15.7.2000 - Auch gegen den 4. Aufmarschversuch der Faschisten vorgehen!

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Aktionen und Demonstration gegen den Naziaufmarsch
Samstag -15. Juli 2000 - ab 10Uhr
Marktplatz/Göttingen

Infotelefon: 0177/481 47 07
red.fm-sondersendung | Mittwoch 12.7.2000 | 19-20 Uhr | stadtradio-göttingen

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Aufruf


[M]itunter hält das Leben keine Überraschungen bereit. Dies gilt vor allem für die NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschland) und ihre Versuche in Göttingen faschistische Politik auf die Straße zu bringen und somit zu verankern. Obwohl bereits im letzten halben Jahr kein Aufmarsch stattfinden konnte, kündigt nun der NPD-Landesverband Niedersachsen und das "Nationale und soziale Aktionsbündnis Norddeutschland" (Spektrum der "Unabhängigen Kameradschaften") für Samstag, den 15. Juli 2000 erneut einen Aufmarsch an. Die neuerliche, moderate Anmeldung sowie die Aussage der NPD, alle juristischen Instanzen durchklagen zu wollen, läßt es wahrscheinlich erscheinen, daß die Faschisten dieses Mal in Göttingen marschieren werden. Zumal ein viertes Verbot gegen eine Organisation mit Parteienstatus juristisch fraglich ist.
Nach wie vor gilt Göttingen offensichtlich als "rotes Tuch" für rechte und faschistische Kreise. Sorgen wir gemeinsam dafür, daß Göttingen in Wort und Tat rot und antifaschistisch bleibt und weder Polizei noch Faschisten die Straße belagern.

Was auch kommen wird, ob die Faschisten in Göttingen nun marschieren oder nicht, eines ist im vergangenen halben Jahr deutlich geworden: sie sind politisch isoliert wie in kaum einer anderen Region der BRD. Die drei Aufmarschversuche der Faschisten im November 1999, Januar und April 2000 wurden jeweils von Gerichten verboten. Der Druck durch die Breite der Mobiliserung, die Mobilisierungskraft des autonomen Spektrums sowie zu erwartende militante Angriffe auf die Faschisten fanden sich in den gerichtlichen Begründungen wieder. Dies ist zwar einerseits eine Bestätigung radikal-antifaschistischer Politik, jedoch erzeugt eine Verbotsbegründug mit dem Bild von Gewaltszenarien, juristisch "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" genannt, ein politisches Klima der Gleichsetzung von Faschisten und Autonomen. Ganz oben stand folgerichtig - auch in der Presse - das gängige Totalitarismusvokabular. Nicht von Ungefähr soll der Eindruck entstehen, linke und rechte Gruppierungen und Politik seien gleich.

Dieses Bild benötigt nicht zuletzt der Polizeiapparat als Rechtfertigung, an einem Tag, an dem es gegen rechte Politik geht, um gegen AntifaschistInnen vorgehen zu können. Vor allem gegen AntifaschistInnen, die rechte, reaktionäre bzw. faschistische Tendenzen einer Gesellschaft nicht darauf beschränken, kurzhaarige Beschränkte anzugehen. So wundert es auch nicht, daß das Aufrufmotto der Faschisten "Nagelprobe für Demokraten! - Für Meinungsfreiheit, gegen Demonstrationsverbote" lautet. Das Motto deutet an, daß eine formelle Verbotsbegründung im Stile der bis dato angeführten juristischen Argumente diesesmal ins Leere laufen könnte. Auch die Tatsache, daß der NPD-Anmelder bereits gegenüber der Statd als äußerst kompromißbereit auftrat, um konkrete Bedingungen zur Durchführung des Aufmarsches auszuhandeln, zeigt den Willen der NPD endlich in Göttingen aufmarschieren zu wollen.


Von Bedeutungslosigkeit

Lediglich die Stellung Göttingens als linke/autonome und antifaschistische Hochburg verleiht diesem Aufmarschversuch der Faschisten eine gewisse Bedeutung. Ob autonome AntifaschistInnen, ob universitäre Gruppen oder Gewerkschaftsmitglieder, auf der Straße werden sie an diesem Samstag alle sein. Kommt es doch andernorts in ähnlichen Fällen nicht zu einer solchen gesellschaftlichen Situation, eine linke Stellung behaupten zu können. In der Regel ist die radikale Linke mit der Abwehr gegen rechts konfrontiert.
In ländlichen Regionen oder in vielen Teilen Ostdeutschlands hat sich über Jahre eine rechte/faschistische Jugendkultur breit gemacht. Schon allein Grund genug, um Braun aus der Farbpalette zu streichen. Daß dies in Göttingen nicht so ist, ist vor allem der kontinuierlichen Präsenz antifaschistischer Politik zu verdanken. Autonomer Antifaschismus sowie weitere linksradikale Aktivitäten spielen hierbei eine herausragende Rolle.

