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Das Netz und das Spinnengewebe

Der nächste Faktor, der zur TAZ beiträgt, ist so umfassend und problematisch, daß ihm ein eigenes Kapitel gewidmet werden muß.¶

Wir haben vom Netz gesprochen, das als die Gesamtheit aller Informations- und Kommunikationstransfers definiert werden kann. Die Informationsübertragung ist in vielen Fällen privilegiert und bestimmten Eliten vorbehalten, was dem Netz eine hierarchische Dimension verleiht. Andere Transaktionen hingegen sind für alle offen - das Netz hat also auch einen horizontalen oder nicht-hierarchischen Aspekt. Daten des Militärs und der Geheimdienste unterliegen der Geheimhaltung ebenso wie die der Banken und Währungsinformationen und ähnliches. Aber Telefon, Postsystem, öffentliche Datenbanken etc. sind weitgehend für alle zugänglich. Daher ist innerhalb des Netzes allmählich eine Art Gegen-Netz entstanden, das wir Spinnengewebe nennen werden (so als sei das Netz eine Art Fischernetz und bestünde das Spinnengewebe aus Weben, die in die Zwischenräume und Lücken des Netzes gewirkt wurden). Im allgemeinen werden wir den Terminus Spinnengewebe dann gebrauchen, wenn wir uns auf die alternierende horizontale offene Struktur des Infoaustausches, das nicht-hierarchische Netzwerk beziehen und uns den Begriff Gegen-Netz für die klandestine illegale aufrührerische Nutzung des Spinnengewebes, einschließlich Datenpiraterie und anderer Formen, im Netz selber zu fischen, vorbehalten. Netz, Spinnengewebe und Gegen-Netz sind Teile des gleichen Komplexes - sie verschwimmen an unzähligen Punkten ineinander. Die Begriffe sollen keine Gebiete, sondern lediglich Tendenzen benennen.¶

(Abschweifung: Bevor du das Spinnengewebe oder Gegen-Netz wegen seines »Parasitentums« verdammst, das niemals eine wirklich revolutionäre Kraft sein kann, frage dich, worin »Produktion« im Zeitalter der Simulation besteht. Wer bildet die »produktive Klasse«? Vielleicht wirst du gezwungen sein zuzugeben, daß diese Begriffe ihre Bedeutung verloren zu haben scheinen. Jedenfalls sind die Antworten auf solche Fragen so komplex, daß die TAZ dazu tendiert, sie gänzlich zu ignorieren und sich das herauszugreifen, was sie nutzen kann. »Kultur ist nicht unsere Natur« - und wir sind die diebischen Elstern oder die Jäger/Sammler der Welt der CommTech.)¶

Die gegenwärtigen Formen des Spinnengewebes sind, so muß man vermuten, immer noch recht primitiv: das marginale Zine-Netzwerk, die BBS-Netzwerke, geklaute Software, Hacking, Telefon-Phreaking, ein wenig Einfluß in den Printmedien und in Radiosendern und fast keinen in den anderen großen Medien - nicht in Fernsehstationen, keine Satelliten, keine Fiberoptik, kein Kabel etc. etc. Das Netz selber zeigt jedoch ein Muster sich verändernder/entstehender Beziehungen zwischen Subjekten (»users«) und Objekten (»data«). Die Natur dieser Beziehungen ist ausführlich erforscht worden, von McLuhan bis zu Virilio.¶

Wir benötigten Seite über Seite, um zu »beweisen«, was mittlerweile »jede(r) weiß«. Statt dies noch einmal wiederzukäuen, interessiere ich mich vielmehr für die Frage, inwieweit diese entstehenden Beziehungen für die TAZ nutzbar zu machen sind.¶

Die TAZ hat einen temporären wie wirklichen Ort in der Zeit und einen temporären wie wirklichen Ort im Raum. Aber sie muß natürlich auch ihren »Ort« im Spinnengewebe haben, und dieser Ort ist von anderer Natur, nicht wirklich, sondern virtuell. Das Spinnengewebe bietet nicht nur logistische Unterstützung für die TAZ, es hilft auch, sie zu schaffen; grob gesprochen könnte man sagen, daß die TAZ im Informations-Raum wie in der »wirklichen Welt« existiert. Wir haben bemerkt, daß es der TAZ, da sie temporär ist, notwendigerweise an einigen Vorteilen der Freiheit fehlt, die aus der Erfahrung von Dauer und mehr-oder-weniger festem Ort erst entsteht. Aber das Spinnengewebe kann einiges von Dauer und Ort substituieren, die TAZ von Anfang an informieren, ihr jede Menge an verdichteter Zeit und verdichtetem Raum liefern, die zu Daten »verflüchtigt« wurden.¶

