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BAW-Durchsuchungen / erste zusammenfassung
Bundesweite Durchsuchungsaktion der Bundesanwaltschaft
Zusammenstellung von Berichten und Gedächtnisprotokollen
Im Laufe des 13.06.1995 fanden in mehreren Städten der BRD  
Durchsuchungen von mehr als 80 Privatwohnungen und linken  
Zentren statt. Laut DPA begründeten die Sicherheitsbehörden  
die Aktion mit der Fahndung nach Mitgliedern der  
"Antiimperialistischen Zellen", des K.O.M.I.T.E.E. sowie der  
"RADIKAL".
Neumünster
In Neumünster wurde der Infoladen Omega, sowie die anderen  
Räumlichkeiten in dem Gebäude, welche von verschiedenen  
anderen Gruppen genutzt wurden durchsucht. Bei dieser  
Durchsuchung wurden alle Materialien, Archive, Computer und  
Zubehör beschlagnahmt. Die Liste der geklauten Gegenstände  
umfaßt mehr als 30 Seiten. Bemerkenswert dabei ist, daß  
unter der laufenden Nr. 12  aufgeführt wird, der angebliche  
Fund einer "Adressenliste in Sichtfolie für RADIKAL- 
Empfänger im Ausland  -  33 Seiten".
Insbesondere betroffen von dieser Aktion ist der  
Informationsdienst Schleswig-Holstein, der in dem Gebäude  
sein Büro hat. Das komplette Büro, wurde beschlagnahmt.  
(Computeranlagen, Papier- und Elektronisches Archiv,  
Scanner, Software, Privatutensilien von Mitarbeitern usw.)  
Bei der Durchsuchung durften nur Vorstandsmitglieder des  
Infoladens Omega anwesend sein. Diese teilten den Bullen  
mit, daß die Räumlichkeiten, die neben dem Infoladen liegen,  
mit diesem nichts zu tun haben, was die Bullen allerdings  
einen Scheiß-Dreck kümmerte. Alle Türen des Gebäudes wurden  
aufgebrochen, auch die Räumlichkeiten des Notrufes für  
vergewaltigte Frauen und Mädchen e.V. Erst auf Intervention  
eines Anwaltes, den die Frauen hinzuzogen, konnte erreicht  
werden, daß die Bullen die Computer und anderes Material  
nicht aus dem Notruf klauten. Bemerkenswert ist hierbei  
allerdings die Aussage des Beamten, der die Computer  
untersuchte, bevor sie abgeschleppt wurden, daß sie den  
Computer des Notrufes nur stehen lassen, weil auf diesem das  
Programm PGP nicht vorhanden ist. Wäre dieses Programm auf  
dem Computer existent, würde kein Anwalt die Beamten daran  
hindern, den Computer mitzunehmen. Dieser Äußerung messen  
wir deshalb Bedeutung bei, da in der letzten Zeit in  
verstärktem Maße versucht wird, die Verschlüsserung PGP  
Höchstrichterlich zu verbieten.
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Berlin ( Stand 15.6.)
Zeitgleich um 6 Uhr morgens stürmte die Staatsgewalt (LKA,  
BKA) zwei Häuser und drei Wohnungen.
Durchsuchungen fanden in einem Hausprojekt in der  
Manteufelstr. und zwei Wohnungen statt. Hintergrund dieser  
Durchsuchung war   129a und die Ergreifung von zur Fahndung  
ausgeschriebener Menschen im Zusammenhang auf den  
Abschiebeknast in Grünau/Berlin.
Überall war massives Bullenaufgebot, quasi eine wüste  
Materialschlacht. In den beiden Wohnungen wurde  
Spurensicherung gemacht.
In der einen Wohnung wurden Computer, Disketten, Briefe  
etc.; in der anderen Briefe, Adressbuch und Kalender sowie  
Fotos beschlagnahmt. In dieser letzten Wohnung war niemand  
zu Hause und die Bullen konnten in aller Ruhe ihr Geschäft  
verrichten.
In dem Hausprojekt war der Durchsuchungsbefehl ursprünglich  
nur für die Wohnung im 2. Stock ausgestellt.  
Geschickterweise war eine Staatsanwältin aus Karlsruhe  
gleich bei der Durchsuchung anwesend (Frau Dr. Fischer) die  
vor Ort die Durchsuchung des gesamten Hauses anordnete.  