Obwohl die NPD in Bezug auf Göttingen großen Alarm verursacht, um sich damit offensichtlich nochmals ins Gedächtnis zu rufen, daß auch sie wichtig sind, bleibt im Grunde folgendes festzustellen: Die derzeitige Politik faschistischer Gruppierungen kann auf politischer Ebene getrost als gesellschaftlich weitestgehend bedeutungslos eingeordnet werden. Schon die Zerstrittenheit innerhalb des neonazistischen Lagers und das Motto des jetzigen Aufmarschversuches verdeutlichen, wie sehr die Braunen um sich selbst kreisen. Auch die Zahlen der Beteiligten der durch Polizei und Gerichte andernorts häufig durchgesetzten Aufmärsche sprechen für sich: nach der Hochphase faschististischer Straßenpräsenz, mit zum Teil bis zu 5000 Faschisten im Jahre 1998, ging es stetig bergab. Im Jahre 1999 und 2000 waren jeweils wenige hundert oder knapp tausend Braune anzutreffen. Lediglich der vom rechtsgerichteten Innensenator Berlins (ehemaliger Verfassungsschutz-Chef) Wertebach, durchgesetzte Marsch einiger hundert NPD-Anhänger war gesellschaftlich relevant, da ein faschistisches Fahnenmeer unter dem Brandenburger Tor für die BRD ein Novum darstellte. Gilt das Brandenburger Tor doch als Symbol der neuen "Berliner Republik".


Von Bedeutung

Abbau erkämpfter sozialer Rechte, Überwachungsgesellschaft, Abschiebung von Flüchtlingen, Eingriff in Persönlichkeitsrechte, Einführung von Kopfnoten in der Schule, Streichung von Unterstützung für alternative Kulturangebote, Einführung und Erhöhung von Studiengebühren. Alles unterschiedliche Stichworte ein und der selben Seite der kapitalistischen Medaille. Nämlich der rechten. Autoritäre, rechte bzw. konservative Maßnahmen für gesellschaftliche Probleme, die keine Lösungen darstellen, sondern Zwangsmaßnahmen.
Zwangsmaßnahmen, die einem bestimmten Zweck dienen: Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung wie sie derzeit besteht. Profit steht an erster Stelle.
Was unter konservativer Regierungszeit über 15 Jahre als Zwangsmaßnahmen zu recht gebranntmarkt wurde, heißt dieser Tage im Jargon sozialdemokratisch-grüner Technokratensprache "Sachzwänge". Sachzwang zur Fortführung der kapitalistischen Verwertungsmaschinerie. Dabei geht es nicht nur um die banal brutale Fortführung kapitalistischer Ausbeutung, sondern um deren Anpassung und Optimierung in Bezug auf die Durchsetzungsfähigkeit der BRD auf dem Weltmarkt. Nun war Anpassung ja seit jeher das Geschäft sozialdemokratischer Politik. So gelingt es denjenigen, die sich heute als neue Mitte selbst feiern, mit ihrem vermeintlich fortschrittlichen Image - mit dem Bild Vertreter der "kleinen Leute" zu sein - Maßnahmen durchzusetzen, die vormals rechts eingestuft wurden. Dies gilt für aggressive Außenpolitik ebenso wie für repressive Innenpolitik. Ihre Position als ehemalige Opposition - mit einigen ehemaligen 68ern in ihren Reihen - verleiht ihnen das Vokabular sowie die notwendige Glaubwürdigkeit, vermeintliche Sachzwangpolitik als populär zu verkaufen.


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An einem Tag wie dem 15. Juli 2000 zusammen mit verschiedenen Menschen gegen Faschisten vorzugehen und nicht auf die dünnwandige Verbotspolitik der Stadt Göttingen zu vertrauen, ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Bedeutet doch ein Verbot in seiner Konsequenz stets den Aufmarsch ganz anderer rechter Kreise: nämlich den der Polizei. Daß dies grundsätzlich und auch in der konkreten Situation keine Politik gegen Rechts bedeutet, sondern allenfalls ein Abhalten kurzhaariger, rechtsextremer Glatzköpfe auf der Straße Präsenz zu zeigen, dürfte einsichtig sein. Ist doch die Aufrüstung des Polizeiapparates im Zuge der Umstrukturierung der Gesellschaft hin zu einer Überwachungsgesellschaft ein bedeutender Faktor. Ein Gesellschaftsmodell jedenfalls, was mit fortschrittlichen bzw. emanzipatorischen Ideen von einer Gesellschaft, die auf Solidarität, Selbstbestimmung oder Gleichheit aller Menschen zielt, nicht vereinbar ist. So ist für uns die Bekämpfung des Rechtsextremismus nur eine Facette gegen rechte Politik, die heutzutage häufig die Etikette der "Mitte" trägt, vorzugehen. Um mittel- bzw. langfristig antifaschistische Inhalte zu verankern sowie linksradikaler Politik Bedeutung zu verleihen, ist organisierte, kontinuierliche Politik notwendig. Es steht daher für jeden Einzelnen die Überlegung im Raum, sich dauerhaft zu organisieren. Für die Verhinderung des Naziaufmarsches am 15. Juli 2000 wird es einen revolutionären Antifablock auf der Bündnisdemonstration ausgehend vom Marktplatz Richtung der Nazis geben. Autonome AntifaschistInnen werden den überwiegenden Teil der Demonstration stellen, so wie auch bei den Gegenaktivitäten der letzten Monate. Sorgen wir gemeinsam dafür, daß deutlich wird, daß die Stärke einer Bündnisdemonstration darin liegt, hervorzuheben, daß sowohl autonome AntifaschistInnen als auch Gewerkschaftsmitglieder, SchülerInnen und Studierende zusammen auftreten. Auch Aktionen jenseits der Demonstration gegen Faschisten können dazu betragen, daß Faschisten in Göttingen noch immer kein Fuß auf die Erde bekommen werden.


Zusammen kämpfen. Auf allen Ebenen. Mit allen Mitteln.

Autonome Antifa [M] | Juni 2000 | Göttingen
organisiert in der Antifaschistischen Aktion/BO


Plakat