g-8...smoke on the water

Zur Mobilisierung gegen den G-8-Gipfel Ende Mai/Anfang Juni in Evian

Smoke on the water ...

Deep Purple gastierte Anfang der 70er Jahre bei einem Musikfestival in Montreux, als ihr Hotel in Brand geriet. Große Rauchschwaden zogen damals über den Lac Leman und inspirierten die Band zum Titel ihres späteren Welterfolges.

Nun, der Klassiker hat gute Chancen, Ende Mai zur Anti-G-8-Hymne zu werden. Denn am Abend des 31. Mai werden gleich 50 sogenannte "feu au lac" rund um den Genfer See entzündet werden. Diese Feuerstellen sind eine Ausdrucksform lokalen Protestes und gleichzeitig letzte Koordinierungspunkte am Vorabend einer Großdemonstration sowie von Massenblockaden gegen den am 1. Juni beginnenden Weltwirtschaftsgipel der G(roßen) Acht.

Evian liegt auf der französischen Seite des Genfer Sees und ist den meisten als Mineralwassermarke ein Begriff. Weniger bekannt ist, dass in der "Konferenz von Evian 1938", das Schicksal der jüdischen Flüchtlinge besiegelt wurde. Keiner der beteiligten Staaten war damals bereit, die in Deutschland Verfolgten aufzunehmen...

Ende Mai wird der kleine Badeort nun zur "Roten Zone", die die Sicherheitsbehörden gleich bis in die benachbarte Stadt Thonon und sogar über den Genfer See bis in den Fährhafen von Lausanne in die Schweiz gezogen haben. Denn über 10.000 Gipfelgäste werden am 1. Juni erwartet und müssen vor den bis zu 300.000 erwarteten GegendemonstrantInnen "geschützt" werden. Dabei ist nicht der zwischen Gebirge und See gut abzuriegelnde Gipfelort das Problem der staatlichen Bodyguards sondern die Anreise der Delegationen über den Genfer Flughafen und deren notwendige Unterbringung in Luxushotels in Genf und Lausanne. Für den dreitägigen Gipfel ist somit eine dreimalige An- und Abreise etwa der Hälfte der Delegierten notwendig und genau daran setzt das Konzept des entschiedeneren Teils der G-8-GegnerInnen an.

Nicht die Hochsicherheitszonen sollen angegriffen werden wie in Genua sondern eine eher "an Seattle orientierte Taktik" der weiträumigen flexiblen Blockade ist in Vorbereitung. "Man wolle die roten Zonen nicht stürmen" wird ein radikaler Gewerkschafter aus Lausanne in der G-8-Extrabeilage der Schweizer Zeitung "Vorwärts" zitiert. "Man werde vielmehr die sich in ihre Schutzbunker zurückziehenden Agenten des Regierungsterrors in ihren roten Zonen einmauern".

Für den Gipfelbeginn am Sonntag, dem 1. Juni gegen 19 Uhr, kommt diesem Konzept zu gute, dass am gleichen Tag die Großdemonstration unter Beteiligung französischer Gewerkschaften, Attac, u.a. stattfinden wird. Zunächst favorisierten diese Organisationen den Samstag, den Tag vor dem Gipfel, als Termin einer rein symbolischen Massenmanifestation. Doch die regionalen Gruppen, wie das Social Forum Lemanic, und die auf eine effektive Blockade hinarbeitenden Gruppen der globalisierungskritischen Bewegung aus verschiedenen europäischen Ländern konnten sich beim Vorbereitungstreffen durchsetzen. Massendemo und Blockaden werden am gleichen Tag stattfinden, in gegenseitiger politischer Unterstützung! Und die Route verläuft an und auf den zentralen Zufahrtsstraßen nach Evian im französisch-schweizer Grenzgebiet von Annemasse und Genf.