Beim derzeitigen Stand der Entwicklung des Spinnengewebes und unter Berücksichtigung unseres Verlangens nach dem »von Angesicht-zu-Angesicht« und nach dem Sensuellen müssen wir im Spinnengewebe primär ein Unterstützungssystem sehen, das Informationen von einer TAZ an eine andere liefert, die TAZ verteidigen, sie »unsichtbar« machen oder ihr Zähne verleihen kann, je nachdem, was die Situation erfordert. Aber mehr noch: Wenn die TAZ ein Nomadencamp ist, dann hilft das Spinnengewebe, die tribalen Epen, Lieder, Genealogien und Legenden zur Verfügung zu stellen; es verrät die geheimen Karawanenrouten und Raubpfade, auf denen die Stammesökonomie basiert; es enthält sogar einige der Wege, denen sie folgen werden, einige der Träume, die sie als Zeichen und Omen erfahren werden.¶

Das Spinnengewebe bedarf keiner Computertechnologie, um zu existieren. Mündliche Botschaften, Post, das marginale Zine-Netzwerk, »Telefonketten« und ähnliches reichen, ein Informations-Spinnengewebe zu schaffen. Das Entscheidende sind nicht die Marke oder das Level der verwendeten Technik, sondern die Offenheit und Horizontalität der Struktur. Nichtsdestotrotz impliziert das gesamte Konzept des Netzes die Verwendung von Computern. In den SciFi-Imaginationen wird das Netz für die Bedingungen des Cyberspace (wie in Tron oder Neuromancer) oder die Pseudo-Telepathie der »virtuellen Realität« gedacht. Als Fan von Cyberpunk male ich mir aus, daß »Realitätshacking« bei der Schaffung der TAZ eine wesentliche Rolle spielen wird. Mit Gibson und Sterling vermute ich, daß das offizielle Netz es niemals schaffen wird, das Spinnengewebe oder das Gegennetz auszuschalten - Datenpiraterie, ungenehmigte Transmissionen und der freie Informationsfluß können nicht eingeforen werden. (Die Chaos-Theorie - wie ich sie verstehe - prophezeit, daß irgendein universales Kontrollsystem unmöglich ist.)¶

Lassen wir jedoch die bloße Spekulation über die Zukunft beiseite, haben wir uns ernsthaften Fragen über das Spinnengewebe und die Technologie, die es impliziert, zu stellen. Die TAZ wünscht vor allem die Vermeidung jeglichen Vermittelns, wünscht, ihre Existenz als unmittelbar zu erfahren. Das Wesentliche dieser Sache ist »Brust-an-Brust«, wie die Sufis sagen, oder von Angesicht-zu-Angesicht. Aber, ABER: das Wesentliche des Spinnengewebes ist Vermittlung. Maschinen sind hier unsere Botschafter - der menschliche Körper ist irrelevant, außer als Terminal, mit all den negativen Konnotationen des Begriffs.¶

Die TAZ kann vielleicht am ehesten ihren eigenen Raum finden, indem sie sich zwei scheinbar widersprüchliche Haltungen gegenüber HiTech und deren Apotheose, dem Netz, durch den Kopf gehen läßt: 1. das, was wir als die Fifth Estate/neopaläolithische post-Situ-ultragrüne Position bezeichnen könnten: Wie Ludditen gegen Vermittlung und gegen das Netz vorgehen; und 2. die Cyberpunk-Utopisten, Futuro-Libertären, Realitätshacker und ihre Verbündeten, die im Netz einen Evolutionsfortschritt sehen und davon ausgehen, daß jedwede Übel der Vermittlung überwunden werden können - zumindest dann, wenn wir uns die Produktionsmittel angeeignet haben.¶

Die TAZ stimmt den Hackern zu, denn sie will existent werden und dies zum Teil durch das Netz und sogar durch die Vermittlung des Netzes. Sie stimmt aber auch den Grünen zu, denn sie bewahrt sich die intensive Bewußtheit vom eigenen Körper und empfindet nur Abscheu vor CyberGnosis, den Versuch, den Körper durch Instantaneität und Simulation zu transzendieren. Die TAZ findet die Tech/Anti-Tech-Dichotomie - wie die meisten Dichotomien - irreführend, da sich die sichtbaren Gegensätze als durch Semantik bewirkte Entstellungen oder gar Halluzinationen erweisen. Dies ist eine Art zu sagen, daß die TAZ in dieser, nicht in der Vorstellung von einer anderen Welt leben möchte, einer Vision von Welt, die aus falscher Vereinheitlichung entstand (ganz grün ODER ganz metallen), aus der nur nach und nach etwas werden kann (oder wie Alice sagte: »Marmelade gestern oder Marmelade morgen, aber niemals Marmelade heute«).¶

