US-Militärhilfe für Kolumbien:
Seit dem Beginn des ersten Friedensprozesses 1984 steigt die US-Militärhilfe für Kolumbien beständig an. Nach der Verabschiedung des "Plan Kolumbien" durch den US-Senat im Mai 2000 wird Kolumbien nun mit 1,7 Milliarden US Dollar nach Israel und Ägypten zum weltweit drittgrössten Empfängerstaat. Fünf Elitebataillone sollen mit der Unterstützung von etwa 1.000 US-Offizieren aufgebaut werden, "um den Süden des Landes wiederzuerobern", so Madelaine Albright. Die Militärhilfe umfasst neben Waffen, Black Hawk-Hubschraubern und Spionageflugzeugen auch eine Menschenrechtsschulung für die Armee. (Quellen: El Espectador 1/2000, Noam Chomsky 4/2000, www.zmag.com 4/2000) Vergiftete Tauben auf dem Platz San Ignacio in Medellin (1972) / Luz Elena Castro |
Kolumbien ist mittlerweile zum drittgrössten Empfänger von US-Militärhilfe nach Israel und Ägypten avanciert. Das wichtigste von der US-Regierung verwendete Argument für Militärhilfe an die kolumbianische Armee ist stets der Antidrogenkrieg und insbesondere die vermeintlichen Verbindungen der Guerilla zum Drogenhandel. Auch die aktuell in der Diskussion stehenden 1,6 Mrd. US-Dollar - die grösste Militärhilfe, die Kolumbien jemals erhalten hat - sollen primär der Bekämpfung des Drogenhandels und -anbaus dienen. Wobei gleich hinzugefügt wird, eine Bekämpfung der Guerilla falle mit in die Aufgaben der Drogenbekämpfung, da die Guerilla in den Kokainanbau und -handel verstrickt sei.
Die Behauptung einer Verstrickung der Guerilla in den Drogenhandel hält sich eisern, obwohl niemals Beweise vorgelegt wurden und bis heute kein Mitglied der Guerilla wegen Drogenhandel verurteilt wurde. Selbst die Ermittlungen der kolumbianischen Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Drogengeschäf-ten deuten eher in Richtung politischer Eliten und der Armee. So läuft seit mehreren Jahren ein Prozess gegen zahlreiche Kongressabgeordnete und die gesamte Regierung des ehemaligen Präsidenten Samper, in dessen Dienstmaschine 1996 auf dem Flughafen von New York ein Paket mit 3,5 Kilogramm Kokain beschlagnahmt wurde.
Die kolumbianischen Guerillas vertreten zwar verschiedene Positionen gegenüber dem Drogenhandel, doch keiner kann eine Verstrickung in den Drogenhandel nachgesagt werden, wie selbst Präsident Pastrana zu Beginn der Gespräche mit der FARC öffentlich zugeben musste. Während die FARC, in deren Gebieten der Kokaanbau eine zentrale Rolle spielt, den Drogenanbau akzeptiert, Steuern von den Händlern kassiert und die Bauern gegen Drogenmafia und Armee verteidigt, lehnt die zweite große Guerilla ELN den Kokaanbau grundsätzlich ab. 1989 veröffentlichte die Organisation eine für alle Einheiten bindende Grundsatzerklärung, in der jedwede Beteiligung an Anbau und Handel untersagt und sozio-ökonomische Massnahmen zur Substitution angekündigt wurden. In den Folgejahren wurden die Koka-Pflanzungen im Nordosten der Region Antioquia stark zurückgedrängt. 1995 liess die ELN der Europäischen Union ein Konzept zur Beseitigung des Kokaanbaus in fünf Jahren zukommen. Einzige Bedingung dafür war, dass die EU den betroffenen Bäuer/innen Saatgut und Kredite zur Verfügung stellen müsse. Der Vorschlag blieb unbeantwortet, stattdessen intensivierte die Regierung in Bogotá auf internationalen Druck hin die Herbizideinsätze.
Wie die militärische Antidrogenhilfe innerhalb der US-Armee im Sinne der Aufstandsbekämpfung ausgelegt wird, macht eine Aussage des Deputy Assistant Secretary for Inter-American Affairs im State Department, Michael Skol deutlich: "Das ist das kolumbianische Modell. Wir haben das Militär nicht im aktiven Dienst in Kolumbien im Einsatz - aber wir haben Militärhilfe, die sich als bemerkenswert nützlich dabei erwiesen hat, die kolumbianische Armee und Luftwaffe zu Einsätzen gegen Drogenziele zu bewegen. Und wenn sie dabei auch die FARC angreifen, die Drogenlabors bewacht, hilft das der Polizei, die Labors anzugreifen".
