-- HINWEIS: diesen Text bitte so breit es geht streuen, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Entschuldigt, falls ihr ihn öfters erhalten solltet...
Das Projekt einer "Europäischen Sozialen Consulta"
Europaweit vernetzen sich Einzelpersonen, soziale Initiativen, autonome Projekte und soziale Bewegungen, um in einer "Europäischen Sozialen Consulta" eine Alternative zur kapitalistischen Globalisierung und deren negativen Auswirkungen auf das soziale Zusammenleben der Menschen aufzuzeigen: ein europaweiter Diskussionsprozess von unten.
Die "Europäische Soziale Consulta" (consultare (lat.) = beratschlagen) steht klar im Kontext der Proteste von Seattle, Prag und Genua. Diese Städte sind bereits zu Symbolen geworden in einem Kampf der sozialen Bewegungen gegen weltweite Ausbeutung und Unterdrückung. Mehrere zehntausend Menschen gingen dort jeweils auf die Straßen, um ihren Protest gegen das jetzige System eindrucksvoll und entschlossen zu demonstrieren.
Die Consulta ist eine Fortsetzung der weltweiten Proteste gegen neoliberale, kapitalistische Strukturen, die sich auf unser alltägliches Leben auswirken und nach und nach alle Lebensbereiche einer Profitlogik unterwerfen. Genannt seien hier beispielshaft die Umstrukturierung der Arbeitsämter und die geforderte Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, der Wohnungsleerstand und die hohen Mieten, die Umstrukurierung der Städte und Vertreibung von Obdachlosen und "Unangepassten", die Einteilung der Menschen in (wirtschaftlich) "nützliche" und "ausnützende", die Abschottung und Diskriminierung gegenüber MigrantInnen, die Überwachung des sozialen Lebens, die neoliberale Bildungspolitik und der Leistungsdruck in den Schulen und an den Arbeitsplätzen... und nicht zu letzt die kaum noch vorhandene kritische Presse.
Bei den großen und medienwirksamen Protesten gegen die internationalen Treffen der Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft, geht es darum, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die globalen Institutionen des neoliberalen Kapitalismus zu lenken. Dadurch soll die Ungerechtigkeit und Anti-Demokratie der Weltwirtschaft verdeutlicht werden. Es soll exemplarisch aufgezeigt werden, wie die "ökonomische Politik" dieser Institutionen die Armut und Unzufriedenheit der Mehrzahl der Menschen dieser Welt erzeugt. Gleichzeitig ist das Anliegen der verschiedenen sozialen Bewegungen aber auch, den wachsenden weltweiten Widerstand gegen diese kapitalistische Politik zum Ausdruck zu bringen und damit einer globalen Bewegung der verschiedenen sozialen Bewegungen Kontinuität einzuhauchen.
Bis jetzt ist daraus ein weltweiter Diskurs der "Globalisierungskritik"entstanden, der von Universitäten über soziale Initiativen bis in die (unkritische) Presse Einzug gehalten hat. Nichteinmal staatstragende Parteien oder WEF und Co können sich diesem Diskurs noch entziehen, was gleichzeitig auch eine enorme Gefahr in sich birgt. Zu schnell wird solch ein Diskurs vereinnahmt und von Organisationen und Institutionen zu politischen Machtkämpfen zweckentfremdet.
Was dann noch übrigbleibt und in "offizielle Politik" verwandelt wird, ist nicht viel und läßt den Traum einer anderen Welt schnell platzen. Als Beispiel kann der "Weg durch die Institutionen" der Grünen-Partei genauso genannt werden, wie der Seitenwechsel der Gewerkschaften vom Sprachrohr und Kampforgan der ArbeiterInnen zu einem "offiziellen Mitarbeiter" der Regierung und Wirtschaft in Sachen Sozialabbau. Dies zeigt insbesondere das Engagement der Gewerkschaften im "Bündnis für Arbeit" sehr deutlich, die darin eine gemeinsame Politik des Sozialabbaus zusammen mit der Regierung betreiben.
Die "Europäische Soziale Consulta" will hier ansetzen. Sie ist weder eine Organisation, noch erhebt sie Vertretungsansprüche. Vielmehr stellt sie einen vernetzten, kollektiven Diskussionsprozeß dar, der von den betroffenen Menschen selbst initiiert und weitergetragen wird, ohne ihre Stimmen an VertreterInnen abzugeben. Deshalb werden eurpoaweit Einzelpersonen, soziale Initiativen, autonome Projekte und soziale Bewegungen aufgefordert zusammenzukommen, um miteinander der kapitalistischen Globalisierung von oben, ein Projekt der sozialen Globalisierung von unten entgegenzusetzen.
Dieses Projekt soll nicht versuchen Einfluß zu erringen oder kleine Verbesserungen zu erreichen. Vielmehr geht es bei der "Europäischen Sozialen Consulta" darum, über die breite, horizontale Vernetzung möglichst vieler und unterschiedlicher, fortschrittlicher und betroffener Menschen, Gruppen und Bewegungen konkrete Ideen und Projekte einer anderen Welt entstehenzulassen.