Durch den Keller und den Dachboden des Hauses schickten die  
Bullen bevor sie sich selber trauten erst einen  
Sprengstoffhund. Spurensicherung wurde im 2. Stock und im  
Gemeinschaftsraum gemacht. Die Ausbeute war mager, kleine  
Notizzettel, Post und ein alter Feuerlöscher (TÜV 85).  
Frustriert zog das LKA mit ihrem polnischen Reisebus wieder  
ab.
Die Begründung für die Durchsuchungsbeschlüsse war, daß in  
den Wohnungen Menschen wohnen, die eine persönliche Nähe zu  
den Gesuchten haben sollen.
In einem weiteren Haus in der Wrangelstr. bezog sich die  
Durchsuchung auf einen Mann der dort wohnt, wegen 129/129a  
in Bezug auf die RADIKAL.
Offensichtlich hatten sich die Bullen verlaufen und statt  
einer Wohnung nebenbei noch zwei andere Wohnungen  
durchsucht. Zusätzlich durchsuchten sie auch eine Werkstatt,  
die sich im Haus befindet. Beschlagnahmt wurden Laptop und  
Schreibmaschine und diverser Kleinkram.
Der Mann nach dem sie fahndeten wurde in der Wohnung seiner  
Eltern festgenommen. Die Wohnung der Eltern wurde auch  
durchsucht. Werner wurde sofort nach Karlsruhe verschleppt,  
wo er schon um 11 Uhr ankam.
Werner ist akut an Hepatitis erkrankt und wir schätzen ein,  
daß er sich in der JVA Heimsheim, wo er in Untersuchungshaft  
sitzt, auf keinen Fall erholen kann.
Aktion "Wasserschlag" der Bundesanwaltschaft am 13.6.95
Stellungnahme von Betroffenen in Berlin
Am 13.6.95 wurden auf Veranlassung der Bundesanwaltschaft  
(BAW) zahlreiche Wohnungen in Berlin und sieben anderen  
Bundesländern durchsucht. Beteiligt waren  
Landeskriminalämter und das Bundeskriminalamt. Für diese  
mehrstündige Aktion "Wasserschlag" hat die  
Bundesanwaltschaft verschiedene Gründe an den Haaren  
herbeigezogen.
In einigen Fällen wurde behauptet, es werde nach  
untergetauchten Personen gesucht, die wegen des  
gescheiterten Anschlages auf den in Bau befindlichen  
Abschiebe-Knast in Grünau verfolgt werden.
Anderswo hieß es, es werde nach Personen gesucht, die die  
Zeitschrift Radikal herstellen.
Wiederanderswo ging es angeblich um die  
"Antiimperialistischen Zellen (AIZ)"
Zusammengeschnürt wurde dieses krude Bündel mit den    129,  
129a (Bildung/Unterstützung einer kriminellen bzw.  
terroristischen Vereinigung).
Heraus kam, wie nicht anders zu erwarten, ein Großaufgebot  
von Bereitschaftspolizei, LKA, BKA, SEK..., das mit viel  
Getöse auszog und als Erfolg vermelden konnte:
Morgens um 6 Uhr Leute aus den Betten gerissen und  
stundenlang festgehalten. Türen demoliert, Zimmer  
durchwühlt. Persönliche Briefe, alte Schreibmaschinen, olles  
Werkzeug, politische Broschüren und Zeitschriften  
"beschlagnahmt". Menschen beim Pinkeln zugeschaut.  
Versehentlich Alarmanlagen ausgelöst. Und schließlich, was  
nicht mehr so lustig ist: Personen festgenommen. All der  
Wirbel, der jetzt vermutlich seitens der BAW um einen  
"erfolgreichen Schlag gegen den Linksterrorismus" gemacht  
werden wird, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich  
dabei um nichts weiter handelt als um eine mise, chaotische  
Aktion, mit der Menschen eingeschüchtert und drangsaliert  
werden sollen.
Wir fordern die Bundesanwaltschaft auf, sich nach Karlsruhe  
zurückzuziehen und dort wegen erwiesener Überflüssigkeit  
selbst aufzulösen!
Berlin, 13.6.95
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Bremen
Am Morgen und Vormittag des 13.6.95 wurden in Bremen vier  
Privatwohnungen, der Infoladen und der Frauenbuchladen von  
BGH und BAW durchsucht.
