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70 / 20 Jahre Rote Hilfe

 

 


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Allgemeine Lage ab 1933

Die politische Lage änderte sich nach der Machtübergabe an die Faschisten bekanntlich völlig. Die Faschisten konnten sich jetzt mit Hilfe des Staatsapparates wie der Polizeistrukturen und der Gerichte an die Verfolgung und Bekämpfung der linken Opposition machen.
Nach dem inszenierten Reichstagsbrand wurde die Jagd auf SozialdemokratInnen, SozialistInnen, AnarchistInnen und KommunistInnen mit dem Ermächtigungsgesetz auch gesetzlich legitimiert. Zunächt wurden die KPD und die ihr nahestehenden Organisationen verboten. Gleiches galt für die kommunistische und sozialdemokratische Presse. Es begann eine Verhaftungs- und Terrorwelle, vor allem gegen kommunistische FunktionärInnen. So wurde der Vorsitzende der KPD, Ernst Thälmann, umgehend verhaftet.
Ziel der Maßnahmen war die Ausschaltung von oppositioneller Gegenwehr, um den Weg von der Machtübergabe zur Machtübernahme der Faschisten abzusichern. Auch die Rote Hilfe wurde sofort Ziel der Faschisten. Am 2. März 1933 wurden sämtliche Büroräume der Roten Hilfe in der Berliner Dorotheenstraße von der Polizei besetzt und das Erscheinen des Rote Hilfe Organs Tribunal zumindest zunächst unmöglich gemacht.[1]
Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand wurden die ersten Konzentrationslager errichtet. Die meisten Lager entstanden um Berlin herum. Hinzu kamen eine große Anzahl von Folterkammern der SA. Insgesamt waren 1933 bereits 50 Konzentrationslager im deutschen Reich errichtet. Allein in Preußen wurden von März bis April ca 25.000 Personen unter dem zynischen Begriff Inschutzhaftnahme interniert. Hier sind die wilden Verfolgungen der SA und SS nicht einbezogen. Ende Juli 1933 waren 26.789 politische Gefangene offiziell in Schutzhaft. [2]
Das Tribunal, das Zentralorgan der RHD, das bis dahin wieder illegal produziert und vertrieben wurde, führte im April 1933 in einer Statistik auf: »30.000 Gefangene in Kerkern und Konzentrationslagern, 300 Erschlagene, 150.000 Mißhandelte und Verletzte, 350.000 Haussuchungen, 600 Zeitungsverbote« und zahlenmäßig nicht erfaßte Massenentlassungen von sozialdemokratischen oder kommunistischen ArbeiterInnen. Im Februar 1934 schrieb das Tribunal von »170.000 politischen Gefangenen und tausenden Ermordeten«.[3]

Allein die düstere Statistik der Ermordeten lautete nach 2 1/2 Jahren Faschismus »50 Antifaschisten enthauptet, 4.000 Antifaschisten erschlagen, 8.000 Antifaschisten verschollen«[4]
Unter den Verhafteten und Ermordeten waren auch viele aktive Rote HelferInnen und hohe FunktionärInnen der Roten Hilfe. Im Frühjahr 1934 fand ein Prozeß gegen 26 Rote-Hilfe-FunktiönarInnen statt.[5] Der erste ermordete RHD- Funktionär war der Kommunist Rudolf Claus [6], ein weiteres frühes Mordopfer war der Reichstagsabgeordnete und Mitglied des Zentralvorstandes der RHD Erich Steinfurt.[7] Unter diesen Bedingungen mußte die Rote Hilfe wie alle anderen linken Organisationen neu organisiert werden und ihre Arbeit in der Illegalität leisten.
Noch im Frühjahr 1933 begann der Zentralvorstand der Roten Hilfe wieder zu arbeiten. Über viele Umwege wurden Verbindungen mit den Bezirken hergestellt. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, die Arbeit der Roten HelferInnen in den Betrieben, d.h. unter den ArbeiterInnen aufzunehmen und vor allem dort SpenderInnenkreise und Rote- Hilfe-Zellen zu bilden.
Bereits sehr früh wurden auch schon wieder illegale Nummern des Tribunals vertrieben.
Wie sich diese Arbeit genau dargestellt hat, ist natürlich nur sehr lückenhaft und äußerst schwierig zu erfassen. Die illegale Arbeit bedeutete natürlich auch, daß die Akteure und ihre Handlungen nicht bekannt wurden. Das hat zur Konsequenz, daß Schriftgut nur sehr unvollständig oder nicht mehr erhalten geblieben ist. So wissen wir von einigen Aktivitäten der Roten HelferInnen zum Teil nur aus den Berichten der Gestapo. Umfang und Formen der erfolgreichen und nicht aufgedeckten Arbeit und Leistungen, die von Roten HelferInnen im Faschismus geleistet wurden, die aber aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht werden konnten, kennen wir leider nicht. Insofern kann dieser Teil der Broschüre nur einen Einblick in die Arbeit der Roten Hilfe in der Illegalität bieten.


Fußnoten:
  1. Johannes Zelt, und nicht vergessen die Solidarität, S. 117
  2. Christop Graf, Politische Polizei zwischen Demokratie und Diktatur, Berlin 1983, S. 269 ff.
  3. Tribunal, Februar 1934
  4. Tribunal, September 1935
  5. Tribunal, Juni 1934
  6. Pikarski/Uebel, Die KPD lebt
  7. Tribunal, Februar 1934

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