trat das SEK die Haustür ein und stürmte die
Wohnungen. Nachdem Fotos und Videoaufnahmen von den Räumen
gemacht worden waren, durchsuchte Kripo, LKA und BKA die
Wohnung des Beschuldigten. Beschlagnahmt wurden sämtliche
Computer und Zubehör (Hard-, Software, Peripheriegeräte)
aller in der Wohnung lebenden Personen, sowie Privatpost,
Video- und Audiocassetten.
In der Ludolf-Camphausen-Str 36 drangen Kräfte des SEK gegen
6 Uhr morgens ins Treppenhaus des Gebäudes ein. Da die
Beamten weder durch ihr Verhalten noch durch verbale
Äußerungen auf den ersten Blick als Exekutivorgane zu
identifizieren waren und die BewohnerInnen des Hauses aus
dem Schlaf rissen, sahen diese sich mit einem vermeintlichen
faschistischen Überfall konfrontiert. Aus den obersten
Stockwerken konnten durch das Treppenhaus nur Taschenlampen
und vermummte Personen in Kampfanzügen wahrgenommen werden.
Ein Bewohner rief spontan die Polizei und bat um Hilfe.
Vereinzelt wurde Widerstand geleistet. Erst nach dem Einsatz
von Blendschockgranaten und der Fesselung der betroffenen
Personen wurde klar, daß es sich um einen SEK-Einsatz
handelte und nicht um einen Überfall Rechtsradikaler. Zwei
Personen wurden umgehend zur ED-Behandlung und zur
Vernehmung zum Polizeipräsidenten Waidmark gebracht und
blieben dort bis zum frühen Abend in Gewahrsam. Begründung:
Widerstand gegen die Staatsgewalt und Vergehen gegen das
Betäubungsmittelgesetz, weil bei der anschließenden
Durchsuchung ihrer Wohnräume geringfügige Mengen an Cannabis-
Produkten gefunden wurden.
********************************************************
Lübeck
In Lübeck wurde das Arbeitslosenzentrum, die Alternative
inclusive der Bauwagen sowie 2 Privatwohnungen durchsucht.
Bei diesem Überfall wurden drei Menschen verhaftet. Zwei der
Verhafteten wurden nach ED-Mißhandlung wieder entlassen.
Andreas E. wurde unmittelbar nach seiner Verhaftung zur BAW
nach Karlsruhe verschleppt. Der Haftgrund und Befehl wurde
ihm vorenthalten.
Bei der Durchsuchung auf der Alternativen, wurden 3 Bauwagen
auf's genaueste untersucht. Die Bauwagen wurden von den
Spurensicherungstrupp erst des LKA und als den BKA Bullen
das ganze zu schlampig aussah von diesen noch einmal: erst
von innen vermessen, dann von außen vermessen um möglichst
auch die kleinsten Hohlräume in den Bauwagen aufzuspüren.
Die Bauwagen wurden fotografiert, auf Video aufgenommen und
per Zeichnungen dokumentiert.
Gedächtnisprotokoll vom 13.6.95 von der Durchsuchung bei
Andreas E.
Ich kam um ca 6.15 Uhr in die Wagenburg, alles voll mit
Bullen.
Auf die Frage nach dem Einsatzleiter wurde mir gesagt, daß
ich schon erwartet werde, Andreas hatte mich als Zeugen
angegeben. Ich war dann fast die ganze Zeit bei der
Durchsuchung dabei. Der Bauwagen wurde von 2 Leuten des LKA
Kiel, einem Computerspezialisten aus Süddeutschland und 2
Bullen aus Lübeck auseinandergenommen. Insgesamt wurden 108
Gegenstände geklaut: Das gesamte Papiearchiv, persönliche
Notizen, Adressen, Stadtpläne, Reiseführer, Kontoauszüge,
Broschüren, und die komplette Computeranlage mit Perepherie.
Desweiteren Kraftfahrzeugbriefe, alter Reisepaß,
Papierblöcke.
Anwesend bei der Durchsuchung war auch ein Vertreter der
Bundesanwaltschaft.
