Dieses Briefing von CEO über die Unternehmensagenda vor dem Hintergrund der Verhandlungen über einen internationalen Investitionsvertrag wurde zusammengetragen von Belen Balanya, Ann Doherty, Olivier Hoedeman, Adam Ma'anit und Erik Wesselius.
Die englischsprachige Originalausgabe von MAIGALOMANIA ist im Internet (einschließlich direkter Links zu den Quellen) erhältlich über die CEO-Web-site www.corporateeurope.org
Übersetzung von Andreas Rockstein
Geheimhaltung, Hast und Intrigen haben die Verhandlungen zum Multilateralen Investitionsabkommen (Multilateral Agreement on Investment - MAI) geprägt - dzten Jahrzehnts zustande kamen - die Welthandesorganisation (WTO), das NAFTA, die Europäische Union, Mercusor etc. - erblassen angesichts des uns bevorstehenden MAI.
- "Investition ist eine wünschenswerte und erwünschte Sache... Nichtsdestotrotz finden Regierungen dies manchmal noch bedrohlich, weil die freie und direkte Investition deren Möglichkeit eingrenzt, die Bestimmung ihrer Wirtschaft zu kontrollieren und zu gestalten. Dies ist ein niedriger Preis, den es zu zahlen gilt, um dem privaten Sektor zu erlauben, selbst Entscheidungen zu treffen, um weltweites Wohlergehen der Wirtschaft zu erreichen. Aber dies ist ein Preis, den manche Regierungen in manchen Bereichen noch nicht zu zahlen bereit sind. Das ist eine Tragödie".[1]
- (Sir Leon Brittan, Europäischer Kommissar)
- "Das Übergewicht von Restriktionen auf ausländischen Investitionen liegt außerhalb des OECD-Bereichs ... Das Geschäftsleben braucht das Wohlergehen eines internationalen politischen Systems um die schnell wachsenden Länder Asiens, Mittel- und Osteuropas und Lateinamerikas mit einzuschließen"[2]
- (Internationale Handelskammer zum MAI)
Eine Analyse der Kräfte, die hinter den modernen Handels- und Investitionssystemen stehen, ergibt, daß es die transnationalen Konzerne (TNCs) sind - die sowohl in nationalen als auch internationalen Verbänden agieren - die die aktiven Befürworter des Öffnens von Märkten und des Abbaus von Handels- und Investitionsschranken sind. Das ist sicherlich der Fall bei den laufenden OECD-Verhandlungen zum MAI. 477 der 500 weltgrößten TNCs haben ihren Sitz in OECD-Ländern und die meisten von ihnen sind organisiert in Verbänden wie der Internationalen Handelskammer (ICC), dem US Council for International Business (USCIB) und dem European Roundtable of Industrialists (ERT). All jene Unternehmens-Lobbyverbände sind direkt oder indirekt involviert in die Gestaltung des MAI. Der Grund für deren Interesse an einem weltweiten Investitionsvertrag, der mehr den Ländern der Dritten Welt als den OECD-Staaten gilt, die dieses Abkommen aushandeln, ist im zunehmenden Prozentsatz von Unternehmensinvestitionen zu finden, die in südliche Richtung fließen.
Überdies sind die TNCs mit den neoliberalen Politikern aufs Engste verbündet, die in den meisten ihrer Heimatländer an der Regierung sind, und spielen gewöhnlich sowohl in der nationalen als auch in zunehmenden Maße in der internationalen Politik eine gewichtige Rolle. Der Abschluß der Uruguay-Runde und die Bildung der Welthandelsorganisation (WTO) im Jahre 1984 war ein großer Sieg für die TNCs, die sich zusammen mit ihren Regierungen für den Abbau nationaler Schranken für den Transfer von Gütern und Dienstleistungen einsetzten. Die nächste logische Forderung war die Erstellung eines Vertrages, der - indem er Investitionsschranken aufhebt - den Investoren ein sogenanntes weltweites "level playing field" bereitstellt. Die vielfältigen Vorkehrungen dieses multilateralen Investitionsabkommens stellen höchst ideale Investitionsbedingungen für die TNCs sicher - einschließlich homogener und transparenter, legaler und vorschriftsmäßiger Rahmenbedingungen, der Angleichung verschiedener lokaler und nationaler Bedingungen, und - als bestes von allem - dem Recht auf Entschädigung wenn der Gewinn oder der Ruf eines Unternehmens geschädigt wird.
Das Abkommen wird den TNCs umfassende neue Vollmachten garantieren und gleichzeitig den Regierungen das Recht in Abrede stellen, ausländische Direktinvestitionen in ihrem Land zu kontrollieren. Die Regeln und Regulierungen, die ausländische Investitionen hindern und unter dem MAI abgebaut werden sollen, sind oft solche, die Arbeitnehmer und Arbeitsplätze, öffentlichen Wohlstand, heimisches Geschäftsleben, Umwelt und Kultur schützen. Indem aber das MAI nationale und lokale Prioritäten für die Bedürfnisse ausländischer Investoren untergräbt, stellt es einen gefährlichen Angriff auf demokratische politische Prozesse dar. Die Wirkung wird verheerend für ärmere Länder sein, die keine Chance haben werden, eine ausgewogene Ökonomie aufzubauen, vielmehr bricht sie ihr Vertrauen in den Export von Rohstoffen und das Herausziehen der Ressourcen im Dienst der industrialisierten Länder und deren Unternehmen. Konsequenzen, die die OECD-Länder selbst ebenso dramatisch auseinanderbringen werden.
