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Ohne Konterrevolution - Keine Revolution


  • Subject: Ohne Konterrevolution - Keine Revolution
  • From: ID-SCHLESWIGHOLSTEIN@BIONIC.zerberus.de (ID-Schleswig-Holstein)
  • Date: 04 Jul 1995 20:32:00 +0000

  • 
    
    
    Im folgenden dokumentieren wir ein Flugblatt, daß uns heute
    auf den Schreibtisch flatterte.
    
    
    **************************************************************
    
    
    
    Ohne Konterrevolution
    keine Revolution
    
    
    Zu den bundesweiten Durchsuchungen am 13.6.95
    
    Am 13. Juni 1995 überfielen maskierte Sondereinsatzkommandos ca. 50
    Personen in 10 verschiedenen Städten der BRD in ihren Wohnungen. Zum Teil
    mit der Waffe auf den Kopf gerichtet, wurden die Leute um 6.oo Uhr morgens
    gewaltsam aus ihren Betten gezwungen und zur erkennungsdienstlichen
    Behandlung in die örtlichen Polizeipräsidien verschleppt. Währenddessen
    wurden ihre Wohnungen, Arbeitsstätten und Läden unter Aufsicht der
    Bundesanwaltschaft (BAW) durchsucht und im Laufe des Vormittags Massen von
    Papieren, Broschüren, Computern, Disketten, Fotomaterial und anderes
    beschlagnahmt. Der angegebene Grund für diese Überfälle sind zahlreiche
    Ermittlungsverfahren nach º129/129a (Mitgliedschaft oder Unterstützung in
    einer kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung), die 1992/93 von der
    BAW eingeleitet wurden. Laut der Durchsuchungsbeschlüsse wird einem Teil
    der Frauen und Männer vorgeworfen, Mitglieder der "Antiimperialistischen
    Zellen (AIZ)" zu sein, die sich seit 1992 zu mehreren Brand- und
    Sprengstoffanschlägen bekannt hat. Einem anderen Teil wird vorgeworfen,
    Mitgleider der Gruppe  "Das K.O.M.I.T.E.E." zu sein, die für Anschläge auf
    Teile faschistischer Abschiebemaschinerie verantwortlich gemacht wird.
    Gegen andere wird wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung
    bzw. Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ermittelt, weil sie
    Mitverantwortliche der "linksextremistischen/linksterroristischen
    Untergrunddruckschrift "radikal" sein sollen. Hier wird nicht mehr wie
    bisher wegen "Werbung" kriminalisiert, sondern eine ganze
    Zeitungsredaktion als "kriminelle Vereinigung" deklariert und
    kriminalisiert.
    4 Männer aus 4 Städten wurden in diesem Zusammenhang dem
    Ermittlungsrichter vorgeführt und sitzen seitdem im Knast.
    Die AIZ ist laut Verfassungsschutz eine Abspaltung der RAF, würde aus ca.
    50 Mitgliedern in mehreren Städten bestehen und sich "der Orts- und
    Milieukenntnisse ihrer Anhänger" bedienen. Wie simpel diese Konstruktion
    gestrickt ist und wie die BAW mithilfe von Rasterfahndung und anderen
    Methoden ermittelt, läßt sich am Beispiel der Ermittlungen in Hamburg
    deutlich machen:
    Hier werden 4 Frauen und Männer mit einem Ermittlungsverfahren wegen der
    "radikal" bedroht. Die Durchsuchungen und Festnahmen werden teils mit
    persönlichen Kontakten zu Beschuldigten, im wesentlichen aber nicht weiter
    begründet. Die Vorwürfe lauten auf "Mitgliedschaft/Unterstützung einer
    kriminellen Vereinigung". Drei weitere Personen werden beschuldigt, den
    AIZ anzugehören, die sich u.a. zu dem Brandschlag am 21.11.1992 auf das
    Rechtshaus an der Universität in Hamburg bekannt hat. Weitere drei Personen
    stehen im Verdacht Unterstützung geleistet zu haben.
    Der Staatsschutz behauptet, daß durch die Auswahl des Anschlagsobjektes
    ausreichend begründet sei, daß die "Täter" selbst an der juristischen
    Fakultät eingeschrieben sein müssen. Eine Überprügung der Studentinnen
    und Studenten führte dann zu mehreren Personen, die der Polizei als
    "gewaltbegreite Mitglieder des Umfeldes der RAF oder anderer
    linksextremistischer Vereinigungen" bekannt seien. Zwei Personen wurden
    aus diesem Kreis herausgefiltert und eine dritte Person hinzugefügt, die