Aus Barcelona kommt der Vorschlag, dabei in drei Schritten vorzugehen: Zunächst die Idee der Consulta einer möglichst breiten Öffentlichkeit bekanntzumachen. Als nächster Schritt lokale Hearings oder Versammlungen einzuberufen, um zusammen mit allen interessierten Menschen aus einem möglichst breiten Spektrum der Gesellschaft (v.a. denjenigen, die bis heute keine politische Stimme haben oder nicht wahrgenommen werden) zusammenzukommen und in einem langfristigen Projekt zu überlegen und zu diskutieren, wie eine andere Welt möglich ist.
Es ist ein "utopisches" Projekt, doch in einer Zeit wie dieser, die durch anhaltenden Sozialabbau, Krieg, Repression und Einschränkungen der Meinungsfreiheit gekennzeichnet ist, wird es den Menschen schwer gemacht, Alternativen zu entwickeln. Nicht nur deshalb ist die Consulta ein vielversprechender Versuch zusammenzukommen, um verschiedene Erfahrungen und Ideen auszutauschen.
Wie bereits beschrieben ist das Ziel des Projektes, keine Beratung der PolitikerInnen und Wirtschaftsbosse, sondern eine Alternative zu ihrem jetzigen System und ihrer Politik aufleben zu lassen. Und diese Alternative birgt der Prozeß in sich. Dieser soll die Möglichkeit einer offenen, horizontalen Selbstorganisierung der Menschen in lokalen Versammlungen ermöglichen und erfahrbar machen. Die lokalen Versammlungen selbst sind dabei autonom und beschäftigen sich v.a. mit den Problemen vor Ort, stellen diese jedoch gleichzeitig in einen breiteren, globalen Zusammenhang und durch eine europaweite dezentrale Vernetzung auch in eine breitere, europaweite (im besten Falle natürlich globale) Diskussion.
Als nächster gemeinsamer und europaweiter Schritt ist angedacht, parallel zur Wahl des EU-Parlaments, bei der die Wahlbeteiligung in Deutschland bekannterweise bei weit unter 50% liegt, ein europaweites Treffen aller engagierter Menschen, Initiativen, autonomer Projekte, sozialer Bewegungen und den lokalen Versammlungen einzuberufen. Dort sollen die verschiedenen lokalen Diskussionsprozesse zusammengeführt und damit das jetzige politische System in Frage gestellt werden. Gleichzeitig wird eine Alternative der sozialen Vernetzung von unten aufgezeigt werden. Eine Alternative, die auf Partizipation statt Hirarchien setzt. Eine Alternative, die auf Selbstbestimmung statt Machtklüngelei setzt.
Als weiterer Effekt entstehen aus dem Prozess der "Europäischen Sozialen Consulta" Netzwerke des Austauschs und der Solidarität. Durch den Austausch unter verschiedenen Gruppen und Menschen können neue Ideen entstehen, die Freiräume und konkrete Projekte ermöglichen. Außerdem entstehen durch die Vernetzung neue Mobilisierungsmöglichkeiten für große Aktionen und Proteste, sowie Ansatzpunkte des kollektiven Handelns über bisherige politische und gesellschaftliche Schranken und Grenzen hinweg.
Das Projekt steht und fällt mit der aktiven Beteiligung möglichst verschiedener Menschen und Gruppen. Wie es sich entwickelt ist völlig offen und hängt von den beteiligten Gruppen ab.
Ein erster Kontakt kann über die E-Mail-Adresse consulta-berlin@gmx.net hergestellt werden. Außerdem gibt es jetzt auch eine Mailingliste zur besseren Vernetzung und Koordination, an der sich möglichst viele Menschen beteiligen sollten. Einschreiben könnt ihr euch, indem ihr eine leere E-Mail an consulta_de-subscribe@yahoogroups.de sendet.
Auf www.consultaeuropea.org entsteht eine internationale Homepage, die den Prozess der Consulta begleiten soll. Dort entstehen auch deutsche Übersetzungen der bisherigen Vorstellungsdokumente der Consulta.
Dieser Text ist frei verwendbar. Es ist ausdrücklich erwünscht ihn so breit wie möglich zu verbreiten, sowie eigene Artikel über die "Europäische Soziale Consulta" zu verfassen oder Diskussionen bzw. Kritik daran zu veröffentlichen. Für Interviewanfragen, weitere Informationen und alles andere könnt ihr euch am besten an die Mail-Adresse der Berliner Initiativgruppe wenden: consulta-berlin@gmx.net.
Nochmal: Die Consulta versteht sich als Prozeß, insofern kann der vorliegende Text nur als ein aktueller Diskussionsstand verstanden werden. Es ist also auch eins der zentralen Anliegen der Consulta, daß ihr euch zusammenschließt und Gruppen bildet, um gemeinsam zu diskutieren und Ideen zu entwickeln. Nur wenn das gelingt und wir uns wieder kennenlernen und uns über unsere Situationen, Probleme und Erfahrungen austauschen, kann sich aus der Consulta viel entwickeln und entsteht Raum zum Träumen und Kraft zum Kämpfen.
Außerdem: Es werden noch ÜbersetzerInnen für die internationale Website gesucht! Bitte meldet euch auch unter: consulta-berlin@gmx.net
Unser Leben ist noch nicht komplett verkauft, doch es kommt darauf an dafür zu kämpfen, nur so können wir leben!
im März 2002
Consulta-Initiativgruppe Berlin.