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Instruktionen für das Kali-Yuga | Heftige Denunziation des Surrealismus |
Eines der Zeichen jener Endzeit, die so viele zu antizipieren scheinen, würde in einer Begeisterung für die negativsten & hassenswertesten Erscheinungen dieser Zeit bestehen, eine Begeisterung bei genau jener Kaste von Denkern, die sich selbst in Hinblick auf die sogenannte Apokalypse als scharfsichtig erachten, vor der sie uns warnen. Ich rede von Leuten, die ich sehr gut kenne - von denjenigen der »spirituellen Rechten« (wie etwa den Neo-Guènoniern mit ihrer Obsession für Zeichen der Dekadenz) - & denjenigen der postphilosophischen Linken, den Essayisten des Todes, den Kennern der Künste der Verstümmelung.¶
Beide dieser Gruppen handeln alle denkbaren Aktionen in der Welt auf demselben Level ab - alle werden für gleich bedeutungslos erklärt. Für den Traditionalisten zählt nichts außer der Vorbereitung der Seele auf den Tod (nicht nur auf den eigenen, sondern den der ganzen Welt). Für den »Kulturkritiker« zählt nichts außer dem Spiel, eine weitere Begründung für Hoffnungslosigkeit zu liefern, sie zu analysieren und in den Katalog aufzunehmen.¶
Derzeit ist das Ende der Welt eine Abstraktion, weil es sich nie ereignet hat. Es existiert in der Realität nicht. Es wird nur aufhören, eine Abstraktion zu sein, wenn es sich ereignet - falls es sich ereignet. (Ich behaupte weder, »Gottes Absicht« zu diesem Thema zu kennen, noch über wissenschaftliche Kenntnisse über eine noch nicht existierende Zukunft zu verfügen.) Ich habe nur eine geistige Vorstellung & sehe deren emotionale Verästelungen; als solche identifiziere ich sie als eine Art Geistervirus, einen Spuk in mir, der vertrieben, statt hypochondrisch gehätschelt & gepflegt werden sollte. Ich lehne das Gerede vom »Ende der Welt« ab, weil ich darin eine ideologische Ikone von Religion, Staat & kulturellem Milieu gleichermaßen sehe, die man mir vorhält, um das Nichthandeln zu begründen.¶
Ich verstehe, warum die religiösen & politischen »Mächte« möchten, daß ich mit den Knien schlottere. Da doch nur sie es sind, die überhaupt eine Chance bieten können, der Ragnarök zu entgehen (durch Beten, durch Demokratie, durch Kommunismus etc.), werde ich wie ein Schaf ihrem Diktat folgen & mir keine eigenen Gedanken machen. Der Fall der aufgeklärten Intellektuellen scheint jedoch zunächst verwirrender zu sein. Welche Macht beziehen sie aus diesem Beten des Rosenkranzes der Angst & Düsternis, des Sadismus & Hasses?¶
Das Wesentliche ist, daß sie als klug erachtet werden. Jeder Angriff auf sie muß als dumm gelten, da doch nur sie allein klarsichtig genug sind, die Wahrheit zu erkennen, nur sie allein tapfer genug, sie darzulegen, ungeachtet roher Zensoren & liberaler Heinis. Greife ich sie als Teil genau des Problems an, das sie sachlich zu diskutieren behaupten, werde ich als Hinterwäldler, Puritaner, blinder Optimist beschimpft. Wenn ich sage, daß ich die Artefakte ihrer Wahrnehmung (Bücher, Kunstwerke, Performances) hasse, werde ich als überempfindlich (& so natürlich auch als psychologisch unterdrückt) abgetan, oder aber es wird mir zumindest mangelnde Ernsthaftigkeit bescheinigt.¶
Viele Leute gehen davon aus, daß ich, weil ich mich manchmal als anarchistischer Boy-Lover bezeichne, auch an anderen ultra-postmodernen Ideen wie Massenmördern von Kindern, faschistischer Ideologie oder den Photographien von Joel P. Witkin interessiert sei. Sie vermuten, eine Sache habe nur zwei Seiten, eine gute und eine schlechte. Ein Marxist, der diesen ganzen Todeskult als anti-progressiv kritisierte, würde für genauso närrisch erachtet wie ein Xtianischer Fundamentalist, der ihn als unmoralisch bezeichnet.¶
Ich bestehe darauf, daß diese Angelegenheit (wie gewöhnlich) mehr als zwei Seiten hat. Zweiseitige Angelegenheiten (Schöpfertum vs. Darwinismus; »choice« vs. »pro-life« etc.) sind ohne jede Ausnahme Delusionen, spektakuläre Lügen.¶