Die TAZ ist »utopisch« in dem Sinne, daß sie sich eine Intensivierung des Alltaglebens ausmalt, oder - wie die Surrealisten gesagt haben könnten - die Durchdringung des Lebens durch das Wunderbare. Aber sie kann nicht »utopisch« in der unmittelbaren Bedeutung des Wortes sein, nirgendwo, ein NichtOrt. Die TAZ ist irgendwo. Sie liegt an der Schnittstelle vieler Kräfte, wie etwa der heidnische Energiepunkt an der Kreuzung mysteriöser ''ley-lines'' liegt, was für den Adepten in scheinbar nicht in Beziehung stehenden Gelände- und Landschaftsteilen, bei Luftströmen, im Wasser und bei Tieren sichtbar ist. Derzeit aber sind nicht alle Linien in Zeit und Raum eingraviert. Einige existieren nur »innerhalb« des Spinnengewebes, obwohl es Schnittstellen mit wirklichen Zeiten und Orten gibt. Vielleicht sind einige der Linien »nicht-gewöhnlich« in dem Sinne, daß es keine feste Regel für ihre Quantifizierung gibt. Diese Linien lassen sich im Lichte der Chaos-Theorie besser studieren als per Soziologie, Statistik, Wirtschaftswissenschaften etc. Die Kraftfelder, durch die die TAZ entsteht, sind jenen chaotischen »Seltsamen Attraktoren« ähnlich, die sozusagen zwischen den Dimensionen existieren.¶

Die TAZ nutzt ihrer Natur nach jede Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen - sie wird entweder in einer Höhle oder einer L-5 Space City entstehen -, aber sie wird vor allem leben, jetzt oder sobald wie möglich, in welch suspekter oder heruntergekommener Form auch immer, spontan, ohne sich um Ideologie oder gar Anti-Ideologie zu scheren. Sie wird sich des Computers bedienen, weil der Computer existiert, aber sie wird sich auch Kräfte bedienen, die so wenig mit Entfremdung oder Simulation zu tun haben, daß sie der TAZ einen gewissen psychischen Paläolithismus garantieren, einen primordial-schamanischen Geist, der sogar das Netz selbst »infizieren« wird (worin meinem Verständnis nach die wirkliche Bedeutung des CyberPunk liegt). Da die TAZ Intensivierung, Überfluß, Exzeß, Potlatch, gelebtes Leben bedeutet, statt lediglich Überleben (survival - was das wehleidige Schibboleth der 80er Jahre war), kann sie weder durch Tech noch durch Anti-Tech definiert werden.¶

Die Mandelbrot-Menge und deren computergraphische Realisierung zeigen uns - in einem fraktalen Universum - Karten, die in Karten eingebettet und faktisch verborgen sind, die wiederum in Karten eingebettet und verborgen sind ... und so weiter - bis an die rechnerischen Grenzen. Wofür ist sie, diese Karte, die in gewisser Weise ein 1:1 Verhältnis zu einer fraktalen Dimension aufweist? Was kann man damit anfangen, außer ihre psychedelische Eleganz zu bewundern?¶

Müßten wir uns eine Informationskarte vorstellen - eine kartographische Projektion des Netzes in seiner Gesamtheit, - hätten wir die Elemente des Chaos zu berücksichtigen, die bereits sichtbar geworden sind, so zum Beispiel bei den Operationen paralleller Anwendung, bei der Telekommunikation, beim Transfer elektronischen »Geldes«, in Gestalt von Viren, beim Guerillahacking und so weiter.¶

Jedes dieser »Felder« des Chaos könnte durch - der Mandelbrot-Menge ähnlichen - Topographen dergestalt repräsentiert werden, daß die »Peninsulas« in die Karte eingebettet oder in dieser verborgen sind, so daß sie zu »verschwinden« scheinen. Dieses »Schreiben« - wovon Teile verschwinden, Teile sich im Hintergrund halten - repräsentiert genau den Prozeß, durch den das Netz bereits betroffen ist. Das Netz empfindet sich als unvollständig, letzten Endes aber als un-kontrollierbar. Mit anderen Worten, die Mandelbrot-Menge oder etwas ihr ähnliches könnte sich als nützlich für das »Plotting« (in allen Bedeutungen des Wortes) des Entstehens des Gegen-Netzes als chaotischer Prozeß erweisen, eine - um mit Prigogine zu sprechen - »kreative Evolution«. Wenn zu nichts sonst, so dient die Mandelbrot-Menge als Metapher für ein »Kartographieren« des TAZschen Interface mit dem Netz als ein Verschwinden von Information. Jede »Katastrophe« im Netz ist ein Knoten der Macht für das Spinnengewebe, das Gegennetz. Das Netz erleidet durch Chaos Schaden, während das Spinnengewebe dadurch gedeihen kann.¶