    mit einer der zwei Personen eine gemeinsame Wohnung bewohnt hatte und
    ebenfalls "bekannt" war und angeblich sogar rege Kontakte mit dem RAF-
    Umfeld unterhielt, womit nichts anderes als der Briefkontakt zu ehemaligen
    Gefangenen gemeint ist.
    Allen wird entweder ihre Zugehörigkeit oder "enge Kontakte" zu dem 1994
    aufgelösten Komitee gegen den imperialistischen Krieg vorgeworfen.
    Erklärungen der "antiimperialistischen widerstandszelle nadia shedah", die
    den AIZ zugeordnet wird, würden die gleichen Themenkreise wie dieses
    Komitee gegen den imperialistischen Krieg behandeln und angeblich gleiche
    Formulierungen benutzen.
    Das Komitee gegen den imperialistischen Krieg hatte sich als öffentliches
    Aktionsbündnis während des 2. Golf-Krieges in Hamburg gegründet und sich
    in den folgenden Jahren auch zu anderen imperialistischen Interventionen,
    wie z.B. in Kurdistan, Somalia, dem ehemaligen Jugoslawien, usw. mit
    Demostrationen, Veranstaltungen und Flugblättern verhalten.
    Diese Konstruktion läßt sich endlos fortsetzen und ist dazu gedacht, immer
    weitere Personen mit Ermittlungsverfahren zu bedrohen. Zugleich sollen
    alle eingeschüchtert und abgeschreckt werden von denen radikale Kritik und
    Widerstand gegen die agressiven menschenverachtenden Pläne der BRD ausgeht
    oder ausgehen kann. Die Konstruktion um gleiche Inhalte oder Themenkreise,
    womit wohl keine anderen als die in der Presse genannten Brennpunkte
    "Antiimperialismus, Antifaschismus, Antirassismus und Antikolonismus"
    gemeint sind, scheint eine Neuauflage der alten Konstruktion um
    "Anschlagsrelevante Themen" zu sein, mit der in den 80iger Jahren der
    radikale Widerstand vom Staatsschutz terrorisiert wurde. Es ist aber auch
    nicht besonders erstaunlich, daß gerade in diesem Zusammenhang diese vier
    Bereiche imperialistisch-patriarchaler Herrschaftspolitik genannt werden,
    denn hierzu sammelt und organisiert sich radikaler Widerstand.
    Fie diejenigen hier, die sich auf die Geschichte des
    antiimperialistischen, antifaschistischen und antipatriarchalen Kampfes
    beziehen, ist es nicht überraschend, daß der Staatsschutz Zusammenhänge
    und Personen angreift, von denen er vermutet, daß von ihnen organisierter
    revolutionärer Widerstand ausgeht. Dazu gehört auch, daß dieser Staat eine
    Kriminalisierungskampagne gegen die PDS anführt um sie zu spalten und die
    Teile auszugrenzen, sie sich in der Tradition der kommunistischen Partei
    begreifen.
    Denn politisch, militärisch und ökonomisch ist das imperialistische
    Patriarchat mit seiner stärksten Macht, den USA nur noch auf Krieg
    ausgerichtet und terrorisiert, foltert und mordet auf der ganzen Welt. Die
    USA wollen jetzt mit der Ermordung von Mumia Abu-Jamal nach 40 Jahren
    trotz massenhafter internationaler Proteste wieder einen politischen
    Gefangenen hinrichten, um allen ihren unversöhnlichen Feinden ihre Macht
    und Skrupellosigkeit zu demonstrieren.
    (1952 wurden die kommunistischen Wissenschaftler und Wissenschaftlerin J.
    und E. Rosenberg auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet, weil sie für
    die UDSSR Aufklärungsarbeit geleistet haben.)
    Der BRD Imperialismus handelt gleichermaßen in der Tendenz des Krieges und
    demnach als aggressiver Frontstaat des Weltimperialismus und um seine
    eigene Macht zu vergrößern. Um ihre Position in der Weltökonomie
    auszubauen, strebt die BRD nach einem Kerneuropa mit Großwirtschaftsraum,
    eigenen Rohstoffen und strategischen Einflußgebieten vor allem in Südost-
    und Osteuropa. Diese Tatsache erfordert die Ausschaltung jeden
    Widerstands.
    So versuchen die Propagandisten und Pseudoideologen von rechts bis zur
    reformistischen Linken die Geschichte des revolutionären,
    antiimperialistischen und antifaschistischen Kampfes sowie die Kämpfe von
    Frauen und die antipatriarchalen Kämpfe schon immer zu fälschen.
