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Sun Jun 10 18:51:35 2001
 

Inhaltsverzeichnis Inhalt Robert Kurz: Mit Volldampf in den Aufwärts

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3. Tertiarisierung

Damit ist die Hoffnung gemeint, daß die strukturelle Krise bloß den Industriekapitalismus betrifft und daß die Beschäftigung in den tertiären Sektor der Dienstleistungen umgeschichtet werden kann, der dann auch die Kapitalakkumulation tragen soll. Zu den Hoffnungen auf diesen Sektor nur so viel: Er scheint mir auch keine Lösung des Problems anzubieten. Das hängt mit dem Charakter dieser Sektoren zusammen. Die kommerziellen Dienstleistungen stellen teilweise gar keinen eigenständigen Sektor der Kapitalakkumulation dar, sie sind von Haus aus trotz formeller Selbständigkeit kapitalistisch unproduktiv und müssen aus dem industriellen Mehrwert gespeist werden. Marx hat das für den Handel-und-Banken-Sektor gezeigt.

Die Freizeit- und Tourismusindustrie wiederum ist eine reine Luxusangelegenheit der Noch-Gewinner auf dem Weltmarkt. Die Mehrzahl der Menschheit, vor allem natürlich in den Billiglohnländern und in den bereits abgekoppelten Regionen, macht keinen Tourismus. Als Massenphänomen ist er abhängig von den industriellen Masseneinkommen der wenigen Kernländer. Wenn diese Einkommen rapide zurückgehen, bricht auch der Massentourismus zusammen - und damit übrigens die darüber laufende Umverteilung von Nord nach Süd sowohl in Europa als auch auf globaler Ebene. Schon jetzt haben wir eine Art Krisentourismus, einerseits durch die kostenintensiven Schäden, die dadurch verursacht werden, andererseits dadurch, daß die Leute schon aufs Eingemachte zurückgreifen, um sich den Urlaubsstandard noch leisten zu können. Das wird krachen in den nächsten Jahren, wenn nicht ein neuer industrieller Boom kommt, der aber nicht zu erwarten ist.

Erst recht Essig ist es mit dem Gros der staatlichen Dienstleistungen, mit denen die sogenannte Infrastruktur betrieben wird, von der Kanalisation bis zu den Universitäten. Das ist von Haus aus alles keine Warenproduktion für den Markt, sondern es handelt sich um gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen für diese Produktion, die gar nicht nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage funktionieren können. Diese Sektoren sind angewachsen durch den kapitalistischen Prozeß der Verwissenschaftlichung, aber damit tut sich nur ein neuer Systemwiderspruch auf. Vom Standpunkt des Systems aus ist das keine Produktion, sondern Konsum, und deswegen hat der Staat das übernehmen müssen, es ist Staatskonsum. Damit tun sich auf Dauer unbewältigbare Finanzierungsprobleme auf, darauf werde ich gleich zurückkommen.

Die Infrastrukturbereiche sind fast alle chronisch defizitär, aber das liegt eben an ihrem Charakter, nicht daran, daß sie der Staat betreibt. Die Neoliberalen sind so blöd, daß sie das nicht erkennen und sich einbilden, das wäre ein ideologischer Fehler gewesen, daß der Staat das macht, und durch Privatisierung könnten diese Bereiche in Felder der Kapitalakkumulation verwandelt werden. Aber das private Betreiben der Infrastruktur akkumuliert kein Kapital, sondern zehrt ebenfalls vom industriellen Mehrwert, es ist nur eine Umverteilung innerhalb des Gesamtkapitals. Und vor allem: Wenn diese Sektoren als private profitabel betrieben werden sollen, gesamtkapitalistisch unproduktiv, aber betriebswirtschaftlich profitabel, dann muß alles abgestoßen und stillgelegt werden, was bloß defizitär funktioniert; und das heißt dann letzten Endes, daß die Infrastruktur ihren Beruf nicht mehr erfüllt und als solche zusammenbricht.

Der tertiäre Sektor ist also keine Ausweichmöglichkeit, sondern immer eine Kostenbelastung für die reelle Kapitalakkumulation, und soweit hier überhaupt eine Wertschöpfung stattfindet, ist sie so gering, daß das insgesamt eher auf die Profitrate drückt. Nicht auf der Ebene der Kapitalstruktur selbst findet eine Umschichtung der Beschäftigung in den tertiären Sektor statt, das ist wieder eine optische Täuschung, sondern nur durch die industriellen Weltmarktgewinne eines Landes. Natürlich können sich die Weltmarktgewinner bei industriellen Produkten noch eine Zeitlang die staatlichen Dienstleistungen leisten, z.B. eine flächendeckende Infrastruktur. Aber überall dort, wo der Prozeß der Krise weiter fortgeschritten ist, der sich nach Einsetzen des Selbstähnlichkeitsprinzips herstellt, bricht die flächendeckende Infrastruktur zusammen. Und die entsprechenden Teile der Arbeitskraft, die bisher dort absorbiert waren, werden ebenfalls in die Arbeitslosigkeit entlassen.



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