Nachdem die Durchsuchung beendet war, wurde von den Bullen
ein neues Türschoß in den Bauwagen montiert.
Die Durchsuchung der Räumlichkeiten des Arbeitslosen
Zentrums (ALZ) in der Schwartaueralle, bei der neben dem
Infoladen auch die Räumlichkeiten des ALZ sowie Gruppenräume
durchsucht wurden lief äußerst subtil ab.
Der Vorstand des ALZ wurde ins Bullenhochhaus verschleppt
und dort als ZeugInnen zwangsvorgeführt. Bei dieser der
"Aushorchung" wurde mit allen Tricks gearbeitet. Die
ZeugInnen wurden unter Druck gesetzt. Ihnen wurde
mitgeteilt, daß sie in Beugehaft genommen werden wenn sie
keine Aussagen machen oder aber gleich nach Karlsruhe
verbracht würden und dies könnte für sie äußerst
lebensbedrohlich sein. Insbesondere interessierten sich die
Bullen für die Strukturen des Infoladens sowie des
Arbeitslosen Zentrums.
Ein Mensch aus dem Vorstand des ALZ, hatte eine
Vertrauensperson mit zu der erzwungenen Vernehmung genommen.
Die Vertrauensperson wurde während des Verhörs von dem
Staatsanwalt gefragt, ob das was der Zeuge hier äußert, auch
den Tatsachen entspricht. Als die Vertrauensperson die
Aussagen bestätigte, wurde sie selber in einen anderen Raum
gebracht und dort einem Staatsanwalt der schon auf sie
wartete zwangsvorgeführt. Begründung: Da sie die Aussagen
des vorgeführten Zeugen bestätigen könne, müsse sie ja
selber etwas wissen.
Was hier im ersten Moment noch die Lachmuskeln zucken läßt,
verdeutlicht aber nur einmal mehr, wie richtig die alte
Weisheit von "Anna und Arthur" ist.
********************************************************
Münster
In Münster wurden um 6h morgens insgesamt 14 Menschen,
darunter 3 Kinder, in fünf Wohnungen/Häusern gewaltsam aus
ihrem Schlaf gerissen. Die Polizei brach im Auftrag der
Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Wohnungstüren auf,
stürmte mit großem Aufgebot die Wohnungen und besetzte
diese.
Alle 5 Durchsuchungen wurden fast gleichlautend mit
Ermittlungen wegen der 129/129a gegen vier Männer in
Münster begründet.
Rainer P. wurde mit gezogener, aber nicht auf ihn
gerichteter Waffe aufgefordert, sich anzuziehen. Ihm wurde
ein bereits vor mehreren Wochen ausgestellter Haftbefehl der
BAW vorgelesen, der ihn der Mitgliedschaft in einer
kriminellen und die Unterstützung einer terroristischen
Vereinigung bezichtigt. Sodann wurde er in Handschellen aus
der Wohnung geführt und zur ED-Mißhandlung ins PP Münster
gebracht. Später wurde er mit dem Auto nach Karlsruhe
gefahren und dort dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Am
Mittwoch, dem 14.6.95 wurde der Haftbefehl bestätigt und
Rainer ins Untersuchungsgefängnis überführt. Er befindet
sich in strengster Isolationshaft, die alle
Sonderhaftbedingungen umfaßt. (das sogenannte 24-Punkte-
Programm)
Das heißt unter anderem: absolute Kontaktsperre,
Anwaltbesuch erst nach gestelltem und genehmigtem Antrag,
keine eigene Kleidung, Geräuschentzug, Dauerbelichtung, etc.
Weder Briefpapier noch Briefmarken noch Bücher dürfen ihm im
Moment in den Knast geschickt werden. Grüße sollten auf
jedenfall geschickt werden, auch wenn wir im Moment noch
nicht wissen, wann sie ihn erreichen.