    Beispielhaft an der denunziatorischen Kampagne gegen die Kämpfer, die vor
    50 Jahren das Konzentrationslager Buchenwald befreiten. Sie beabsichtigen,
    so die Spur zu verwischen, die uns die vielen tausend Frauen und Männer
    durch die Jahrzehnte mit ihrer Entschlossenheit, alles zu geben für eine
    Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, gezogen haben. (Im
    Konzentrationslager Buchenwald befreiten sich vor dem Eintreffen der
    Westalliierten die Häftlinge bewaffnet und aus eigener Kraft. Die erste
    Anordnung der Westalliierten war, die antifaschistischen Kämpfer zu
    entwaffnen. Heute wird die Befreiung aus eigener Kraft geleugnet, die
    ehemaligen Häftlinge von antifaschistischen Kämpfern zu geschichtslosen
    Opfern des Faschismus degradiert.) Hier soll nur ein Teil der Geschichte
    umgeschrieben oder ganz ausgelöscht werden.
            So verfolgt, terrorisiert und kriminalisiert die Bundesregierung nach
    innen und außen den kurdischen Befreiungskampf um ihrem türksichen
    Juniorpartner den Rücken freizuhalten. Eine solche Befreiungsbewegung hat
    Ausstrahlung und mobilisiert auch  andere linke Kräfte, den revolutionären
    Widerstand in der BRD weiterzuentwickeln. Während in Kurdistan die
    türkische Regierung unter Ausschluß der internationalen Presse, mit
    militärischer und geheimdienstlicher Unterstützung hauptsächlich der USA und
    BRD ungestört Völkermord begeht, versucht die BRD auch im eigenen Land
    diese größte und aktivste Bewegung zu bekämpfen. Nach bekanntem und
    bewährtem Schema wird in diesem Fall eine ganze nationale
    Befreiungsbewegung mit dem º129a kriminalisiert, deren Vereine verboten,
    das Eigentum beschlagnahmt und ihre Aktivistinnen und Aktivisten in den
    Knast gesperrt. Heute ist der größte Teil der politischen Gefangenen in
    der BRD kurdischer Nationalität. Es ist wichtig, die Razzien gegen
    deutsche Genossinnen und Genossen in diesem internationalistischen
    Zusammenhang zu sehen, um nicht bei einer metropolen und szeneorientierten
    Wahrnehmung stehenzubleiben. Ein Beispiel für die ausgezeichnete
    Zusammenarbeit der türkischen und deutschen Geheimdienste sei hier erwähnt.
    Am 8. Mai werden in Berlin und Rüsselsheim zeitgleich Angehörige einer
    kurdischen Familie von Sondereinsatzkommandos überfallen, verprügelt und
    zum Teil mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der PKK (Arbeiterpartei
    Kurdistans) festgenommen. Gleichzeitig werden in Kurdistan Angehörige
    dieser Familie in ihrem Dorf von türkischem Militär überfallen und
    verhaftet. Solche Terror-Aktionen finden relativ unbemerkt von der
    Öffentlichkeit und - in ihrem Ausmaß - auch von der Linken fast täglich
    statt.
         So versucht die BRD mit geschickter Kriegspropaganda die Bevölkerung auf
    einen militärischen Einsatz in Jugoslawien psychologisch vorzubereiten.
    Endlich sollen die Früchte einer Politik geerntet werden, die seit Ende
    des 2. Weltkrieges mit der Infiltration durch den Geheimdienst, politische
    Destabilisierung der antifaschistischen jugoslawischen Regierung,
    Unterstützung der faschistischen "Ustascha" im Exil und der kroatischen
    Nationalisten, sowie der Anerkennung Kroatiens als souveränen Staat und
    die Umgehung des UN-Waffenembargos gepflanzt waren. Durch eine
    Zerschlagung Jugoslawiens und dem Versprechen zu einer EG-Einbindung von
    Slowenien und Kroatien will sich die stärkste Macht Europas, die BRD, wie
    schon bereits 1914 und 1941 versucht, den Weg zu den rohstoffreichen
    Gebieten am Schwarzen Meer und Persichen Golf freimachen.
    Auch auf die ideologischen Grundlagen für diesen Eroberungsfeldzug läßt
    sich hier ausreichend zurückgreifen. Denn während sich bis heute die alten
    Eliten des Nationalsozialismus in ihren Machtpositionen halten konnten,
    während faschistische  Ideen wieder öffentlich geäußer werden können,
