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Es war einmal hinter den sieben Bergen im verschneiten Davos. Dort versammelten sich wie jedes Jahr die selbsternannten Könige, Prinzen und Gutbetuchten aus aller Herren Länder mit ihrem ganzen Hofstaat im altehrwürdigen Kongresszentrum zu Davos (Edelfrauen waren wie immer nur ganz wenige dabei). In der Abgeschiedenheit ihrer Zeuberberge fanden sie sich ein, um über die Geschicke ihrer Untergebenen, deren Frauen und deren Kinder zu entscheiden. Um bei diesem schwierigen Vorhaben vom Erfolg gekrönt zu werden, hatten sie den Geist von Davos angerufen. Es war nämlich wirklich keine einfache Angelegenheit, dem Fussvolk den Schein einer heilen Welt vorzugaukeln. Der Geist in den Bergen half ihnen sehr dabei, die Stimmung in den schwindelerregenden Höhen zu vergolden und eine Atmosphäre von Ritterlichkeit und Ehrenhaftigkeit herbeizuzaubern. Aber auch wenn die höfischen Verleser der königlichen Botschaften ihr allerbestes taten, kam es immer wieder vor, dass die strahlende Atmosphäre, die die Herrscher gerne verbreitet hätten, dem Volk nicht glaubhaft werden konnte.
Viel Ungemach bereitete den Weltenführern überdies, dass ihre Rechnung vom Spiel der freien Märkte nicht restlos aufging. Damit sie trotz solcher Widrigkeiten den Lauf der Dinge in ihrem Sinne im Griff behalten konnten, hatten die Weltenführer ein weit verzweigtes und ausgeklügeltes Netz von solch exklusiven Zusammenkünften geknüpft. Diese Zusammenkünfte tauften sie World Economic Forum, kurz: WFE. In Frage für eine Teilnahme an diesen Treffen kam nur, wer genug Goldstücke hatte, wessen Schloss und Festung groß genug war und wer seine Untertanen und die Naturgewalten in seinem Imperium in Schach halten konnte. Längst nicht alle, die wollten, gehörten zum erlauchten Kreis der Auserwählten und kamen in den Genuss, an diesen Zirkeln teilzunehmen.
Dieses Netzwerk war den exklusiven Kreisen unentbehrlich, waren sie doch von der unersättlichen Gier getrieben, sämtliche Reichtümer und Schätze dieser Welt in ihren Schatztruhen vereinen zu wollen. Denn niemand anders als sie selbst sollte sich daran ergötzen können.
Die Herrschenden waren angewiesen auf Abermillionen von Menschen, die sich den Reichtum der selbsternannten Könige vom Mund absparten. Sie waren angewiesen auf gehorsame und genügsame Bewohner und Bewohnerinnen aller Erdteile, im Süden und im Norden, im Osten und im Westen. Bei der Aufgabe, sich das Menschengeschlecht gefügig zu halten, hatte sich das jahrhundertealte Prinzip des <
Diejenigen, die sich in diesem von den Potentanten zu Davos entworfenen Weltengebilde keinen Platz ergattern konnten oder wollten, waren überflüssig. All diese Tunichtgute und Taugenichtse wurden vom Hofhexer nullkommaplötzlich in garstige Frösche verwandelt. Sie hatten nämlich in der Scheinwelt der Herrschenden und deren Geister, sei es nun in den verschneiten Bergen oder sonst irgendwo auf der Welt, nichts verloren.
Das war einmal hinter den sieben Bergen im verschneiten Davos. Dort versammelten sich wie jedes Jahr die selbsternannten Könige, Prinzen und die Gutbetuchten aus aller Herren Länder mit ihrem ganzen Hofstaat im altehrwürdigen Kongresszentrum zu Davos.
Und weil sie nicht gestorben sind und sich auch dieses Jahr wieder treffen, gehen auch wir nach Davos. Wir haben genug von ihrem faulen Zauber — wir brechen den Bann der bösen Geister, denn wir wollen nicht, dass diese Geschichte so weiter geht!
Darum: Auf nach Davos! Stürmen wir die Gipfel!
Anti-WEF-Demo, 30. Januar 1999, Davos-Dorf, Parsenn Talstation, 16.00 Uhr
Anreise individuell und unbedingt in Wintersportausrüstung — um nicht von vornherein aufzufallen!!
PS: Letztes Jahr war das Wetter unglaublich zauberhaft.
-------- Rückseite ---------
Szenerie:
Davos, ein Winterkurort mit Prestige in den Schweizer Bergen. Genauer findet die Handlung des Stückes in 5-Sterne-Hotellobbies, im Kongresszentrum oder gar bei einem Café Luz auf der Piste statt. Am World Economic Forum (WEF) in Davos treffen sich unter massiven Sicherheitsvorkehrungen 2000 selbsternannte <
Personen:
Der Geist von Davos: Wesen, geschaffen durch und für die...
...2000 selbsternannte Global Leaders: Filzokratie aus Wirtschaft, Politik, Medien, Wissenschaft und Kultur mit ihren privaten Bodyguards. Präsidiert durch Helmut O. Maucher, seines Zeichens Verwaltungsratspräsident von Nestlé, Präsident der Internationalen Handelskammer ICC...
Sponsoren mit uneingeschränktem Mitspracherecht: ABB, Amaco, du Pont, Coca Cola, CNN, Deutsche Börse, Mobil, Nestlé, Price Waterhouse, UBS...
Sicherheitsapparat: zusammengezogen aus der ganzen Region, gut aufgerüstet; wahlweise per Helikopter, bewaffnet auf Hoteldächern, zu Fuss in Patrouillen auf den Straßen — in Montur, in Uniform oder in Zivil...
Medien: JounalistInnen aus allen Kontinenten, um die Weltöffentlichkeit mit ihren Frontseitenglanzgeschichten einzudecken.
Ungeladenen Gäste und StatistInnen: Menschen, die in Davos wohnen; Menschen, die in Davos arbeiten und solche Kongresse durch ihre Arbeit erst ermöglichen; Menschen aus anderen Ländern, die in den Davoser 5-Sterne-Hotels zu miesen Löhnen kochen, putzen, Betten machen, Männerhemden bügeln...; Menschen, die in Davos ihrem Lieblingswintersport nachgehen...
Ungebetene Gäste, Rebellinnen und Rebellen: Frauen und Männer, die sich gegen die zerstörerischen Machenschaften der Global Leaders wehren, sei es im Alltag oder an Gepfeltreffen wie z. B. in Genf (WTO '98), in Davos (WEF '99) oder in Köln (EU und G8 '99)... Frauen und Männer, die die Arroganz, welche die selbsternannten, meist männlichen Global Leaders gerade in Davos an den Tag legen, nicht länger akzeptieren wollen. Frauen und Männer, die den Verelendungsspezialisten, Profiteuren und Massenmördern, Rassisten und Sexisten wenigstens einen Tag, besser aber jeden Tag, die gewohnte Ruhe vermiesen wollen.
Auf nach Davos! Stürmen wir die Gipfel!
Anti-WEF-Demo, 30. Januar 1999, Davos-Dorf, Parsenn Talstation, 16.00 Uhr
Anreise individuell und unbedingt in Wintersportausrüstung — um nicht schon von vornherein aufzufallen!!!
PS: Letztes Jahr war das Wetter unglaublich zauberhaft.