Zurück zu den Durchsuchungen:
In einem Fall wurde der - allein anwesende - Beschuldigte
kurz vor Ende der Durchsuchung aus der Wohnung geführt, so
daß die Polizei zeitweilig alleine in den Räumen war. Die
anderen drei Beschuldigten waren bis zum Ende der in ihren
jeweiligen Wohnungen stattfindenden Durchsuchungsaktionen
anwesend. Fast alle anderen von der Durchsuchung
Betroffenen, gegen die bisher aber nicht ermittelt wird,
wurden in den Wohnungen festgehalten. Einige Personen hätten
später zur Arbeit gehen können, was sie jedoch nicht
wollten.
Auf Drängen der Mutter bzw. des Vaters durften die Kinder
nach einiger Zeit von Bezugspersonen abgeholt werden. Bis
dahin waren sie (die Kinder) u.a. direkten Schikanen
ausgesetzt, wie z.B. dem Verbot bei geschlossener Tür auf
dem Klo zu sitzen. Einer Person, die von der Polizei
informiert wurde, daß sie ein Kind abholen darf, wurde
direkt nach dem Telefonat das Telefon gesperrt, was
hinterher auch von einem Beamten bestätigt wurde.
Durchsucht wurden grundsätzlich alle Räume in den Wohnungen
bzw. Häusern, soweit vorhanden auch Keller, Dachböden und
Gärten. Autos und Motorräder wurden beschlagnahmt.
Es gab kein einheitliches Bild bei den Durchsuchungen,
sondern sie waren bestimmt durch die Willkür der anwesenden
StaatsanwältInnen und der eingesetzten PolizeibeamtInnen.
In der Regel versuchten diese den BewohnerInnen, gegen die
kein Verfahren läuft, zu vermitteln, daß sie ja nicht von
der Aktion "betroffen" seien. Dennoch galt ihr Interesse
(fast) allen Gegenständen in den Wohnungen. In einigen
Fällen ließen sie private Briefe, Fotos, Bücher etc. relativ
unbeachtet, während woanders ganz konsequent jegliche
private Handschriften, Tagebücher, Kontoauszüge etc.,
gelesen wurden.
Alle Räume wurden fotografiert und auf Video festgehalten.
In allen Gärten wurde ein Metallsuchgerät eingesetzt, in
einem anderen Fall wurde hinter dem Haus gegraben, sogar ein
kleiner Zierteich wurde von einem Polizeibeamten der
Tauchereinheit durchsucht. Ein Polizeihund wurde durch die
Räume und Gärten geführt.
Von allen BewohnerInnen wurden Gegenstände beschlagnahmt,
beispielsweise:
Computer und Schreibmaschinen, massenweise Disketten,
Kalender mit Adress- und Telefonverzeichnissen, Zettel mit
Telefonnummern (u.a. die "Disney-Glub"-Fanadresse einer
Schülerin), Tagebücher, Stadtpläne, vereinzelt Fotos, Briefe
und Musikcassetten. Aus den Autos verschwanden
Benzinrechnungen, Musikkassetten, Straßen und Stadtpläne und
Notizen.
Drei der Beschuldigten wurden zum Polizeipräsidium gebracht,
wo sie erkennungsdienstlich behandelt wurden. Es wurde der
Versuch gemacht, sie nach der ED-Mißhandlung zu verhören
bzw. auszuhorchen. Ihnen wurde zudem nahegelegt, Gebrauch
von der Kronzeugenregelung zu machen. Das heißt: Wenn sie
bereit sind gegen Rainer P. auszusagen, wird ihnen in
Aussicht gestellt, daß ihre eigenen Verfahren möglicherweise
zu keiner weiteren Strafverfolgung führt.
Die Durchsuchungen wurden zwischen 12h und 16.30h beendet.
Die vorübergehend Festgenommenen wurden zwischen 15h und 18h
wieder freigelassen, wobei die Polizei in einem Fall sogar
einen Rückfahrservice zur Verfügung stellte.
********************************************************
Oldenburg
In Oldenburg ist eine Wohnung durchsucht worden. Begründung
für diese Durchsuchung ist Werbung für eine kriminelle
Vereinigung im Zusammenhang mit Mitverantwortlichkeit an
Herstellung der Radikal.
