Anfang am Ende
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Für den Aufbau von linken Strukturen im Internet wird zur Zeit viel Energie aufgewendet, was jedoch fehlt sind Auseinandersetzungen über den Stellenwert und die Grenzen linker Präsenz im Internet und netzpolitische Diskussionen, die Einschätzungen über die allgemeinen Entwicklungen des Internets miteinbeziehen. Die verkürzte Vorstellung, die dem Konzept von Gegenöffentlichkeit zugrunde liegt - Informationen zögen automatisch Handlungskonsequenzen nach sich - reicht nicht aus, um offensiv in die Entwicklungen des Internets einzugreifen. Die linksradikalen netzpolitischen Forderungen, wenn überhaupt artikuliert, überschreiten kaum den seit Jahren eingeforderten "Zugriff für alle" und die "Freiheit auf Meinungsäußerung", für die sich hierzulande ja selbst eine bürgerliche Öffentlichkeit nie so recht hatte etablieren wollen. Daß netzpolitische Diskussionen in einem breiteren Umfang ausgeblieben sind, ist nicht nur einer "Unüberbrückbarkeit" politischer Differenzen, "mangelnder Zeit" o.ä. geschuldet. Uns scheint, daß eine allgemeine Ratlosigkeit am Ende des Internethypes dazu zwingt, sich grundlegende Gedanken dabei zu machen, wenn man medienbezogen und wirkungsvoll im Internet aktiv werden will. Mit der Ratlosigkeit steht die Linke dabei nicht allein da. Die hohe Entwicklungsdynamik des Internets und seine Verzahnung mit den verschiedensten Lebensbereichen bringen es mit sich, daß seine (künftigen) Ausprägungen selbst von den Hauptakteuren schwer zu bestimmen sind. Natürlich wird auch jetzt schon jede Menge Geld mit dem Internet verdient - niemand, der das Internet die letzten Jahre beobachtet hat, wird das bestreiten wollen. Jedoch: Die staatliche Domestizierung des sog. "rechtsfreien Raums" ist noch nicht zur allgemeinen Zufriedenheit geglückt, die "Goldgräberstimmung" in den Brutstätten der immateriellen Arbeit ist zumindest noch solange von Vorsicht gedämpft, wie eine direkte Bezahlung in E-Mark sich nicht bewerkstelligen läßt... Die (massenhaften) Vernetzungsschübe der letzten Jahre waren begleitet, wenn nicht gar geleitet, von den verschiedenen "Heilsversprechen", die an die technische Vernetzung und deren offensichtliche Möglichkeiten gekoppelt waren. Um es grob zu kartographieren: Das Jahr 1995 war der Höhepunkt des Internethypes in den USA, der die BRD ungefähr ein Jahr später erreichte. Im Laufe des letzten Jahres hat sich nun auch eine große Anzahl linker Gruppen mit einem Internetzugang ausgestattet. Der Hype verläßt sich auf eine Ansammlung von Mythen, deren Zerstörung sich die Verfechter des Anti-hypes zur Aufgabe gemacht haben. Im Bereich des Politischen führt das zu folgenden Wechselspielen:
Nicht, daß linke Gruppen davon unberührt geblieben wären. Daneben erhofften sie sich - bei aller Skepsis gegenüber der Gefahr von sich herausbildenden "Informationshierarchien innerhalb der sich vernetzenden Gruppen" - die Wiederbelebung der mittlerweile entschlummerten Gegenöffentlichkeit und die Überwindung der "internen" Kommunikationsprobleme mit anderen Mitteln. Der Hype ist durchaus noch produktiv, wenn auch die Kritik durch den
Antihype es mit sich gebracht hat, daß die Mythen an Kraft verloren
haben. Natürlich durfte der üblich maskuline Technikfetisch
auch bei der Geburt des Internets nicht fehlen. Eine genauere Betrachtung
der Ereignisse, die den "Willen zur Virtualität" erschafften, steht
noch aus. Das Internet stellt sich nach dem ersten Rausch meist als langweiliger
heraus, als es sein müßte. Die anfängliche Netzeuphorie
ist in eine allgemeine Ernüchterung umgeschlagen. Eigentlich wäre
es an der Zeit, loszuziehen mit den angekratzten Mythen im Gepäck.
Uns geht es dabei ausdrücklich nicht darum, erneut "besseres Wissen"
zu produzieren, das "nur" darauf wartet, irgendwann von irgendwem in eine
politische Praxis umgesetzt zu werden, oder sich theoretisch an einer
Klammer vom Verhältnis zwischen "Theorie und Praxis" zu reiben. Die
Artikel sind für uns Sammmlstelle, Protokoll und Textmüll einer
breiter angelegten Betätigung, in der wir versuchen "Virtualitätsfelder
zu erzeugen, die Handlungsmöglichkeiten eröffnen" (Lovink/Schultz,
Netzkritik, S.11), um nachhaltig netzpolitisch aktiv zu werden. Gegen
die allgemeine Selbstreferentialität setzen wir auf transversale
Kommunikation!
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