Gegen Faschismus und Klassenjustiz - Die Antifaschistische Aktion!

AGRESSIV NACH AUSSEN - REPRESSIV NACH INNEN

 

Im Zuge der sowohl außen- als auch innenpolitischen Stabilisierung der BRD und der angestrebten Machtstellung im neuen Europa läuft der Repressionsapparat auf vollen Touren. Der BRD-Staat will sich zum 50. Jahrestag der Zerschlagung des Nazi-Faschismus endlich von seiner düsteren Vergangenheit reinwaschen, hat dafür in den letzten zwei Jahren werbewirksam 10 faschistische Parteien und Organisationen verboten. Vor diesem Hintergrund ist am 30. Juni 1995 ein deutscher Kriegseinsatz parlamentarisch abgesegnet worden; die Bundeswehr hat im August 1995 im Bündnis mit der NATO den ersten deutschen Kampfeinsatz seit Ende des II. Weltkrieges gestartet.

Während außenpolitisch versucht wird, auch militärisch an erster Stelle zu stehen, wird innenpolitisch der Versuch unternommen, die radikale Linke endgültig aus dem Weg zu räumen. Neben der Verabschiedung verschiedener Gesetze, ("Verbrechensbekämpfungsgesetz”, sächsisches und brandenburgisches Polizeigesetz, Zusammenarbeit von BND, Verfassungsschutz, Polizei)[9] ist die radikale Linke überall, wo sich Ansätze von Organisierung zeigten, mit unzähligen Einschüchterungsversuchen und Verfahren überzogen worden. Auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hin antwortete Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, zur Zeit seien beim Generalbundesanwalt 105 Ermittlungsverfahren mit linksextremistischem und zwei mit rechtsextremistischem Hintergrund anhängig.[10] "Innere Sicherheit” heißt die Rechtfertigung für die umfassende Repression der letzten 1 1/2 Jahre gegen linksradikale Organisationen und Strukturen.

Die Liste der eingeleiteten Verfahren, Anklagen und auch Verurteilungen würde den Rahmen dieser Broschüre sprengen, dennoch soll auf einige Beispiele eingegangen werden. Während mittels des § 129a die Kurdische Arbeiterpartei PKK und sämtliche kurdischen Vereine und Organisationen im letzten Jahr verboten und damit praktisch die gesamte kurdische Widerstandsbewegung in der BRD kriminalisiert wurde, ist die deutsche organisierte radikale Linke ebenfalls heftigen Kriminalisierungsversuchen ausgesetzt.

Ein Jahr nach den Hausdurchsuchungen gegen die Autonome Antifa (M) fand am
13. Juni 1995 wiederum eine bundesweite Durchsuchungsaktion statt, initiiert von der Bundesanwaltschaft. Über 80 Wohnungen, linke Projekte, Infoläden und Vereine wurden wegen §§ 129/129a- Ermittlungen gegen die Zeitschrift "radikal”, die "antiimperialistischen Zellen (AIZ)” und das "K.O.M.I.T.E.E.” durchsucht.

Vier Menschen, denen Beteiligung an Herstellung und Vertrieb der "radikal” vorgeworfen wird, sind noch am Tag der Durchsuchung wegen "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung” (§ 129) in Untersuchungshaft gesteckt worden. Vier weitere Menschen sind zur Zeit auf der Flucht und eine Person wurde in diesem Zusammenhang am4. Juli dieses Jahres in Beugehaft genommen, nachdem sie die Aussage als Zeuge verweigert hatte.

§ 129 mit neuer Qualität

Während die Anwendung des § 129a seit seinem Bestehen typisch für die Verfolgung des linksradikalen Widerstands ist, gewinnt auch der § 129 offensichtlich wieder an Bedeutung und das in zweierlei Hinsicht.

Der Versuch, die Autonome Antifa (M) ebenso wie die Zeitung "radikal” zu einer kriminellen Vereinigung nach § 129 zu verurteilen, stellt in der politischen Verfolgungspraxis des Staates und seiner Organe ein neues Element dar.

Auf der einen Seite ist der § 129 zum ersten Mal überhaupt gegen eine autonome antifaschistische Gruppierung eingesetzt worden. Ziel der Autonomen Antifa (M) sei es, "kriminelle” Straftaten zu begehen und nicht etwa antifaschistische Politik zu betreiben. Auf diese Weise wird ein politisches Konzept, bestehend aus Demonstrationen, Veranstaltungen, Ausstellungen usw., also in seiner ganzen Komplexität mit ein und demselben Paragraphen angegangen.

Die Anwendung des § 129 geht einher mit dem Versuch, radikalen antifaschistischen Widerstand zu entpolitisieren. Im Gegensatz zu dem § 129a, der immer schon wegen seiner eindeutig politischen Funktion umstritten war, steht der § 129 hauptsächlich in Zusammenhang mit der sogenannten "organisierten Kriminalität”. Organisierter antifaschistischer Widerstand wird somit eingereiht in die Liste der Autoschieberbanden und Drogenkartelle und mit dieser Gleichsetzung seiner politischen Inhalte beraubt.