Drei Personen werden der Mitgliedschaft in einer  
terroristischen/kriminellen Vereinigung verdächtigt, unter  
anderem Sprengstoffanschlag auf das FDP-Büro in Bremen am  
26.9.94.
Bei einer Person ist die Begründung unklar.
Es gab keine Verhaftungen, nur ED-Mißhandlung.
Die Bullen haben insgesamt drei VW-Busse mit Material  
beschlagnahmt.
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Hamburg
In Hamburg sind mindestens 15 Wohnungen durchsucht worden.  
Hierbei sind 8 Menschen vorläufig festgenommen worden. Die  
Durchsuchungen und Festnahmen wurden bei 4 Menschen mit  
Mitgliedschaft in der AIZ gegründet, bei 2 als  
Mitverantwortliche der Radikal und bei 2 mit Unterstützung  
der Radikal. Nach ED-Mißhandlungen, sind alle im Laufe des  
Tages wieder freigelassen worden.
Beschlagnahmt wurden in allen Wohnungen Computeranlagen,  
Briefe, Fotos, Cassetten, Videos, Dokumentensammlungen, etc.
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Köln
In Köln wurden fünf Privatwohnungen, das Antifa-Café und der  
Infoladen durchsucht. Die Durchsuchungen werden in  
Zusammenhang gestellt mit einer namentlich genannten Person,  
der Mitverantwortlichkeit an der Herausgabe der 'Radikal'  
vorgeworfen wird. Auf dieser Basis wurde das persönliche  
Umfeld des Beschuldigten observiert, durchleuchtet,  
durchsucht und der Repression ausgesetzt.
Für eine der Wohnungen richtete sich der Durchsuchungsbefehl  
gegen eine ehemalige Gefangenen aus der RAF, der zur Last  
gelegt wird, "sich als in der Legalität lebende sogenannte  
Nahtstellenperson zu Mitgliedern der Kommandoebene für die  
terroristische Vereinigung RAF mitgliedschaftlich betätigt  
zu haben" (Zitat Durchsuchungsbeschluß). Sie wurde zur ED- 
Behandlung ins Polizeipräsidium gebracht..
Auch die Räume anderer MitbewohnerInnen wurden mit der  
Begründung der gemeinschaftlichen Nutzung durchsucht, wobei  
eine unabhängige zeugin anwesen war. Beschlagnahmt wurden  
Computeranlagen, eine Schreibmaschine und einzelne private  
Aufzeichnungen.
Auch im Fall deer dritten betroffenen Wohnung in der Ludolf- 
Camphausen-Str. stürmten maskierte und mit Maschinenpistolen  
bewaffnete SEK-Trupen mit Einsatz von Blendschockgranaten  
die Räumlichkeiten. Die Bewohner wurden gefesselt und mußten  
z.T. eine Stunde nackt bäuchlings auf Fußboden oder Bett  
zubringen. Desweiteren wurde ein Sprengstoff-Spürhund  
eingesetzt. Die Durchsuchung nahm mehr als 10 Stunden in  
Anspruch. Bei den Wohnungsinhabern wurden z.T. persönliche  
Gegenstände, PCs, eine Schreibmaschine und diverse  
Broschüren beschlagnahmt. Eine Person wurde ED-behandelt.
Das Antifa-Café wurde mit der Begründung durchsucht, daß dem  
Beschuldigte verfahrensrelevante schriftliche Nachrichten  
übermittelt und der Raum zur Verbreitung der "Radikal"  
benutzt würden. Die DUrchsuchung beschränkte sich aber nicht  
auf das Antifa-Cafe, sondern wurde, basierend auf der  
schwammigen Formulierung "...und angrenzende Nebenräume"  
auch auf die im Keller befindlichen Räume des Infoladens  
ausgedehnt. Dort brachen Einsatzkräfte eine unversperrte Tür  
auf, rissen Teile des Fußbodens heraus und beschlagnahmten  
schließlich Zeitschriften, Broschüren, Videobänder,  
Adressenkarteien, das Verzeichnis der Leihbücherei, Ordner  
mit Schriftverkehr, sowie den kompletten "Technik-Park" (  
Kopierer, Fax, Anrufbeantworter, Schreibmaschine). Aus dem  
Archiv wurden sämtliche Ausgaben der "RAdikal" seit Ende der  
siebziger Jahre  und der gesamte Bestand neuerer Nummern  
mitgenommen. Nach einer ersten Bestandsaufnahme zeigte sich,  
daß sich der behördliche Zugriff vor allem auf  
Diskussionspapiere zum thema Widerstand, RAF-Diskussion und  
interne (Infoladen)Strukturen konzentrierte.