Diese Planung scheint zur Zeit von den Behörden akzeptiert, im Gegenzug wird von den Veranstaltungsanmeldern "völlige Friedfertigkeit" erwartet. Ob und in welcher Form sich Massendemo, Straßenhappenings und Blockaden am 1. Juni zu einer effektiven Störung des G-8 vermischen werden, hängt indes an vielerlei weiteren offenen Fragen: Kommt wirklich eine starke internationale Massenmobilisierung zustande, mit bis zu 300.000 Menschen wie in Genua? Werden sich viele der DemonstrationsteilnehmerInn an Blockaden beteiligen und bis in den Abend bzw. auch den nachfolgenden Tagen bleiben? Und gelingt die Organisierung und Koordination flexibler und weit auseinander liegender Blockadepunkte? Dies ist umso bedeutender, als eine der zentralen Anreiserouten über den bereits erwähnten Fährhafen von Lausanne, über 50 km von Genf entfernt, eingerichtet wird. Auf diesem Weg quer über den See sollen nicht nur die in den Lausanner Hotels untergebrachten Gipfeldelegierten nach Evian geschleust werden sondern vermutlich auch diejenigen, die in Genf ankommen und übernachten müssen. Die geplanten Blockadepunkte in Lausanne werden am 1.6. jedenfalls nicht wie in Genf eine Massendemonstration im Rücken haben, wenn es um effektive Störungen gehen soll.

Eine entsprechende große Bedeutung haben die verschiedenen Camps, die spätestens ab dem 28.5. rund um den Gipfelort auf die Beine gestellt werden. Zwei alternative "Villages" werden im französischen Annemasse entstehen, ein Camp und späterhin auch mehrere Parks zur Übernachtung in Genf eingerichtet, schließlich wird ein weiteres "Protestdorf" in Lausanne organisiert.

Zusätzlich sind Convergence- und Indymedia-Centers in Vorbereitung. Weil der 29.5. zumindest in Frankreich, der Schweiz und Deutschland ein Feiertag ist, fällt eine frühe Anreise nicht schwer. Viele AktivistInnen, so die Hoffnung, können sich dann eingehend an den notwendigen Vorbereitungen und Koordinationen beteiligen.Vor diesem Hintergrund planen z.B. auch attac-Gruppen in Deutschland die frühzeitige gemeinsame Anfahrt mit einem Sonderzug.

Zudem wird es am Genfer See in den Vortagen des Gipfels vielfältige weitere Aktivitäten geben. Neben den schon nahezu obligatorischen inhaltlichen Gegengipfelveranstaltungen mit VertreterInnen von Oppositionsgruppen und sozialen Bewegungen im Trikont wird für den 30. Mai eine Demonstration im UNO-Viertel geplant. Die Headquarters von gleich drei transnationalen Agenturen des "global Governance" sollen zu Zielpunkten einer gemeinsamen Wanderkundgebung werden. Neben der berühmt-berüchtigten WTO geht es um die International Organisation for Migration (IOM) sowie um das Zentralgebäude der WIPO, der World Intellectual Property Organisation. Während die IOM wegen ihres "Migration Managements" zu einem aktuellen Kampagnenziel antirassistischer Initiativen geworden ist, steht WIPO für ein "Digital Rights Management", dessen Kontroll- und Kommerzialisierungsfunktionen von Seiten der unabhängigen Medienszene kritisiert wird. Die Demonstration am 30. Mai ist insofern auch der Versuch, diese unterschiedlichen Aspekte übergreifend zu thematisieren und damit gleichzeitig die verschiedenen Ansätze der Bewegungen für eine "Globalisierung von unten" inhaltlich stärker aufeinander zu beziehen.

h. ag3f, hanau

Der G-8 in Evian

An den Weltwirtschaftsgipfeln nehmen üblicherweise die acht Regierungschefs aus den USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien, Rußland und Deutschland teil. In ihrem Troß befinden sich weitere Minister, Berater sowie hochrangige Vertreter der Wirtschaft. Die Nachkriegsordnung im Irak wird sicherlich das aktuelle Haupthema sein, schließlich haben die "feindlichen Brüder" diesbezüglich ihre anhaltenden Interessenskonflikte zu moderieren.

Chirac als Gastgeber von Evian hat zudem Vetreter sog. Schwellen- und Entwicklungsländer eingeladen (die vornehmlich in Lausanne residieren werden), um diese in die Beratungen über Schuldenkrisen und Handelsfragen einzubeziehen. Mit den afrikanischen Delegierten geht es dabei insbesondere um die Weiterentwicklung des "NEPAD"-Projektes, der "neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung".

Afrikanische Oppositionsgruppen halten dieses Projekt allerdings lediglich für die Fortsetzung der früheren IWF- und Weltbankkonzepte und lehnen die Beteiligung daran ab.

Entsprechend rufen sie dazu auf, rund um den 1. Juni in Lausanne gegen "die G-8-Ausbeuter und ihre Günstlinge" zu demonstrieren.


G8 Summit Evian-les-Bains | actions 2003 | www.agp.org (archives) | www.all4all.org