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Sun Jun 10 19:09:16 2001
 

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»Wir waren so unheimlich konsequent ...«

Das Jahr 1977 war das Jahr der Konfrontation zwischen der RAF und dem Staat. Als ihr euer ganzes Potential auf die Befreiung der Gefangenen konzentriert habt, waren die erst ein paar Jahre im Knast ...

Stefan Wisniewski: Die erste bewaffnete Aktion der RAF, quasi ihre Geburtsstunde, war im April 1970 die Befreiung Andreas Baaders, der seinerzeit noch weniger Knast hinter beziehungsweise vor sich hatte. Nach den vier, fünf Jahren vor 1977 haben wir gesagt: Das kann kein Jahr mehr so weitergehen. Ulrike Meinhof war tot, Holger Meins war tot, Katharina Hammerschmidt, Siegfried Hausner waren auch tot.

Du bist zur hierzulande zulässigen Höchststrafe, zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden und hast nun fast 20 Jahre abgesessen.

Die Revolution hab' ich trotzdem nicht verpaßt ... Und aus heutiger Sicht muß natürlich unsere »Zeit der Ungeduld« hinterfragt werden.

Wie ist deine Situation jetzt?

Der Knast hat natürlich keine Perspektive, außer daß ich hier Zeit absitze, eher sinnlos.

Wie sind denn deine Kontakte nach draußen, abgesehen von der Familie? Wie informierst du dich?

Im Lauf der Jahre hat sich einiges an Besuchskontakten entwickelt, über alle politischen Differenzen hinweg. Einige von uns sind ja mittlerweile entlassen, aber es kommen auch andere, ganz verschiedene Leute. Vieles von dem, was die machen, kann ich natürlich sinnlich schlecht nachvollziehen: Kinder kriegen, aufwachsen und spielen sehen, den ewigen Existenzkampf zwischen Leben und Sterben, der sich täglich außerhalb der Mauern abspielt ... Ich lese viel, Bücher vor allem. In den ersten zehn Jahren hatte ich TV-Verbot, hab' aber deswegen nicht viel verpaßt. Bis auf einige Besonderheiten, meine Post wird weiterhin für die Bundesanwaltschaft registriert - immer mal wieder gibt es eine Anhalteverfügung -, lebe und verfluche ich den Knast inzwischen wie die anderen Gefangenen, arbeite sogar seit zwei Monaten, nachdem ich fast all die Jahre davor Arbeitsverbot hatte.

Du wolltest doch immer in den Normalvollzug?

Den Begriff an sich hab' ich schon immer abgelehnt, weil ich diesen Vollzug auch für andere Gefangene nicht normal finde. Aber ich hab' den Knast immer als ein gesellschaftliches Terrain gesehen, von dem ich mich nicht isolieren wollte.

Im Gegensatz zu dir hat die RAF immer die Zusammenlegung der politischen Gefangenen und nicht die Integration in den Normalvollzug gefordert.

Auch die RAF hat st mal versucht, mit anderen zusammenzukommen. Da gab es durchaus Vorstellungen für eine revolutionäre Gefangenenbewegung. Die Situation war aber so, daß von vornherein gegen uns diese umfassenden Isolationsmaßnahmen angeordnet wurden. Dann kamen die Prozesse, und von unserer Seite wurde versucht, diese Prozesse gemeinsam und politisch zu führen. Es war und ist legitim, eine Zusammenlegung zu fordern, um gemeinsam zu diskutieren und die Isolationshaft aufzubrechen.

Das haben wir in den ersten Hungerstreikerklärungen nachgelesen. Aber die Linie änderte sich schnell: Alles lief auf den Kriegsgefangenenstatus hinaus

(05.09.77c), 15.08k

Als das zu einer politischen Linie verabsolutiert wurde, hab' ich gesagt, gut, das können wir politisch diskutieren, aber ich kann dann auch eine andere Linie einschlagen. Wenn wir es hier nicht schaffen, mit anderen Gefangenen zusammenzukommen, wie sollen wir es dann draußen schaffen. Hier sind die Leute selber eingesperrt und erfahren, was das System ist. Dafür muß nicht erst eine wissenschaftliche Untersuchung gemacht werden, obwohl eine Analyse über die Neuzusammensetzung der Gefangenen in den neuen Gefängnissen mehr denn je sinnvoll wäre. Mindestens die Hälfte der Gefangenen sind Ausländer, viele von ihnen sind mit Abschiebung in Folterländer bedroht.

Ist es an diesem Punkt zum Bruch zwischen dir und den anderen Gefangenen aus der RAF gekommen?

Als Bruch war es zumindest von mir nicht inszeniert. Der Stein kam jedenfalls bei meinem Prozeß ins Rollen, es war 1981 der erste Prozeß wegen der Schleyer-Entführung.



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