Ebenfalls durchsucht wurde der im Erdgeschoß angesiedelte  
Frauenraum. Auch hier wurden Ordner mit Adressen und  
Schriftverkehr asserviert.
Bei einer weiteren Wohnungsdurchsuchung wurden persönliche  
Gegenstände beschlagnahmt, der Computer wurde  
stehengelassen.
Ebenfalls durchsucht wurde das Haus, in dem der Beschuldigte  
gemeldet ist. Vermummt, behelmt und mit Maschinenpistolen  
bewaffnet, trat das SEK die Haustür ein und stürmte die  
Wohnungen. Nachdem Fotos und Videoaufnahmen von den Räumen  
gemacht worden waren, durchsuchte Kripo, LKA und BKA die  
Wohnung des Beschuldigten. Beschlagnahmt wurden sämtliche  
Computer und Zubehör (Hard-, Software, Peripheriegeräte)  
aller in der Wohnung lebenden Personen, sowie Privatpost,  
Video- und Audiocassetten.
In der Ludolf-Camphausen-Str 36 drangen Kräfte des SEK gegen  
6 Uhr morgens ins Treppenhaus des Gebäudes ein. Da die  
Beamten weder durch ihr Verhalten noch durch verbale  
Äußerungen auf den ersten Blick als Exekutivorgane zu  
identifizieren waren und die BewohnerInnen des Hauses aus  
dem Schlaf rissen, sahen diese sich mit einem vermeintlichen  
faschistischen Überfall konfrontiert. Aus den obersten  
Stockwerken konnten durch das Treppenhaus nur Taschenlampen  
und vermummte Personen in Kampfanzügen wahrgenommen werden.  
Ein Bewohner rief spontan die Polizei und bat um Hilfe.  
Vereinzelt wurde Widerstand geleistet. Erst nach dem Einsatz  
von Blendschockgranaten und der Fesselung der betroffenen  
Personen wurde klar, daß es sich um einen SEK-Einsatz  
handelte und nicht um einen Überfall Rechtsradikaler. Zwei  
Personen wurden umgehend zur ED-Behandlung und zur  
Vernehmung zum Polizeipräsidenten Waidmark gebracht und  
blieben dort bis zum frühen Abend in Gewahrsam. Begründung:  
Widerstand gegen die Staatsgewalt und Vergehen gegen das  
Betäubungsmittelgesetz, weil bei der anschließenden  
Durchsuchung ihrer Wohnräume geringfügige Mengen an Cannabis- 
Produkten gefunden wurden.
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Lübeck
In Lübeck wurde das Arbeitslosenzentrum, die Alternative  
inclusive der Bauwagen sowie 2 Privatwohnungen durchsucht.  
Bei diesem Überfall wurden drei Menschen verhaftet. Zwei der  
Verhafteten wurden nach ED-Mißhandlung wieder entlassen.  
Andreas E. wurde unmittelbar nach seiner Verhaftung zur BAW  
nach Karlsruhe verschleppt. Der Haftgrund und Befehl wurde  
ihm vorenthalten.
Bei der Durchsuchung auf der Alternativen, wurden 3 Bauwagen  
auf's genaueste untersucht. Die Bauwagen wurden von den  
Spurensicherungstrupp erst des LKA und als den BKA Bullen  
das ganze zu schlampig aussah von diesen noch einmal: erst  
von innen vermessen, dann von außen vermessen um möglichst  
auch die kleinsten Hohlräume in den Bauwagen aufzuspüren.  
Die Bauwagen wurden fotografiert, auf Video aufgenommen und  
per Zeichnungen dokumentiert.
Gedächtnisprotokoll vom 13.6.95 von der Durchsuchung bei  
Andreas E.
Ich kam um ca 6.15 Uhr in die Wagenburg, alles voll mit  
Bullen.
