Redebeitrag zur Demo "Die Neue Heimat Europa verraten!" am 24.7.2004 in Leipzig veröffentlicht: 28/07/04

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Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Feinde der Festung Europa!

Erst 4 Tage ist es her, dass die Bundeswehr in Berlin die Offiziere hochleben liess, welche am 20.Juli 1944 versuchten dem Leben Hitlers mit einem Klumpen Sprengstoff der Marke "Plastik W" ein Ende zu setzen. Wider der gängigen Auffassung handelte es sich bei diesen Verschwörern keineswegs um progressive Antifaschistinnen sondern - zumindestens in der Führung - ausschließlich um Reaktionäre, Faschisten und Nationalkonservative. Ihre Opposition gegen Hitler, selbst die überwiegend oberflächlicher Natur, wird heute jedoch zu einer grundsätzlichen, antifaschistischen Haltung uminterpretiert. Nehmen wir beispielsweise die Identifikationsfigur Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Eben jener begrüßte 1933 den Beginn der NS-Diktatur und stand selbst kurze Zeit vor der Ausführung des Attentates der nationalsozialistischen Ideologie nicht ablehnend gegenüber. So führte er am 20. Juli 1944 ein Manuskript mit sich, dessen Inhalt die Gestapo folgendermaßen zusammenfasste:
"Bei Fortsetzung des gegenwärtigen Krieges sei eine Niederlage und Vernichtung der materiellen und blutsmäßigen Substanz unausbleiblich. Das drohende Verhängnis könne nur durch Beseitigung der jetzigen Führung abgewendet werden. Die vom Nationalsozialismus zunächst vertretenen Ideen seien großenteils richtig gewesen, nach der Machtergreifung jedoch ins Gegenteil verkehrt worden."

All diesen störenden Faktoren wurden aus der deutschen Heldensaga gestrichen. Diese würden eine positive Identifikation erschweren bzw. verunmöglichen und fallen deshalb der Geschichtsverleugnung anheim. Denn eine positive Identifikation ist für die Deutschen dringend notwendig. Denn nur sie ermöglichte und ermöglicht die Etablierung des Mythos vom "anderen Deutschland" in dem große Teile der Bevölkerung eigentlich gegen die Nazis gewesen wären. Daraus folgt eine Sichtweise, nach der die Deutschen ähnlich wie die Menschen in den besetzten Ländern überwiegend unter dem NS gelitten hätten. Zunehmend wird die singuläre deutsche Geschichte unter eine gemeinsame europäische Leidensgeschichte subsummiert, was sich an der Debatte über den Bombenkrieg gegen Deutschland verdeutlichen lässt. Von einem "sinnlosen Racheakt" ist da die Rede, bei dem die Briten nur die Bombardierung ihrer Städte mit dem Tod möglichst vieler Menschen aus der deutschen Zivilbevölkerung sühnen wollten. Ein bedeutendes Machwerk dieser Verdrehung der Tatsachen stellt das Buch "Der Brand" des Historikers Jörg Friedrich dar. Deutsche Taten werden von ihm darin nicht verleugnet jedoch werden die alliierten Bombardierungen mit den deutschen Verbrechen gleichgesetzt was einer Relativierung der Singularität der Shoa gleichkommt. Wohin diese Sichtweise führen kann, belegen die Proteste gegen den notwendigen Irakkrieg bei denen die deutsche Schmach über die als Unrecht empfundene Bombardierung Dresdens auf den Krieg der USA im Irak projiziert wurde. Eine ähnlich verquere Geschichtsauffassung ist zunehmend auch in anderen europäischen Ländern zu beobachten.