Meine Position ist diese: Ich bin mir der »Intelligenz«, die Aktion verhindert, nur zu bewußt. Ich selbst verfüge im Überfluß darüber. Hin und wieder habe ich es jedoch geschafft, mich so zu verhalten, als sei ich blöd genug zu versuchen, mein Leben zu ändern. Manchmal habe ich mich gefährlicher Betäubungsmittel wie Religion, Marihuana, Chaos, Knabenliebe bedient. Einige Male war ich in gewisser Weise erfolgreich - & ich sage dies nicht, um zu prahlen, sondern um Zeugnis abzulegen. Durch die Beseitigung der inneren Ikonen des Weltendes & der Sinnlosigkeit aller irdischen Anstrengung habe ich (manchmal) einen Zustand erreicht, der (im Vergleich zu allem, was ich kannte) einer der Gesundheit zu sein schien.¶
Die Vorstellungen von Tod & Verstümmelung, die unsere Künstler & Intellektuellen faszinieren, scheinen mir - im Lichte der Erinnerung an diese Erfahrungen - dem wirklichen Potential des Seins & des Diskurses über Sein tragisch unangemessen.¶
Das Sein selbst mag als ein Abgrund ohne Bedeutung gesehen werden. Ich lese dies nicht als eine pessimistische Aussage. Wenn sie wahr ist, kann ich darin nichts anderes sehen als eine Autonomieerklärung für meine Imagination & meinen Willen - & für den wunderschönsten Akt, den sie hervorbringen und der dem Sein Bedeutung verleiht.¶
Warum sollte ich diese Freiheit mit einem Akt, wie etwa Mord (wie die Existentialisten), oder irgendeiner der abscheulichen Moden der achtziger Jahre versinnbildlichen? Der Tod kann mich nur einmal ereilen - bis dahin habe ich die Freiheit, mir ein Leben vorzustellen und (so intensiv ich kann) zu leben & eine Lebenskunst, die auf selbstbezogenen »Erfahrungshöhepunkten« wie auf »Konvivialität« (mit dem ihr eigenen Wert) basiert.¶
Das obsessive Festhalten an Todesbildern (& deren Reproduktion oder sogar Vermarktung) steht diesem Projekt so obstruktiv im Wege wie Zensur oder Medienhirnwäsche. Es führt zu negativen Feedback-Schwingungen - es ist übler Juju. Niemandem wird so die Angst vor dem Tod genommen, sondern lediglich eine morbide Angst anstelle gesunder Angst erzeugt, die alle sensiblen Wesen angesichts der Ahnung ihrer eigenen Sterblichkeit überkommt.¶
Dies soll nicht dazu dienen, die Welt von ihrer Häßlichkeit freizusprechen oder zu leugnen, daß wirklich furchtbare Dinge existieren. Einige dieser Dinge können gewiß abgeschafft werden - unter der Bedingung, daß wir uns einer Ästhetik der Abschaffung statt einer der Angst bedienen.¶
Ich habe kürzlich eine Schwulen-Tanz/Lyrik-Performance besucht, die äußerst hip war: der einzige schwarze Tänzer der Truppe hatte so zu tun, als ficke er ein totes Schaf.¶
Teil meiner selbstverschuldeten Dummheit, so gestehe ich, ist es zu glauben (& sogar zu spüren), daß Kunst mich & andere ändern kann. Darum schreibe ich pornographische und propagandistische Texte - um Veränderung zu bewirken. Kunst kann niemals soviel Bedeutung erlangen wie vielleicht eine Liebesaffäre oder eine Insurrektion. Aber sie zeigt ... bis zu einem gewissen Grad ... ihre Wirkung.¶
Selbst wenn ich keine Hoffnung mehr in Kunst setzte, jede Erwartung auf Verzückung aufgegeben hätte, würde ich mich dennoch weigern, mich mit einer Kunst abzugeben, die lediglich mein Elend verschlimmert oder sich der Schadenfreude [im Original deutsch; Anm. d. Ü.] hingibt, der »Freude am Elend anderer.« Ich wende mich von bestimmter Kunst ab wie der Hund sich heulend vom Leichnam seines Hundegefährten abwendet. Ich möchte auf Sophisterei verzichten, die es mir erlauben würde, sie mit gespielter Neugier als ein weiteres Beispiel postindustrieller Dekomposition zu beriechen.¶
Nur die Toten sind wirklich smart, wirklich cool. Nichts berührt sie. Während ich lebe, bin ich auf der Seite des unscheinbaren, leidvollen, geknechteten Lebens, mit Wut statt mit Gelangweiltsein, mit süßer Lust, mit Verlangen & Ausschweifung ... gegen die eisige Avant-Guard & ihre modischen Grabesbeschwörungen.¶
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