Auf die Frage nach dem Einsatzleiter wurde mir gesagt, daß  
ich schon erwartet werde, Andreas hatte mich als Zeugen  
angegeben. Ich war dann fast die ganze Zeit bei der  
Durchsuchung dabei. Der Bauwagen wurde von 2 Leuten des LKA  
Kiel, einem Computerspezialisten aus Süddeutschland und 2  
Bullen aus Lübeck auseinandergenommen. Insgesamt wurden 108  
Gegenstände geklaut: Das gesamte Papiearchiv, persönliche  
Notizen, Adressen, Stadtpläne, Reiseführer, Kontoauszüge,  
Broschüren, und die komplette Computeranlage mit Perepherie.  
Desweiteren Kraftfahrzeugbriefe, alter Reisepaß,  
Papierblöcke.
Anwesend bei der Durchsuchung war auch ein Vertreter der  
Bundesanwaltschaft.
Nachdem die Durchsuchung beendet war, wurde von den Bullen  
ein neues Türschoß in den Bauwagen montiert.
Die Durchsuchung der Räumlichkeiten des Arbeitslosen  
Zentrums (ALZ) in der Schwartaueralle, bei der neben dem  
Infoladen auch die Räumlichkeiten des ALZ sowie Gruppenräume  
durchsucht wurden lief äußerst subtil ab.
Der Vorstand des ALZ wurde ins Bullenhochhaus verschleppt  
und dort als ZeugInnen zwangsvorgeführt. Bei dieser der  
"Aushorchung" wurde mit allen Tricks gearbeitet. Die  
ZeugInnen wurden unter Druck gesetzt. Ihnen wurde  
mitgeteilt, daß sie in Beugehaft genommen werden wenn sie  
keine Aussagen machen oder aber gleich nach Karlsruhe  
verbracht würden und dies könnte für sie äußerst  
lebensbedrohlich sein. Insbesondere interessierten sich die  
Bullen für die Strukturen des Infoladens sowie des  
Arbeitslosen Zentrums.
Ein Mensch aus dem Vorstand des ALZ, hatte eine  
Vertrauensperson mit zu der erzwungenen Vernehmung genommen.  
Die Vertrauensperson wurde während des Verhörs von dem  
Staatsanwalt gefragt, ob das was der Zeuge hier äußert, auch  
den Tatsachen entspricht. Als die Vertrauensperson die  
Aussagen bestätigte, wurde sie selber in einen anderen Raum  
gebracht und dort einem Staatsanwalt der schon auf sie  
wartete zwangsvorgeführt. Begründung: Da sie die Aussagen  
des vorgeführten Zeugen bestätigen könne, müsse sie ja  
selber etwas wissen.
Was hier im ersten Moment noch die Lachmuskeln zucken läßt,  
verdeutlicht aber nur einmal mehr, wie richtig die alte  
Weisheit von "Anna und Arthur" ist.
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Münster
In Münster wurden um 6h morgens insgesamt 14 Menschen,  
darunter 3 Kinder, in fünf Wohnungen/Häusern gewaltsam aus  
ihrem Schlaf gerissen. Die Polizei brach im Auftrag der  
Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Wohnungstüren auf,  
stürmte mit großem Aufgebot die Wohnungen und besetzte  
diese.
Alle 5 Durchsuchungen wurden fast gleichlautend mit  
Ermittlungen wegen der   129/129a gegen vier Männer in  
Münster begründet.
Rainer P. wurde mit gezogener, aber nicht auf ihn  
gerichteter Waffe aufgefordert, sich anzuziehen. Ihm wurde  
ein bereits vor mehreren Wochen ausgestellter Haftbefehl der  
BAW vorgelesen, der ihn der Mitgliedschaft in einer  
kriminellen und die Unterstützung einer terroristischen  
Vereinigung bezichtigt. Sodann wurde er in Handschellen aus  
der Wohnung geführt und zur ED-Mißhandlung ins PP Münster  
gebracht. Später wurde er mit dem Auto nach Karlsruhe  
gefahren und dort dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Am  
Mittwoch, dem 14.6.95 wurde der Haftbefehl bestätigt und  
Rainer ins Untersuchungsgefängnis überführt. Er befindet  
sich in strengster Isolationshaft, die alle  
Sonderhaftbedingungen umfaßt. (das sogenannte 24-Punkte- 
Programm)
Das heißt unter anderem: absolute Kontaktsperre,  
Anwaltbesuch erst nach gestelltem und genehmigtem Antrag,  
keine eigene Kleidung, Geräuschentzug, Dauerbelichtung, etc.  