Ob durch einfache Datenpiraterie oder aber durch eine komplexere Entwicklung der tatsächlichen Beziehung zum Chaos, der Spinnengewebehacker, der Cybernetiker der TAZ wird Wege finden, sich Perturbationen, Crashes und Störungen im Netz zunutze zu machen (Wege, Informationen aus »Entropie« zu ziehen). Als Bricoleur, Sammler von Informationsfetzen, Schmuggler, Erpresser, vielleicht sogar Cyberterrorist wird der TAZ-Hacker an der Entwicklung klandestiner fraktaler Verbindungen arbeiten. Diese Verbindungen und die anderen Informationen, die zwischen ihnen ausgetauscht werden, werden »Antriebskräfte« für das Entstehen der TAZ selbst sein - so, als würde man dem Energiemonopol Elektrizität stehlen, um ein leerstehendes Haus für Besetzer zu erleuchten.¶

Um Situationen zu produzieren, die der TAZ dienlich sind, wird das Spinnengewebe im Netz parasitieren - wir können in dieser Strategie aber auch den Versuch sehen, an der Schaffung eines alternativen und autonomen Netzes zu arbeiten, das »frei« und nicht länger parasitär ist und als Basis für eine »neue Gesellschaft« dient, »die aus der Hülse der alten entstehen wird.« Das Gegen-Netz und die TAZ können, praktisch gesprochen, als Ziele für sich gesehen werden, theoretisch aber auch als Kampfformen für eine andere Realität.¶

Nachdem dies gesagt ist, müssen wir uns aber noch einiger Bedenken gegenüber Computern annehmen, einiger unbeantworteter Fragen über den Personal Computer.¶

Die Geschichte von Computernetzwerken, BBSs und verschiedenen anderen Experimenten in Elektrodemokratie ist bislang weitgehend hobbymäßig betrieben worden. Viele Anarchisten und Libertäre haben ein tiefes Vertrauen in den PC als Waffe der Befreiung und Selbstbefreiung - aber eigentlich keine wirklichen Fortschritte, keine nennenswerten Schritte in Richtung Freiheit vorzuweisen.¶

Ich habe wenig Interesse an einer hypothetischen, in Entstehung begriffenen Klasse von selbständigen Datenverarbeitern, die bald in der Lage sein wird, in großem Umfang in Klitschen oder durch Scheißarbeit gegen Stücklohn für verschiedene Unternehmen und Bürokratien zu produzieren. Darüberhinaus bedarf es keiner hellseherischen Fähigkeiten, vorauszusagen, daß diese »Klasse« ihre Unterklasse entwickeln wird - eine Art Lumpenyuppietariat: Hausfrauen, zum Beispiel, die für ihre Familien für ein »Zweiteinkommen« sorgen, indem sie ihre Wohnungen in Elektro-Schwitzbuden verwandeln, kleine Arbeitstyranneien, bei denen der »Boss« ein Computernetzwerk ist.¶

Ich bin auch wenig beeindruckt von der Art Information und den Dienstleistungen, wie sie von existierenden »radikalen« Netzwerken offeriert werden. Irgendwo - so wird einem gesagt - gibt es eine »Informationsökonomie«. Vielleicht ist dem so. Aber die Information, die über die »alternativen« BBSs gehandelt werden, scheint gänzlich aus Tratsch und technischem Geplauder zu bestehen. Ist das eine Ökonomie? Oder bloß ein Zeitvertreib für Enthusiasten? Okay, PCs haben eine weitere »Printrevolution« bewirkt - Okay, es entwickeln sich marginale Spinnengewebe - Okay, ich kann jetzt sechs Telefongespräche gleichzeitig führen. Was aber hat das für mein normales Alltagsleben geändert?¶

Ehrlich, ich verfügte bereits über jede Menge Daten, um meine Wahrnehmungen zu bereichern - was ist denn mit Büchern, Filmen, TV, Theater, Telefonen, der Post, veränderten Bewußtseinszuständen und so weiter? Brauche ich wirklich einen PC, um an noch mehr Daten heranzukommen? Du bietest mir geheime Informationen? Nun ... vielleicht bin ich versucht - aber ich fordere immer noch wunderbare Geheimnisse, mehr als nur nicht ins Telefonbuch eingetragene Nummern oder Triviales über Cops und Politiker. Vor allem möchte ich Computer, die mir Informationen bieten, die mit realen Gütern zu tun haben - »den guten Dingen im Leben«, wie es in der Präambel der IWW heißt. Und hier muß ich, da ich die Hacker und BBSer einer ärgerlichen intellektuellen Vagheit bezichtige, erklären, was ich mit »realen Gütern« meine.¶