    während neofaschistische Mörderbanden auf der Straße Migrantinnen und
    Migranten jagen, sie zu Tode prügeln oder deren Häuser anstecken, werden
    Antifaschistinnen und Antifaschisten von der Polizei terrorisiert,
    verprügelt und vom Staatsschutz mit º129a Verfahren, wie gegen die "Antifa-
    M" aus Göttingen versucht wurde bedroht.
    Ein anderes Beispiel sei in diesm Zusammenhang noch erwähnt: Die "Saarland-
    Brigade". Diese Fallschirmspringer-Einheit ist in mehreren Städten der BRD
    stationiert. Sie ist Teil der "Krisenbewältigungstruppen" der Nato und der
    Bundeswehr. Sie begreift sich in der Tradition der Wehrmacht und
    verteidigt ungehindert die Eroberungs- und Interventionspläne der
    Faschisten im 2. Weltkrieg. Diese Einheit hat 1994 in Kurdistan ein
    Manöver durchgeführt.
           Ein weiteres strategisches Projekt für die Kriegsinteressen der BRD ist
    die Atomwirtschaft. Diese darf auch weiterhin trotz unzähliger Proteste,
    friedlichen Widerstand zehntausender Menschen und massenhafter militanter
    Aktionen in den vergangenen 25 Jahren ihre menschenverachtende Produktion
    fortsetzen. Auch in diesem Jahr wurden die starken Proteste von
    AtomkraftgegnerInnen gegen den Transport des "Castors" mit Wasserwerfern
    und Polizeiknüppeln beantwortet. Auch in diesem Fall versucht der
    Staatsschutz mit º129a Ermittlungen seine Strategie der Kriminalisierung
    und Abschreckung von radikalem Widerstand auszubauen.
    Die aktuellen Ermittlungen, Durchsuchungen und Verhaftungen sind unbedingt
    in diesem Zusammenhang zu betrachten, denn ihr Ziel ist, revolutionäre
    Positionen zu isolieren und sie aus der linken Diskussion (mit allen
    Mitteln) abzuspalten. So beklagt der Verfassungsschutz, daß der "Zulauf zu
    autonomen Gruppierungen unvermindert anhält", "Verluste durch Rückzüge ins
    Private seit Jahren wieder augefüllt würden" und "im Zentrum autonomer
    Aktivitäten Antifaschismus, Antirassismus, Antiimperialismus und
    Antikolonialismus stehen" würden.
    Der Staatsschutz verfolgt seit Bestehen der BRD Frauen und Männer, die
    sich auf die Geschichte revolutionärer Kämpfe beziehen und diese
    Erfahrungen weitervermitteln. Damit versucht er, eine stetige strategische
    Entwicklung zu verhindern und die Kämpfe geschichtslos und isoliert ihrer
    potentiellen Sprengkraft zu berauben.
    Nach der öffentlichen Erklärung der RAF 1992 zur sogenannten
    Neuorientierung und der Umorientierung eines Teils der politischen
    Gefangenen, konnte der Staatsschutz (die BAW und die Bundesregierung)
    hoffen, die militante antiimperialistische Bewegung und das Bewußtsein
    über Imperialismus, erfolgreich zerschlagen zu können.
    Gefangene Genossen und Genossinnen, die an diesem Bewußtsein festhielten,
    wurden mit erneuten Prozessen und Urteilen überzogen, um klar zu machen,
    daß sie mit ihrer politischen Haltung den Knast nicht mehr lebend verlassen
    werden.
    Inzwischen ist klar, daß Frauen und Männer weiter kämpfen, revolutionäre
    Positionen vertreten und weiterentwickeln. Eine Weiterentwicklung ist
    aufgrund der Begrenztheit der bisherigen Konzepte und Strategien notwendig
    geworden und diese Frage stellt sich weltweit. So gibt es in mehreren
    Ländern Diskussionen darüber, die Analyse um die "Frauenfrage" bzw. das
    Patriarchat als zentralen Stützpfeiler des Imperialismus zu erweitern
    bzw. umfassend zu entwickeln, die Frauen, Lesben und Feministinnen
    aufgrund der Situation durchsetzen und durchkämpfen können.
    
    Hoch die internationale Solidarität !
    Freiheit für Mumia Abu Jamal !
    Sieg dem Kurdischen Befreiungskampf !
    Imperialistische Mächte raus aus Jugoslawien !
    Lest und lebt radikal !
    Sofortige Einstellung aller Verfahren !
    Sofortige Freilassung der Gefangenen !
    
    
    Anfang Juli 1995
    -------
    projekt
     idsh
    
    

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