Weder Briefpapier noch Briefmarken noch Bücher dürfen ihm im  
Moment in den Knast geschickt werden. Grüße sollten auf  
jedenfall geschickt werden, auch wenn wir im Moment noch  
nicht wissen, wann sie ihn erreichen.
Zurück zu den Durchsuchungen:
In einem Fall wurde der - allein anwesende - Beschuldigte  
kurz vor Ende der Durchsuchung aus der Wohnung geführt, so  
daß die Polizei zeitweilig alleine in den Räumen war. Die  
anderen drei Beschuldigten waren bis zum Ende der in ihren  
jeweiligen Wohnungen stattfindenden Durchsuchungsaktionen  
anwesend. Fast alle anderen von der Durchsuchung  
Betroffenen, gegen die bisher aber nicht ermittelt wird,  
wurden in den Wohnungen festgehalten. Einige Personen hätten  
später zur Arbeit gehen können, was sie jedoch nicht  
wollten.
Auf Drängen der Mutter bzw. des Vaters durften die Kinder  
nach einiger Zeit von Bezugspersonen abgeholt werden. Bis  
dahin waren sie (die Kinder) u.a. direkten Schikanen  
ausgesetzt, wie z.B. dem Verbot bei geschlossener Tür auf  
dem Klo zu sitzen. Einer Person, die von der Polizei  
informiert wurde, daß sie ein Kind abholen darf, wurde  
direkt nach dem Telefonat das Telefon gesperrt, was  
hinterher auch von einem Beamten bestätigt wurde.
Durchsucht wurden grundsätzlich alle Räume in den Wohnungen  
bzw. Häusern, soweit vorhanden auch Keller, Dachböden und  
Gärten. Autos und Motorräder wurden beschlagnahmt.
Es gab kein einheitliches Bild bei den Durchsuchungen,  
sondern sie waren bestimmt durch die Willkür der anwesenden  
StaatsanwältInnen und der eingesetzten PolizeibeamtInnen.
In der Regel versuchten diese den BewohnerInnen, gegen die  
kein Verfahren läuft, zu vermitteln, daß sie ja nicht von  
der Aktion "betroffen" seien. Dennoch galt ihr Interesse  
(fast) allen Gegenständen in den Wohnungen. In einigen  
Fällen ließen sie private Briefe, Fotos, Bücher etc. relativ  
unbeachtet, während woanders ganz konsequent jegliche  
private Handschriften, Tagebücher, Kontoauszüge etc.,  
gelesen wurden.
Alle Räume wurden fotografiert und auf Video festgehalten.  
In allen Gärten wurde ein Metallsuchgerät eingesetzt, in  
einem anderen Fall wurde hinter dem Haus gegraben, sogar ein  
kleiner Zierteich wurde von einem Polizeibeamten der  
Tauchereinheit durchsucht. Ein Polizeihund wurde durch die  
Räume und Gärten geführt.
Von allen BewohnerInnen wurden Gegenstände beschlagnahmt,  
beispielsweise:
Computer und Schreibmaschinen, massenweise Disketten,  
Kalender mit Adress- und Telefonverzeichnissen, Zettel mit  
Telefonnummern (u.a. die "Disney-Glub"-Fanadresse einer  
Schülerin), Tagebücher, Stadtpläne, vereinzelt Fotos, Briefe  
und Musikcassetten. Aus den Autos verschwanden  
Benzinrechnungen, Musikkassetten, Straßen und Stadtpläne und  
Notizen.
Drei der Beschuldigten wurden zum Polizeipräsidium gebracht,  
wo sie erkennungsdienstlich behandelt wurden. Es wurde der  
Versuch gemacht, sie nach der ED-Mißhandlung zu verhören  
bzw. auszuhorchen. Ihnen wurde zudem nahegelegt, Gebrauch  
von der Kronzeugenregelung zu machen. Das heißt: Wenn sie  
bereit sind gegen Rainer P. auszusagen, wird ihnen in  
Aussicht gestellt, daß ihre eigenen Verfahren möglicherweise  
zu keiner weiteren Strafverfolgung führt.
Die Durchsuchungen wurden zwischen 12h und 16.30h beendet.  