********************************************************
Rendsburg
In Rendsburg wurde eine Privatwohnung von vermummten
Einsatzkräften gestürmt. Der Genosse, dem diese ganze Aktion
galt, wurde verhaftet und zur BAW nach Karlsruhe
verschleppt. Begründung: Unterstützung einer kriminellen
Vereinigung. Aus der Wohnung wurden Computer und sonstige
Materialien abgeschleppt.
Im folgenden der Bericht von BewohnerInnen der angegriffenen
Wohnung:
Zeit ca. 5.5o - 6.1o Uhr
Zimmer A
2 Männer vor'm Bett, Bettdecke wird weggezogen. Einer der
Männer ist nicht maskiert, einer maskiert und bewaffnet,
brüllt rum: "Auf den Bauch legen und die Hände auf den
Rücken." Dann irgendwann: "Polizei.....
Hausdurchsuchung...."
Die maskierten und sowie die unmaskierten waren alle in
Zivilkleidung.
Aus diesem Grund war im ersten Moment nicht einmal zu
erkennen, ob es sich tatsächlich um Polizei handelte.
X sprang aus dem Bett und stellte sich vor ihren Hund. X
fragte nach Dienstausweis und ihr wurde einer gezeigt. X
wollte wissen, bei wem die Hausdurchsuchung sei und warum,
wollte Durchsuchungsbefehl sehen. X durfte nicht aus dem
Zimmer. Ihr wurde nichts gesagt, nur, daß sie auf den
Staatsanwalt warten soll. (der erkläre dann alles)
Zimmer B
Lärm, (Polizei, Polizei), ins Zimmer gestürmt und Bettdecke
weggezogen. 1 maskierter Mann und eine maskierte Frau mit
Knüppel. Der Mann hat das Zimmer sehr schnell verlassen, die
Frau blieb die ganze Zeit. Y hat sich um ihre Tochter
gekümmert, welche mit ihr im Bett lag und hat sie beruhigt.
Auf die Frage, was das hier solle, antwortete die maskierte
Frau: "Das wissen Sie doch ganz genau." Y: "Nein, weiß ich
gar nicht, sagen sie es mir." Frau: "Haftbefehle wegen 129
a gegen XY. .....die übrigen hier sind vorläufig
festgenommen." Aufgrund dieser Begründung durfte Y nicht aus
dem Zimmer. 3-4 Männer tauchten kurz im Zimmer auf und
gingen wieder. Als Y aus dem Bett sprang, um die Bettdecke
für ihre Tochter zu holen, wurde sie von der Frau darauf
aufmerksam gemacht, daß sie alles durchsuchen will, was Y
anfaßt. Daraufhin Durchsuchung der Jeans, Unterhose und
Socken, die Y anzog.
Mann kam (Einsatzleiter) und sagte zu Y, daß sie alle Zimmer
durchsuchen werden. Als Y Sachen für ihre Tochter holen
wollte, durfte sie das Zimmer mit ihr verlassen.
übrige Zimmer
während der ganzen Zeit wurde im Badezimmer rumgewühlt und
Chaos hinterlassen. Überall fotografiert, auch in den
Zimmern.
Anzahl der Personen:
7 Männer, 2 Frauen (1 davon maskiert) und 3-4 maskierte
Männer, es waren allerdings mehr, da das Zimmer von RALF M.
nicht genau beobachtet werden konnte.
6.1o - 6.15 Uhr
Y mit ihrer Tochter wurden in das Zimmer von X gebracht.
Durften alle das Zimmer nicht verlassen.
6.15 - 6.3o Uhr
RALF M. ist ins Bad gegangen, dann wurde er abgeführt. X und
Y konnten RALF M. kurz im Flur sehen. "Tschüß, sagt ihr
meine Klausuren ab? Ich komme nach Karlsruhe." Vorher hatten
X und Y irgendwas von Handschellen gehört.