Auf der anderen Seite erreicht der § 129 eine neue Qualität, wenn schon das Herstellen einer Zeitung als "kriminell” verurteilt werden kann. So wird die Redaktion der "radikal” nicht wegen Anschlägen verfolgt, sondern es reicht aus, über Aktionen anderer Gruppen zu berichten und deren Erklärungen abzudrucken, um eine "kriminelle Vereinigung” darzustellen.

Wenn von Staatsseite jetzt versucht wird, den § 129 verstärkt gegen die linksradikale Bewegung einzusetzen, so kann das unter anderem auf das Fehlen der RAF als aktiver Kraft zurückgeführt werden. Bisher war der § 129a sowohl Mittel zur Verfolgung, indem anhand dieses Paragraphen der Weg freigemacht wurde für umfangreiche Ermittlungstätigkeiten wie Observationen, Abhören der Telefone, Eingriff in den Postweg usw., als auch Rechtfertigung, indem jede mit 129a-Verfahren überzogene Gruppe in der Öffentlichkeit als irgendwie der RAF zugehörig diskreditiert werden sollte und das mit dem Ziel, die Gruppe gesellschaftlich zu isolieren.

Letzteres wird aber dann absurd, wenn die RAF, für die nach § 129a geworben oder die unterstützt worden sein soll, in der Öffentlichkeit nicht mehr präsent ist und daher nicht als "terroristisch” wahrgenommen wird.

Mit dem § 129 hat die verfolgende Justizbehörde außerdem die Möglichkeit, eine politische Gruppe und ihre Mitglieder einfach per Organisationsdelikt abzuurteilen. Wird z. B. die Autonome Antifa (M) als "kriminelle Vereinigung” verurteilt, kann auch jedes nachweisliche Mitglied verurteilt werden, ohne daß ihr nur eine einzige Straftat konkret nachgewiesen werden muß.

Diese Möglichkeit vereinfacht eine Verurteilung und widerspricht dem geltenden Rechtsgrundsatz der Individualschuld.

Methoden

Auch wenn gerade von einer neuen Qualität des § 129 gesprochen wurde, so heißt das nicht, daß die verfolgenden Behörden auf herkömmliche und andere Methoden der Repression verzichten. Einschüchterungsversuche und Diffamierungskampagnen gehören ebenso ins Repertoire wie jahrelange Zermürbungstaktiken, Psychoterror und wahnwitzige Intrigenspinnereien.

So müssen sich 15 Plauener AntifaschistInnen wegen "schweren Landfriedensbruch in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung” einem Prozeß aussetzen, der bestimmt ist von einem zermürbenden juristischen Hin-und-Her zwischen Aussetzung der Verfahren, Abtrennung der Verfahren von zwei Hauptangeklagten, Entbindung der Pflichtverteidigung und Wiederaufnahme der Verfahren. Der Anklage liegt eine antifaschistische Aktion gegen einen Nazi-Aufmarsch vom März 1992 zugrunde, in deren Verlauf es zu Auseinandersetzungen zwischen BGS, örtlicher Polizei und Neo-Nazis kam.[11]

In Passau griff eine widerwärtige Mischung verschiedener Repressionsmechanismen. Nach militanten Aktionen zum Jahreswechsel 1994/ 95 wurden 129a-Verfahren eingeleitet und etliche Wohnungen durchsucht. Die Begründungen für die 129a-Verfahren waren vielfältig und gespickt von Absurditäten. So ist die Wohnung eines 15jährigen durchsucht und ein 129a-Verfahren gegen ihn eingeleitet worden, weil in der Nähe seiner Wohnung Graffitis mit angeblichem RAF-Bezug zu sehen waren.

Nicht nur sind Passauer AntifaschistInnen durch in die Presse lancierte anonyme Äußerungen angeblicher Stadträte zu gefährlichen Brandstiftern gemacht und somit bei ihren bürgerlichen Bündnispartnern diskreditiert worden, sondern auch in ihren existenziellen Grundlagen angegriffen worden. VermieterInnen der von Durchsuchungen Betroffenen wurden über angebliche terroristische Umtriebe ihrer MieterInnen informiert, was in einigen Fällen Kündigungen nach sich zog. Ebenso wurden Arbeitsstellen von der Polizei aufgesucht und den Angestellten Anschläge unterstellt, mit dem Ziel, ihnen die materielle Grundlage zu entziehen. Um auch unter den AntifaschistInnen Mißtrauen zu säen und die sozialen Zusammenhänge zu zerstören, startete der Staatsschutz Anwerbeversuche bei Jugendlichen für Spitzeldienste. Zwei der vier Hauptverdächtigen der "Silvesterkrawalle” haben mit 14 Jahren Selbstmord begangen.[12]

Daß die verfolgenden Behörden gern auch auf Aussagen von Neo-Faschisten bauen, zeigen die Verfahren in Weimar. Die Bundesanwaltschaft hatte wegen militanter Aktionen gegen die neurechte Zeitung "Junge Freiheit” vom Oktober 1994 129a-Verfahren gegen Unbekannt eingeleitet und im April und Juni diesen Jahres zehn Personen aus der Weimarer linken Szene zu Zeugenaussagen vorgeladen.

