Was ich gesehen habe war Faschismus. Ich danke Gott daß ich weder verletzt noch verhaftet wurde!
Ich war die meiste zeit im IMC in der Via Cesare Battista. Dieser Platz war sehr nahe zur "Kriegszone" (ein paar hundert meter). Wir rochen die ganze Zeit über Tränengas, manchmal mußten wir die Fenster schließen (und ich habe gehört, daß der ort, wo der G8 stattfand, Palazzo Ducale, auch gelegentlich voll von Tränengas war, so daß die ihre Verhandlungen unterbrechen mußten...).
Ich kam nach Genua eine Woche vorher, es gab keine Probleme beim Grenzübergang (wir nahmen kleine Straßen, über den Maloja-Paß, an der Grenze fragte mensch uns wohin wir wollten und wir sagten: Como, und sie sagten uns: viel Spaß in Genua, und ließen uns fahren...)
Wir kamen an im CSO Terra di Nessuno, einem kleinen sozialen Zentzum im Nordwesten der Stadt. Dort gab es zuvor ein Treffen zum Plan Colombia (es waren auch Leute aus Lateinamerika dabei)
Am Samstag Morgen fuhren wir zur Via Cesare Battista (IMC/ GSF).
Samstag/ Sontag 14./15.7. gab es ein kleines Treffen von "Peoples' Global Action". Wir sprachen über die nächste PGA Konferenz in Cochabamba/ Bolivien und darüber wie wir mit der zunehmenden Polizeigewalt bei Grpfeltreffen umgehen sollen. Leute aus Finland berichteten über Götheborg (wir hatten nie gedacht daß Genua die absolute Spitze der Polizeigewalt werden würde, die wir jeh erlebt hatten) wir sprachen über eine Consulta in Europa, die wir in nächster Zeit durchführen wollen. Das Treffen war zu spät angekündigt, wir waren nicht viele Leute, wir beschlossen, keine Entscheidungen zu fällen sondern nur Vorschläge zu machen...
Die nächsten Tage gab es ständig Treffen, in der Via C.Battista und auch im Konvergenzzentrum an der Piazza Martin Luther King, direkt am Meer (es war sehr schön ständig das Mehr vor sich zu haben!)
Dann Manu Chau Konzert, er spielte nicht für Geld, er spielte für 'uns', für 'Genua'...
Donnerstag 19.7., der MigrantInnen-Marsch, ca. 50tausend Leute auf der Straße, bunt, friedlich, keine Polizei-Riots, meine Gruppe machte Bodypainting und wir hatten ein großes Transparent 'united colours of resistance'. Wir bewegten uns nahe der 'No-Border-Karawane', einer Gruppe aus Österreich die schon seit mehreren Wochen unterwegs war — ich sah sie das letzte Mal in Salzburg, auf der Demo gegen das Welt-Wirtschafts-Forum. Nach Genua wurde diese Karawane auf ihrem Heimweg gestoppt und alle TeilnehmerInnen wurden festgenommen, was soll ich sagen: Warum?
Freitag 20.7.: Ich hab die Demo nur für wenige Stunden 'genossen', ich war mit einer Frau und ihrem Hund zusammen und wir konnten uns nicht zusehr dem Tränengas nähern wegen dem Hund. Wir kamen zu spät zum Statrpunkt vom Pinken Marsch den wir mitmachen wollten. Wir gingen durch die Straßen - ständig Tränengasgeruch in der Luft, überall brennende Autos, eingeschlagene Schaufenster usw. Was ich später gehört habe war daß es sehr viele 'Agents Provocateurs' gegeben hat, Polizei getarnt als DemonstrantInnen die Schaufenster von kleinen Geschäften einschlagen und Riot-Polizei mit Pflastersteinen und Molotovs angreifen, das wurde dokumentiert durch Videoaufnahmen, Photos und Augenzeugenberichte, Samstag abend gab es einen Film darüber im italienischen Fernsehen, aber mehr dazu später...
Ich hab mich wie im Krieg gefühlt, nirgendwo ein Bereich wo mensch sich sicher fühlen konnte, überall Tränengas, überall Riot-Polizei. Wir versuchten aus der Kriegszone herauszukommen aber ständig mußten wir umdrehen wegen neuen Tränengasangriffen. Wir fanden eine Stelle auf einem Hügel von der aus wir etwas sehen konnten was unten abging. Wir sahen Tränengasattacken, brennende Autos und endlos viele Riot-Polizei (zuerst dachte ich es wäre nicht gut kleine Autos anzuzünden aber im nachhinein wurde mir klar daß das oft die einzige Möglichkeit war Riot-Polizei von ihren Angriffen zu hindern). Schließlich machten wir einen ziemlich langen Umweg bis wir an der V. Cesara Battista (IMC) ankamen wo wir uns erstmal sicher fühlten...