Jetzt, 60 Jahre nach der Landung der Alliierten in der Normandie, welche neben dem Sieg der Sowjetischen Armee in Stalingrad den Untergang der deutschen Barbarei einleitete, darf ein Gerhard Schröder als erster deutscher Bundeskanzler ganz offiziell an den Gedenkveranstaltungen zum D-Day in Frankreich teilnehmen. Gerade an einem Tag welcher ausschlaggebend für die glücklicherweise erfolgte Niederwerfung Nazideutschlands steht, feiert Deutschland, vertreten durch seine Repräsentanten, die Wiederanerkennung als gleichberechtigte Kraft in die europäische Gemeinschaft. Dabei ist festzuhalten, dass der Geschichtsrevisionismus sich zunehmend antinational gebärdet. Dabei findet eine Abkehr vom alten Revanchismus statt, welcher die deutschen Verbrechen verleugnet bzw. verharmlost, stattdessen wird Auschwitz bewusst thematisiert um dadurch zu einer Wir-haben-wenigstens-aus-der-Geschichte-gelernt-Mentalität zu gelangen. Die Einschätzung, Deutschland hätte aus seiner Geschichte gelernt, führt auch dazu, dass dieser Staat anderen Ländern vorschreiben will, was sie zu tun und zu lassen haben. Als Ergebnis dieser fatalen Sichtweise kann unter anderem der Versuch gesehen werden, sich im "Nahost- Konflikt"als "ehrlicher Makler" zu etablieren und Einfluss geltend zu machen. Gerade auch weil Israel schon allein durch seine wehrhafte Existenz die Deutschen immer wieder an ihre eigenen Vernichtungstaten erinnert wird versucht, moralischen Druck aufzubauen.

In der Debatte um einen richtigen Umgang mit der deutschen Geschichte sind auch diverse Popsängerinnen und -sänger voll mit dabei. Als Beispiel sei hier die Gruppe Mia genannt. Diese hat vor einiger Zeit das Erich Fried Gedicht "Es ist was es ist" musikalisch interpretiert und zu einer Liebeshymne an Deutschland degradiert. Auch wenn so manche Konzertabsage oder faules Obst auf die Band als Reaktion eine Kritik wahrnehmbar machte kann man davon ausgehen, dass Mieze & Co. den Deutschen aus der Seele sprechen. Dies tun sie vermutlich auch, wenn sie davon reden, dass man wieder ohne Scham deutsches Nationalbewusstsein artikulieren sollte.
Ähnlicher Stumpfsinn wird auch in dem neuen Lied "Wir sind wir" des Darkpoppers Peter Heppner, Sänger der Band Wolfsheim, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Wenn im Video zum Lied zu sehen ist, wie die sog. Trümmerfrauen Steine aus den Ruinen sammeln, kleine Kinder mit traurigem Blick daneben stehen und ein einbeiniger Landser durchs Bild hinkt, wird schnell klar, dass Heppner und Paul van Dyk, der die Musik zum Lied lieferte, die Deutschen als Opfer darstellen wollen. Des weiteren sind im Musikvideo Bilder von der in Deutschland als "Wunder von Bern" bekannten Fußball-WM 1954 in der Schweiz, welche Deutschland gewann, zu sehen. Dieser Sieg ist nicht einfach nur als Sieg einer Weltmeisterschaft sondern vielmehr als Symbol einer Aufbruchsstimmung einer "wir sind wieder wer" - Mentalität zu verstehen. Deutschland trat erstmals nach Kriegsende selbstbewusst in Erscheinung und die Deutschen hatten wieder einen positiven Bezugspunkt. Bei Textzeilen wie "Wir sind wir! Und wir werden's überstehen, Denn das Leben muss ja weitergehen" wird es noch klarer, der historische Gesamtkontext und die Frage nach den Ursachen wird komplett ausgeblendet. Peter Heppner und Paul van Dyk, reihen sich ein hinter Walser, Friedrich, Knopp und Co und liefern mit "Wir sind Wir" den "Soundtrack zur deutschen Befindlichkeit".

Es bleibt festzuhalten, dass jede Relativierung deutscher Geschichte, sei es im altmodischeren revanchistischen oder im moderneren antinationalen Gewand, reaktionär ist und bekämpft werden muss. Gerade zu Anlässen, an denen Deutschland sich öffentlich selbst abfeiert, gilt es eine Kritik zu formulieren. Einen solchen Anlass stellen die bundesweiten Einheitsfeierlichkeiten am 3. Oktober in Erfurt dar. Selbstverständlich werden wir auch da sein, um dem deutschen Mob seine Feier so richtig schön zu versauen. Kommt nach Erfurt am 3. Oktober zur bundesweiten Demonstration gegen Deutschland und andere Widerwärtigkeiten.

Nieder mit Deutschland!
Für den Kommunismus!

mila26 - Antifa Erfurt 22.7.2004



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