Gegen die Beschuldigten sagte eine Person als Zeuge aus, die selbst in dem Spektrum der Neuen Rechten als Anwalt tätig ist, glich seine Aussage doch im wesentlichen einem angeblichen Interview, das Redakteure der "Jungen Freiheit” mit gefälschten "Junge Welt”-Presseausweisen mit Weimarer AntifaschistInnen geführt haben wollen. In diesem angeblichen Interview vom 9. Dezember 1995 sollen die AntifaschistInnen gesagt haben, daß nicht sie, sondern zwei Mitglieder der Autonomen Antifa (M) aus Göttingen den Anschlag verübt hätten, das aber mit ihrer logistischen Unterstützung.[13] Wie weit die Bundesanwaltschaft diese "Göttingen-Connection” weiterverfolgt, ist nicht abzuschätzen. Offensichtlich ist aber, daß noch so irrsinnige Behauptungen von Neo-Nazis aufgegriffen werden, wenn sie denn "erfolgsversprechend” für die verfolgenden Behörden scheinen.

Wenn auch die Methoden der Verfolgung variieren, so ist allen dennoch eins gemeinsam: Sie sollen radikalen linken Widerstand zerschlagen und die Organisierung desselben schon im Keim ersticken. Innenminister Manfred Kanther hatte sich klar zu der Razzia vom 13. Juni 1995 geäußert: "Die Aktion war eine zielgerichtete präventive Maßnahme zur Einschüchterung gegen die linksradikale Szene.”[14]

Mit und ohne RAF

Die Strategien der Repression werden der politischen Gesamtlage und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten angepaßt.

Die letzten 1 1/2 Jahre haben bewiesen, daß Repression nicht von der Existenz des bewaffneten Kampfes abhängt. Wenn es in der Linken Tendenzen gab und gibt, die RAF indirekt für verschärfte Repression verantwortlich zu machen, so ist das nicht nur eine Fehleinschätzung, sondern eine Verinnerlichung der staatlichen Propaganda. Schon für die Einführung des § 129a im Jahre 1976 ist die RAF verantwortlich gemacht worden.

Der "Gewaltverzicht” der RAF hat aber eben nicht zur Folge gehabt, daß keine Repression mehr stattfindet. Er hat vielmehr dazu geführt, daß eine neue Methode entwickelt wurde, mit der die organisierte Linke auch ohne die RAF verfolgt werden kann, nämlich die Anwendung des § 129.

Umgang und Handhabe

Angesichts der Komplexität von Repressionsmechanismen, einer schwachen radikalen Linken und immer noch mangelnder Organisierung bleibt eine Entwicklung von Strategien im Umgang mit und im Kampf gegen Repression stark eingeschränkt. Ist es in Göttingen aufgrund des Organisationsgrades und der politischen Konstellationen möglich, Angriffen des LKA und der GSA schnell und koordiniert in Form von Demonstrationen, Öffentlichkeitsarbeit usw. entgegenzutreten, gestaltet sich das Reagieren in anderen Fällen schwieriger.

So war die Ausgangslage für die wegen Beteiligung an der Knastsprengung in Weiterstadt Verfolgten aus Frankfurt beispielsweise ungünstiger als in Göttingen. Während einer Durchsuchung am 27. Juni 1995 aufgrund eines Ermittlungsverfahrens gegen Unbekannt wegen "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion” sind vier BewohnerInnen der Fritzlarer Straße zur Zeugenvernehmung vorgeladen worden.[15] Obwohl sie die Aussage verweigerten, ist die angedrohte Beugehaft bisher verhindert worden. Ohne die geleistete gute Medienarbeit[16] der Betroffenen wäre ihnen dieser Teilerfolg sicherlich nicht ohne weiteres gelungen.

Ein klares Rezept gegen Repression läßt sich nicht zusammenstellen, genausowenig kann die eine oder andere Anti-Repressionsarbeit einen Erfolg am Ende garantieren. Sicher ist, daß Teilerfolge nur durch einen offensiven und öffentlichkeitswirksamen Umgang mit der Repression zu erreichen sind.

Wie auch immer sich die Repression im Einzelnen ausdrückt, bleibt festzustellen, daß, je besser die Betroffenen organisiert sind, desto einfacher und effektiver ist die Anti-Repressionsarbeit.


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