Samstag 21.7.: Ich machte keinen Schritt weg von der V. Cesare Battista. Aber was ich dort erlebt habe war genug. Weil die Webseite von Indymedia zeitweise down war (mag eine attacke der Gegenseite gewesen sein) haben wir einen Dispatch (Infotisch) auf der Straße organisiert .Später hatten wir auch eine Box rausgestellt über die das Indymedia-Radio Lief, wo es permanent Augenzeugenberichte von der Straße gab. Ich war mehr oder weniger die ganze Zeit am Dispatch bis in die Nacht als die Schule gestürmt wurde. Wir bekamen hier die Infos was unten in der Stadt passierte. Ständig kreisten die fetten Militärhubschrauber im Tiefflug über uns. Wir rochen das Tränengas von den Riots die nur wenige hundert meter von uns entfernt waren.
Mittags stürzten Autos (2?) mit rasender Geschwindigkeit durch unsere Straße die voll von Leuten war. Leute vom Genoa Social Forum bekamen Angst und sagten uns daß wir dringendsd den Dispatch zurück ins Gebäude bringen....
Einige Momente später beruhigte sich die Situation wieder , wir trugen den Dispatch wieder auf die Straße aber diesmal in den Hof der gegenüberliegenden Diaz-Schule. Wir machten mit unserer Arbeit weiter, die Demo war inzwischen etwas weiter entfernt und die Hubschrauber kreisten nicht mehr so oft über uns...
Die Nacht brach ein. Es war immer noch Tränengas in der Luft, aber wir fühlten uns sicher, was ein GROßER FEHLER war. Gegen 23 uhr kamen nochmals Autos durch die Menge gerast. Flaschen flogen hinterher. Wir versuchten die Leute zu beruhigen, die die Flaschen warfen.
Gegen Mitternacht fing das Geschreie an: Riot Police: Rette sich wer kann! Ich war noch am Dispatch vor der Diaz-Schule. Und die Frau mit dem Hund war auch noch bei mir. Aber ich hatte alles um mich herum vergessen und rannte über die Straße zum IMC (ein paar Momente später fühlte ich: warum hab ich die Frau nicht an der Hand mitgenommen?).
Die Polizei stürmte auch 'unser' Gebäude (GSF/ IMC). Ich war im dritten Stock (IMC) und ich konnte Hören wie die Türen eingeschlagen wurden, Stockwerk für Stockwerk, das war nicht wirklich ein gutes Gefühl...
Dan kamen sie — wir alle raus aus den Zimmern, im Gang an der Wand sitzen. Nicht Sprechen! (Nebenbei bemerkte ich daß die Polizei normale Straßenkleider trug unter ihren Uniformen, weiß nicht ob dieses Detail irgendwie von Bedeutung ist...) Später durften wir sprechen, manche fragten die Polizei nach Zigaretten (und bekamen auch welche) usw. Dann irgendwann gingen sie (Es war eine Abgeordnete im Haus und jede menge Presse).
Aber was ich dann sah werde ich nie vergessen. Sofort nachdem die Polizei weg war stürzten wir an die Fenster um zu sehen was draußen abging. Wir sahen die Polizei die Diaz-Schule abriegeln, wir sahen wie einE VerletzteR nach dem/der anderen rausgetragen wurde, wir hörten Geschrei und Schläge. Viele von uns, mich eingeschlossen, begannen zu weinen, und schrien "Assassini!" (Mörder!). Es waren so viele Leute in der Schule, viele Freunde von uns, und die haben sie geschlagen und geschlagen, es war so viel Blut auf dem Boden danach, wir waren danach alle traumatisiert. Das war reiner Faschismus......
Am nächsten Tag waren wir gezwungen Genua fluchtartig zu verlassen. Sonntag mittag fürchteten Leute vom GSF eine neue Polizeiattacke. Wir packten schnellst unser Zeug und fuhren nach Mailand. Dort machten wir mit EA (Ermittlungs-Ausschuss) Arbeit weiter. Am Sonntag Nachmittag gab es eine 'kleine' Demo gegen die Polizeigewalt in Genua und gegen die Berlusconi-Regierung — wie in vielen anderen Italienischen Städten. Es waren etwa 10 bis 15 Tausend Leute auf der Straße, hauptsächlich aus Mailand. Ich fühlte wie wuterfüllt die Leute waren: "ASSASSINI — FINI E BERLUSCONI - I VERI ASSASSINI!", Fini und Berlusconi, die wahren Mörder! Ich trug eine schwarze Armbinde als zeichen der Trauer für den ermordeten und für die verletzten Leute (gegenwärtig wissen wir wenig über die Leute über den erschossenen Carlo hinaus, es gab Gerüchte, daß noch eine Frau angeschossen wurde, und 2 Leute von der Diaz-Schule schwebten zu dem Zeitpunkt noch in Lebensgefahr) Ich trage immer noch die Armbinde und wenn mich Leute danach fragen erzähle ich ihnen über Genua...
so weit meinerseits — aber für euch alle, die ihr in Genua ward, schreibt, was ihr erlebt habt und postet es zu de.indymedia.org und zu http://italy.indymedia.org!