Die vorübergehend Festgenommenen wurden zwischen 15h und 18h  
wieder freigelassen, wobei die Polizei in einem Fall sogar  
einen Rückfahrservice zur Verfügung stellte.
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Oldenburg
In Oldenburg ist eine Wohnung durchsucht worden. Begründung  
für diese Durchsuchung ist Werbung für eine kriminelle  
Vereinigung im Zusammenhang mit Mitverantwortlichkeit an  
Herstellung der Radikal.
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Rendsburg
In Rendsburg wurde eine Privatwohnung von vermummten  
Einsatzkräften gestürmt. Der Genosse, dem diese ganze Aktion  
galt, wurde verhaftet und zur BAW nach Karlsruhe  
verschleppt. Begründung: Unterstützung einer kriminellen  
Vereinigung. Aus der Wohnung wurden Computer und sonstige  
Materialien abgeschleppt.
Im folgenden der Bericht von BewohnerInnen der angegriffenen  
Wohnung:
Zeit ca. 5.5o - 6.1o Uhr
Zimmer A
2 Männer vor'm Bett, Bettdecke wird weggezogen. Einer der  
Männer ist nicht maskiert, einer maskiert und bewaffnet,  
brüllt rum: "Auf den Bauch legen und die Hände auf den  
Rücken." Dann irgendwann: "Polizei.....  
Hausdurchsuchung...."
Die maskierten und sowie die unmaskierten waren alle in  
Zivilkleidung.
Aus diesem Grund war im ersten Moment nicht einmal zu  
erkennen, ob es sich tatsächlich um Polizei handelte.
X sprang aus dem Bett und stellte sich vor ihren Hund. X  
fragte nach Dienstausweis und ihr wurde einer gezeigt. X  
wollte wissen, bei wem die Hausdurchsuchung sei und warum,  
wollte Durchsuchungsbefehl sehen. X durfte nicht aus dem  
Zimmer. Ihr wurde nichts gesagt, nur, daß sie auf den  
Staatsanwalt warten soll. (der erkläre dann alles)
Zimmer B
Lärm, (Polizei, Polizei), ins Zimmer gestürmt und Bettdecke  
weggezogen. 1 maskierter Mann und eine maskierte Frau mit  
Knüppel. Der Mann hat das Zimmer sehr schnell verlassen, die  
Frau blieb die ganze Zeit. Y hat sich um ihre Tochter  
gekümmert, welche mit ihr im Bett lag und hat sie beruhigt.  
Auf die Frage, was das hier solle, antwortete die maskierte  
Frau: "Das wissen Sie doch ganz genau." Y: "Nein, weiß ich  
gar nicht, sagen sie es mir." Frau: "Haftbefehle wegen   129  
a gegen XY. .....die übrigen hier sind vorläufig  
festgenommen." Aufgrund dieser Begründung durfte Y nicht aus  
dem Zimmer. 3-4 Männer tauchten kurz im Zimmer auf und  
gingen wieder. Als Y aus dem Bett sprang, um die Bettdecke  
für ihre Tochter zu holen, wurde sie von der Frau darauf  
aufmerksam gemacht, daß sie alles durchsuchen will, was Y  
anfaßt. Daraufhin Durchsuchung der Jeans, Unterhose und  
Socken, die Y anzog.
Mann kam (Einsatzleiter) und sagte zu Y, daß sie alle Zimmer  
durchsuchen werden. Als Y Sachen für ihre Tochter holen  
wollte, durfte sie das Zimmer mit ihr verlassen.
übrige Zimmer
während der ganzen Zeit wurde im Badezimmer rumgewühlt und  
Chaos hinterlassen. Überall fotografiert, auch in den  
Zimmern.
Anzahl der Personen:
7 Männer, 2 Frauen (1 davon maskiert) und 3-4 maskierte  
Männer, es waren allerdings mehr, da das Zimmer von RALF M.  
nicht genau beobachtet werden konnte.
6.1o - 6.15 Uhr
Y mit ihrer Tochter wurden in das Zimmer von X gebracht.  
Durften alle das Zimmer nicht verlassen.
6.15 - 6.3o Uhr
RALF M. ist ins Bad gegangen, dann wurde er abgeführt. X und  
Y konnten RALF M. kurz im Flur sehen. "Tschüß, sagt ihr  
meine Klausuren ab? Ich komme nach Karlsruhe." Vorher hatten  
X und Y irgendwas von Handschellen gehört.