Wie abwegig die Behauptung der US-Regierung ist, den Drogenanbau und -handel mit Hilfe der kolumbianischen Armee bekämpfen zu wollen, wird deutlich, wenn man bedenkt, wie eng kolumbianische Si-cherheitsorgane bereits während der achtziger Jahre beim Aufbau der Pa-ramilitärs mit den großen Drogenhändlern kooperiert haben. Ab Mitte der achtziger Jahre, so stellte am-nesty international fest, fand zunehmend eine personelle Verschmelzung der sogenannten "Selbstvertei-digungsgruppen" mit den Privatarmeen in den Diensten von Drogenhändlern statt. "Diese hatten in Regionen mit Guerillapräsenz große und ertragreiche Ländereien aufgekauft, wodurch sich zwischen den Drogenbaronen und örtlichen Armeekommandeuren eine Interes-sensübereinstimmung einstellte." (amnesty 1994). In der Provinz Putumayo entstanden der Comisión Andina de Juristas zufolge die paramilitärischen Organisationen mit Verbindung zum Drogenhandel "als bewaffnete Apparate, um die Gebiete mit Kokainlabors zu kontrollieren, Kampagnen sozialer Säuberungen gegen sozial Marginali-sierte durchzuführen, Rechnungen zwischen Drogenhändlern zu begleichen und die bewaffnete Kontrolle über ihr Einflussgebiet auszuüben, die Auseinandersetzungen mit anderen Dro-genkartellen und Guerillaorganisationen umfasste, sowie die Verfolgung der Volksbewegung und der politischen Opposition." Zwischen 1992 und 1995 führten Soldaten der Brigade mit Sitz in Cali im Auftrag von Drogenhändlern in Südwestkolumbien mehrere Massaker durch, um widerspenstige Bäuer/innen aus dem Weg zu räumen. Dabei unterliefen ihnen so viele Fehler, dass dem kolumbianischen Staat die Verbrechen vor internationalen Gremien nachgewiesen werden konnten und dieser die Verantwortung öffentlich zugeben musste.
Trotz aller gegenteiligen Bekundungen ist es augenscheinlich, dass der Antidrogenkrieg in Kolumbien (ebenso wie in Peru und Bolivien) weitestgehend gescheitert ist. Selbst der US-amerikanische Rechnungshof stellte 1992 fest, dass die in den beiden vorangehenden Jahren durch das Pentagon ausgegebenen zwei Milliarden Dollar "keine bedeutenden Auswirkungen" auf den Dro-genschmuggel gehabt hätten. Das gleiche Bild ergibt sich auch beim Anbau. So hatte die kolumbianische Regierung 1994 einen Plan bekanntgegeben, innerhalb von fünf Jahren den Drogenanbau und -handel zu zerschlagen. Fünf Jahre später hat jedoch beides zugenommen, die Anbauflächen von Koka und Schlafmohn haben sich spürbar ausgedehnt. Gleichzeitig ist jedoch auch die Geldmenge gestiegen, die die USA in den Antidrogenkrieg pumpt: Mittlerweile dürften die Ausgaben für Drogenbekämpfungsmassnahmen der verschiedenen involvierten US-Behörden 20 Milliarden Dollar jährlich ausmachen. So stieg allein das National Drug Control Budget der US-Administration von 4,7 Milliarden Dollar im Haushaltsjahr 1988 auf 15,1 Milliarden Dollar 1997, wovon etwa zwei Drittel auf die Bekämpfung des Angebots und ein Drittel auf die Bekämpfung der Nachfrage zielen. Hinzu kommen unter anderem die direkten Ausgaben des Pentagons und die Militärhilfe. Es deutet vieles darauf hin, dass es bei den Aktivitäten gar nicht primär um den Kampf gegen den Drogenhandel, sondern um geopolitische Ordnungsversuche der US-Regierung ging. Mit der Gefahr des internationalen Drogenhandels werden ausgedehnte Luftraumüberwachungen, Aufstockungen der Militärausgaben, Militärhilfen für lateinamerikanische Staaten, gemeinsame Manöver, Ausbildung und auch direkte Interventionen begründet.
Die Heuchelei des Antidrogenkrieges wird besonders deutlich, wenn berücksichtigt wird, dass die meisten Chemikalien zur Verarbeitung der Kokapaste aus den Industrieländern stammen. So kommen nach Angaben der US-amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde DEA 70 Prozent des bei der Kokaraffinierung verwandten Acetons und 33 Prozent des benutzten Äthers aus den USA, der Rest vorwiegend aus Deutschland, aber auch aus anderen Industriestaaten. Im April 1999 wurden beispielsweise in Cartagena zwölf Tonnen der zur Kokaraffinierung unverzichtbaren Pottasche beschlagnahmt, die aus Belgien stammten. Doch die Ausfuhr der entsprechenden Chemikalien wird kaum kontrolliert, das Geschäft für die Chemiekonzerne blüht. Auch wird der vorwiegende Teil der Einnahmen aus dem Drogenhandel in den Industrieländern reingewaschen, eine Kontrolle des Geldverkehrs der transnationalen Unternehmen, aufgrund ihrer Struktur und ihres Finanzvolumens die optimalen Geldwäscher, findet jedoch nicht statt.
Gegen die Legalisierung der Drogen, nach Einschätzung vieler Drogenexperten der einzige Weg, um die riesigen Gewinnspannen zu vermindern und durch Regulierungsmöglichkeiten die illegalen Strukturen mit all ihren Konsequenzen für die Gesellschaft zurückzudrängen, wehren sich die USA vehement. Vielleicht weil Kokain eines der wenigen landwirtschaftlichen Exportprodukte ist, das in der Region verarbeitet wird und vom Anbau bis zum internationalen Vertrieb nicht von transnationalen Konzernen aus den Industrieländern kontrolliert wird? "Es ist der einzige erfolgreiche lateinamerikanische Multi", wie der ehemalige peruanische Präsident Alan García sagte. Vielleicht aber auch, weil der Drogenhandel auf widersprüchliche Weise eine Schlüsselrolle bei der Wahrung geopolitischer Interessen der USA spielt.
Von Dario Azzelini und Raul Zelik ist im ISP-Verlag 1999 das Buch "Kolumbien - Große Geschäfte, staatlicher Terror und Aufstandsbewegung" erschienen.
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