Aus politischen und persönlichen Gründen stehe ich auf gutes Essen, besseres als jenes, das der Kapitalismus zu bieten vermag - Essen, das nicht umweltverschmutzt und noch mit starkem und natürlichem Geschmack gesegnet ist. Um die Dinge noch komplizierter zu machen: Stell dir vor, das Essen, nach dem ich mich sehne, ist illegal - nichtpasteurisierte Milch vielleicht oder die köstliche kubanische Frucht Mammei, die nicht frisch in die USA eingeführt werden darf, da ihre Kerne halluzinogen sind (so sagt man mir). Ich bin kein Farmer. Nehmen wir mal an, ich wäre Importeur seltener Parfüms und Aphrodisiatika, und verschärfen wir das Ganze durch die Annahme, die meisten meiner Waren wären ebenfalls illegal. Oder vielleicht will ich auch nur mit Word-Processing-Services für organische Steckrüben Geschäfte machen, weigere mich aber, die Transaktion dem Finanzamt zu melden (was das Gesetz - du kannst es glauben oder nicht - vorschreibt). Oder vielleicht möchte ich andere Menschen treffen und wir uns unter Zustimmung aller in - illegalen - Akten gegenseitig Freude bereiten (dies ist versucht worden, aber alle Hard-Sex-BBSs wurden zerschlagen - und von welchem Nutzen ist ein Underground mit lausiger Sicherheit?). Kurzum, nehmen wir an, daß ich die Schnauze von bloßer Information voll habe. Eurer Meinung nach sollten Computer bereits in der Lage sein, meine Bedürfnisse nach Essen, Drogen, Sex, Steuerhinterziehung zu befriedigen. Was also ist Sache? Warum geschieht es denn nicht?¶

Die TAZ hat sich ereignet, ereignet sich und wird sich - mit oder ohne Computer - ereignen. Damit aber die TAZ ihr ganzes Potential entfalten kann, muß sie weniger eine Sache der Selbstentzündung, sondern mehr eine Angelegenheit von »Inseln im Netz« werden. Das Netz, oder vielmehr das Gegen-Netz, wird zu einem integralen Aspekt der TAZ, einer Bereicherung zur Entfaltung ihres Potentials, einem »Quantensprung« (seltsam, wie dieser Begriff zur Bedeutung großer Sprung kam) in Komplexität und Signifikanz. Die TAZ muß nun in einer Welt des puren Raumes existieren, der Welt der Sinne. Liminal, dahinschwindend gar, muß die TAZ Information und Begehren kombinieren, um das Abenteuer zu bestehen (ihr »Sichereignen«), ihr Schicksal bis zum äußersten herauszufordern, sich in ihr eigenes Werden zu vertiefen.¶

Vielleicht haben die Anhänger der neopaläolithischen Schule recht, wenn sie behaupten, daß alle Formen der Entfremdung und Vermittlung zerstört oder verworfen werden müssen, damit wir unsere Ziele verwirklichen können - oder vielleicht wird die wahre Anarchie nur im All verwirklicht werden, wie einige Futuro-Libertäre prognostizieren. Aber die TAZ schert sich nicht besonders um »war« oder »wird sein«. Die TAZ ist an Resultaten interessiert, an erfolgreichen Attacken auf die Realität des Konsensus, an Durchbrüchen in intensiveres und erfüllteres Leben. Wenn sich der Computer für dieses Projekt nicht nutzen läßt, dann muß der Computer überwunden werden. Meine Intuition sagt mir jedoch, daß das Gegen-Netz bereits entsteht, vielleicht sogar schon existiert - ich kann es aber nicht beweisen. Die Theorie von der TAZ basiert weitgehend auf dieser Intuition. Natürlich beinhaltet das Spinnengewebe auch nichtcomputerisierte Netzwerke des Austausches wie etwa Samisdat, Schwarzmarkt usw. - aber das Gesamtpotential des nichthierarchischen Informationsnetzwerkes verweist logischerweise auf den Computer als Werkzeug par excellence. Jetzt warte ich auf die Hacker, die mir beweisen, daß ich recht habe, ich mich auf meine Intuition verlassen kann. Wo sind meine Streckrüben?¶



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