Die maskierten Männer und Frau gingen. X und Y mit ihrer  
Tochter mußten im Zimmer bleiben. Nach mehrmaligen  
Nachfragen nach dem Durchsuchungsbefehl, wurde er ihnen  
endlich gezeigt. "Unterstützung terroristischer Vereinigung"  
wurde dann wieder weggenommen. (war für die ganze Wohnung).  
X und Y durften nicht telefonieren.
6.3o - 7.oo Uhr
X und Y mit ihrer Tochter wurden in die Küche geführt. ("Sie  
dürfen bei der Durchsuchung da bleiben, wenn sie sich ruhig  
verhalten.") 7 Männer waren in RALF M.'s Zimmer und  
durchsuchten alles (von ca. 6.2o - 9.oo Uhr). 1 Frau blieb  
bei X und Y in der Küche. Auf Frage nach Namen wurde nur der  
des Oberstaatsanwaltes Molf, Bundesanwaltschaft Karlsruhe  
genannt. Auf nochmalige Anfrage wg. Telefonieren: "Wäre  
schöner, wenn nicht", durften dann aber telefonieren.  
Telefon klingelte. X ging ran. Als X Anwalt anrufen wollte,  
wollte ein Mann ihr den Hörer wegreißen, anderer: "ist schon  
okay." Anwalt angerufen, konnte nicht kommen. Gefordert, daß  
ein Zimmer nach dem anderen durchsucht wird - so wurde dann  
auch verfahren. Bei der Durchsuchung des Zimmers von RALF M.  
durften X und Y nicht dabei sein. Begründung: dies sei nicht  
ihr Zimmer. X und Y konnten von der Küche aus zusehen.
7.oo - 7.45 Uhr
Y hat mit Freundin telefoniert, die ihre Tochter und den  
Hund abholen sollte und Tochter zum Kindergarten bringen  
sollte. Bei jeder Bewegung die X und Y in der Wohnung  
machten wurden sie von Frau begleitet. Wenn das Telefon  
klingelte konnten X und Y rangehen. Ein Mann hat kurz in den  
Zimmern von X und Y nach Computersachen, Disketten etc.  
gesucht.
7.45 - 9.15 Uhr
Freundin holte die Tochter von Y und den Hund ab.
Ein Mann und eine Frau durchsuchten das Zimmer von X (X  
dabei)
Computertyp und anderer (Einsatzleiter) gingen weg.
Ein Mann und eine Frau durchsuchten das Zimmer von Y (Y  
dabei), Frau durchsuchte hauptsächlich das Zimmer, Mann ging  
früher hinaus mit einem Karteikasten, der sicher gestellt  
wurde.
Durchsuchung der Küche (1 Mann und 1 Frau) vor den Zimmern.  
Dann Durchsuchung des Flurs, der Abseite -  
Telefoneinheitenbuch mitgenommen  und Kalender von X.  
Wollten ihr erst keine Niederschrift dafür geben (für  
Karteikasten ja), weil Flur allegemein zugänglich.  
Schließlich wurde dies aber doch gemacht.
Für die Sachen von RALF M. wurde keine Niederschrift  
dagelassen, mit der Begründung, daß die Sachen nicht X oder  
Y gehören und das RALF M. in Rendsburg ist und sie im die  
Niederschrift vorlegen werden.
Danach wurde Telefonat mit Hausverwaltung geführt, wegen  
evtl. Boden oder Kellerräume.
Erst auf Nachfrage wurde mitgeteilt, daß der Schaden vom LKA  
Kiel bezahlt wird.
Um ca. 9.15 Uhr verließen die Bullen das Haus.
Aus dem Zimmer von RALF M. wurden unter anderem mitgenommen:
komplette PC-Anlage, alle Disketten, Aktenordner, Bücher,  
Kontoauszüge (Spruch: "...evt. PKK Spenden oder  
ähnliches..."   "Nee, laß mal."), Collage, Fotokiste, DAN  
SOMMER-Unterlagen.....
Aus dem Zimmer von X wurde Karteikasten (Beleg) mitgenommen
Aus dem Flur wurde Kalender von X mitgenommen (Beleg),  
Telefoneinheitenbuch, gelbe Seiten, Telefonbuch RD-Kiel-NMS,  
handschriftliche Telefonabrechnung.
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