Die maskierten Männer und Frau gingen. X und Y mit ihrer
Tochter mußten im Zimmer bleiben. Nach mehrmaligen
Nachfragen nach dem Durchsuchungsbefehl, wurde er ihnen
endlich gezeigt. "Unterstützung terroristischer Vereinigung"
wurde dann wieder weggenommen. (war für die ganze Wohnung).
X und Y durften nicht telefonieren.
6.3o - 7.oo Uhr
X und Y mit ihrer Tochter wurden in die Küche geführt. ("Sie
dürfen bei der Durchsuchung da bleiben, wenn sie sich ruhig
verhalten.") 7 Männer waren in RALF M.'s Zimmer und
durchsuchten alles (von ca. 6.2o - 9.oo Uhr). 1 Frau blieb
bei X und Y in der Küche. Auf Frage nach Namen wurde nur der
des Oberstaatsanwaltes Molf, Bundesanwaltschaft Karlsruhe
genannt. Auf nochmalige Anfrage wg. Telefonieren: "Wäre
schöner, wenn nicht", durften dann aber telefonieren.
Telefon klingelte. X ging ran. Als X Anwalt anrufen wollte,
wollte ein Mann ihr den Hörer wegreißen, anderer: "ist schon
okay." Anwalt angerufen, konnte nicht kommen. Gefordert, daß
ein Zimmer nach dem anderen durchsucht wird - so wurde dann
auch verfahren. Bei der Durchsuchung des Zimmers von RALF M.
durften X und Y nicht dabei sein. Begründung: dies sei nicht
ihr Zimmer. X und Y konnten von der Küche aus zusehen.
7.oo - 7.45 Uhr
Y hat mit Freundin telefoniert, die ihre Tochter und den
Hund abholen sollte und Tochter zum Kindergarten bringen
sollte. Bei jeder Bewegung die X und Y in der Wohnung
machten wurden sie von Frau begleitet. Wenn das Telefon
klingelte konnten X und Y rangehen. Ein Mann hat kurz in den
Zimmern von X und Y nach Computersachen, Disketten etc.
gesucht.
7.45 - 9.15 Uhr
Freundin holte die Tochter von Y und den Hund ab.
Ein Mann und eine Frau durchsuchten das Zimmer von X (X
dabei)
Computertyp und anderer (Einsatzleiter) gingen weg.
Ein Mann und eine Frau durchsuchten das Zimmer von Y (Y
dabei), Frau durchsuchte hauptsächlich das Zimmer, Mann ging
früher hinaus mit einem Karteikasten, der sicher gestellt
wurde.
Durchsuchung der Küche (1 Mann und 1 Frau) vor den Zimmern.
Dann Durchsuchung des Flurs, der Abseite -
Telefoneinheitenbuch mitgenommen und Kalender von X.
Wollten ihr erst keine Niederschrift dafür geben (für
Karteikasten ja), weil Flur allegemein zugänglich.
Schließlich wurde dies aber doch gemacht.
Für die Sachen von RALF M. wurde keine Niederschrift
dagelassen, mit der Begründung, daß die Sachen nicht X oder
Y gehören und das RALF M. in Rendsburg ist und sie im die
Niederschrift vorlegen werden.
Danach wurde Telefonat mit Hausverwaltung geführt, wegen
evtl. Boden oder Kellerräume.
Erst auf Nachfrage wurde mitgeteilt, daß der Schaden vom LKA
Kiel bezahlt wird.
Um ca. 9.15 Uhr verließen die Bullen das Haus.
Aus dem Zimmer von RALF M. wurden unter anderem mitgenommen:
komplette PC-Anlage, alle Disketten, Aktenordner, Bücher,
Kontoauszüge (Spruch: "...evt. PKK Spenden oder
ähnliches..." "Nee, laß mal."), Collage, Fotokiste, DAN
SOMMER-Unterlagen.....
Aus dem Zimmer von X wurde Karteikasten (Beleg) mitgenommen
Aus dem Flur wurde Kalender von X mitgenommen (Beleg),
Telefoneinheitenbuch, gelbe Seiten, Telefonbuch RD-Kiel-NMS,
handschriftliche Telefonabrechnung.
--