Der Widerstand der Dritten Welt gegenüber dem MAI und anderen Versuchen, eine dem MAI entsprechende Politik aufgebürdet zu bekommen, ist beachtlich. Gleichzeitig mit dem Beginn der OECD-Verhandlungen zum MAI versuchte die EU einen eiligen Start für einen MAI-geklonten Vertrag, MIA genannt, der in der Welthandelsorganisation durch Länder wie Indien und Malaysia blockiert wurde. Wie auch immer, diese konnten nicht die Bildung einer WTO-Arbeitsgruppe zu Investitionen verhindern - innerhalb derer die EU und andere fortfahren, auf den Beginn der MIA-Verhandlungen zu drängen. Die OECD-Länder haben eine facettenreiche Strategie angewendet, ihr Ziel der Investitions-Deregulierung im Süden zu erreichen, eingeschlossen das Locken von Dritte Weltländen, das MAI zu unterzeichnen, sich einen Investitionsvertrag im WTO-Rahmen warmzuhalten, und andere internationale Institutionen wie UNCTAD und IMF (Internationaler Währungsfond) zu nutzen, um ihre Interessen zu fördern.
Die allerjüngste Offensive für Investitions-Deregulierung wurde vom EU-Kommissar Sir Leon Brittan angekündigt, der Anfang Februar dieses Jahres die Welt darüber informierte, daß Verhandlungen über eine die EU und die USA umfassende transatlantische Freihandelszone bereits im Mai 1998 begonnen werden könnten. [3]
Nach den ruhig verlaufenen ersten eineinhalb Jahren der Verhandlungen begann Anfang 1998 für das MAI eine steinigere Phase. Probleme entstanden infolge dessen, daß OECD-Länder eine zunehmende Anzahl von Vorbehalten und sektoralen Ausnahmen einforderten und auch durch die rasche Ausbreitung von Anti-MAI-Kampagnen in einem OECD-Land nach dem anderen. Obschon ernsthafte Vorbereitungen zum MAI bereits 1991 begannen, beklagen Nicht-Regierungs-Organisationen, die sich für Umweltschutz, Entwicklungshilfe und Frauenrechte einsetzen, daß sie, obwohl vom MAI betroffen, bis Oktober 1997 nicht berücksichtigt worden sind. Die Verhandlungsführer sind nun in einen Wettlauf gegen die Zeit verwickelt mit dem Auftrag, jeden weiteren Aufschub des Verhandlungsabschlusses zu meiden, eine Verzögerung, die den Todeskuß für das MAI bedeuten könnte. Das wäre in der Tat ein "happy ending" für ein Vertragswerk, das seine Unterzeichner für 20 Jahre an das ökonomische Modell eines losgeketteten "freien" Weltmarkts festbinden würde. Das wäre jedenfalls ein Grund, den Fall eines Vertrages zu feiern, der den Druck des Wettbewerbs auf Löhne und Politik verstärken, Verlegungen erleichtern und eine Politik verbieten würde, die dringend gebraucht wird, um lokale Ökonomien zu stärken und die allgemeine Abhängigkeit von transnationalen Konzernen zu reduzieren.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist eine internationale Regierungsorganisation mit 29 Mitgliedstaaten. Mehr als einfach eine regionale Körperschaft definiert sich die OECD selbst als "eine homogene Einheit", in der sich die Mitgliedstaaten ähnliche wirtschaftliche und politische Ideologien teilen. [4] Mitglieder sind alle EU-Staaten sowie die Schweiz, Norwegen, Island, die Tschechische Republik, Ungarn, Polen, die Türkei, Australien, die Vereinigten Staaten, Kanada, Japan, Südkorea, Mexiko und Neuseeland.
OECD-Entscheidungen fallen innerhalb eines "Systems von Konsensbildung mittels Gruppendruck" [5]. Im wesentlichen heißt das, daß sich Mitgliedstaaten versichern, daß andere Mitglieder sich mit der aktuellen OECD-Politik und Richtung auf einer Linie befinden. Vieles von dieser Politik und diesen Richtlinien ist ein Produkt verschiedener Komitees, die sich darum bemühen, "ein Netz kompatibler Politik und Praktiken über die Länder zu knüpfen, die ein Teil einer immer stärker globalisierten Welt sind."
Obschon oft beschrieben als ein "Gedanken.Tank" ("think tank") für die Regierungen ist die OECD in der Tat mehr als das. Mitgliedstaaten senden Experten und politische Entscheidungsträger um an Spezialistengruppen und Komitees über ungefähr 200 Sachgebiete teilzunehmen. Solche Komiteediskussionen enden oft in formalen Verträgen und Abkommen in Bereichen wie internationale Investitionen, Kapitaltransfer und Umweltpolitik.